Botswana ist eine unerwartete Erfolgsgeschichte. Bei der StaatsgrĂŒndung wirtschaftlich schwach und ohne nennenswerte Infrastruktur, gilt Botswana heute als eines der wohlhabendsten und stabilsten LĂ€nder Afrikas. Das liegt nicht nur am ĂŒberlegten Umgang mit Diamantenvorkommen. Wie hat Botswana das geschafft? Februar ist "Black History Month".Von Linus LĂŒring (BR 2022)
Botswana ist eine unerwartete Erfolgsgeschichte. Bei der StaatsgrĂŒndung wirtschaftlich schwach und ohne nennenswerte Infrastruktur, gilt Botswana heute als eines der wohlhabendsten und stabilsten LĂ€nder Afrikas. Das liegt nicht nur am ĂŒberlegten Umgang mit Diamantenvorkommen. Wie hat Botswana das geschafft? Februar ist "Black History Month".Von Linus LĂŒring (BR 2022)
Credits
Autor: Linus LĂŒring
Regie: Sabine Kienhöfer
Es sprachen: Hemma Michel, Christian Baumann, Florian Schwarz
Technik: Susanne Harasim
Redaktion: Thomas Morawetz
Im Interview: Dr. Christian von Soest, Prof. Andreas Wimmer, Mogkweetsi Masisi
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Timecodes (TC) zu dieser Folge:
TC 00:15 â Intro
TC 02:26 â Eine Reise nach GroĂbritannien
TC 04:49 â Der Enkel des Königs
TC 09:11 â Ein Umbruch durch Ausgleich und VerstĂ€ndigung
TC 10:52 â Diamantensegen
TC 16:22 â Kratzer im âafrikanischen MĂ€rchenâ
TC 22:18 â Outro
Lesen Sie einen Ausschnitt aus dem Manuskript:
TC 00:15 â Intro
Musik: C1582570107 Der Maschinenbauer
SPRECHERIN
London, 6. September 1895. Drei MĂ€nner treffen in der Stadt an der Themse ein, noch etwas seekrank von der langen Reise. Zwei Wochen waren sie unterwegs. Es handelt sich um drei Herrscher aus Gebieten im sĂŒdlichen Afrika. Schnell machen sie gegenĂŒber hochrangigen Politikern ihr Ziel klar: Sie wollen erreichen, dass ihre Königreiche unter den Schutz der Britischen Krone kommen. Herrscher, die sich freiwillig einer Kolonialmacht unterwerfen?
SPRECHER
Was erstmal verwunderlich klingt, ist Strategie: Denn damals hatten es auch das Deutsche Reich mit der Kolonie Deutsch-SĂŒdwest-Afrika und die Buren im SĂŒden auf ihre Heimat abgesehen, erklĂ€rt Christian von Soest, Politikwissenschaftler am Leibniz-Institut fĂŒr globale und regionale Studien in Hamburg.
1 von Soest
Herrschaft von auĂen, offensichtlich das war die EinschĂ€tzung, die unter den HĂ€uptlingen eben vorherrschte, können wir nicht verhindern. Und da waren die Briten das kleinste Ăbel. Wenn man es denn schon nicht geschafft hat, diese MĂ€chte von auĂen eben aus dem Land rauszuhalten. Und da eben diese Reise nach London, wo man um diesen Schutz eben gebeten hat.
Musik: C1582570113 Auf der MĂŒllkippe 0â53
SPRECHERIN
Die britische Ăffentlichkeit ist fasziniert von den Besuchern aus dem fernen Afrika und ihrer Mission. âEin Triumvirat aus drei dunkelhĂ€utigen Königenâ, heiĂt es bewundernd in der Presse damals. Als mĂ€chtigster von ihnen gilt Khama III. Ein Name, der spĂ€ter noch wichtig werden wird. Nach einem GesprĂ€ch mit Queen Victoria haben er und die beiden anderen ihr Ziel erreicht: Die Briten schlieĂen ihre und benachbarte Reiche zum Protektorat Betschuanaland zusammen. Ein Gebiet, das zentral im sĂŒdlichen Afrika liegt - etwa gleich weit von Pazifik und Atlantik entfernt.
SPRECHER
Diese Entscheidung und die BemĂŒhungen der drei Herrscher haben Folgen, die bis heute spĂŒrbar sind. Aus Betschuanaland wird spĂ€ter die unabhĂ€ngige Republik Botswana. Ein Staat der Schlagzeilen macht.
TC 02:26 â Eine Reise nach GroĂbritannien
C1351080001 Kalimba work song (a) 0â17
Zitator
âEine Erfolgsgeschichteâ
âDas afrikanische Wunderâ
âAfrikas Oase der StabilitĂ€t und Demokratieâ
SPRECHERIN
Das sind die Ăberschriften von Artikeln, die in den letzten Jahren ĂŒber Botswana geschrieben wurden. Sie passen nicht zu dem Klischee, das viele Menschen in Deutschland noch immer im Kopf haben, wenn sie an Afrika denken. Krieg, Korruption, Armut. Ist Botswana wirklich eine Erfolgsgeschichte und möglicherweise ein Vorbild fĂŒr andere Staaten? Was hat das Land anders gemacht?
C1555160105 Water trops 0â31
SPRECHER
Die damalige Reise nach GroĂbritannien sehen viele als entscheidenden Ausgangspunkt fĂŒr eine positive Entwicklung Botswanas. Nach der Errichtung des Protektorats Betschuanaland erfĂŒllen sich die Hoffnungen der drei Herrscher, die gezielt britischen Schutz gesucht haben. Ihre Heimat bleibt von gröĂeren kolonialen EinflĂŒssen verschont und - wichtiger noch - ihre Macht bleibt mehr oder weniger unangetastet.
SPRECHERIN
Die Briten setzen auf indirekte Kontrolle und nutzen die traditionellen Herrschaftsstrukturen weiter, um das Land zu regieren. FĂŒr sie geht es in erster Linie darum zu verhindern, dass andere Staaten ihren Einfluss ausdehnen und etwa das Deutsche Reich noch gröĂere Gebiete im SĂŒden Afrikas kontrolliert. Ein konkretes Interesse an Betschuanaland selbst haben die Briten nicht, und das erscheint erstmal nachvollziehbar, erklĂ€rt Christian von Soest: Das Protektorat ist etwa so groĂ wie Frankreich, extrem dĂŒnn besiedelt und besteht zu einem groĂen Teil aus WĂŒste, der Kalahari. GröĂere Rohstoffvorkommen gibt es nicht. Die Bevölkerung lebt vor allem von der Viehzucht.
2 von Soest
Das Wort, was am besten die Kolonialzeit zusammenfasst, ist eigentlich die VernachlĂ€ssigung. Man hat eigentlich gar keine, keine groĂen Investitionen gemacht.
C1595860130 One world pattern (e) 0â26
SPRECHER
Weil das Protektorat unprofitabel ist, planen die Briten Betschuanaland an die sĂŒdafrikanische Union zu ĂŒbergeben, dem VorlĂ€uferstaat des heutigen SĂŒdafrika. Nachdem dort Mitte des 20. Jahrhunderts allerdings die Politik der Rassentrennung, die sogenannte Apartheid, eingefĂŒhrt wurde, ging GroĂbritannien auf Abstand zu diesen PlĂ€nen. Betschuanaland soll stattdessen ein eigenstĂ€ndiger unabhĂ€ngiger Staat werden.
TC 04:49 â Der Enkel des Königs
SPRECHERIN
Dabei wird ein Mann eine wichtige Rolle spielen: Seretse Khama. Enkel von Khama III., also dem Mann, der den Schutz der Briten gesucht hatte. Seretse Khama ist nun designierter Herrscher der Bamangwato-Ethnie. Doch dieses Amt wird er nie ausĂŒben. ZunĂ€chst geht er in den 1940er Jahren zum Studium nach GroĂbritannien.
Musik: C1351080007 Shangaan lullaby (a) 0â25
SPRECHER
An einem Juniabend 1947 lernt er dort die junge Ruth kennen. Die beiden tanzen und verlieben sich. Ein afrikanischer Prinz und eine weiĂe Britin. Nur ein Jahr spĂ€ter planen die beiden zu heiraten. Ihre Liebe wird ein internationales Politikum. Seretse Khama schreibt einen langen Brief in die Heimat.
SPRECHERIN
Damals kennen Ruth und er sich seit etwa eineinhalb Jahren, erklĂ€rt er darin. AuĂerdem seien sie sich aller Schwierigkeiten bewusst, die sie jetzt erwarten. Aber Seretse Khama schreibt weiter, es wĂŒrde keinen Sinn machen, sie von der Heirat abzubringen. Sie beide wollten den Schritt auf jeden Fall gehen.
SPRECHER
Die Reaktionen sind zunĂ€chst heftig. âWenn er sie mitbringt, werde ich ihn tötenâ, soll Seretses Onkel angekĂŒndigt haben. FĂŒr die meisten in Betschuanaland waren WeiĂe in erster Linie Kolonialisten, die nur ihren eigenen Vorteil im Sinn haben. Gleichzeitig Ă€uĂert auch das weiĂe Apartheidsregime im benachbarten SĂŒdafrika heftige Kritik an der Ehe.
SPRECHERIN
Aber Seretse und Ruth lassen sich nicht trennen. âLiebe kennt keine Hautfarbeâ, erklĂ€rt er und verkĂŒndet schlieĂlich seinen Verzicht auf den Thron. Einige Jahre spĂ€ter ziehen die beiden dann nach Betschuanaland. Mit seiner zurĂŒckhaltenden Art und seiner positiven Ausstrahlung gewinnt er die Herzen vieler Landsleute wieder. Auch Ruth wird in ihrer neuen Heimat immer beliebter.
Musik: M0007510022 Afrikan dream 0â22
SPRECHER
In dieser Zeit, gegen Ende der 1950er Jahre, nehmen die Vorbereitungen fĂŒr die UnabhĂ€ngigkeit des Protektorats an Fahrt auf. Dass Seretse Khama dabei eine SchlĂŒsselfigur wird, ist fĂŒr Christian von Soest kein Zufall.
3 von Soest Khama
Einmal war er Nachkomme des wichtigsten Stammes. Das heiĂt, er hatte ein hohes MaĂ an LegitimitĂ€t und AutoritĂ€t. Er war politisch extrem gut verbunden. Er war in GroĂbritannien ausgebildet. Hatte also sehr gute Verbindungen auch zur frĂŒheren Kolonialmacht und war auch einer der gröĂten Viehbesitzer. Das heiĂt, er hat zur Zeit der UnabhĂ€ngigkeit die UnterstĂŒtzung aller politisch wichtigen Gruppen in Botswana. Der ausgebildeten Elite, der traditionellen AutoritĂ€ten, der britischen Herrscher, der ViehzĂŒchter und der lĂ€ndlichen Bevölkerung.
Musik: M0007510022 Afrikan dream 0â30
SPRECHERIN
Seretse Khama grĂŒndet die Botswana Democratic Party, kurz BDP, und gewinnt damit bei den ersten Wahlen die Mehrheit der Sitze im Parlament. Als Betschuanaland 1966 als Botswana die UnabhĂ€ngigkeit erlangt, wird Seretse Khama der erste StaatsprĂ€sident. Beim Amtsantritt zeigt Khama sich demĂŒtig.
SPRECHER
Er erklĂ€rt, wie sehr er sich ĂŒber das groĂe Vertrauen der Bevölkerung Botswanas freue. Gleichzeitig spricht er aber auch von den groĂen Erwartungen, die auf ihm lasten wĂŒrden. Er hofft, dass er die Versprechen erfĂŒllen kann, die er den Menschen Botswanas gegeben hat.
SPRECHERIN
Die Startbedingungen sind auf den ersten Blick denkbar schlecht, wenn man sich die Fakten anschaut: 1966 hat Botswana gerade mal 12 Kilometer asphaltierte StraĂe, keinen direkten Meereszugang, im Land gibt es nur um die 20 UniversitĂ€tsabsolventen und neun Schulen, die ĂŒber die Grundschule hinausgehen.
SPRECHER
In anderen Staaten auf dem afrikanischen Kontinent ist die Ausgangslage komfortabler. Hier hatten die KolonialmÀchte deutlich stÀrker investiert. Das hatte allerdings einen Preis. Denn dabei hatten sie den Kolonialgebieten auch eigene Machtstrukturen aufgezwungen. In Botswana waren die HerrschaftsverhÀltnisse auf lokaler Ebene dagegen unverÀndert geblieben.
5 von Soest
Das war fĂŒr die weitere Entwicklung des Landes sehr, sehr wichtig. Und wenn wir uns andere LĂ€nder anschauen, da hatten Regierungen einen revolutionĂ€ren Anspruch, gegen diese Herrschaftsordnung aus der kolonialen Zeit und Besitzordnungen eben anzukĂ€mpfen. Und genau diesen revolutionĂ€ren Anspruch â das finden Sie nicht in Botswana.Â
TC 09:11 â Ein Umbruch durch Ausgleich und VerstĂ€ndigung
Musik: M0007510024 Happy plains 0â20
SPRECHERIN
Der UnabhÀngigkeitsprozess lÀuft deshalb sehr konsensual ab - ohne blutige KÀmpfe. Generell basiert die Herrschaftskultur in den verschiedenen Königreichen und Ethnien des Landes schon immer auf Ausgleich und VerstÀndigung.
SPRECHER
FĂŒr Seretse Khama geht es jetzt zunĂ€chst darum, Verwaltungsstrukturen fĂŒr den jungen Staat aufzubauen. Britische Kolonialbeamte werden dabei nicht aus dem Land geworfen, sondern zunĂ€chst weiterbeschĂ€ftigt als Angestellte des Staates und nach und nach durch botswanische Angestellte ersetzt. Eine weise Entscheidung, erklĂ€rt Andreas Wimmer, Sozialwissenschaftler an der Columbia University in New York.
6 Wimmer
Durch diese Geschichte des graduellen Ăbergangs von einer Kolonialverwaltung zu einer Selbstverwaltung erklĂ€rt sich, wieso das im Vergleich zu anderen afrikanischen LĂ€ndern die botswanische Verwaltung sehr effizient war. Korruption gibtâs auch auf sehr reduzierter Ebene.
SPRECHERIN
Auch Klientelismus wird von Anfang an in Botswana bekĂ€mpft. Dass Verwaltungsangestellte die eigene Ethnie bevorzugen, wenn es zum Beispiel um den Bau von StraĂen oder Schulen geht, soll verhindert werden. Das gelingt weitgehend, auch weil Seretse Khama bei der Zusammensetzung der Regierung darauf achtet, dass die verschiedenen Ethnien des Landes in der Regierung vertreten sind.
7 Wimmer
Und das war eigentlich von Anfang an der Fall. HeiĂt, dass keine der gröĂeren Gruppen war eigentlich von der Macht ausgeschlossen. Es gab ein power-sharing arrangement, informelles power-sharing arrangement von Beginn anâŠ
TC 10:52 â Diamantensegen
Musik: C1588530112 Green oasis 0â47
SPRECHER
Seretse Khama ist ĂŒberzeugt von der Demokratie. Diese ist fĂŒr ihn entscheidend fĂŒr die StabilitĂ€t eines Landes Er soll sich sogar eine stĂ€rkere Opposition gewĂŒnscht haben. Diese hatte anfangs nur sieben von 34 Sitzen. Generell rechnet er damit, dass StaatsfĂŒhrer, die die Bevölkerung gewaltsam unterdrĂŒcken, irgendwann selbst mit Gewalt aus dem Amt gedrĂ€ngt werden.
SPRECHERIN
Der Stil von Seretse Khama sorgt damals auch international fĂŒr Aufsehen. In der New York Times erscheint kurz nach der UnabhĂ€ngigkeit ein langer Artikel, der Botswana als erfreuliche Ausnahme zu anderen afrikanischen Staaten beschreibt. Das Wort âErfolgsgeschichteâ wird hier bereits erwĂ€hnt.
SPRECHER
Es gibt allerdings ein Problem - dem jungen botswanischen Staat fehlen nach wie vor Einnahmen. GröĂter Wirtschaftszweig ist immer noch die Viehzucht. Das Land gilt Mitte der 1960er Jahre als eines der Ă€rmsten der Welt, auch weil es eben keine nennenswerten Rohstoffvorkommen gibt.
Musik: C1588530110 Call of the desert 0â35
SPRECHERIN
Dabei gibt es Hoffnung. In den NachbarlĂ€ndern wurden schon vor Jahrzehnten groĂe Diamantenvorkommen entdeckt. Und auch in Botswana laufen seit Mitte der 1950er Jahre Erkundungen. Nachdem zehn Jahre lang in unterschiedlichen Regionen Botswanas keine Edelsteine gefunden wurden, sollen die kostspieligen BemĂŒhungen 1965 eingestellt werden. Der leitende Geologe kann allerdings eine VerlĂ€ngerung um ein Jahr heraushandeln.
SPRECHER
Und nur zwei Monate vor Ablauf der Frist hat das Team Erfolg und findet tatsĂ€chlich erste Hinweise auf Diamantenvorkommen - unweit der Hauptstadt Gaborone. In der folgenden Zeit werden dann mehrere Diamantenvorkommen in verschiedenen Teilen des Landes entdeckt. Sie zĂ€hlen bis heute zu den gröĂten der Welt. Das Land kann jetzt mit enormen Einnahmen rechnen. Nun zeigt sich, dass es ein GlĂŒcksfall war, dass Botswanas staatliche Strukturen und die Verwaltung bereits weitestgehend aufgebaut waren, als der Diamantensegen ĂŒber das Land hereinbrach. Andreas Wimmer:
8 Wimmer
So ist es vielleicht zu erklÀren, dass eben im Unterschied zu anderen ressourcenreichen LÀndern in Afrika, aber auch anderswo, dass der Diamantenreichtum nicht versickerte in den privaten Bankkonten von Politikern und hohen FunktionÀren und dass das Einkommen aus dem Diamantenabbau eben zur weiteren Verbesserung der Infrastruktur benutzt wurde, und nicht einfach, um politisch Stimmen zu kaufen oder eine Armee aufzubauen.
Musik: M0007510021 Tribal conflict 0â32
SPRECHERIN
LĂ€nder, wie Angola oder auch Sambia verfĂŒgen einerseits ĂŒber enorme Rohstoffvorkommen wie Kupfer oder Ăl, sind andererseits aber politisch sehr instabil. Der Grund: Staatliche Strukturen sind oft schwach und daher versuchen verschiedene KrĂ€fte, sich möglichst groĂe Teile des Reichtums zu sichern. Immer wieder entstehen so blutige Konflikte. Als âRessourcen-Fluchâ wird dieser Teufelskreis bezeichnet.
SPRECHER
Dass Seretse Khama und seine Regierung es geschafft haben, diese Entwicklung zu verhindern, ist fĂŒr den Soziologen Andreas Wimmer von der Columbia University eine entscheidende Entwicklung. Er hat ein Buch geschrieben ĂŒber die Frage, warum manche Staaten scheitern und andere prosperieren. In Botswana sei es gelungen, Investitionen in Schulen, KrankenhĂ€user und StraĂen so zu verteilen, dass möglichst alle Teile der Bevölkerung davon profitieren.
9 Wimmer
Das Argument ist, dass das dazu beigetragen hat, dass die BĂŒrger unabhĂ€ngig von ihrem ethnischen Hintergrund, unabhĂ€ngig von der Sprache, die sie sprechen die Regierung als gleichermaĂen legitim erachten und die entsprechenden politischen Parteien auch unterstĂŒtzen.
SPRECHERIN
Dies fĂŒhrte auch dazu, dass die Unterschiede der Volksgruppen im Land eine vergleichsweise untergeordnete Rolle spielen. Gewaltsame Konflikte entlang ethnischer Trennlinien, wie es sie in anderen instabilen Staaten immer wieder gibt, sind in Botswana nicht entstanden.
SPRECHER
Eine weitere visionĂ€re Entscheidung half, diese gĂŒnstigen Voraussetzungen dauerhaft zu sichern, betont der Politikwissenschaftler Christian von Soest. Die botswanische StaatsfĂŒhrung rund um Seretse Khama geht zur Diamantenförderung ein Joint Venture mit dem sĂŒdafrikanischen Bergbaukonzern DeBeers ein. Die Einnahmen teilen sich zur HĂ€lfte Staat und Konzern.
10 von Soest
Das hat sicherlich auch dazu beigetragen, dass man erstens eben die Expertise hat, dass aber auch der Zugriff auf die Einnahmen eben auch sehr viel kontrollierter vonstattenging als das in anderen Staaten der Fall war.
SPRECHERIN
Dieses Kooperationsmodell wird spÀter auch von anderen LÀndern kopiert, zum Beispiel im Nachbarland Namibia.
Musik: C1582570117 Im Supermarkt 0â34
SPRECHER
Botswana erlebt in den 1970er Jahren dank der Diamantenförderung einen enormen Aufschwung. Das Land verzeichnet das höchste Wirtschaftswachstum weltweit. Das durchschnittliche Pro-Kopf-Einkommen entwickelt sich zu einem der höchsten auf dem Kontinent. Die Gesundheitsversorgung wird weiter massiv ausgebaut und ist zum groĂen Teil kostenlos. Die internationalen Beobachter ĂŒberbieten sich mit Lob fĂŒr âdie Schweiz Afrikasâ, wie Botswana immer wieder genannt wird.
TC 16:22 â Kratzer im âafrikanischen MĂ€rchenâ
SPRECHERIN
Dabei steht das Land auĂenpolitisch vor groĂen Herausforderungen. Die zentrale Frage ist, wie sich Botswana gegenĂŒber dem rassistischen Apartheidsregime im Nachbarland SĂŒdafrika verhĂ€lt. Seretse Khama ist durch seine Ehe mit der weiĂen Ruth und seiner liberalen Einstellung der personifizierte Gegenentwurf zu einer Politik der Rassentrennung.
SPRECHER
Er weiĂ gleichzeitig, dass er seine Kritik vorsichtig formulieren muss, um den mĂ€chtigen Nachbarn nicht zu sehr zu reizen und die eigene SouverĂ€nitĂ€t nicht zu gefĂ€hrden. Anders als andere Staaten hat Botswana sĂŒdafrikanische Freiheitsbewegungen wohl auch deshalb nie offen unterstĂŒtzt.
Musik: C1608480130 Toumani A 0â42
SPRECHERIN
1980 kommt es zu einem Einschnitt in der Geschichte Botswanas. StaatsprĂ€sident Seretse Khama stirbt im Alter von nur 59 Jahren an BauchspeicheldrĂŒsenkrebs. Aber der Ăbergang zu seinen Nachfolgern vollzieht sich gerĂ€uschlos. Und auch die folgenden Parlamentswahlen laufen grundsĂ€tzlich demokratisch und frei ab. Viele Berichte beschreiben Botswana bis heute ĂŒberschwĂ€nglich als ein afrikanisches MĂ€rchen. In den letzten Jahren hat diese ErzĂ€hlung allerdings einige Kratzer bekommen.
SPRECHER
Ein Beispiel dafĂŒr sind Minderheitenrechte. Der sehr repressive Umgang mit einer indigenen Volksgruppe, den San, hat immer wieder fĂŒr internationale Kritik gesorgt. Christian von Soest:
12 von Soest
Die San leben als Nomaden, sind nicht wirklich sesshaft und das wurde als nicht modern von der Regierung aufgefasst. Ein sehr paternalistisches VerhĂ€ltnis von Politik teilweise, das nicht ausgerichtet ist auf den Schutz von alternativen Lebensformen und -entwĂŒrfen.
SPRECHERIN
Die San wurden von der Wasserversorgung abgeschnitten und gezielt aus ihren gewohnten LebensrĂ€umen vertrieben. Dabei hat sicher auch eine Rolle gespielt, dass in diesen Gebieten Diamantenvorkommen vermutet wurden. Und diesen Edelsteinen wird in Botswana nach wie vor alles untergeordnet. Sie sind der Garant fĂŒr den Wohlstand des Landes.
SPRECHER
Dabei gibt es allerdings einen Haken. Denn trotz dieser Einnahmen steigt die Arbeitslosigkeit in Botswana in den letzten Jahren. Sie liegt bei rund 20 Prozent.
13 von Soest
Der Abbau von Diamanten braucht nicht sehr viele ArbeitskrÀfte. Und das ist eben ein zentrales Problem. Die Einnahmen des Staates sind sehr hoch. Aber es ist eben nicht sehr breitenwirksam diese, diese, diese Einnahmequelle.
Musik: M0007510021 Tribal conflict 0â47
SPRECHERIN
Eine Folge davon ist eine wachsende soziale Ungleichheit. Diese Entwicklung kann enorme gesellschaftliche Sprengkraft entwickeln. Ein Ziel ist deshalb seit langem eine Diversifizierung der Wirtschaft. Insbesondere weil die Diamantenvorkommen im Jahr 2050 etwa erschöpft sein sollen. Lange hat Botswana auf Luxustourismus gesetzt. Das Land verfĂŒgt ĂŒber eine der gröĂten Elefantenpopulationen weltweit und mit dem Okavango-Delta ĂŒber ein Naturparadies. Seit wegen der Corona-Pandemie die Touristenströme ausblieben, zeigte sich allerdings, wie unsicher auch diese Strategie sein kann.
SPRECHER
Botswana hat auĂerdem mit einer im Vergleich zu anderen LĂ€ndern enorm hohen Zahl an HIV-Infizierten zu kĂ€mpfen. Auch der Klimawandel setzt dem Land zu. Schon seit Jahrzehnten gibt immer wieder DĂŒrren, die groĂe Teile Botswanas bedrohen. Nicht umsonst lautet das Staatsmotto Botswanas âPulaâ, ĂŒbersetzt etwa: âMöge Regen kommen!â
Musik: C1595860103 Truth development inc (c) 0â49
SPRECHERIN
Bleibt noch die Demokratie, die ja Ausgangspunkt fĂŒr die Entwicklung Botswanas ist und fĂŒr die das Land gefeiert wird. Zwar gilt Botswana was freie Wahlen und Meinungsfreiheit angeht, noch immer als leuchtendes Vorbild - insbesondere in Afrika. Allerdings zeigen sich auch hier Probleme. Zwar gelten die Wahlen als frei und fair. Aber bislang hat jede Abstimmung die BDP gewonnen - die Partei, die Seretse Khama gegrĂŒndet hatte. Es gibt Anzeichen fĂŒr verkrustete Strukturen und Vetternwirtschaft innerhalb des Regierungsapparats. Die Entwicklung Botswanas wird in der Politikwissenschaft deshalb auch kontrovers diskutiert.
14 von Soest
Es gibt Kolleginnen und Kollegen, die sagen den eigentlichen, ultimativen Test fĂŒr eine Demokratie hat es noch nicht gegeben, nĂ€mlich ob ein Amtsinhaber eine Amtsinhaberin bereit ist, den Regierungssitz verlassen, wenn er oder sie bei der Wahl verloren hat und nicht mehr die Mehrheit der Stimmen hat. Das hat die BDP bisher nicht gehabt. Diese Herausforderung, dass es einen Machtwechsel gab. Jetzt lĂ€sst sich trefflich darĂŒber streiten, ob sie bereit wĂ€re, das zu tun. Das wissen wir letztendlich nicht. Ich wĂŒrde sagen ja.
SPRECHER
2018 wurde der BDP-Vertreter Mogkweetsi Masisi zum neuen StaatsprĂ€sidenten gewĂ€hlt. Bei seinem Amtsantritt hat er klargemacht, worauf es fĂŒr ihn ankommt.
15 Mogweetsi Masisi
We are committed to a modern Botswana, that is not only open but able to openly compete with the rest of the world while maintaining our founding principles that have united this nation through difficult times: Democracy, Self-Reliance, Development, Unity and Botho!
ZITATOR / OV
Wir streben nach einem modernen Botswana, das offen ist und in der Lage ist, mit dem Rest der Welt mitzuhalten. Dabei setzen wir auf unsere Grundwerte, die uns auch in schwierigen Zeiten geeint haben: Demokratie, EigenstÀndigkeit, Entwicklung, Einigkeit und Botho.
Musik: C1595860130 One world pattern (e) 0â42
SPRECHERIN
Botho ist ein Begriff aus der Landessprache Setswana. Er bedeutet ĂŒbersetzt etwa Menschlichkeit und gegenseitiger Respekt. Mit diesen Grundlagen hat es Botswana weit gebracht. Aber das Land steht an einer Weggabelung. Es ist unklar, ob es gelingt, die Wirtschaft breiter aufzustellen und neue Einnahmequellen zu erschlieĂen. Entscheidend fĂŒr das Bestehen der Demokratie wird sein, dass ethnische Konflikte weitgehend ausbleiben und die soziale Ungleichheit nicht noch gröĂer wird.
TC 22:18 â Outro