Wer heute mit seinem Smartphone in Brandenburg oder der Eifel unterwegs ist, kann nachvollziehen, wie sich Sascha und Sebastian Anfang/Mitte der 90er gefĂĽhlt haben, als [...]
Wer heute mit seinem Smartphone in Brandenburg oder der Eifel unterwegs ist, kann nachvollziehen, wie sich Sascha und Sebastian Anfang/Mitte der 90er gefĂĽhlt haben, als [...]
Wer heute mit seinem Smartphone in Brandenburg oder der Eifel unterwegs ist, kann nachvollziehen, wie sich Sascha und Sebastian Anfang/Mitte der 90er gefühlt haben, als das Versenden von Nachrichten eine Angelegenheit von Stunden oder Tagen war, weil jede Null und jede Eins gefühlt noch per Brieftaube transportiert werden müssen. Wir begeben uns gemeinsam in eine Zeit, als Telefone noch gemietetes Staatseigentum waren, fest mit der Wand verdrahtet und ein Eingreifen in dieses System nahezu unter Todesstrafe stand. Da stand der Peilwagen der Post schneller vorm Haus als man gucken konnte und Postminister Christian Schwarz-Schilling kam persönlich vorbei, um einem mit einem Posthorn eins überzubraten. Da waren Briefträger nämlich noch uniformierte Respektspersonen, jawoll! Irgendwann Anfang der 90er fing das Monopol so langsam an zu bröckeln und selbst die Menschen in der Eifel wurden rebellischer und fingen an, nichtzugelassene Geräte in die Telekommunkikationsanschlusseinheiten (TAE) zu stecken. Darunter auch so verrückte Sachen wie wild analog strahlende Funktelefone oder seltsame Kästen, die mit den anderen Kästen verbunden waren, die in jedem Jugendzimmer standen. Selbst mit dem Schneider CPC wäre der Schritt in die vernetzte Wunderwelt schon damals möglich allerdings sehr teuer gewesen.
Jedenfalls auf legalem Weg. Aber unsere jugendlichen ichs handelten streng nach der Devise: Legal? Illegal? Scheißegal! Und gehörten damit zur digitalen Boheme der Nordeifel, die sich – inspiriert von Filmen wie dem bereits besprochenen wargames – immer ein wenig im legalen Graubereich wähnte, wenn man nachts (weil billiger) die Modems zum heulen brachte, um sich in der 25km entfernten Mailbox des Aachener Speckgürtels (und damit ist nicht der Bauchumfang des Sysops gemeint, lieber Flame ) einzuwählen.
Ein Bild, dass den jungen Sascha täglich mehrfach begrüsste und bei dem auch heute noch wohlige Erinnerungen hochkommen: DIe Faraday, Stolbergs nicht einzige aber beste Mailbox (nach Meinung des Autors )Sebastian:
“Mailboxen – Nicht das Einschlagen auf Briefpost.”
Nein, vielmehr der Duft der großen weiten Welt. Wir sahen Raumschiffe vor dem Rest der Leute, kannten die Inhalte von Star Trek Folgen schon bevor sie in der Trekworld standen, wussten anhand von ausführlicher Textdateien, wie man Schlösser knackt, aus Haushaltsmitteln Bomben baut und sich bei Hausdurchsuchungen zu verhalten hat. Denn die standen ja gefühlt immer kurz bevor.
Sebastian:
“Warum haben wir das eigentlich gemacht? Wie sind wir auf die Idee gekommen ein Modem anzuschließen an unsere Rechner?!?”
Sascha:
“Weil wirs konnten.”
Es war ein Abenteuer, ein Nervenkitzel, das Gefühl elitär zu sein. Besser als die gleichaltrigen Typen, die mit ihren Moffas durch die Dörfer tuckerten. Denn was war das dissonant klappernde Dröhnen einer frisierten Vespa gegen den lieblichen Klang eines 2400er Modems, wenn es sich in die St Olberger Mailbox einwählte?
Sascha:
“Man hat zweimal am Tag gepollt und seine Bretter aktualisiert.”
Ja, so redet damals(tm) die mailboxafine Jugend (die selbst damals schon in weiten Teilen gar nicht mehr so jugendlich war). Und rasch wurden die Anrufe länger und häufiger und die Listen mit den Nummern verfügbarer BBS-Systeme immer verlockender
Welche davon heute wohl noch funtkionieren?Was zwangsläufig zu Konflikten mit den telfonrechnungzahlenden Eltern führte. Aber durch das oben beschriebene Polling von Brettern war es ja möglich, weite Teile der Interaktion offline durchzuführen und das Ganze gelegentlich zu aktualisieren. Mit einem sogenannten Point-Programm. (Was macht Peter Madrella eigentlich heute?) Zwischen versenden einer email bis zum Eintreffen der Antwort konnten mitunter Tage vergehen (und das nicht, weil der Empfänger sich beim Beantworten Zeit gelassen hat) aber Hey! WIR haben 1994 schon emails geschrieben. Da war der analoge Briefträger zwar schon nicht mehr uniformiert, aber auch weitgehend uninformiert. Was “dieses Internet” betrifft. Also quasi auf dem heutigen Stand der meisten Unions-Poliker:innen. Von Dackelkrawattenträgern ganz zu schweigen. Dabei war “DAS INTERNET” bei weitem noch nicht “DAS INTERNET” sondern etwas herrlich deutsches: DFÜ.
Sebastian:
“Datenfernübertragung – Da fühlt man sich schon zu Hause. Es ist Deutsch, es ist ein zusammengesetztes Hauptwort, sogar aus drei Bestandteilen und…”
Sascha:
“..es ist sprechend. Man weiß sofort, was gemeint ist.”
Die Modems wurden schneller, die Telefonanbieter deutlich mehr, aber es sollte noch sehr lange dauern, bis wir im DSL-Zeitalter angekommen waren. Aber das, Kinder, ist eine andere Geschichte.
Korrektur:
Das Usertreffen, das Sascha geschildert hat war nicht das Usertreffen der Aachener Mailbox sondern das User:innentreffen der Aachen irc-Chatgruppe.
Bevor wir nun zwei alten Säcken lauschen, wie sie von früher(tm) erzählen legen wir Euch noch ein paar weiterführende Links ans Herz:
Torsten Dewi widmet sich diversen Porno-Parodien in seinem Blog:
Das Geräusch des deutschen Modems kommt dankenswerterweise gegen eine kleine Spende von der Hörspielbox.
„www.hoerspielbox.de“.
Und hier noch das versprochene Laufwerks-Rack fĂĽr den Schneider
Und der Schüler der 80er weint angesichts seiner leeren BrieftascheFür Sie ausgerechnet: Der Download dieser Episode hätte mit einem 56k-Modem schlappe 46 Stunden 13 Minuten und 20 Sekunden gedauert. Leben wir nicht in verrückten Zeiten?