Europa wurde aus der Erfahrung der europäischen Kriege und des Holocaust errichtet. Dieses einst starke Narrativ des "Nie wieder!" hat bis in die 80er Jahre europäische Bürger und Bürgerinnen zu einer politische Gemeinschaft mit gemeinsamen Werten verbunden. Seit den 90er Jahren verlor es jedoch an Überzeugungskraft. Wie konnte das geschehen und welches Narrativ brauchen wir heute? Diesen Fragen geht das Gespräch mit Claus Leggewie, Professor für Politikwissenschaft an der Universität Gießen und Autor des 2011 erschienen Buches „Der Kampf um die europäische Erinnerung. Ein Schlachtfeld wird besichtigt“ nach. Um ein Schlachtfeld gegensätzlicher Opfergeschichten handelt es sich in der Tat bei den nationalen Erzählungen über die Geschichte der europäischen Gesellschaften des letzten Jahrhunderts. Solche Geschichten werden nicht vorgefunden, sondern von Historikern unter institutionellen Bedingungen universitärer Forschung, schulischer Lehrpläne und historischer Museen konstruiert. Deshalb war es eine gute Idee, mit der Gründung eines Museums für europäische Geschichte zu einem europäischen Narrativ über das europäisch Verbindende beizutragen. Anlass für diese Idee war das historische Ereignis der Überwindung der europäischen Teilung und des Aufbruchs der Länder des ehemaligen kommunistischen Blocks nach Europa. Doch statt eines neuen Narrativs der sich erweiternden politischen Gemeinschaft dominierte über viele Jahre das Narrativ, dass Europa vor allem ein Markt sei. Nach Jahren der Krise und des anhaltenden Streits unter den Mitgliedern der EU wird das Fehlen eines gemeinsamen politischen Narrativs heute besonders schmerzlich empfunden. Gut also, dass 2017 mit der Eröffnung des Hauses der europäischen Geschichte in Brüssel daran gearbeitet werden kann. Das Museum bietet dazu viele überraschende Anregungen.
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Europäische Erinnerungsorte und Europa als globales Leitbild
Claus Leggewie
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Europa wurde aus der Erfahrung der europäischen Kriege und des Holocaust errichtet. Dieses einst starke Narrativ des "Nie wieder!" hat bis in die 80er Jahre europäische Bürger und Bürgerinnen zu einer politische Gemeinschaft mit gemeinsamen Werten verbunden. Seit den 90er Jahren verlor es jedoch an Überzeugungskraft. Wie konnte das geschehen und welches Narrativ brauchen wir heute? Diesen Fragen geht das Gespräch mit Claus Leggewie, Professor für Politikwissenschaft an der Universität Gießen und Autor des 2011 erschienen Buches „Der Kampf um die europäische Erinnerung. Ein Schlachtfeld wird besichtigt“ nach. Um ein Schlachtfeld gegensätzlicher Opfergeschichten handelt es sich in der Tat bei den nationalen Erzählungen über die Geschichte der europäischen Gesellschaften des letzten Jahrhunderts. Solche Geschichten werden nicht vorgefunden, sondern von Historikern unter institutionellen Bedingungen universitärer Forschung, schulischer Lehrpläne und historischer Museen konstruiert. Deshalb war es eine gute Idee, mit der Gründung eines Museums für europäische Geschichte zu einem europäischen Narrativ über das europäisch Verbindende beizutragen. Anlass für diese Idee war das historische Ereignis der Überwindung der europäischen Teilung und des Aufbruchs der Länder des ehemaligen kommunistischen Blocks nach Europa. Doch statt eines neuen Narrativs der sich erweiternden politischen Gemeinschaft dominierte über viele Jahre das Narrativ, dass Europa vor allem ein Markt sei. Nach Jahren der Krise und des anhaltenden Streits unter den Mitgliedern der EU wird das Fehlen eines gemeinsamen politischen Narrativs heute besonders schmerzlich empfunden. Gut also, dass 2017 mit der Eröffnung des Hauses der europäischen Geschichte in Brüssel daran gearbeitet werden kann. Das Museum bietet dazu viele überraschende Anregungen.
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