Fokus Europa   /     FE035 Europa in der Welt

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Neuerdings wird in den Mitgliedsstaaten und auf Ebene der EU viel davon geredet, die Europäische Union solle weltpolitikfähig werden, sie solle als eine Großmacht auftreten und geopolitische Ziele verfolgen. Nein, meint Reinhard Bütikofer im Interview mit Fokus Europa, die EU solle nicht Großmachtpolitik betreiben, sondern die regelbasierte multilaterale Ordnung verteidigen und ausbauen. Reinhard Bütikofer ist seit 2009 Mitglied des Europäischen Parlaments, bis November diesen Jahres war er Ko-Vorsitzender der Europäischen Grünen, seit der Neukonstituierung des Europäischen Parlaments ist er Mitglied in dessen Ausschuss für auswärtige Angelegenheiten und Mitglied der Delegationen für die Beziehungen zu den USA und zu China Er hält eine Positionierung der EU zwischen den USA und China für einen strategischen Fehler. Erstens gebe es trotz aller Entfremdung von und allem Befremden über den USA keine Äquidistanz der EU zu den Vereinigten Staaten einerseits und zu China andererseits. Mit den USA als Demokratie und Rechtsstaat habe die EU ein gemeinsames Wertefundament. China hingegen habe sich zu einem totalitären Regime entwickelt, das seit einiger Zeit auch noch sein Modell der (meist unfairen) Konkurrenz auf dem Weltmarkt und der totalitären Kontrolle im Inneren zu exportieren beginne. Zweitens bestehe die strategische Aufgabe der EU als Verbund kleiner und mittlerer Staaten darin, ein Netzwerk mit anderen mittelgroßen und kleinen Ländern auszubauen, die wie Japan, Kanada, Australien oder die ASEAN-Staaten sich nicht zwischen den USA und China entscheiden und ihrer jeweiligen Hegemonie unterwerfen wollen. Mit ihrer neuen, erst noch in den Anfängen steckenden Konnektivitätsstrategie will die EU zu diesen Ländern Verbindungen herstellen, die für die EU vorteilhaft sind, die aber auch Raum lassen für die Interessen der anderen Länder. Im Interview geht Reinhard Bütikofer Aspekte dieser Konnektivitätsstrategie im Verhältnis der EU zu China, zu Russland und zu anderen Ländern durch. Dabei betont er, dass die EU durchaus von Chinas Seidenstraßenstrategie lernen könne. Die nehme nicht nur Handelsinteressen, sondern auch die Infrastrukturbedürfnisse seiner Handelspartner in Afrika, Asien, Südamerika und Südosteuropa in den Blick. In Bezug auf Russland fordert Reinhard Bütikofer in erster Linie eine gemeinsame europäische Haltung. Gegenwärtig sei vor allem Dissonanz vernehmbar. So etwa in Bezug auf die europäische Verteidigungspolitik, die gegenwärtig zwischen der (für die nächsten Jahre illusorischen) Forderung nach einer europäischen sicherheitspolitischen Souveränität einerseits und immer engeren bilateralen Bindungen einzelner (meist osteuropäischer) Länder an die Sicherheitszusagen der USA andererseits schwanke. Wie kann die EU zu einer einheitlicheren und zugleich wirksameren Außenpolitik kommen? Bütikofer skizziert Wege, die aus dem sterilen „alle oder niemand“ der auf Einstimmigkeit angelegten EU Außenpolitik herausführen: die Übernahme koordinierender Aufgaben der EU Außenpolitik durch einzelne Mitgliedsländer (z.B. Delegation der EU Außenpolitik zum Russland/Ukraine-Konflikt an Frankreich und Deutschland im sog. Normandie Format), die Einführung von Mehrheitsentscheidungen und die Stärkung der zivilgesellschaftlichen Außenpolitik.

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Das Verhältnis der EU zu den USA, China, Russland und dem Rest der Welt
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Duration
01:26:12
Publishing date
2019-11-28 14:57
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Contributors
  http://tim.pritlove.org/
contributor  
  Heinrich Böll Stiftung
author  
  Reinhard Bütikofer
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Das Verhältnis der EU zu den USA, China, Russland und dem Rest der Welt

Reinhard Bütikofer

Neuerdings wird in den Mitgliedsstaaten und auf Ebene der EU viel davon geredet, die Europäische Union solle weltpolitikfähig werden, sie solle als eine Großmacht auftreten und geopolitische Ziele verfolgen. Nein, meint Reinhard Bütikofer im Interview mit Fokus Europa, die EU solle nicht Großmachtpolitik betreiben, sondern die regelbasierte multilaterale Ordnung verteidigen und ausbauen. Reinhard Bütikofer ist seit 2009 Mitglied des Europäischen Parlaments, bis November diesen Jahres war er Ko-Vorsitzender der Europäischen Grünen, seit der Neukonstituierung des Europäischen Parlaments ist er Mitglied in dessen Ausschuss für auswärtige Angelegenheiten und Mitglied der Delegationen für die Beziehungen zu den USA und zu China

Er hält eine Positionierung der EU zwischen den USA und China für einen strategischen Fehler. Erstens gebe es trotz aller Entfremdung von und allem Befremden über den USA keine Äquidistanz der EU zu den Vereinigten Staaten einerseits und zu China andererseits. Mit den USA als Demokratie und Rechtsstaat habe die EU ein gemeinsames Wertefundament. China hingegen habe sich zu einem totalitären Regime entwickelt, das seit einiger Zeit auch noch sein Modell der (meist unfairen) Konkurrenz auf dem Weltmarkt und der totalitären Kontrolle im Inneren zu exportieren beginne.

Zweitens bestehe die strategische Aufgabe der EU als Verbund kleiner und mittlerer Staaten darin, ein Netzwerk mit anderen mittelgroßen und kleinen Ländern auszubauen, die wie Japan, Kanada, Australien oder die ASEAN-Staaten sich nicht zwischen den USA und China entscheiden und ihrer jeweiligen Hegemonie unterwerfen wollen. Mit ihrer neuen, erst noch in den Anfängen steckenden Konnektivitätsstrategie will die EU zu diesen Ländern Verbindungen herstellen, die für die EU vorteilhaft sind, die aber auch Raum lassen für die Interessen der anderen Länder.

Im Interview geht Reinhard Bütikofer Aspekte dieser Konnektivitätsstrategie im Verhältnis der EU zu China, zu Russland und zu anderen Ländern durch. Dabei betont er, dass die EU durchaus von Chinas Seidenstraßenstrategie lernen könne. Die nehme nicht nur Handelsinteressen, sondern auch die Infrastrukturbedürfnisse seiner Handelspartner in Afrika, Asien, Südamerika und Südosteuropa in den Blick. In Bezug auf Russland fordert Reinhard Bütikofer in erster Linie eine gemeinsame europäische Haltung. Gegenwärtig sei vor allem Dissonanz vernehmbar. So etwa in Bezug auf die europäische Verteidigungspolitik, die gegenwärtig zwischen der (für die nächsten Jahre illusorischen) Forderung nach einer europäischen sicherheitspolitischen Souveränität einerseits und immer engeren bilateralen Bindungen einzelner (meist osteuropäischer) Länder an die Sicherheitszusagen der USA andererseits schwanke.

Wie kann die EU zu einer einheitlicheren und zugleich wirksameren Außenpolitik kommen? Bütikofer skizziert Wege, die aus dem sterilen „alle oder niemand“ der auf Einstimmigkeit angelegten EU Außenpolitik herausführen: die Übernahme koordinierender Aufgaben der EU Außenpolitik durch einzelne Mitgliedsländer (z.B. Delegation der EU Außenpolitik zum Russland/Ukraine-Konflikt an Frankreich und Deutschland im sog. Normandie Format), die Einführung von Mehrheitsentscheidungen und die Stärkung der zivilgesellschaftlichen Außenpolitik.


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Deeplinks to Chapters

00:00:00.000 Intro
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00:00:24.842 Begrüßung
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00:00:59.063 Reinhard Bütikofer
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00:02:00.053 Wie geht's der EU?
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00:08:05.152 Auswirkungen des Brexit
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00:12:31.552 Weltpolitikfähigkeit
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00:29:03.903 Umgang mit China
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00:54:23.991 Russland
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01:14:05.345 Europäische Reformen
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01:25:09.145 Ausklang
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