Alles Geschichte - History von radioWissen   /     LEBEN IN GEFAHR ? Susanna Daucher, TĂ€uferin um 1500

Description

Eine Frau aus dem 16. Jahrhundert geht wegen einer einzigen mutigen Aktion in die Augsburger Stadtgeschichte ein: Susanna Daucher war AnhĂ€ngerin der Glaubensgemeinschaft der TĂ€ufer. Als vermeintlich sozialrevolutionĂ€re Keimzelle werden die Mitglieder der TĂ€uferbewegung verfolgt und bestraft. Dennoch versammelt Susanna Daucher am Ostersonntag des Jahres 1528 ihre GlaubensbrĂŒder und -schwestern in ihrem Haus - mit weitreichenden Folgen fĂŒr sich, ihre Familie und alle Anwesenden. Am 8.3. ist Internationaler #frauentag 2024.

Subtitle
Duration
00:20:07
Publishing date
2024-03-08 10:00
Link
https://www.br.de/mediathek/podcast/alles-geschichte-history-von-radiowissen/leben-in-gefahr-susanna-daucher-taeuferin-um-1500/2090867
Contributors
  Ulrike Beck
author  
Enclosures
https://media.neuland.br.de/file/2090867/c/feed/leben-in-gefahr-susanna-daucher-taeuferin-um-1500.mp3
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Shownotes

Eine Frau aus dem 16. Jahrhundert geht wegen einer einzigen mutigen Aktion in die Augsburger Stadtgeschichte ein: Susanna Daucher war AnhĂ€ngerin der Glaubensgemeinschaft der TĂ€ufer. Als vermeintlich sozialrevolutionĂ€re Keimzelle werden die Mitglieder der TĂ€uferbewegung verfolgt und bestraft. Dennoch versammelt Susanna Daucher am Ostersonntag des Jahres 1528 ihre GlaubensbrĂŒder und -schwestern in ihrem Haus - mit weitreichenden Folgen fĂŒr sich, ihre Familie und alle Anwesenden. Am 8.3. ist Internationaler #frauentag 2024.

Credits
Autorin: Ulrike Beck
Regie: Martin Trauner
Es sprachen: Johannes Hitzelberger, Beate Himmelstoß
Technik: Susanne Herzig
Redaktion: Thomas Morawetz
Im Interview: Dr. Veronika Schmeer, Dr. Barbara Kink

Linktipps:

ZDF (2018): So lebten Frauen im Mittelalter 

Ob Adelige oder BĂ€uerin, ob Nonne oder Gattin und Mutter: Frauen mĂŒssen sich im Mittelalter den MĂ€nnern unterordnen. Zum Film geht es HIER.

Deutschlandfunk (2019): Die TĂ€uferbewegung – Vorbilder der Toleranz

Vor 500 Jahren wurden TĂ€ufer verfolgt und ermordet. Heute werden sie zumindest oft noch schief angeschaut. Der Kirchenhistoriker Thomas Kaufmann plĂ€diert fĂŒr einen neuen Blick auf die TĂ€ufer: Sie seien VorkĂ€mpfer moderner Werte und könnten auch Vorbild einer zukunftsfĂ€higen Kirche sein. JETZT ANHÖREN

BR (2023): Das Bayerische Jahrtausend – 16. Jahrhundert: Augsburg

Augsburg ist im 16. Jahrhundert Schauplatz grundlegender sozialer und religiöser UmwĂ€lzungen. Die verarmten Weber proben den Aufstand - und Luthers Reformation fĂŒhrt erst zur Kirchenspaltung und 1555 zum Augsburger Religionsfrieden. JETZT ANSEHEN



Und hier noch ein paar besondere Tipps fĂŒr Geschichts-Interessierte:


Im Podcast „TATORT GESCHICHTE“ sprechen die Historiker Niklas Fischer und Hannes Liebrandt ĂŒber bekannte und weniger bekannte Verbrechen aus der Geschichte. True Crime – und was hat das eigentlich mit uns heute zu tun?

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Wir freuen uns ĂŒber Feedback und Anregungen zur Sendung per Mail an radiowissen@br.de.

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Timecodes (TC) zu dieser Folge:

Lesen Sie einen Ausschnitt aus dem Manuskript:

TC 00:15 - Intro

MUSIK

ErzÀhler
Die Geschichte Susanna Dauchers beginnt um das Jahr 1495 in Augsburg, wo sie als Tochter der Familie Spitzmacher zur Welt kommt und gemeinsam mit ihrer Schwester Maxentia aufwÀchst. Hinein in die Zeit des gigantischen Umbruchs durch die Reformation.

MUSIK

ErzÀhlerin
Mit ungefĂ€hr zwanzig Jahren heiratet sie Hans Adolf Daucher, einen gebĂŒrtigen Stuttgarter, der sich als Bildhauer einen Namen gemacht hat und in Augsburg zu-sammen mit seinem Vater eine Werkstatt betreibt. Susanna ist als Ehefrau des Adolf Daucher zu ihrer Zeit in Augsburg ein Begriff: Sie ist die Adolfin von Augsburg.

Atmo: PlÀtschern am Lechkanal

ErzÀhler
Das Ehepaar bekommt zwei Kinder und wohnt in einem ansehnlichen Haus mitten im Lechquartier - im BĂŒrgergĂ€sschen. Hier kĂŒmmert sich Susanna Daucher nicht nur um ihre Kinder, sondern hilft auch tatkrĂ€ftig im Handwerksbetrieb mit. Sie ist dafĂŒr zustĂ€ndig, dass fĂŒr die Gesellen und Lehrlinge immer genug zu essen auf dem Tisch steht.

MUSIK aus

ErzÀhlerin
Doch was macht Susanna so besonders, dass es 500 Jahre spĂ€ter einen Wikipe-dia-Eintrag ĂŒber sie gibt? Und an ihrem frĂŒheren Wohnhaus mittlerweile eine Ge-denktafel an sie erinnert? Beides wĂŒrde nicht existieren, wenn sie sich 1527 nicht der Augsburger TĂ€ufergemeinde angeschlossen hĂ€tte.

Musikakzent: dramatisch, heimlich, dynamisch

TC 01:55 – Die TĂ€ufergemeinde in Augsburg

ErzÀhler
Was fĂŒr eine Glaubensgemeinschaft sind die TĂ€ufer, die als Splittergruppe aus der Reformation hervorgehen? Eine Bewegung mit unterschiedlichen FlĂŒgeln, die aber dennoch ein gemeinsames Credo haben, wie Barbara Kink, Historikerin am Museum FĂŒrstenfeldbruck erklĂ€rt:

1.O-Ton: ( Kink ab 0:19)
Die TĂ€uferbewegung hat als kleinsten gemeinsamen Nenner die Ablehnung der SĂ€uglingstaufe. (
) Es beginnt in der Schweiz im Umkreis um Huldrych Zwingli. Die erste Erwachsenentaufe findet da im Januar 1525 statt. Und (
) es greift re-lativ rasch um sich diese TĂ€uferbewegung. (
) Die wollten wirklich die evangeli-schen GrundsĂ€tze (
) auch im diesseitigen Leben schon verwirklichen. Die hatten sehr pazifistische GrundsĂ€tze teilweise, sie wollten keinen Wehrdienst leisten, kei-nen Eid leisten, aber sie wollten wirklich eine Verbesserung ihrer Lebenswelten durch ein gemeinschaftliches Leben, durch Hilfe auch finanzieller Art, durch einen gemeinen Kasten, durch GĂŒtergemeinschaft.

ErzÀhlerin
Wie Susanna Daucher mit der Bewegung in BerĂŒhrung gekommen ist, ist nicht ĂŒberliefert. Aber offenbar hat es sie angesprochen, das Evangelium nach urchrist-lichem Vorbild zu leben. Denn im November 1527 lĂ€sst sie sich taufen.
Im Hause der Nestlerin, wie sie spÀter in ihrem Prozess aussagt. Veronika Sch-meer, Kunsthistorikerin im Haus der Bayerischen Geschichte, hat die Verneh-mungsprotokolle studiert:

2.O-Ton: Veronika Schmeer ab 4:30
Die Nestlerin am Roßmarkt ist eigentlich keine Person, die man jetzt so konkret greifen kann. Susanna Daucher sagt eben aus, dass sie sich dort habe taufen lassen. Angeblich aber sowohl in Abwesenheit des Nestlers, des Ehemannes, aber auch der Nestlerin. Und sie verschweigt auch, wer sonst noch mit dabei ge-wesen sein soll - außer ihrer Schwester Maxentia Wisinger, die sich auch in die-sem Zusammenhang habe taufen lassen.

ErzÀhler
Susanna Daucher wird aktives Mitglied der Augsburger TĂ€ufergemeinde. Sie ver-anstaltet Treffen fĂŒr Frauen, bei denen sie aus der Bibel lesen. Sie besucht Ver-sammlungen außerhalb der Stadt und beginnt, sich auch im diakonischen Bereich zu engagieren, indem sie sich um arme Menschen kĂŒmmert. 

ErzÀhlerin
Sie ist zwar keine FĂŒhrungspersönlichkeit in der TĂ€uferbewegung - diese Rolle ist den MĂ€nnern vorbehalten -  aber eine der vielen Frauen, ohne die die Gemein-schaft nicht existieren könnte:

3.O-Ton: (Veronika Schmeer ab 5:10)
Die Frauen spielen eine ziemlich große Rolle in dieser ganzen TĂ€ufer-Bewegung. Man sollte das aber vielleicht auch nicht zu sehr aus dem heutigen Blick sich anschauen. Dass es irgendwie eine emanzipatorische Bewegung gewesen wĂ€re, sondern man kann sich eher vorstellen, dass es daran liegt, dass die TĂ€ufer sich immer zu Hause treffen. (
) Die Frauen kĂŒmmern sich zum Beispiel darum, dass Wein und GetrĂ€nke vorhanden sind, dass es etwas zu essen gibt, dass es eine
Herberge auch fĂŒr die TĂ€ufer gibt, die von außen in die Stadt kommen.

TC 04:55 – Verfolgung, Folter und Todesstrafe

ErzÀhler
Eine Gastfreundschaft, die gefÀhrlich ist, denn TÀufer gelten spÀtestens nach der Niederschlagung des Bauernaufstandes als sozialrevolutionÀre Keimzelle, deren AnhÀnger verfolgt und bestraft werden. Barbara Kink:

4.O-Ton: Barbara Kink:
Die TĂ€ufer wurden von Beginn an verfolgt. ( ..)
(weiter ab: 14:29) Also die bayrischen Herzöge haben sich ganz frĂŒh schon entschieden,(
) Wir mĂŒssen jeden reformatorischen Aufbruch bekĂ€mpfen, denn durch die Lutherischen kommt schließlich auch der Bauernkrieg und die Revolution und die Unruhe und Empörung. (
) Die bayerischen Herzöge haben einen Inquisitor eingesetzt. (15:16) Die Behörden haben relativ rasch und effektiv und effizient gearbeitet, um diese Verfolgung auch effektiv zu gestalten. Das bayerische TĂ€ufermandat ist eines der frĂŒhesten. Schon 1527 gibt's ein Mandat mit Androhung der Todesstrafe. 

ErzÀhlerin
Als Freie Reichsstadt gehört Augsburg nicht zum Herzogtum Bayern und nimmt es bis zum Herbst 1527 mit der Verfolgung der TĂ€ufer nicht ganz so genau. Damit strömen immer mehr AnhĂ€nger der Bewegung in die Stadt oder lassen sich in der Umgebung nieder. Augsburg ist bald das Zentrum der sĂŒddeutschen TĂ€uferbewegung.

5.O-Ton (Kink ab  6:02)
Aus unterschiedlichen GrĂŒnden. (
) Sehr viele der Ratsherren in Augsburg haben sich dem Luthertum angeschlossen, aber es gab eben auch z.B. den Eitelhans Langenmantel, der dezidierter TĂ€uferanhĂ€nger war. Der Rat war gespalten (
) Die ersten Jahre hat man die TĂ€ufer in Augsburg durch Winkelpredigten sehr stark vertreten gesehen. (ab 7:19) Winkelpredigten sind eben nicht Predigten in der Kirche. Das ist etwas, was die TĂ€uferbewegung auch auszeichnet, dass sie sehr oft unter freiem Himmel stattfinden, dass sie in PrivathĂ€usern stattfinden, in WirtshĂ€usern vor allem aber eben in stĂ€dtischen Winkeln, (
) wo sich Prediger hinstellen und eine interessierte Gruppe um sich scharen.

MUSIK

ErzÀhler
Im August 1527 fĂŒllt sich die Stadt mit auffĂ€llig vielen FĂŒhrern der TĂ€uferbewegung. Sie kommen aus ganz SĂŒddeutschland, Österreich und der Schweiz und haben vom 20. bis zum 24. eine Synode anberaumt, auf der ein Konsens gefunden werden soll zwischen dem pazifistischen Schweizer FlĂŒgel und der militanten sĂŒddeutschen Gruppe um Hans Hut.

ErzÀhlerin
Hans Hut, ein WeggefĂ€hrte Thomas MĂŒntzers, der im Bauernaufstand den Einsatz von Gewalt durchaus befĂŒrwortet hat, leitet zwei der Versammlungen. Er ist lĂ€ngst zu einer der fĂŒhrenden Persönlichkeiten der TĂ€uferbewegung im sĂŒddeutschen Raum geworden.

6.O-Ton: ( ab ca. 11:35)
Ein wandernder BuchhĂ€ndler, der offensichtlich sehr charismatisch war. (weiter ab 12:00) Hans Hut war davon ĂŒberzeugt, dass er das Ende der Welt erleben wird und zwar auch aufgrund von biblischen Berechnungen. Er hat Johannes‘ Apokalypse berechnet und (
) hat berechnet, Pfingsten 1528 wird die Welt untergehen. (
) Er ist durch die Lande gezogen und hat es in Augsburg publik macht. Er wird 144 000 Fromme, Gerechte vor dem Weltende bewahren. Und wenn man sich so vorstellt, also diese SĂŒndenangst. Dieses Bewusstsein, ich komme in die Hölle. Das hat gezogen.

ErzÀhler
Die TĂ€ufersynode wird als Augsburger MĂ€rtyrersynode bekannt, denn viele der Teilnehmer werden anschließend verfolgt und hingerichtet.
Die Stadt beginnt von nun an, das TĂ€ufermandat konsequent umzusetzen und die Gemeinschaft drastisch zu verfolgen. Bereits im Herbst 1527 kommt es zu einer ersten großen Verhaftungswelle.

MUSIK aus

TC 08:31 – Ein verhĂ€ngnisvoller Ostersonntag

ErzÀhlerin
Das ist genau die Zeit, in der Susanna Daucher in der Bewegung aktiv wird. Ihr Mann Hans Adolf dĂŒrfte davon mĂ€ĂŸig begeistert gewesen sein. Immerhin riskiert sie als Mutter von zwei Kindern nicht nur ihr Leben, sondern auch seine Existenz.

ErzÀhler
Das muss Susanna bewusst gewesen sein, aber sie hat offenbar bei den TĂ€ufern eine Gemeinschaft gefunden, die ihrem Glauben entspricht. Angesichts der Pro-phezeiung, dass das Ende der Welt unmittelbar bevorsteht, scheint sie im Dies-seits nichts mehr gefĂŒrchtet zu haben.

7. O-Ton (Kink ab 19:01)
Dieses HeilsbedĂŒrfnis der Menschen in den frĂŒhen Jahrzehnten des16. Jahrhunderts darf man nicht unterschĂ€tzen. Ich könnte mir vorstellen, dass sie wirklich ganz, ganz stark interessiert war an diesen Glaubensinhalten, dass sie sich Verbesserungen versprochen hat und Halt in der Gemeinde. Man war ja doch eine eingeschworene Gesellschaft. (
) Und sie war sicherlich davon ĂŒberzeugt, dass sie das Richtige tut und dass sie diese Bewegung unterstĂŒtzen möchte.

Atmo PlÀtschern des Lechkanals, GerÀusche von Schritten auf dem Pflaster, dramatischer Musikakzent

ErzÀhlerin
Augsburg am 12.April 1528. Es ist der entscheidende Tag, durch den Susanna Daucher Eingang findet in die Stadtgeschichte. Der letzte Ostersonntag vor Huts prophezeiter Wiederkunft Christi. Hans Hut selbst ist mittlerweile nach Folter und Gefangenschaft qualvoll gestorben und gilt unter den TÀufern als MÀrtyrer, was seine Prophezeiung noch bedeutender erscheinen lÀsst.

ErzÀhler
In den frĂŒhen Morgenstunden versammeln sich im Hause Daucher in der BĂŒrger-gasse an die 100 Menschen, um hier einen Gottesdienst abzuhalten. Der Haus-herr ist verreist. Susanna nutzt die Gelegenheit, um hier ihre GlaubensbrĂŒder und -schwestern zu empfangen.

ErzÀhlerin
Sie weiß, dass es verboten ist, andere Mitglieder der TĂ€uferbewegung aufzuneh-men und zu bewirten, aber sie hat dennoch Brot und Wein besorgt fĂŒr alle, die in ihrem Haus nun zusammen in der Bibel lesen wollen.

ErzÀhler
Vorsorglich hat sie an diesem Ostersonntag die Fenster mit TĂŒchern verhĂ€ngt und als Erkennungszeichen fĂŒr ihre GlaubensbrĂŒder und -schwestern einen Ring an die HaustĂŒr gemalt. Damit niemand an der falschen TĂŒr klopft.

ErzÀhlerin
Sie ist mit ihrem dritten Kind schwanger und sich bewusst, dass es drastische Konsequenzen hat, wenn die Versammlung auffliegt. Dennoch geht sie das Risiko ein. Ungeachtet der Warnungen, dass bereits die Stadtwache ihr Haus im Visier hat.

MUSIK aus

ErzÀhler
Was in den frĂŒhen Morgenstunden des Ostersonntags im Hause Daucher genau passiert, das rekonstruiert Veronika Schmeer:

8.O-Ton (Interview 1. Teil ab 14:37 ff.)
Man trifft sich schon am Vortag am Ostersamstag sozusagen in wahrscheinlich einer kleineren Runde und man beschließt, sich am Ostersonntag in der FrĂŒh (
) bei der Adolfin (
) zu treffen also bei Susanna Daucher. Und (
)  es ist so, dass sie wahrscheinlich schon im Vorfeld verraten werden. Denn es gibt Berichte darĂŒber, dass schon irgendwelche Stadtschergen im Umfeld des Hauses sich auffĂ€llig positioniert haben und einige Leute sind davon abgeschreckt. (
) Die Stadt-Schergen (
) greifen dann ein und lösen die Versammlung auf und verhaften diese 88 Personen, von denen ĂŒbrigens mehr als die HĂ€lfte sind Frauen.

MUSIK

TC 12:03 – Verbannung

ErzÀhlerin
In Zweierreihen werden sie abgefĂŒhrt und zum Rathaus gebracht. Diejenigen, die von auswĂ€rts kommen, werden zuerst verhört und mĂŒssen dann die Stadt verlas-sen. Sie mĂŒssen schwören, fĂŒr einen Zeitraum von sechs Jahren das Stadtgebiet nicht mehr zu betreten. Wer sich nicht daran halten sollte, dem droht die Hinrich-tung.

ErzÀhler
Die Strafen fĂŒr die Augsburger Gemeindemitglieder, die so genannten Einheimi-schen, fallen hingegen drastischer aus. Ihnen wird im April der Prozess gemacht, der fĂŒr den Vorsteher der TĂ€ufergemeinde Hans Leupold mit einem Todesurteil endet.

MUSIK aus

9. O-Ton: ( Interview Teil 2 ab ca. 18:15)
Der Schneider wird dann eben hingerichtet. Das ist dann quasi die drastischste Strafe, die da passiert. Die meisten anderen bekommen die Strafe mit dem Ba-cken brennen. Was sehr grausam ist. Man bekommt mit einer Eisenstange die Backen durchgebrannt und ist somit auch fĂŒr immer gekennzeichnet. Als TĂ€ufer oder ehemals AnhĂ€nger der TĂ€ufer Gemeinde. Das ist im Grunde genommen auch ein Ruin (
) Man kommt dann vielleicht auch nirgendwo mehr unter, be-kommt keine Arbeit mehr. Es hat definitiv Folgen.

ErzÀhlerin
Susanna Daucher zeigt sich wĂ€hrend ihres Prozesses unerschrocken. Wie den Vernehmungsprotokollen zu entnehmen ist, weicht sie den bohrenden Fragen des Stadtschreibers – und damals schon berĂŒhmten Humanisten - Konrad Peutinger geschickt aus.

10.O-Ton: ( Schmeer ab ca. 13:11)
Er wollte ja wissen, wer ist noch beteiligt. Man wollte wirklich so ein Denunziantentum in diesen Verhören anstiften. Und da hĂ€lt sie sich sehr bedeckt. Sie sagt immer nur: ich kenne keine Namen. Ich habe niemanden beherbergt. Ich habe nichts getan. Und sie wird ja zuerst nur befragt und dann wird ihr angedroht, dass sie ernstlich befragt wird. Eine Androhung einer Folter. (
) Und auch da sagt sie, sie wisse nicht was sie noch zu der Angelegenheit sagen soll.

ErzÀhler
Das Urteil fĂ€llt fĂŒr Susanna Daucher vergleichsweise milde aus. Weil sie schwan-ger ist, wird sie am 21.April 1528 mit dem so genannten „Verruf“ aus der Stadt verbannt. Das bedeutet, dass es ihr fortan verboten ist, sich Augsburg in einem Umkreis von sechs Meilen zu nĂ€hern.

MUSIK

ErzÀhlerin
Die Verbannung durch den Rat der Stadt Augsburg hat fĂŒr Susanna Daucher weit-reichende Konsequenzen. Noch am Tag der UrteilsverkĂŒndung wird sie an den Pranger gestellt und muss sofort danach die Stadt verlassen.

ErzÀhler
Ohne ihre beiden Kinder, die sie nie wiedersehen wird. Susanna sucht zunĂ€chst in der nĂ€heren Umgebung Zuflucht und bringt dort ihr drittes Kind zur Welt. Das of-fenbar ihr Mann zu sich holt, nachdem er von seiner Reise zurĂŒckkehrt. Er wird jedenfalls spĂ€ter als Vater von drei Kindern erwĂ€hnt.

MUSIK aus

11.O-Ton ( Veronika Schmeer ab ca. 22:00)
Ich nehme an, sie werden weiterhin Kontakt gehabt haben, aber sie darf natĂŒrlich nicht in die Stadt kommen. (
) Er kann aber spĂ€ter dann auch fĂŒr die Kinder selber nicht sorgen, sondern die sind dann auch in Pflegschaft alle drei.

ErzÀhlerin
Auch Hans Daucher verliert mit der Verbannung seiner Frau alles, denn 


12.O-Ton ( ab ca. 6:00)
Ohne seine Frau ist sein Unternehmen mit der Bildhauerei eigentlich dem Ruin geweiht, weil die Frau sich auch um die ganzen Gesellen und Lehrlinge kĂŒmmert. (
) Und ohne die Frau funktioniert diese Werkstatt nicht mehr (
) und es ist dann spĂ€ter bezeugt, dass der Hans Daucher eigentlich nur noch unter den Habenichtsen in den SteuerbĂŒchern gefĂŒhrt wird und er kann ja auch nicht neu heiraten, denn seine Frau ist ja nicht tot. Er ist da irgendwie gefangen und kommt auch nicht mehr raus.

TC 15:38 – Die falsche Prophezeiung

ErzÀhler
Nach der Verhaftungswelle an jenem Osterfest 1528 beginnt die TÀufergemeinde in Augsburg, sich aufzulösen. Nicht nur, weil es angesichts der drastischen Verfol-gung in der Stadt niemand mehr wagt, Versammlungen abzuhalten, sondern auch, weil Hans Huts Prophezeiung nicht eingetroffen ist. Barbara Kink:

13.O-Ton: (Kink ab ca. 25.20)
Es war offensichtlich dann doch eine große EnttĂ€uschung. Man hat Hans Hut geglaubt. Man hat sich versprochen von diesen Höllenqualen verschont zu werden. Und man sieht, dass diese Bewegung dann ja zum Teil zusammenbricht. Dann natĂŒrlich auch aufgrund der einsetzenden obrigkeitlichen Maßnahmen, man setzte dann doch nicht so gern sein Leben aufs Spiel.

ErzÀhlerin
Schon Mitte August 1528 beschließt die TĂ€ufergemeinde, kĂŒnftig nicht mehr zusammen zu kommen.

ErzÀhler
Wer dennoch als TÀufer seinen Glauben leben möchte, wandert ab. Entweder in die Schweiz, wo im Zollikon noch kleine TÀufergemeinschaften existieren.

ErzÀhlerin
Oder nach MĂ€hren an einen der Bruderhöfe, wo TĂ€ufer ein urchristlich-kommunistisches Gemeinschaftsleben praktizieren. Auf Initiative des Tirolers Jakob Hutter leben und arbeiten Familien hier völlig autark zusammen und teilen sich Hab und Gut. Die Bruderhöfe werden zum Zufluchtsort fĂŒr viele TĂ€ufer:

14.O-Ton: Barbara Kink:
Es gab sicherlich Leute, die dann nach MĂ€hren gegangen sind. Das weiß man von vielen bayerischen TĂ€ufern. (
) Also wirklich ab 1530 verschwinden die TĂ€ufer von der BildflĂ€che. Im Herzogtum ist es so. Und die nĂ€chsten TĂ€ufermandate, die dann aus den 50er 60er und 70er Jahren des 16. Jahrhunderts sind, da geht es vor allem darum, dass man versucht diese Abwanderung in die Bruderhöfe nach Böhmen und MĂ€hren zu verhindern. Man versucht also wirklich, da ein Riegel vorzuschieben, dass viele Leute an diesen tĂ€uferischen Idealen immer noch festhalte, abwenden.

ErzÀhler
Die TĂ€ufer werden auch nicht mit dem Augsburger Religionsfrieden 1555 als Glaubensgemeinschaft akzeptiert. Den Grund dafĂŒr sieht Barbara Kink in der Tatsache, dass sie als Glaubensgemeinschaft keine einflussreichen FĂŒrsprecher haben:

15.O-Ton: Barbara Kink
Die TĂ€ufer fallen zwischen alle Raster. Es sind die Lutheraner, es sind die Reformierten und die Katholiken, die davon profitieren. Die TĂ€ufer sind als reformatorische Splittergruppe oder als Wildwuchs der Reformation (
) nicht relevant dafĂŒr. Die haben einfach keine adlige Lobby. (
) Das ist wirklich (
) eine Revolution des Gemeinen Mannes.

MUSIK

ErzÀhlerin
Dennoch bleibt die Sehnsucht nach religiöser AuthentizitĂ€t, nach UrsprĂŒnglichkeit, nach diesem Urchristentum bis heute lebendig.

16.O-Ton: Barbara Kink
Die TĂ€ufer existieren ja heute noch in sehr vielgestaltiger Weise. Es gibt die Mennoniten in Amerika, es gibt die Hutterer immer noch, es gibt die Amish. Es gibt immer noch sehr viele Glaubensgemeinschaften vor allem freikirchliche Baptisten, die sich auch heute noch auf die TĂ€ufer wirklich als Ursprungsherd berufen.

ErzÀhler
Was Susanna Daucher 1528 nicht ahnen konnte ist, dass im 20.Jahrhundert eine mennonitische Gemeinde in Augsburg sehr aktiv ist. Dass es runde 500 Jahre nach ihrer Verbannung Menschen gibt, die nach den GlaubensgrundsĂ€tzen leben, fĂŒr die sie damals alles riskiert hat. Und dafĂŒr nicht mehr verfolgt werden.

ErzÀhlerin
Sie konnte auch nicht wissen, dass mittlerweile an ihrem Haus am heutigen Hinteren Lech 2 eine Gedenktafel an sie und die Ereignisse des Ostersonntags 1528 erinnert.

TC 19:28 – Outro