Kein Zweifel: Die CDU hat ihre Verdienste um Deutschland und seine Demokratie. Aber sie hat auch eine dunkle Seite. Diese dunkle Seite ist ihr beinahe bedingungsloser Machtanspruch.
Kein Zweifel: Die CDU hat ihre Verdienste um Deutschland und seine Demokratie. Sie hat seit Gründung der Republik die Westbindung durchgesetzt, integriert nach wie vor sehr viele politische Strömungen als echte “Volkspartei” und trägt einen guten Teil der Verantwortung dafür, dass Deutschland heute das ist, was es ist. Und wer weiß, ob ohne Kohl jemals die DDR untergegangen wäre.
Aber die CDU hat auch eine dunkle Seite. Diese dunkle Seite ist ihr beinahe bedingungsloser Machtanspruch.
Die CDU denkt, dass sie praktisch von Natur aus sämtliche Kanzler, Bürgermeister und Ministerpräsidenten stellen darf und diese Ämter höchstens mal aus Versehen vorübergehend an irgendwelche Mitbewerber verloren gehen. Und wenn eine andere Partei mal deutlich besser und die CDU etwas schlechter abschneidet, als sie es eigentlich erwartet hat, ist quasi umgehend von “Leihstimmen” die Rede. Als hätte nicht der Wähler – der ja eigentlich der Souverän ist – seine Stimme im Vollbesitz seiner Kräfte bewusst nicht der CDU gegeben, sondern als hätte die CDU sie aus kluger Taktik eigenmächtig jemand anderem verliehen.
Man ist also Volkspartei und versteht sich auch so. Und wenn man doch schon als Partei das Volk insgesamt vertritt, wer braucht dann eigentlich noch andere Parteien?
Okay, das könnte vielleicht doch etwas übertrieben formuliert sein. Aber ich möchte hier mal zwei aktuelle Beispiele dafür geben, wo die CDU den Pfad der Demokratie verlässt. Es sind Beispiele aus der Landes- beziehungsweise Kommunalpolitik. Dort also, wo niemand mehr so genau hinschaut – obwohl Entscheidungen große Wirkungen haben können.
Beispiel 1: In Nordrhein-Westfalen versucht die aktuelle CDU-geführte Landesregierung derzeit, die Stichwahlen für Bürgermeister abzuschaffen. Diese Stichwahlen sind in der Regel die einzige realistische Chance, wie kleinere Parteien jemals Bürgermeister stellen können. Denn natürlich haben große Parteien immer eine breitere Wählerbasis als kleinere. Es liegt also bei fast jeder Bürgermeisterwahl bundesweit immer einer von der CDU oder einer von der SPD vorn – nur eben oft genug nicht mit der erforderlichen absoluten Mehrheit.
Wenn man mal kurz drüber nachdenkt, wird man schnell zu der Erkenntnis kommen, dass so eine absolute Mehrheit gar nicht mal so schlecht für ein Amt ist. Immerhin gibt es immer nur einen Bürgermeister. Wäre es nicht schon ganz gut, wenn hinter so jemandem auch wirklich eine satte Mehrheit der Bürger stünde?
Nun kann es aber sein, dass ein CDU-Kandidat im ersten Wahlgang 30% holt, sein Kollege von den Grünen 25%, der der SPD noch 15% und die restlichen 30 sich auf die übrigen drei Kandidaten aufteilen.
Nicht, dass ich persönlich irgendwem unbedingt einen Grünen als Bürgermeister wünschen würde aber: Wie demokratisch ist es, unter solchen Umständen dann den von weniger als einem Drittel der Wähler favorisierten CDU-Menschen zum Bürgermeister zu erklären, statt lieber noch einmal eine Stichwahl zwischen dem Kandidaten der CDU und dem der Grünen zu veranstalten, bei dem sich die übrigen immerhin 45% der Wähler zwischen einem der beiden entscheiden können?
Genau: Demokratisch ist das überhaupt nicht zu rechtfertigen. Zu rechtfertigen ist es einzig mit jenem völlig überzogenem Machtanspruch, den ich der CDU unterstelle: Die halten Wahlen bisweilen für reine Formalitäten, das Amt gehört eigentlich von Natur aus (oder, weil es ja die CDU ist, vielleicht auch gottgegeben oder so) ihnen. Es liegt auf der Hand: Ohne Stichwahlen steigt die Chance, dass die CDU eine Bürgermeisterwahl gewinnt, ganz automatisch.
Im Wahlprogramm der CDU Niederschsen vom vergangenen Jahr findet man übrigens die gleiche Forderung. Womit wir beim zweiten Beispiel wären.
Denn in Niedersachsen hat es die Abschaffung der Stichwahl zwar nicht in den Koalitionsvertrag geschafft. Dafür aber eine Idee, die sich zwar weder im Wahlprogrammprogramm der CDU, noch dem der SPD finden lässt – gleichwohl stark nach CDU riecht.
Die aktuell regierende Große Koalition hat nämlich die Vergrößerung der Mindestgröße für kommunale Fraktionen in ihrem Koalitionsvertrag von zwei auf drei für wünschenswert erklärt.
Was bedeutet das? Das bedeutet, dass CDU und SPD sich überlegt haben, dass es viel cooler wäre, wenn so eine Fraktion nicht mehr aus mindestens zwei Räten, sondern aus drei bestehen müsste.
Ja, das klingt vielleicht zuerst nach einer Lapalie. Jedenfalls, wenn man sich mit Kommunalpolitik noch nicht ganz gut auskennt.
Man muss dazu nämlich wissen, dass es Gemeinden gibt, in denen der Rat nur aus 20, vielleicht auch nur aus 10 Personen besteht. Die Größe eines Rates richtet sich nämlich, ist ja auch logisch, nach der Größe der Gemeinde. Die Mindestgröße einer Fraktion wird aber für alle gleich festgelegt – und zwar vom niedersächsischen Gesetzgeber.
Reden wir von einer Großstadt mit einem Rat mit dutzenden Mitgliedern – Hannover beispielsweise hat 64 – haben zumindest die dort vertetenen Parteien alle drei oder mehr Mitglieder.
Nur sind die meisten Gemeinden deutlich kleiner – und Fraktionen mit nur zwei Mitgliedern darum überhaupt keine Seltenheit, sondern wahrscheinlich in den allermeisten Räten Niedersachsens Realität.
Der Status “Fraktion” ist auch nicht einfach bloß eine wichtig klingende Selbstbezeichnung, sondern hat Konsequenzen darauf, welche Rechte man in so einem Kommunalparlament als gewählter Vertreter am Ende hat. Wie viele Ausschüsse man besetzen darf, beispielsweise. Was wiederum direkt dazu führt, bei wie vielen Themen man sich überhaupt in die Arbeit des Rates einbringen darf, was wiederum heißt, dass man ohne diesen Fraktionsstatus allenfalls alle paar Wochen mal bei den regulären Ratssitzungen zu den Themen äußern kann, die aber zu diesem Zeitpunkt entweder schon lange wieder kalter Kaffee oder zumindest aber längst in den Ausschüssen ausdiskutiert und entschieden worden sind.
Mit anderen Worten ist der Entzug des Fraktionsstatus faktisch ein Entzug an demokratischen Mitwirkungsmöglichkeiten. Für die CDU ist das kein Bug, sondern ein Feature: so nerven nämlich die kleineren Fraktionen nicht mehr unnötig rum, schließlich existieren sie dann ja gar nicht mehr. Ja, so begründen die ihre Forderung tatsächlich.
Das sind zwei aktuelle Beispiele, die mir zufällig heute über den Weg gelaufen sind. Aber es sind eben solche Anwandlungen, die mir die CDU zutiefst unsympathisch machen und tiefe Zweifel an ihrer sonst gerne zur Schau getragenen Liebe zur Demokratie wecken. Man fragt sich, ob eine solche Partei mit einer so großen Basis derartige Methoden wirklich nötig hat.