Alles Geschichte - History von radioWissen   /     BLACK HISTORY - Erfolgsgeschichte Botswana

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Botswana ist eine unerwartete Erfolgsgeschichte. Bei der StaatsgrĂŒndung wirtschaftlich schwach und ohne nennenswerte Infrastruktur, gilt Botswana heute als eines der wohlhabendsten und stabilsten LĂ€nder Afrikas. Das liegt nicht nur am ĂŒberlegten Umgang mit Diamantenvorkommen. Wie hat Botswana das geschafft? Februar ist "Black History Month".Von Linus LĂŒring (BR 2022)

Subtitle
Duration
00:23:02
Publishing date
2024-02-16 11:15
Link
https://www.br.de/mediathek/podcast/alles-geschichte-history-von-radiowissen/black-history-erfolgsgeschichte-botswana/2090091
Contributors
  Linus LĂŒring
author  
Enclosures
https://media.neuland.br.de/file/2090091/c/feed/black-history-erfolgsgeschichte-botswana.mp3
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Shownotes

Botswana ist eine unerwartete Erfolgsgeschichte. Bei der StaatsgrĂŒndung wirtschaftlich schwach und ohne nennenswerte Infrastruktur, gilt Botswana heute als eines der wohlhabendsten und stabilsten LĂ€nder Afrikas. Das liegt nicht nur am ĂŒberlegten Umgang mit Diamantenvorkommen. Wie hat Botswana das geschafft? Februar ist "Black History Month".Von Linus LĂŒring (BR 2022)

Credits
Autor: Linus LĂŒring
Regie: Sabine Kienhöfer
Es sprachen: Hemma Michel, Christian Baumann, Florian Schwarz
Technik: Susanne Harasim
Redaktion: Thomas Morawetz
Im Interview: Dr. Christian von Soest, Prof. Andreas Wimmer, Mogkweetsi Masisi

Linktipps:

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Botswana: Ein Land reich an Natur und mit stabiler Demokratie. Einen öffentlich-rechtlichen Rundfunk gibt es jedoch nicht - die Regierung produziert Inhalte fĂŒr Fernsehen, Radio und Zeitungen selbst. Wie passt das in das politische System? JETZT ANHÖREN

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In Afrika boomt die „FinTech“-Branche: Bezahlen per Smartphone-App gehört zum Alltag. Auch andere FinanzgeschĂ€fte werden digital geregelt. Die Technologie vernetzt auch die Menschen auf dem Kontinent ĂŒber Grenzen hinweg. Einige der afrikanischen Fintech-Entwicklungen werden inzwischen weltweit genutzt. Und diese Erfolgsgeschichten sind noch nicht auserzĂ€hlt. Denn Experten sagen der Branche in Afrika weiter einen Boom voraus. ZUM HÖRBEITRAG



Und hier noch ein paar besondere Tipps fĂŒr Geschichts-Interessierte:

Im Podcast „TATORT GESCHICHTE“ sprechen die Historiker Niklas Fischer und Hannes Liebrandt ĂŒber bekannte und weniger bekannte Verbrechen aus der Geschichte. True Crime – und was hat das eigentlich mit uns heute zu tun?

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Timecodes (TC) zu dieser Folge:

TC 00:15 – Intro
TC 02:26 – Eine Reise nach Großbritannien
TC 04:49 – Der Enkel des Königs
TC 09:11 – Ein Umbruch durch Ausgleich und VerstĂ€ndigung
TC 10:52 – Diamantensegen
TC 16:22 – Kratzer im ‚afrikanischen MĂ€rchen‘
TC 22:18 – Outro

Lesen Sie einen Ausschnitt aus dem Manuskript:

TC 00:15 – Intro

Musik: C1582570107 Der Maschinenbauer

SPRECHERIN

London, 6. September 1895. Drei MĂ€nner treffen in der Stadt an der Themse ein, noch etwas seekrank von der langen Reise. Zwei Wochen waren sie unterwegs. Es handelt sich um drei Herrscher aus Gebieten im sĂŒdlichen Afrika. Schnell machen sie gegenĂŒber hochrangigen Politikern ihr Ziel klar: Sie wollen erreichen, dass ihre Königreiche unter den Schutz der Britischen Krone kommen. Herrscher, die sich freiwillig einer Kolonialmacht unterwerfen?

SPRECHER

Was erstmal verwunderlich klingt, ist Strategie: Denn damals hatten es auch das Deutsche Reich mit der Kolonie Deutsch-SĂŒdwest-Afrika und die Buren im SĂŒden auf ihre Heimat abgesehen, erklĂ€rt Christian von Soest, Politikwissenschaftler am Leibniz-Institut fĂŒr globale und regionale Studien in Hamburg.

1 von Soest

Herrschaft von außen, offensichtlich das war die EinschĂ€tzung, die unter den HĂ€uptlingen eben vorherrschte, können wir nicht verhindern. Und da waren die Briten das kleinste Übel. Wenn man es denn schon nicht geschafft hat, diese MĂ€chte von außen eben aus dem Land rauszuhalten. Und da eben diese Reise nach London, wo man um diesen Schutz eben gebeten hat.

Musik: C1582570113 Auf der MĂŒllkippe 0‘53

SPRECHERIN

Die britische Öffentlichkeit ist fasziniert von den Besuchern aus dem fernen Afrika und ihrer Mission. “Ein Triumvirat aus drei dunkelhĂ€utigen Königen”, heißt es bewundernd in der Presse damals. Als mĂ€chtigster von ihnen gilt Khama III. Ein Name, der spĂ€ter noch wichtig werden wird. Nach einem GesprĂ€ch mit Queen Victoria haben er und die beiden anderen ihr Ziel erreicht: Die Briten schließen ihre und benachbarte Reiche zum Protektorat Betschuanaland zusammen. Ein Gebiet, das zentral im sĂŒdlichen Afrika liegt - etwa gleich weit von Pazifik und Atlantik entfernt.

SPRECHER

Diese Entscheidung und die BemĂŒhungen der drei Herrscher haben Folgen, die bis heute spĂŒrbar sind. Aus Betschuanaland wird spĂ€ter die unabhĂ€ngige Republik Botswana. Ein Staat der Schlagzeilen macht.

TC 02:26 – Eine Reise nach Großbritannien

C1351080001 Kalimba work song (a) 0‘17

Zitator

“Eine Erfolgsgeschichte”
“Das afrikanische Wunder”
“Afrikas Oase der StabilitĂ€t und Demokratie”

SPRECHERIN

Das sind die Überschriften von Artikeln, die in den letzten Jahren ĂŒber Botswana geschrieben wurden. Sie passen nicht zu dem Klischee, das viele Menschen in Deutschland noch immer im Kopf haben, wenn sie an Afrika denken. Krieg, Korruption, Armut. Ist Botswana wirklich eine Erfolgsgeschichte und möglicherweise ein Vorbild fĂŒr andere Staaten? Was hat das Land anders gemacht?

C1555160105 Water trops 0‘31

SPRECHER

Die damalige Reise nach Großbritannien sehen viele als entscheidenden Ausgangspunkt fĂŒr eine positive Entwicklung Botswanas. Nach der Errichtung des Protektorats Betschuanaland erfĂŒllen sich die Hoffnungen der drei Herrscher, die gezielt britischen Schutz gesucht haben. Ihre Heimat bleibt von grĂ¶ĂŸeren kolonialen EinflĂŒssen verschont und - wichtiger noch - ihre Macht bleibt mehr oder weniger unangetastet.

SPRECHERIN

Die Briten setzen auf indirekte Kontrolle und nutzen die traditionellen Herrschaftsstrukturen weiter, um das Land zu regieren. FĂŒr sie geht es in erster Linie darum zu verhindern, dass andere Staaten ihren Einfluss ausdehnen und etwa das Deutsche Reich noch grĂ¶ĂŸere Gebiete im SĂŒden Afrikas kontrolliert. Ein konkretes Interesse an Betschuanaland selbst haben die Briten nicht, und das erscheint erstmal nachvollziehbar, erklĂ€rt Christian von Soest: Das Protektorat ist etwa so groß wie Frankreich, extrem dĂŒnn besiedelt und besteht zu einem großen Teil aus WĂŒste, der Kalahari. GrĂ¶ĂŸere Rohstoffvorkommen gibt es nicht. Die Bevölkerung lebt vor allem von der Viehzucht.

2 von Soest

Das Wort, was am besten die Kolonialzeit zusammenfasst, ist eigentlich die VernachlĂ€ssigung. Man hat eigentlich gar keine, keine großen Investitionen gemacht.

C1595860130 One world pattern (e) 0‘26

SPRECHER

Weil das Protektorat unprofitabel ist, planen die Briten Betschuanaland an die sĂŒdafrikanische Union zu ĂŒbergeben, dem VorlĂ€uferstaat des heutigen SĂŒdafrika. Nachdem dort Mitte des 20. Jahrhunderts allerdings die Politik der Rassentrennung, die sogenannte Apartheid, eingefĂŒhrt wurde, ging Großbritannien auf Abstand zu diesen PlĂ€nen. Betschuanaland soll stattdessen ein eigenstĂ€ndiger unabhĂ€ngiger Staat werden.

TC 04:49 – Der Enkel des Königs

SPRECHERIN

Dabei wird ein Mann eine wichtige Rolle spielen: Seretse Khama. Enkel von Khama III., also dem Mann, der den Schutz der Briten gesucht hatte. Seretse Khama ist nun designierter Herrscher der Bamangwato-Ethnie. Doch dieses Amt wird er nie ausĂŒben. ZunĂ€chst geht er in den 1940er Jahren zum Studium nach Großbritannien.

Musik: C1351080007 Shangaan lullaby (a) 0‘25

SPRECHER

An einem Juniabend 1947 lernt er dort die junge Ruth kennen. Die beiden tanzen und verlieben sich. Ein afrikanischer Prinz und eine weiße Britin. Nur ein Jahr spĂ€ter planen die beiden zu heiraten. Ihre Liebe wird ein internationales Politikum. Seretse Khama schreibt einen langen Brief in die Heimat.

SPRECHERIN

Damals kennen Ruth und er sich seit etwa eineinhalb Jahren, erklĂ€rt er darin. Außerdem seien sie sich aller Schwierigkeiten bewusst, die sie jetzt erwarten. Aber Seretse Khama schreibt weiter, es wĂŒrde keinen Sinn machen, sie von der Heirat abzubringen. Sie beide wollten den Schritt auf jeden Fall gehen.

SPRECHER

Die Reaktionen sind zunĂ€chst heftig. “Wenn er sie mitbringt, werde ich ihn töten”, soll Seretses Onkel angekĂŒndigt haben. FĂŒr die meisten in Betschuanaland waren Weiße in erster Linie Kolonialisten, die nur ihren eigenen Vorteil im Sinn haben. Gleichzeitig Ă€ußert auch das weiße Apartheidsregime im benachbarten SĂŒdafrika heftige Kritik an der Ehe.

SPRECHERIN

Aber Seretse und Ruth lassen sich nicht trennen. “Liebe kennt keine Hautfarbe”, erklĂ€rt er und verkĂŒndet schließlich seinen Verzicht auf den Thron. Einige Jahre spĂ€ter ziehen die beiden dann nach Betschuanaland. Mit seiner zurĂŒckhaltenden Art und seiner positiven Ausstrahlung gewinnt er die Herzen vieler Landsleute wieder. Auch Ruth wird in ihrer neuen Heimat immer beliebter.

Musik: M0007510022 Afrikan dream 0‘22

SPRECHER

In dieser Zeit, gegen Ende der 1950er Jahre, nehmen die Vorbereitungen fĂŒr die UnabhĂ€ngigkeit des Protektorats an Fahrt auf. Dass Seretse Khama dabei eine SchlĂŒsselfigur wird, ist fĂŒr Christian von Soest kein Zufall.

3 von Soest Khama

Einmal war er Nachkomme des wichtigsten Stammes. Das heißt, er hatte ein hohes Maß an LegitimitĂ€t und AutoritĂ€t.  Er war politisch extrem gut verbunden. Er war in Großbritannien ausgebildet. Hatte also sehr gute Verbindungen auch zur frĂŒheren Kolonialmacht und war auch einer der grĂ¶ĂŸten Viehbesitzer. Das heißt, er hat zur Zeit der UnabhĂ€ngigkeit die UnterstĂŒtzung aller politisch wichtigen Gruppen in Botswana. Der ausgebildeten Elite, der traditionellen AutoritĂ€ten, der britischen Herrscher, der ViehzĂŒchter und der lĂ€ndlichen Bevölkerung.

Musik: M0007510022 Afrikan dream 0‘30

SPRECHERIN

Seretse Khama grĂŒndet die Botswana Democratic Party, kurz BDP, und gewinnt damit bei den ersten Wahlen die Mehrheit der Sitze im Parlament. Als Betschuanaland 1966 als Botswana die UnabhĂ€ngigkeit erlangt, wird Seretse Khama der erste StaatsprĂ€sident. Beim Amtsantritt zeigt Khama sich demĂŒtig.

SPRECHER

Er erklĂ€rt, wie sehr er sich ĂŒber das große Vertrauen der Bevölkerung Botswanas freue. Gleichzeitig spricht er aber auch von den großen Erwartungen, die auf ihm lasten wĂŒrden. Er hofft, dass er die Versprechen erfĂŒllen kann, die er den Menschen Botswanas gegeben hat.

SPRECHERIN

Die Startbedingungen sind auf den ersten Blick denkbar schlecht, wenn man sich die Fakten anschaut: 1966 hat Botswana gerade mal 12 Kilometer asphaltierte Straße, keinen direkten Meereszugang, im Land gibt es nur um die 20 UniversitĂ€tsabsolventen und neun Schulen, die ĂŒber die Grundschule hinausgehen.

SPRECHER

In anderen Staaten auf dem afrikanischen Kontinent ist die Ausgangslage komfortabler. Hier hatten die KolonialmÀchte deutlich stÀrker investiert. Das hatte allerdings einen Preis. Denn dabei hatten sie den Kolonialgebieten auch eigene Machtstrukturen aufgezwungen. In Botswana waren die HerrschaftsverhÀltnisse auf lokaler Ebene dagegen unverÀndert geblieben.

5 von Soest

Das war fĂŒr die weitere Entwicklung des Landes sehr, sehr wichtig. Und wenn wir uns andere LĂ€nder anschauen, da hatten Regierungen einen revolutionĂ€ren Anspruch, gegen diese Herrschaftsordnung aus der kolonialen Zeit und Besitzordnungen eben anzukĂ€mpfen. Und genau diesen revolutionĂ€ren Anspruch – das finden Sie nicht in Botswana. 

TC 09:11 – Ein Umbruch durch Ausgleich und VerstĂ€ndigung

Musik: M0007510024 Happy plains 0‘20

SPRECHERIN

Der UnabhÀngigkeitsprozess lÀuft deshalb sehr konsensual ab - ohne blutige KÀmpfe. Generell basiert die Herrschaftskultur in den verschiedenen Königreichen und Ethnien des Landes schon immer auf Ausgleich und VerstÀndigung.

SPRECHER

FĂŒr Seretse Khama geht es jetzt zunĂ€chst darum, Verwaltungsstrukturen fĂŒr den jungen Staat aufzubauen. Britische Kolonialbeamte werden dabei nicht aus dem Land geworfen, sondern zunĂ€chst weiterbeschĂ€ftigt als Angestellte des Staates und nach und nach durch botswanische Angestellte ersetzt. Eine weise Entscheidung, erklĂ€rt Andreas Wimmer, Sozialwissenschaftler an der Columbia University in New York.

6 Wimmer

Durch diese Geschichte des graduellen Übergangs von einer Kolonialverwaltung zu einer Selbstverwaltung erklĂ€rt sich, wieso das im Vergleich zu anderen afrikanischen LĂ€ndern die botswanische Verwaltung sehr effizient war. Korruption gibt’s auch auf sehr reduzierter Ebene.

SPRECHERIN

Auch Klientelismus wird von Anfang an in Botswana bekĂ€mpft. Dass Verwaltungsangestellte die eigene Ethnie bevorzugen, wenn es zum Beispiel um den Bau von Straßen oder Schulen geht, soll verhindert werden. Das gelingt weitgehend, auch weil Seretse Khama bei der Zusammensetzung der Regierung darauf achtet, dass die verschiedenen Ethnien des Landes in der Regierung vertreten sind.

7 Wimmer

Und das war eigentlich von Anfang an der Fall. Heißt, dass keine der grĂ¶ĂŸeren Gruppen war eigentlich von der Macht ausgeschlossen. Es gab ein power-sharing arrangement, informelles power-sharing arrangement von Beginn an


TC 10:52 – Diamantensegen

Musik: C1588530112 Green oasis 0‘47

SPRECHER

Seretse Khama ist ĂŒberzeugt von der Demokratie. Diese ist fĂŒr ihn entscheidend fĂŒr die StabilitĂ€t eines Landes Er soll sich sogar eine stĂ€rkere Opposition gewĂŒnscht haben. Diese hatte anfangs nur sieben von 34 Sitzen. Generell rechnet er damit, dass StaatsfĂŒhrer, die die Bevölkerung gewaltsam unterdrĂŒcken, irgendwann selbst mit Gewalt aus dem Amt gedrĂ€ngt werden.

SPRECHERIN

Der Stil von Seretse Khama sorgt damals auch international fĂŒr Aufsehen. In der New York Times erscheint kurz nach der UnabhĂ€ngigkeit ein langer Artikel, der Botswana als erfreuliche Ausnahme zu anderen afrikanischen Staaten beschreibt. Das Wort „Erfolgsgeschichte“ wird hier bereits erwĂ€hnt.

SPRECHER

Es gibt allerdings ein Problem - dem jungen botswanischen Staat fehlen nach wie vor Einnahmen. GrĂ¶ĂŸter Wirtschaftszweig ist immer noch die Viehzucht. Das Land gilt Mitte der 1960er Jahre als eines der Ă€rmsten der Welt, auch weil es eben keine nennenswerten Rohstoffvorkommen gibt.

Musik: C1588530110 Call of the desert 0‘35

SPRECHERIN

Dabei gibt es Hoffnung. In den NachbarlĂ€ndern wurden schon vor Jahrzehnten große Diamantenvorkommen entdeckt. Und auch in Botswana laufen seit Mitte der 1950er Jahre Erkundungen. Nachdem zehn Jahre lang in unterschiedlichen Regionen Botswanas keine Edelsteine gefunden wurden, sollen die kostspieligen BemĂŒhungen 1965 eingestellt werden. Der leitende Geologe kann allerdings eine VerlĂ€ngerung um ein Jahr heraushandeln.

SPRECHER

Und nur zwei Monate vor Ablauf der Frist hat das Team Erfolg und findet tatsĂ€chlich erste Hinweise auf Diamantenvorkommen - unweit der Hauptstadt Gaborone. In der folgenden Zeit werden dann mehrere Diamantenvorkommen in verschiedenen Teilen des Landes entdeckt. Sie zĂ€hlen bis heute zu den grĂ¶ĂŸten der Welt. Das Land kann jetzt mit enormen Einnahmen rechnen. Nun zeigt sich, dass es ein GlĂŒcksfall war, dass Botswanas staatliche Strukturen und die Verwaltung bereits weitestgehend aufgebaut waren, als der Diamantensegen ĂŒber das Land hereinbrach. Andreas Wimmer:

8 Wimmer

So ist es vielleicht zu erklÀren, dass eben im Unterschied zu anderen ressourcenreichen LÀndern in Afrika, aber auch anderswo, dass der Diamantenreichtum nicht versickerte in den privaten Bankkonten von Politikern und hohen FunktionÀren und dass das Einkommen aus dem Diamantenabbau eben zur weiteren Verbesserung der Infrastruktur benutzt wurde, und nicht einfach, um politisch Stimmen zu kaufen oder eine Armee aufzubauen.

Musik: M0007510021 Tribal conflict 0‘32

SPRECHERIN

LĂ€nder, wie Angola oder auch Sambia verfĂŒgen einerseits ĂŒber enorme Rohstoffvorkommen wie Kupfer oder Öl, sind andererseits aber politisch sehr instabil. Der Grund: Staatliche Strukturen sind oft schwach und daher versuchen verschiedene KrĂ€fte, sich möglichst große Teile des Reichtums zu sichern. Immer wieder entstehen so blutige Konflikte. Als “Ressourcen-Fluch” wird dieser Teufelskreis bezeichnet.

SPRECHER

Dass Seretse Khama und seine Regierung es geschafft haben, diese Entwicklung zu verhindern, ist fĂŒr den Soziologen Andreas Wimmer von der Columbia University eine entscheidende Entwicklung. Er hat ein Buch geschrieben ĂŒber die Frage, warum manche Staaten scheitern und andere prosperieren. In Botswana sei es gelungen, Investitionen in Schulen, KrankenhĂ€user und Straßen so zu verteilen, dass möglichst alle Teile der Bevölkerung davon profitieren.

9 Wimmer

Das Argument ist, dass das dazu beigetragen hat, dass die BĂŒrger unabhĂ€ngig von ihrem ethnischen Hintergrund, unabhĂ€ngig von der Sprache, die sie sprechen die Regierung als gleichermaßen legitim erachten und die entsprechenden politischen Parteien auch unterstĂŒtzen.

SPRECHERIN

Dies fĂŒhrte auch dazu, dass die Unterschiede der Volksgruppen im Land eine vergleichsweise untergeordnete Rolle spielen. Gewaltsame Konflikte entlang ethnischer Trennlinien, wie es sie in anderen instabilen Staaten immer wieder gibt, sind in Botswana nicht entstanden.

SPRECHER

Eine weitere visionĂ€re Entscheidung half, diese gĂŒnstigen Voraussetzungen dauerhaft zu sichern, betont der Politikwissenschaftler Christian von Soest. Die botswanische StaatsfĂŒhrung rund um Seretse Khama geht zur Diamantenförderung ein Joint Venture mit dem sĂŒdafrikanischen Bergbaukonzern DeBeers ein. Die Einnahmen teilen sich zur HĂ€lfte Staat und Konzern.

10 von Soest

Das hat sicherlich auch dazu beigetragen, dass man erstens eben die Expertise hat, dass aber auch der Zugriff auf die Einnahmen eben auch sehr viel kontrollierter vonstattenging als das in anderen Staaten der Fall war.

SPRECHERIN

Dieses Kooperationsmodell wird spÀter auch von anderen LÀndern kopiert, zum Beispiel im Nachbarland Namibia.

Musik: C1582570117 Im Supermarkt 0‘34

SPRECHER

Botswana erlebt in den 1970er Jahren dank der Diamantenförderung einen enormen Aufschwung. Das Land verzeichnet das höchste Wirtschaftswachstum weltweit. Das durchschnittliche Pro-Kopf-Einkommen entwickelt sich zu einem der höchsten auf dem Kontinent. Die Gesundheitsversorgung wird weiter massiv ausgebaut und ist zum großen Teil kostenlos. Die internationalen Beobachter ĂŒberbieten sich mit Lob fĂŒr “die Schweiz Afrikas”, wie Botswana immer wieder genannt wird.

TC 16:22 – Kratzer im ‚afrikanischen MĂ€rchen‘

SPRECHERIN

Dabei steht das Land außenpolitisch vor großen Herausforderungen. Die zentrale Frage ist, wie sich Botswana gegenĂŒber dem rassistischen Apartheidsregime im Nachbarland SĂŒdafrika verhĂ€lt. Seretse Khama ist durch seine Ehe mit der weißen Ruth und seiner liberalen Einstellung der personifizierte Gegenentwurf zu einer Politik der Rassentrennung.

SPRECHER

Er weiß gleichzeitig, dass er seine Kritik vorsichtig formulieren muss, um den mĂ€chtigen Nachbarn nicht zu sehr zu reizen und die eigene SouverĂ€nitĂ€t nicht zu gefĂ€hrden. Anders als andere Staaten hat Botswana sĂŒdafrikanische Freiheitsbewegungen wohl auch deshalb nie offen unterstĂŒtzt.

Musik: C1608480130 Toumani A 0‘42

SPRECHERIN

1980 kommt es zu einem Einschnitt in der Geschichte Botswanas. StaatsprĂ€sident Seretse Khama stirbt im Alter von nur 59 Jahren an BauchspeicheldrĂŒsenkrebs. Aber der Übergang zu seinen Nachfolgern vollzieht sich gerĂ€uschlos. Und auch die folgenden Parlamentswahlen laufen grundsĂ€tzlich demokratisch und frei ab. Viele Berichte beschreiben Botswana bis heute ĂŒberschwĂ€nglich als ein afrikanisches MĂ€rchen. In den letzten Jahren hat diese ErzĂ€hlung allerdings einige Kratzer bekommen.

SPRECHER

Ein Beispiel dafĂŒr sind Minderheitenrechte. Der sehr repressive Umgang mit einer indigenen Volksgruppe, den San, hat immer wieder fĂŒr internationale Kritik gesorgt. Christian von Soest:

12 von Soest

Die San leben als Nomaden, sind nicht wirklich sesshaft und das wurde als nicht modern von der Regierung aufgefasst. Ein sehr paternalistisches VerhĂ€ltnis von Politik teilweise, das nicht ausgerichtet ist auf den Schutz von alternativen Lebensformen und -entwĂŒrfen.

SPRECHERIN

Die San wurden von der Wasserversorgung abgeschnitten und gezielt aus ihren gewohnten LebensrĂ€umen vertrieben. Dabei hat sicher auch eine Rolle gespielt, dass in diesen Gebieten Diamantenvorkommen vermutet wurden. Und diesen Edelsteinen wird in Botswana nach wie vor alles untergeordnet. Sie sind der Garant fĂŒr den Wohlstand des Landes.

SPRECHER

Dabei gibt es allerdings einen Haken. Denn trotz dieser Einnahmen steigt die Arbeitslosigkeit in Botswana in den letzten Jahren. Sie liegt bei rund 20 Prozent.

13 von Soest

Der Abbau von Diamanten braucht nicht sehr viele ArbeitskrÀfte. Und das ist eben ein zentrales Problem. Die Einnahmen des Staates sind sehr hoch. Aber es ist eben nicht sehr breitenwirksam diese, diese, diese Einnahmequelle.

Musik: M0007510021 Tribal conflict 0‘47

SPRECHERIN

Eine Folge davon ist eine wachsende soziale Ungleichheit. Diese Entwicklung kann enorme gesellschaftliche Sprengkraft entwickeln. Ein Ziel ist deshalb seit langem eine Diversifizierung der Wirtschaft. Insbesondere weil die Diamantenvorkommen im Jahr 2050 etwa erschöpft sein sollen. Lange hat Botswana auf Luxustourismus gesetzt. Das Land verfĂŒgt ĂŒber eine der grĂ¶ĂŸten Elefantenpopulationen weltweit und mit dem Okavango-Delta ĂŒber ein Naturparadies. Seit wegen der Corona-Pandemie die Touristenströme ausblieben, zeigte sich allerdings, wie unsicher auch diese Strategie sein kann.

SPRECHER

Botswana hat außerdem mit einer im Vergleich zu anderen LĂ€ndern enorm hohen Zahl an HIV-Infizierten zu kĂ€mpfen. Auch der Klimawandel setzt dem Land zu. Schon seit Jahrzehnten gibt immer wieder DĂŒrren, die große Teile Botswanas bedrohen. Nicht umsonst lautet das Staatsmotto Botswanas “Pula”, ĂŒbersetzt etwa: “Möge Regen kommen!”

Musik: C1595860103 Truth development inc (c) 0‘49

SPRECHERIN

Bleibt noch die Demokratie, die ja Ausgangspunkt fĂŒr die Entwicklung Botswanas ist und fĂŒr die das Land gefeiert wird. Zwar gilt Botswana was freie Wahlen und Meinungsfreiheit angeht, noch immer als leuchtendes Vorbild - insbesondere in Afrika. Allerdings zeigen sich auch hier Probleme. Zwar gelten die Wahlen als frei und fair. Aber bislang hat jede Abstimmung die BDP gewonnen - die Partei, die Seretse Khama gegrĂŒndet hatte. Es gibt Anzeichen fĂŒr verkrustete Strukturen und Vetternwirtschaft innerhalb des Regierungsapparats. Die Entwicklung Botswanas wird in der Politikwissenschaft deshalb auch kontrovers diskutiert.

14 von Soest

Es gibt Kolleginnen und Kollegen, die sagen den eigentlichen, ultimativen Test fĂŒr eine Demokratie hat es noch nicht gegeben, nĂ€mlich ob ein Amtsinhaber eine Amtsinhaberin bereit ist, den Regierungssitz verlassen, wenn er oder sie bei der Wahl verloren hat und nicht mehr die Mehrheit der Stimmen hat. Das hat die BDP bisher nicht gehabt. Diese Herausforderung, dass es einen Machtwechsel gab. Jetzt lĂ€sst sich trefflich darĂŒber streiten, ob sie bereit wĂ€re, das zu tun. Das wissen wir letztendlich nicht. Ich wĂŒrde sagen ja.

SPRECHER

2018 wurde der BDP-Vertreter Mogkweetsi Masisi zum neuen StaatsprĂ€sidenten gewĂ€hlt. Bei seinem Amtsantritt hat er klargemacht, worauf es fĂŒr ihn ankommt.

15 Mogweetsi Masisi

We are committed to a modern Botswana, that is not only open but able to openly compete with the rest of the world while maintaining our founding principles that have united this nation through difficult times: Democracy, Self-Reliance, Development, Unity and Botho!

ZITATOR / OV

Wir streben nach einem modernen Botswana, das offen ist und in der Lage ist, mit dem Rest der Welt mitzuhalten. Dabei setzen wir auf unsere Grundwerte, die uns auch in schwierigen Zeiten geeint haben: Demokratie, EigenstÀndigkeit, Entwicklung, Einigkeit und Botho.

Musik: C1595860130 One world pattern (e) 0‘42

SPRECHERIN

Botho ist ein Begriff aus der Landessprache Setswana. Er bedeutet ĂŒbersetzt etwa Menschlichkeit und gegenseitiger Respekt. Mit diesen Grundlagen hat es Botswana weit gebracht. Aber das Land steht an einer Weggabelung. Es ist unklar, ob es gelingt, die Wirtschaft breiter aufzustellen und neue Einnahmequellen zu erschließen. Entscheidend fĂŒr das Bestehen der Demokratie wird sein, dass ethnische Konflikte weitgehend ausbleiben und die soziale Ungleichheit nicht noch grĂ¶ĂŸer wird.

TC 22:18 – Outro