"Das wird unausweichlich dann zu einer beträchtlichen Verteuerung der Postpakete führen müssen" - der Vorsitzende der Deutschen Postgewerkschaft, Kurt van Harren, spricht über die möglichen Auswirkungen der PostreformEin Wechsel von einem Telefonnetzanbieter zum anderen ist heute so selbstverständlich wie das weltweite Versenden von Mails, einen Telefonapparat kann man heute bei jedem beliebigen Discounter erwerben, und das Angebot"Festnetz-Flatrate" machte ebenfalls schon die Runde und ist jedem ein Begriff. Konkurrenz und Wettbewerb bestimmen heute den Telekommunikations- und Postmarkt. Doch noch bis zum 1.7.89 war dem nicht so. Denn erst ab diesem Tag trat ein Gesetz in Kraft, das dem Kunden diese spätere Freiheit und Vielfalt bescherte. Viel"Kommission" und ein zähes Ringen Zunächst brauchten aber verschiedene Kommissionen von Experten aus Wirtschaft und Politik drei Jahre Zeit, um einen Reformweg für die Bundespost aufzuzeichnen. Nach den Empfehlungen der Berater sollte"der gelbe Riese" mit seinen fast 540.000 Beschäftigten in drei öffentliche Unternehmen aufgeteilt werden und strukturell"umgekrempelt" werden. Doch das, was der damalige Postminister Christian Schwarz-Schilling als Gesetzesentwurf vorlegte, rief eine breite Diskussion hervor. Die Pläne des Postministers wurden sowohl von der Opposition wie auch in den eigenen Reihen kritisiert. Die SPD kritisierte vor allem die Aufteilung des Unternehmens, denn sie sah darin die Gefährdung der Leistungsfähigkeit der Post. Die"Grünen" beklagten, dass die Post der Privatwirtschaft"zum Fraße vorgeworfen" wird ("Neue Zürcher Zeitung" vom 22.4.89). Die Reformabsichten riefen auch die Postgewerkschaft auf den Plan, die vor allem Einschnitte im personellen Bereich befürchtete. Kritik kam auch seitens der Privatwirtschaft, der die Liberalisierung des Postwesens nicht weit genug ging, was auch der damalige Wirtschaftsminister Martin Bangemann monierte. Der damalige Finanzminister Gerhard Stoltenberg sah dagegen schon den alljährlichen Geldsegen aus den Gewinnen der Post dahinschwinden und sein Kollege im Innenministerium, Friedrich Zimmermann, meldete Bedenken hinsichtlich des öffentlichen Dienstrechts. Als Ergebnis von zahlreichen Kompromissen kam schließlich ein Reformpaket heraus, das die damalige Presse einstimmig zu einer Fehlkonstruktion abstempelte. Die drei Säulen Die Reform sah nun vor, dass das Postunternehmen in drei selbständige Konzerne gesplittet wird: in die so genannte"gelbe Post", die auf dem Sektor der Postzustellung tätig wird, in die Postbank und in ein Telekommunikationsunternehmen. Und die Reform sah ebenfalls ein anderes Novum vor: das seit 1928 unverändert bestehende Monopol des Staates sollte begrenzt werden – so wurde etwa der Markt für Endgeräte für Privatanbieter geöffnet. Der Staat sicherte es sich lediglich in wenigen, aber zugleich wichtigen Bereichen, etwa beim Netz- und Telefondienstmonopol. Alle drei Unternehmen sollten auch genügend finanziell ausgestattet werden, um in den nun anstehenden Konkurrenzkampf mit den privaten Anbietern zu ziehen. Die bis dahin defizitäre"gelbe Post" sollte nach den Plänen von Christian Schwarz-Schilling endlich Gewinne erwirtschaften. Eine Umstrukturierung der Aufsichtsräte war ebenfalls vorgesehen, was die Presse dazu verleitete, die Entstehung"vieler gut bezahlter Pöstchen" zu kritisieren ("Frankfurter Rundschau" vom 1.7.89) oder auch"Chaos, Vitamin B und goldene Nasen" bei der Reform zu konstatieren ("Stern" vom 1.7.89). Noch weit vor dem Inkrafttreten der Reformgesetzte war sich die Presse darin einig, dass diese Reform nicht die erwarteten Verbesserungen mit sich bringt. So schrieb etwa"Der Spiegel" bereits am 13.2.89:"Selten klafften in Bonn Wort und Taten so weit auseinander wie bei der so genannten Postreform des Christian Schwarz-Schilling.'Die Situation der Post’ könne sich, so befand der Verband der Postbenutzer, durch das Reformwerk ‚nur verschlechtern.'" Im Dezember 1987 hat sich DW-Mitarbeiter Axel Brower-Rabinowitsch mit dem Thema"Postreform" in einem Feature auseinander gesetzt. Andreas Zemke Redaktion: Diana Redlich