zurPolitik.com   /     Hat Googles Eric Schmidt vor PRISM oder PRISM 2 gewarnt?

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Hat Googles Eric Schmidt vor PRISM oder PRISM 2 gewarnt?

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Duration
00:00:00
Publishing date
2013-07-07 13:28
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http://zurpolitik.com/2013/07/07/hat-googles-eric-schmidt-vor-prism-oder-prism-2-gewarnt/
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Contributors
  Tom Schaffer
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Shownotes

Das Offensichtlichste zu PRISM & Co. wurde glaube ich schon gesagt. Wie furchteinflößend, missbrauchsanfällig und unfassbar empörend diese flächendeckende, klandestine Überwachung einerseits ist. Und natürlich von anderer Seite, welche nicht nur perfiden Motive (auch) dahinterstecken. Mir ist nur ein kleiner Einfall gekommen, den ich kurz ergänzen wollte.

Ich habe mich nämlich an den bemerkenswerten Zufall erinnert, dass Google-CEO Eric Schmidt wenige Wochen vor den Enthüllungen von Edward Snowden mit seinem neuen Buch durch die halbe Weltgeschichte gereist ist. (“Die Vernetzung der Welt” / Original: “The New Digital Age” (Partnerlinks)). Der Independent schrieb darüber folgendes:

Yet at heart, the book is a sober examination of what current technological trends mean for our future. That includes the ability of repressive governments to turn every smartphone into a bugging device; the breakdown of privacy; the danger of countries setting up their own, censored versions of the internet;

More broadly, Schmidt and Cohen do have plenty of warnings about the way things are going – for instance, over governments’ tendency, even in democracies, to increase surveillance of the population. “You have to fight for your privacy, or you will lose it,” Schmidt insists. “Whenever there’s a conflict, the logic of security will trump the right to privacy.”

Das Buch ist mir deshalb eingefallen, weil ich darüber diskutiert und gelesen habe, wie man mit PRISM & Co eigentlich umgehen sollte. Ob es reicht, sich in kritischen Fällen der elektronischen Kommunikation zu entziehen, nur noch über TOR im Web zu surfen und alle E-Mails zu verschlüsseln. Aber das wäre ein Trugschluss, der in ein ewiges Rückzugsgefecht münden würde und die eigene Überwachung erschweren, aber wohl nicht dauerhaft unterbinden könnte.

Als das Buch herauskam, habe ich ein Guardian-Interview mit Schmidt gelesen. Insbesondere fiel mir diese Passage wieder ein:

“A classic example is that a team built a facial-recognition tool. It was just really good – state of the art at the time. We stopped that product for two reasons. One is that it turned out to be illegal in Europe and the second was that it was not a good product to offer in the US for the same reasons. So we didn’t do it.”

What stopped it in the US?

“Our judgment. I made the decision; I was literally in the room. Facial recognition, completely unmonitored, can be used for very bad things.”

[…]

He warns of the dangers of combining London-style traffic cameras with this technology. “You could imagine the sort of aggressive, obnoxious autocrats saying, ‘Well, we need this to keep our people under control’, and once those things are in place, they’re very hard to turn off. They really are.”

Ich glaube, ich möchte dieses Buch jetzt lesen. Diese Worte wirken heute noch bestechender als vor knapp zwei Monaten. Und dass dieses Thema von Eric Schmidt so prominent aufgegriffen wurde, wirft natürlich durchaus erneut die Fragen auf: Wie viel davon war Vorausahnung? Wie viel wissen Unternehmen wie Google von dieser Überwachung?

Wichtiger als das ist der Blick nach vorne, das Weiterdenken des Status Quo. Alles, was diese Überwachungsprogramme derzeit können, ist nicht das Ende der Fahnenstange. Was in Produkten der Popkultur wie Staatsfeind Nummer 1 (Film, 1998), Person of Interest (Serie 2012) oder Watch_Dogs (Spiel, 2013) gerade noch als übertriebene, ferne Techno-Fantasie erschien, wird in kürzester real sein, falls man dieser globalen Präventivspionage-Kultur nicht schleunigst Einhalt gebietet. Die Dystopien aus Büchern wie 1984 gereichen all dem nur in der Aggressivität der Unterdrückung, im Potential der flächendeckenden Überwachung ist Orwell wohl längst überholt. Aber dass wir derzeit nicht in einem Ozeanien, Eurasien und Ostasien (Partnerlink) leben, kann ja wohl kein Trost sein.

Heute das Handy, morgen das Gesicht

Derzeit scheint es bereits technisch möglich zu sein, unsere elektronische Kommunikation aufzunehmen, zu speichern, automatisiert zu analysieren und Bedrohungen herauszufiltern. Wir wissen auch, dass unsere Handys unsere ungefähren Bewegungsabläufe aufzuzeichnen. (Ob das Umfunktionieren eines Telefons in eine Wanze schön möglich ist, weiß ich nicht, aber wenn nicht, scheint der Weg dorthin kurz zu sein. [Experten zum Kommentar gebeten ;)])

All diesen Missbrauchsgefahren ist in einer modernen Welt schwer auszuweichen. Man stelle sich die nahezu nahtlose Überwachung vor, wenn derartige Profile kombiniert und auch noch mit einer vernetzten Videoüberwachung mit Gesichtserkennungssoftware ergänzt werden, wie Schmidt das anspricht (oder was wäre, wenn die Xbox Kinect-Skeptiker am Ende noch Recht hätten).

Wenn man all das schreibt, kommt man sich immer noch ein bisserl vor, wie ein paranoider Verschwörungstheoretiker. Es wäre schön, wenn man all diese Befürchtungen noch mit derselben Ruhe betrachten könnte, wie vor zwei Monaten, als man Dinge ahnte, aber sie nicht wusste. Als man noch hoffen konnte, dass Staaten vorrangig so unbeholfen sind, wie Schnappsideen wie Domain-Sperren und fehlgeschlagene “Bundestrojaner” es vermuten ließen.

Ich denke nicht, dass die realen Programme und Tendenzen zwangsläufig sofort in einen aggressiven Polizeistaat mit permanenten Zugriffen auf Kritiker führen müssen. Das wäre nur der Worst Case. Jene Leute, die diese Programme entwickeln und vorantreiben, müssen noch nicht einmal auf eine derartige Vision hinarbeiten. Aber die Weiterentwicklung der Überwachung schafft Schritt für Schritt die Möglichkeit zu einem derartigen Gebrauch. Und mit jeder Möglichkeit die genutzt wird, schreitet auch die dahinterstehende Überwachungskultur ein bisschen weiter in Richtung Abgrund. Beim ersten Mal ist etwas noch ein Tabubruch, beim zweiten Mal eine Ausnahme, beim dritten Mal wird es normal und irgendwann wackelt das nächste Tabu.

Wer Vertrauen in die Machthaber einfordert, muss aller Zukunft vertrauen

Der Clou mit kritischen Werkzeugen der Macht ist, dass ihr Missbrauch möglichst erschwert werden sollten. Kein Zweifel: Eindringliche, weitreichende Überwachung ist in Einzelfällen gegen Terroristen und Kriminelle nötig. Aber das muss in einer freien Gesellschaft an “Checks and Balances” geknüpft sein. Etwa an das Einverständnis unabhängiger Richter auf Basis konkreter Verdachtsmomente aus guter Polizeiarbeit, gedeckt durch rigorose Gesetze, die den (noch nicht) Angeklagten im Zweifel schützen. Ein System, das prinzipiell immer jeden überwacht und das von vielen missbraucht werden kann, ist aus bürgerrechtlicher, rechtsstaatlicher und liberal-demokratischer Sicht inakzeptabel. Wie sehr wir immer weiter ohne jede Diskussion in dieses Gebiet schlittern ist in der Tat vertrauenserschütternd.

Heutige Regierungen und Geheimdienste fordern Vertrauen ein. Diese Werkzeuge werden in guter Absicht genutzt. Und mancher will ihnen das auch glauben oder zumindest nicht das Schlimmste unterstellen. Doch selbst wenn wir unseren Regierungen nur das Beste und Nobelste unterstellen, sind wir auch sicher, dass diese Tools auch alle zukünftigen Machthaber haben sollten? Denn es werden auch andere kommen. Und sie werden diese (und bessere) Werkzeuge haben, wenn niemand damit beginnt, endlich eine Grenze zu ziehen – und vor der Grenzziehung am Besten zuerst ein paar Schritte zurück macht.

Fotocredit: status6, CC2.0 BY-NC-SA

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