Wie konnte Mohammed Sabah auf dem Weg aus Irak nach Polen verloren gehen? Eine Spurensuche.
Zwischen 2014 und 2019 gibt es mehr als 20 000 Personen, die die Grenze zur EuropĂ€ischen Union ĂŒberschreiten wollten - die seither allerdings als vermisst gelten. Mohammed Sabah teilt dieses Schicksal seit dem Wintern 2021/22. Seine letzten Lebenszeichen stammen aus dem Niemandsland zwischen Polen und Belarus. Und letztendlich will nur Mohammeds Familie wissen, was mit ihm passiert ist. Ăber eine verzweifelte Suche berichten Ben Heubl und Kristiana Ludwig aus dem Investigativ-Ressort der SZ.
In internationaler Zusammenarbeit von Journalisten wurden fĂŒr ihre Geschichte 24 Friedhöfe in Griechenland, Spanien, Italien, Kroatien, Litauen und Polen besucht. Sie fanden dort mehr als 550 anonyme GrĂ€ber, in denen Friedhöfen und Behörden zufolge in den vergangenen zehn Jahren Menschen bestattet wurden, die an den Grenzen starben. Das Team ĂŒberprĂŒfte auch Sterberegister, befragte StaatsanwĂ€lte und Gerichtsmediziner, wertete DatensĂ€tze von Hilfsorganisationen, Wissenschaftlern und Aktivisten aus.
Das Team hat 2162 unidentifizierte Tote an Europas Grenzen in den vergangenen zehn Jahren recherchiert.
Heubl und Ludwig berichten ĂŒber den Schmerz der Angehörigen, der bleibt, so lange Ungewissheit bleibt - und wenn Trauer nicht möglich ist. âDie Familien sind hin und hergerissen zwischen dem Wunsch, Abschied zu nehmen, und SchuldgefĂŒhlen, dass sie die Person aufgegeben haben.â SchlieĂlich könnte sie ja noch irgendwo am Leben sein. So gehe es vielen Familien, die einen âuneindeutigen Verlustâ von Angehörigen zu beklagen haben. Dies sei âein psychologisch sehr schwieriger Zustand, in dem sich durch das Verschwinden von sehr vielen Menschen an den europĂ€ischen Grenzen mittlerweile sehr viele Familien befinden.â
Heubl und Ludwig sprechen im Podcast âDas Themaâ ĂŒber die humanitĂ€re Notwendigkeit, dass eine âeuropaweit zugĂ€ngliche Datenbank mit persönlichen GegenstĂ€nden und DNA-Proben der Totenâ aufgebaut wird. Damit es fĂŒr Angehörige ĂŒberhaupt noch eine Möglichkeit gibt, herauszufinden, ob ihre Verwandten tot sind. Dass das bislang nicht passiert sei, âliege nicht daran, dass es zu schwierig wĂ€re oder dass die Mittel fehlen, sondern es liege am politischen Willenâ.
Die Reportage "Wo bist Du?" ĂŒber das Verschwinden von Mohammed Sabah finden Sie HIER.
Moderation, Redaktion: Vinzent-Vitus Leitgeb
Redaktion: Christina Lopinski, Lars Langenau
Produktion: Julia Ongyerth
ZusĂ€tzliches Audiomaterial ĂŒber EuropĂ€ische Kommission
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