In der aktuellen Debatte um mutmaĂliche China-Spionage durch AfD-Personal ist eine weitere Verrohung zu beobachten. Politische Konkurrenten als âVerrĂ€terâ zu bezeichnen, ist abzulehnen. Es kann auĂerdem als Ablenkungsversuch vom eigenen âVerratâ an den Interessen der BĂŒrger bezeichnet werden. Die nun praktizierte Verrohung kann sich auch irgendwann gegen die Initiatoren der sprachlichen TabubrĂŒche wenden. Ein KommentarWeiterlesen
In der aktuellen Debatte um mutmaĂliche China-Spionage durch AfD-Personal ist eine weitere Verrohung zu beobachten. Politische Konkurrenten als âVerrĂ€terâ zu bezeichnen, ist abzulehnen. Es kann auĂerdem als Ablenkungsversuch vom eigenen âVerratâ an den Interessen der BĂŒrger bezeichnet werden. Die nun praktizierte Verrohung kann sich auch irgendwann gegen die Initiatoren der sprachlichen TabubrĂŒche wenden. Ein KommentarWeiterlesen
In der aktuellen Debatte um mutmaĂliche China-Spionage durch AfD-Personal ist eine weitere Verrohung zu beobachten. Politische Konkurrenten als âVerrĂ€terâ zu bezeichnen, ist abzulehnen. Es kann auĂerdem als Ablenkungsversuch vom eigenen âVerratâ an den Interessen der BĂŒrger bezeichnet werden. Die nun praktizierte Verrohung kann sich auch irgendwann gegen die Initiatoren der sprachlichen TabubrĂŒche wenden. Ein Kommentar von Tobias Riegel.
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Wie manche Begriffe umgedeutet werden, kann aktuell angesichts der Debatte um mutmaĂliche Spionage fĂŒr China durch AfD-Personal beobachtet werden: Wer Vokabeln wie âVolksverrĂ€terâ benutzt, um den politischen Gegner zu beschĂ€digen, der wurde frĂŒher eher einem rechtsextremen Lager zugeordnet, das Gleiche gilt fĂŒr Wörter wie âKriegstĂŒchtigkeitâ oder âVerĂ€chter des Staatesâ. Auch wer forderte, dass Russland niedergerungen gehöre, wurde frĂŒher eher als rechtsradikal denn als staatstragend betrachtet. Heute gehört all das zum Vokabular sogar von UnterstĂŒtzern der Bundesregierung.
Ich lehne die Nutzung des Begriffs âVerrĂ€terâ im politischen Zusammenhang als polarisierend und verrohend ab â aber da er nun fast schon als âoffiziellâ eingefĂŒhrt wird, komme ich in diesem Text nicht darum herum. Auf die konkreten FĂ€lle mutmaĂlicher Spionage etwa fĂŒr China soll hier nicht eingegangen werden: FĂŒr eine sinnvolle Beurteilung der FĂ€lle bleibt noch abzuwarten, wie gravierend das Ganze ist. Hier geht es nur um die sprachliche Ebene der Reaktionen.
Der Nazi-Paragraph âVolksverrat durch LĂŒgenhetzeâ
Telepolis beschreibt einige Beispiele fĂŒr die aktuelle Nutzung der Begriffe in diesem Artikel und erinnert daran, dass âVolksverrat durch LĂŒgenhetzeâ von den Nazis als Straftatbestand eingefĂŒhrt worden sei. Im Artikel heiĂt es zum aktuellen Gebrauch:
âDie Junge Union und andere, die sich zum demokratischen Spektrum zĂ€hlen, nutzen das Wort âVolksverrĂ€terâ jetzt fĂŒr AfD-Politiker â mal mit, mal ohne Fragezeichen auf der Plattform X, wo von der AfD auch als âAlternative fĂŒr Russland und Chinaâ die Rede ist und ihr KĂŒrzel in kyrillischen Buchstaben auftaucht. âFĂŒr wen arbeitet die AfD?â, fragt dort die Junge Union Deutschland, ihr Bundesvorsitzender Johannes Winkel nutzt in diesem Kontext den Hashtag #VolksverrĂ€ter â und der GeschĂ€ftsfĂŒhrer der Deutschen Umwelthilfe Ă€uĂerte bereits den Verdacht, âdass die VaterlandsverrĂ€ter von der AfD direkt vom Kreml bezahlt werdenâ.â
Der Spiegel titelt aktuell zur AfD (ein Ausschnitt ist auch das Titelbild dieses Artikels): âDie LandesverrĂ€ter â Moskaus Marionettenâ. Die Nutzung solcher Kampfbegriffe ist nicht ganz neu â bereits vergangenen Sommer hatten die NachDenkSeiten im Artikel âDie GrĂŒnen und die LandesverrĂ€terâ geschrieben:
âDie Wortwahl Hofreiters und die Gedankenspiele um Parteiverbote stellen eine weitere verbale Eskalation dar, dieser Eskalation haftet aber auch etwas Verzweifeltes an: Dem Erkenntnisprozess vieler BĂŒrger bezĂŒglich der realen Auswirkungen grĂŒner Politik (jenseits der Phrasen) mĂŒssen immer stĂ€rkere sprachliche GeschĂŒtze entgegengestellt werden.â
Und weiter:
âDer Gebrauch des Begriffs âLandesverrĂ€terâ könnte fĂŒr die GrĂŒnen auch gefĂ€hrlich werden: Wenn sie den Begriff durch die eigene Nutzung selber auf die Stufe eines âlegitimen Ausdrucksâ im Meinungskampf einfĂŒhren, dann kann das Wort auch an den GrĂŒnen hĂ€ngenbleiben: Vielleicht haben manche Kritiker der GrĂŒnen bisher gezögert, den harten Ausdruck vom âLandesverrĂ€terâ gegen den politischen Gegner zu nutzen â nun gibt ihnen Hofreiter indirekt die âErlaubnisâ.â
Diese Warnung gilt noch immer: Begriffe wie âVolks-, Vaterlands- oder LandesverrĂ€terâ bedeuten fĂŒr mich âHasssprache von obenâ. Ihre Nutzung kann auch nicht durch den Verweis auf den (ebenso abzulehnenden) Gebrauch durch andere (rechte) Gruppen gerechtfertigt werden â schlieĂlich zĂ€hlt man sich doch zu den Guten. Aber die Begriffe sind nicht nur polarisierend und verrohend, sie können auch gefĂ€hrlich fĂŒr jene Politiker und Journalisten werden, die sie nun nutzen. Denn die teils radikale Politik der Bundesregierung bezĂŒglich Ukrainekrieg, russischer Energie, AufrĂŒstung und daraus folgender Kriegsgefahr und Verarmung kann durchaus als ein âVerratâ an den Interessen der BĂŒrger hierzulande zugunsten von US-Interessen interpretiert werden, wenn man sich schon eines solchen Vokabulars bedienen möchte.
AuĂenministerin Baerbock hat diese Haltung schön offen illustriert, als sie sagte: âEgal, was meine deutschen WĂ€hler denken: Wir stehen zur Ukraineâ. Da ist es eine provokante Flucht nach vorne, wenn Wirtschaftsminister Habeck die fĂŒr alle Seiten zerstörerische âHilfeâ fĂŒr die Ukraine laut Medien auch noch mit seinem Amtseid begrĂŒndet, der ihn verpflichte, Schaden abzuwenden.
âHaltet den Dieb!â
Wir erleben momentan den Versuch einiger politischer Akteure, den Begriff âVerrĂ€terâ zu kapern und gegen jene zu wenden, die ihn potenziell nutzen wĂŒrden (der AfD âwegnehmenâ). ZusĂ€tzlich wird mit der Nutzung âHaltet den Dieb!â gerufen und vom eigenen âVerratâ abgelenkt. Das ist â wie gesagt â nicht ohne Risiko, denn wenn man mit Kampfbegriffen wie âVolksverrĂ€terâ selber die Kommunikation verroht, dann kann man auch Opfer dieser Verrohung werden.
Die Methode âHaltet den Diebâ hat momentan auch auf anderen Ebenen Konjunktur: Vor allem Wirtschafts- und AuĂenministerium beklagen regelmĂ€Ăig Entwicklungen, die sie selber forciert haben, und stellen sie als âhöhere Gewaltenâ dar, denen sie sich tapfer entgegenstellen mĂŒssen.
Dass die AfD fĂŒr mich keine politische Alternative darstellt, habe ich oft geschrieben. Der Vorgang um die mutmaĂlichen SpionagefĂ€lle und der groĂe mediale Aufwand können aber doch den Eindruck einer Kampagne gegen einen politischen Konkurrenten erwecken, das wĂ€re prinzipiell abzulehnen. Ich wage zu bezweifeln, dass die mutmaĂlichen SpionagefĂ€lle solche Aufmerksamkeit erfahren wĂŒrden, wenn wir uns nicht kurz vor einigen Wahlen befinden wĂŒrden.
Es schwingt noch eine weitere Ablenkung in der politischen Nutzung des Begriffs âVerrĂ€terâ und der Darstellung der AfD als von auslĂ€ndischen MĂ€chten gesteuert mit: Durch diesen Kunstgriff kann das Symptom AfD von ihrer Ursache getrennt werden. Denn der Erfolg der AfD liegt selbstverstĂ€ndlich zuerst in der Politik der letzten Regierungen begrĂŒndet und nicht in Geldzahlungen aus Peking. Doch Symptom und Ursache werden in der AfD-Debatte ja von jeher möglichst scharf getrennt.
Die Debatte um Einmischung steht auf dem Kopf
Dass Deutschland sich vor auslĂ€ndischer Einmischung schĂŒtzen sollte, finde ich selbstverstĂ€ndlich. Allerdings ist die Gewichtung in der Debatte darĂŒber auf den Kopf gestellt: WĂ€hrend wir tĂ€glich vor den Gefahren der Desinformation durch âautokratische Systemeâ gewarnt werden, fĂ€llt die mutmaĂlich massive Spionage und die politische Einmischung durch private und staatliche US-Interessen, die die BĂŒrger hierzulande weit mehr betreffen, weitgehend unter den Tisch.
Titelbild: Screenshot/Spiegel