Klaus Hurrelmann ist âProfessor of Public Health and Educationâ an der Hertie School und bereits seit vielen Jahren in der Kindheits- und Jugendforschung tĂ€tig. Unter anderem war er zwölf Jahre lang Direktor eines Forschungszentrums fĂŒr PrĂ€vention und Intervention im Kindes- und Jugendalter an der UniversitĂ€t Bielefeld. DarĂŒber hinaus hat er im Laufe seines Lebens an diversen Publikationen zu den Themen Kindheit, Jugend und Bildung mitgewirkt und 2020 das Buch âGeneration Gretaâ veröffentlicht. Im Podcast âSchool must go onâ spricht Klaus Hurrelmann ĂŒber seine Erkenntnisse zur sogenannten âGeneration Gretaâ, wie es dazu kommt, dass Jugendliche in unserem System abgehĂ€ngt werden und welche VerĂ€nderung im Schulsystem ihnen helfen könnte. â Ungewöhnlich optimistische Grundstimmung unter jungen Leuten â âDie wertmĂ€Ăige Orientierung, die die jungen Leute haben, ist ganz stark abhĂ€ngig von den Lebensbedingungen und den Chancen, die sie haben, sich selbst zu entfalten. Das gilt insbesondere beruflichâ, erklĂ€rt der Jugendforscher. Die sogenannte âGeneration Gretaâ konnte sich in ihrer sensiblen Jugendphase sehr sicher sein, dass sie eine Ausbildung bekommt und einen Beruf ausĂŒben kann. Das habe zu einer ungewöhnlich optimistischen Grundstimmung gefĂŒhrt. âDie Generation kann es sich leisten, politisch zu werden und an die Zukunft zu denkenâ, so Hurrelmann. Diese VerantwortungsĂŒbernahme heutzutage sei auffĂ€llig. âEin Teil der jungen Leute nimmt also keine existenzielle Risikosituation fĂŒr sich im wirtschaftlichen und beruflich Bereich wahr. Der andere Teil ist nicht in der Lage, sich so uneigennĂŒtzig politisch zu betĂ€tigen. Die Metapher âGeneration Gretaâ passt also nicht fĂŒr die ganze Generation der jungen Leute heute, sondern nur fĂŒr ein paar.â Insgesamt gebe es im Moment eine groĂe Spannbreite an Positionen in der jungen Generation. â Chancenarmut in einer reichen Gesellschaft â Entscheidend dafĂŒr, wo man sich in dieser Spannbreite von Positionen befinde, sei die Chance auf einen Beruf. Diese hĂ€ngt wiederum stark von der schulischen Erfolgsbilanz ab. âĂber 50 % der jungen Leute schaffen heutzutage das Abitur. Wenn du das als junger Mensch nicht schaffst, dann bist du schon in der Gefahr, dich subjektiv als einen Menschen wahrzunehmen, der den Standards nicht entsprichtâ, erklĂ€rt Klaus Hurrelmann. Die Anforderungen seien hoch und steigen weiter. Die Mehrheit der jungen Leute könne hierbei mithalten. FĂŒr die, die das nicht schaffen, werde die Luft aber immer dĂŒnner. âDas GefĂŒhl, was dann entstehen kann, in einer reichen Gesellschaft keine Möglichkeiten zu haben, eine Chancenarmut zu haben, ist ganz bitter und kann ein unterschwelliges Protestpotenzial mit sich bringenâ, so der Jugendforscher. âAls Gesellschaft kriegen wir es nicht hin fĂŒr diese jungen Leute angemessene PlĂ€tze zu prĂ€sentieren, die ihnen ein spannendes, wĂŒrdiges persönliches und berufliches Leben ermöglichen. Hier liegen echte politische Herausforderungen fĂŒr die nĂ€chsten Jahre.â â Alle AbschlĂŒsse an einer Schule â Eine mögliche Lösung fĂŒr die Problematik rund um das Abitur könnte sein, dass Gymnasien Schulen werden, an denen man alle AbschlĂŒsse machen kann. âEs gibt dann nach der Grundschule nur noch eine Schulform. Das Gymnasium wird zu der Gemeinschaftsschule, von der man dachte, dass man sie neben dem Gymnasium aufbauen mĂŒssteâ, so Klaus Hurrelmann. So entscheide man dann nicht nach der Grundschule durch die Schulauswahl, ob jemand die Chancen hat, das Abitur zu machen oder nicht. AuĂerdem mĂŒsse es eine noch stĂ€rkere Profilierung der Schulen geben, sodass es ganz individuelle Schultypen, mit unterschiedlichen Schwerpunkten gibt. âWertvoll wĂ€ren unterschiedliche Schulen im Wettbewerb miteinander, die sich nicht mehr durch die Schulform unterscheiden, sondern durch ihr Programm. Man hĂ€tte dann ein lebendiges und offenes Schulsystem, das so vielfĂ€ltig ist, dass es alle anspricht, insbesondere auch die SchwĂ€cheren.â