Auch Lesben, Pansexuelle und Trans-Menschen spielen Videospiele. Doch werden ihre Erfahrungen und Sichtweisen in Games überhaupt abgebildet? Im Schwulen Museum Berlin arbeitet man an einer Ausstellung zum Thema. Wir sprechen mit einem der Kuratoren über Geschichte, Gegenwart und Zukunft queerer Videospiele. Zeitmarken: 00:00:00 Worum geht's bei der Ausstellung Rainbow Arcade? 00:03:40 Wie wollen wir über dieses Thema sprechen? 00:09:10 Wie weit zurück reicht die Historie queerer Videospiele? 00:18:00 Queere Charaktere in Spielen: Mass Effect, Dragon Age, Fable, Dream Daddy, The Last of Us, A Normal Lost Phone ... 00:50:58 Interview mit Allan Cudicio von Wooga Games 01:02:30 Ende vom Interview 01:07:00 LGBTQi-Spieletipps: Caper in the Castro, Gone Home, Butterfly Soup, Genital Jousting Das Transkript des Interviews mit Allan Cudicio: Christian: Ich bin hier mit Allan Cudicio, Lead Designer bei Wooga Games in Berlin. Hi Allan. Allan: Hi, wie geht’s? C: Mir geht’s gut, vielen Dank, dass du dir die Zeit nimmst. Könntest du mir erst mal erzählen, wo du arbeitest und welches Spiel du gerade machst. A: Ich arbeite gerade für Wooga. Das ist eine große Casual- und Mobile-Game-Firma. Wir machen Spiele, in denen man versteckte Objekte finden muss, Puzzle-Spiele und neuerdings auch narrative Spiele. C: Wir sprechen ja heute über queere Spiele bzw. LGBTQI-Themen in Videospielen. Das ist ja ein Thema, das immer mehr diskutiert wird. Wie siehst du das als Teil der Industrie? A: Ja, das stimmt auf jeden Fall. Das Thema wird viel größer. Das ist so ähnlich wie beim Thema Sexismus und Darstellung von Frauen. Früher wurde alles, was mit Minderheiten zu tun hatte, nicht diskutiert. Das war ja in der echten Welt auch so: In den 70ern und 80ern waren Gay-Rights auch erst mal kein Thema. Und als das irgendwann immer wichtiger wurde, tauchten eben auch mehr LGBT-Charaktere in Videospielen auf. Und auch LGBT-Menschen in den Spiele-Firmen. C: Also spiegelt die Gaming-Welt auf eine Art die richtige Welt, aber es dauert immer ein paar Jahre oder sogar Jahrzente länger? A: Ja, das könnte man schon sagen, aber ein wichtiger Aspekt war auch die ganze Explosion des Indie-Sektors. Dadurch konnten sich so viele Menschen selbst verwirklichen. Vorher gab es das Monopol der Riesen-Spielefirmen, heute können kleine Teams oder sogar einzelne Entwickler ihre persönlichen Visionen umsetzen. Und das bedeutet, dass Minderheiten, die früher eher ausgegrenzt waren, jetzt eine Stimme haben. Neben dieser ganzen Entwicklung stelle ich aber auch fest, dass sich in den großen Studios etwas ändert. Die Firma, in der ich arbeite, Wooga, da arbeiten 200 Leute und wir haben eine LGBT-Gruppe, wir sprechen über das Thema. Jetzt kommt bald der Christopher Street Day, da haben wir in der Firma ein offizielles Event organisiert und gehen da hin. Diese Sichtbarmachung auch in großen Spielefirmen passiert gerade auch viel mehr als früher. Und das ist echt gut. C: Was würdest du sagen, was können Spielefirmen tun, um die Arbeitsatmosphäre für queere Menschen oder einfach viele verschiedene Menschen besser zu machen? A: Also für mich ist es leicht, über die Ansichten von queeren Menschen zu sprechen, obwohl ich auch schwarz bin, also habe ich diese Perspektive auch. Aber wichtig ist auf jeden Fall, dass Firmen niemals annehmen, dass schon alles irgendwie okay sein wird. Dass, wenn sich keiner deiner Mitarbeiter über etwas beschwert, ja auch kein Problem da sein kann. Das ist etwas, das man sehr oft sieht, Firmen sagen dann: „Oh wir haben keine Probleme mit Diskriminierung, weil sich bei uns nie jemand beschwert hat.“ Deswegen sollte man immer proaktiv zeigen, dass alles gut ist. Also sagen: „Hey, wir sind eine diverse Firma, wir lieben Diversität, das macht uns besser und das macht unsere Spiele besser.“ C: Also muss man proaktiv die eigenen Mitarbeiter ansprechen und fragen, ob alles okay ist, weil sie vielleicht einfach zu ängstlich sind, von alleine etwas zu sagen? A: Ja, das ist auf jeden Fall so. Vor allem auch aus der Perspektive von Bewerber*innen. Wenn ich mich als LGBT-Person irgendwo bewerbe und da steht auf der Website: „Hey, wir sind super-offen, wir heißen Leute mit verschiedenen sexuellen Orientierungen und Identitäten willkommen und hier ist ein Video von uns beim Christopher Street Day“ und so weiter, dann sendet das eine ganz andere Nachricht, als wenn da gar nichts steht. Wenn da nichts steht, dann ist das wie eine Lotterie. Vielleicht ist es gut, vielleicht nicht. Ich habe da ein Beispiel. Ein schwuler Freund von mir hat sich bei einem ziemlich großen europäischen Studio beworben und wurde dann im Bewerbungsgespräch gefragt, ob er eine Frau hat. Nicht einmal, ob er einen Partner hat, sondern eine Frau. Und er fand das total komisch und war verletzt. Und da denkst du dir als LGBT-Person so: Okay, klar, man kann mit so etwas leben, aber gerade heutzutage, wo sich immer mehr Firmen mit diesen Themen beschäftigen, warum soll ich dann für jemanden arbeiten, der sich dafür überhaupt nicht interessiert? C: Ich würde mit dir auch gerne über die eigentlichen Videospiele sprechen. Gibt es Spiele, bei denen du dachtest, dass die es gut hinbekommen haben, eine queere Perspektive zu vermitteln? A: Ja, da gibt es heutzutage glücklicherweise mehrere. Auf jeden Fall muss ich „Caper in the Castro“ erwähnen. Das ist das allererste LGBT-Game. Das kam 1989 raus und war ganz lange verschollen und ist erst letztes Jahr wiederaufgetaucht. Das habe ich vor kurzem gespielt und fand es interessant. Da geht es um eine lesbische Detektivin, die ein Verbrechen gegenüber einer Trans-Person aufklärt. Wenn wir ein bisschen moderner werden, dann auf jeden Fall das erste „Fable“. Das hat das ganz gut gemacht. Oberflächlich, aber gut. Das habe ich kurz nach meinem Coming-out gespielt und man konnte im Spiel eben sowohl Männer als auch Frauen heiraten. Das war eine kleine Sache, die für mich damals total wichtig war. Ich meine, ich war gerade dabei, mit meiner offenen Homosexualität klarzukommen, und dann ist da dieses supercoole große Spiel, in dem du beide Geschlechter heiraten kannst. Und die „Mass Effect“-Serie hat das auch gut gemacht. Das hat sich einfach natürlich angefühlt. Charaktere hatten einfach verschiedene Arten von Beziehungen, das hat einfach Sinn gemacht. C: Manche kritisieren die „Mass Effect“-Reihe dafür, dass dort alle Charaktere pansexuell oder bisexuell sind, es aber keine rein-schwulen oder rein-lesbischen Charaktere gibt. Kannst du das nachvollziehen? A: Ja, ich kann das auf jeden Fall nachvollziehen und es ist auch gut, immer weiter die Grenzen des Möglichen auszureizen, aber diese Spiele sind einfach schon ein bisschen älter, deswegen ist das überhaupt erst mal gut, dass sie diese Optionen angeboten haben. Wenn kommende Spiele das noch besser machen und es zum Beispiel mehr asexuelle Charaktere gibt, ist das natürlich toll. C: Gibt es ein Spiel, das dir nicht gefallen hat, also wo du zum Beispiel das Gefühl hattest, dass ein queerer Charakter schlecht designet war? A: Ja, da gibt es sogar ein ganzes Genre. Leider. Ich habe als Kind viele japanische Rollenspiele gespielt und ich liebe solche Spiele wie Final Fantasy. Da gibt es leider einen Stereotyp, den man „Sissy-Bösewicht“ nennt. Das sind männliche Bösewichte, die sehr feminin erscheinen und definitiv queer sein sollen, manchmal auch flirty. Und die sind böse und korrupt und eitel und manchmal wahnsinnig. Das kommt von einem Aspekt der japanischen Gesellschaft, in der Männer sich eben nicht so sehr mit Beauty und femininen Dingen beschäftigen sollen. Das wird als etwas Schlechtes angesehen. Das ist traurig, weil ich viele dieser Spiele wirklich liebe. Aber irgendwann habe ich mir diese Spiele kritisch angeschaut und das als Problem festgestellt. Und viele japanische Spielen machen das immer noch. C: Wie versuchst du denn selbst als Entwickler bei Wooga, deine eigene Perspektive in die Spiele zu bringen. A: Für mich geht es einfach darum, Leute an diese Dinge zu erinnern. Ich bin ein Optimist und ich glaube an die guten Absichten der Menschen. Und diese Probleme mit der Darstellug von Charakteren in vielen Spielen sind da nur drin, weil die Leute diese Dinge nicht zu Ende denken. Vor allem wenn alle um dich herum weiße, heterosexuelle Männer sind. Dann entstehen Echo-Kammern, in denen alle das gleiche sagen und nicht merken, dass es auch noch andere Perspektiven gibt. Für mich ist es einfach wichtig, eine andere Perspektive reinzubringen und das reicht dann meistens schon. Einfach zu sagen: „Hey, hier sind 50 Charaktere und keiner von denen ist queer.“ Und dann merken das die Leute selber, dass das irgendwie nicht passt. Und es hat sich ja auch vorher keiner hingesetzt und gesagt: „Wir wollen auf keinen Fall queere Charaktere haben, oder wir wollen auf keinen Fall nicht-weiße Charaktere haben.“ Die Leute achten einfach nicht auf diese Dinge und merken das gar nicht. Und da muss man die Leute einfach drauf aufmerksam machen. Für mich sind die besten LGBT-Charaktere einfach ganz normale Charaktere, die zufällig auch queer sind. Denn das Gegenteil davon ist zu sagen „Wir brauchen jetzt unbedingt eine Drag-Queen.“ Und ich mag Drag-Queens wirklich sehr, aber das wird dann ja total riskant, wenn das der einzige LGBT-Charakter ist, den du in einem Spiel mit 100 Charakteren hast. Man muss da die Balance finden. Ich finde, ein guter Trick ist, einfach Charakter-Hintergründe zu vermischen. Also erst einen Charakter zu erstellen und dann zu sagen: Übrigens dieser hier ist schwul. Das einfach ein bisschen zu vermischen, dann erhält man eigentlich keine Stereotype. Auch Lesben, Pansexuelle und Trans-Menschen spielen Videospiele. Doch werden ihre Erfahrungen und Sichtweisen in Games überhaupt abgebildet? Im Schwulen Museum Berlin arbeitet man an einer Ausstellung zum Thema. Wir sprechen mit einem der Kuratoren über Geschichte, Gegenwart und Zukunft queerer Videospiele.
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