Espostoa lanata – und was hat das mit Dynamit oder Löwenzahn zu tun​ – Episode 041
Ulrike Richter vom Deutschen Gartenbaumuseum schafft die Verbindung beim Jubiläum bei Kakteen-Haage – Teil 3
Hey, ich bin Ulrich Haage, ich bin Kaktusgärtner und heute geht es gleich mehrfach um Geschichte, nochmal um Löwenzahn, Sprengstoff und wieder um einen Kaktus.Â
In Teil drei der Jubiläumsserie geht es um Dynamit, Espostoa lanata und Ulrike Richter vom Deutschen Gartenbaumuseum. Und letzteres ist nicht ganz zufällig in Erfurt beheimatet.
Nachtrag zur letzten Episode
Stichwort Löwenzahn – ich hab meine Hausaufgaben aus der letzten Episode gemacht – vielleicht erinnerst du dich – ich habe beim Besuch des mexikanischen Botschafters hier bei Kakteen-Haage über eine Löwenzahngärtnerei in Vietnam philosophiert – und wann ich zum letzten Mal selbst Löwenzahn gegessen habe.
Update: letzte Woche – ich war im Wald und habe eine Handvoll Bärlauchblätter und -Knospen und Löwenzahnknospen mitgebracht und in einem scharfen Gewürzsud eingelegt. Löwenzahnkapern – lecker, bitter, geiler Stoff – wenn du mal selbst probieren willst: Link ist in den Shownotes.
Und: wo bleibt die nächste Episode im CactusPodcast?
Wenn du dich in den vergangenen 10 Monaten gefragt hast: wo ist denn nun die nächste Folge vom CactusPodcast? Kommt der Haage nochmal wieder?
- Ja, der ist immer noch da, der war auch nie weg, aber der hatte in der Gärtnerei zu tun, gefühlt ohne Unterlass.
- Und dann gibt es da noch ein anderes Podcast-Projekt, dass eine ganze Menge Energie und Kraft gefressen hat – darüber kann ich hoffentlich in Kürze mehr erzählen.
- Der letzte Grund: der eine oder andere wird mitbekommen haben, dass mich das Leben Anfang 2022 etwas aus der Bahn geworfen hat. Ich stehe heute zwar wieder auf beiden Füßen, trotzdem hab ich manchmal das Gefühl ich laufe wie im Teer durch meine Tage. Und da fällt zeitweise manches vom Tisch, was mir sehr am Herzen liegt – unter anderem auch mein geliebter CactusPodcast.
Da ist so manche Geschichte unerzählt geblieben – und damit das so nicht bleibt, geht’s jetzt hier weiter – und als Entschädigung wird die Folge heute wohl etwas länger.
Disclaimer:
ich gebe mir Mühe, dranzubleiben. Falls es doch mal wieder eine längere Pause geben sollte, dann könnten die Gründe dafür ggf. dort liegen. Danke an alle, die nachgefragt haben, oder kommentiert oder mir anderweitig eine Nachricht zukommen ließen. Der letzte Anstoß kam gestern auf dem 24er Forumtreffen, es war für mich überraschend zu hören, bei welcher Gelegenheit Ihr dem CactusPodcast zuhört, deswegen special Thanks to Henry & Jan für eure Geschichten.
Und bei der Gelegenheit auch einen Gruß an Ralf im Harz, der wenn ich richtig informiert bin, heute Geburtstag hat – und wenn das nicht stimmt – auch nicht wild, dann einfach welcome home von deiner weiten schönen Reise.
Apropos Geschichten:
CactusPodcast 041 Kakteengeschichte - Espostoa lanata - Dynamit und Deutsches Gartenbaumuseum
von Ulrich Haage | CactusPodcast - Kakteengeschichte
https://cactusblog.de/wp-content/uploads/2024/04/cactuspodcast-041-espostoa-lanata-dynamit-und-deutsches-gartenbaumuseum.mp3
Dynamit, Kakteenerde und Durchschlagkraft?
Was hat Alfred Nobel mit Kakteenerde zu tun?
Ist Ulrike Richter explosiv?
Nein, die neue Vorständin des Deutschen Gartenbaumuseum will bewegen, über sprengen hat sie bislang noch nichts erzählt.
Um die Bedeutung des Dynamit kurz und bündig zu klären: wir befinden uns im Jahr 1866. Der schwedische Chemiker Alfred Nobel sucht nach einem sicheren Sprengstoff, denn Jahre zuvor werden vier Menschen getötet, als bei seinen Versuchen mit dem empfindlichen Nitroglycerin sein Haus in die Luft gejagt wird. Einer der Menschen ist sein Bruder.
Ob dieser Verlust ihn beflügelt, ob Zufall oder emsige Forschung – der Durchbruch gelingt Nobel jedenfalls mit einem für uns alten Bekannten aus der Kakteenwelt: Kieselgur! Als er das bis dahin schwer zu kontrollierende „Sprengöl“ oder Nitroglycerin in Kieselgur mischt, hat er die Lösung: Dynamit. Und zugleich die Quelle seines späteren unglaublichen Reichtums. Dass seine Erfindung, das „Sicherheitssprengpulver“ von den Menschen nicht nur für die großen Bauwerke seiner Zeit wie Gotthard-Tunnel oder Panama-Kanal, sondern auch für Waffen im Krieg verwenden, macht Nobel nicht glücklich.
Er engagiert sich immer mehr als Friedensstifter und bringt einen großen Teil seines Vermögens in die Friedensarbeit ein – der Friedensnobelpreis ist sicher der heute bekannteste, nicht jeder weiß: das Geld dafür stammt aus den Kriegen seit 1870.
Das Kieselgur stammte damals aus der Lüneburger Heide, unser Kieselgur heute kommt aus Dänemark.
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Und um das klar zu sagen: wir machen damit Kakteenerde, keinen Sprengstoff.
Wie ist das mit dem Deutschen Gartenbaumuseum?
Das deutsche Gartenbaumuseum ist in Erfurt zuhause. Wie kam das?
Erfurt, Blumenstadt und Ursprung des kommerziellen Gartenbaus
Erfurt gilt als der Ursprung des deutschen Gartenbaus. Sicher hat es zu der Zeit auch in anderen Regionen der deutschen Landen schon Erwerbsgartenbau gegeben. Die Art und Weise mit der die Professionalisierung vonstatten ging war aber in Erfurt einzigartig.
Die Gründe lagen in meinen Augen in der Vorgeschichte. Der Gartenbau hat die Grundlage für den Reichtum der Erfurter Patrizier gesorgt. Ein Reichtum und eine wirtschaftliche Bedeutung wie sie später vielleicht noch mit den großen Hansestädten vergleichbar würden. Die Gärtner selbst waren dabei nicht die die Rahm abschöpften. Daran hat sich bis heute nicht viel geändert, der Verdienst landete in erster Linie bei den Händlern. Aber die sorgten für den Erhalt ihrer Wohlstandquelle.
Nicht ohne Grund bezeichnete schon Luther die Erfurter als „des Heiligen Römischen Reiches Gärtner“. In Erfurt waren Gärtner ansässig, die über lange Zeiträume die Gartenbaugeschichte schrieben. Dazu gehören große Namen wie Benary, J. C. Schmidt, Platz, Franz Anton Haage, Fischer, Heinemann, Pabst, Czeckalla, Haage & Schmidt, Chrestensen, Jühlke – und auch Friedrich Adolph Haage.
Gartenbau in der DDR und GrĂĽndung des Deutschen Gartenbaumuseum 1961
Als 1961 in Erfurt die erste Internationale Gartenausstellung nach dem Krieg stattfindet wird zeitgleich auf das Deutsche Gartenbaumuseum eingeweiht. (die erste Allgemeine Deutsche Gartenbauausstellung mit internationaler Beteiligung findet ĂĽbrigens im Jahr 1865 in Erfurt statt. Die Ausstellungstradition reicht aber noch weiter in der Geschichte zurĂĽck)
Das Museum trägt bis 1989 eine eindrucksvolle Sammlung zusammen und erfreut sich auf der iga alljährlich zahlreicher Besucher. Mit der Wende bleiben die gewohnten Besuchermassen aus und auch die Zukunft des Museums ist nicht mehr sicher. Auch wenn der Erfolg immer viele Väter hat, ist mir ein Name in Erinnerung, den ich immer wieder höre, wenn es damals darum ging „bleibt das deutsche Gartenbaumuseum in Erfurt?“. Der damalige Präsident des Zentralverband Gartenbau Karl Zwermann hat gemeinsam mit dem langjährigen Thüringer Landwirtschaftsminister Volker Sklenar die Weichen gestellt, dass das Museum in Erfurt bleibt.
Und dort ist es bis heute.
Jetzt BĂĽhne frei fĂĽr Ulrike Richter vom Deutschen Gartenbaumuseum, die zu Beginn ĂĽber ein Bild spricht, dass eben die Inhalte dieser Episode umfasst: Dynamit und Espostoa lanata:
Espostoa lanata – entdeckt 1802 durch Humboldt
Wir haben von Ulrike Richter schon gehört, dass die Pflanze von Humboldt entdeckt wurde, hier die Geschichte wie das passiert ist:
August 1802, Alexander von Humboldt war unterwegs im Huancabamba-Tal, wo das liegt ist heute Peru. Es war anstrengend und beschwerlich, diese Reise. Humboldt und seine Gefährten mussten allein „27mal den RĂo Huancacabamba mit vieler Gefahr ĂĽberqueren“. Was Humboldt aber beeindruckte, das waren „ganze Cactuswälder“. Er notierte in seinen Aufzeichnungen einen „kandelaberartig verzweigter Säulenkaktus, der auch ohne BlĂĽten durch seine schneeweiĂźe, dichte Behaarung sehr auffällig ist.“
Beat Leuenberger, von dem die meisten diese Hintergrundinformationen stammen, hat hier etwas tiefer geschürft und Informationen zusammengetragen, die weder auf Wikipedia, aber auch nicht in „Kakteen von A bis Z“ von meinem Großvater Walther Haage zu finden sind – und das hat mich etwas überrascht.
Nochmal der Reihe nach:
Die Geschichte einer Entdeckung
1802 wird die wollige Espostoa von
Humboldt und Bonpland gefunden. Beide identifizieren die Pflanze als neue Art. Im Feldbuch gibt es eine kurze Beschreibung unter dem Namen Cactus lanatus in Humboldts Handschrift, dazu eine schematische Skizze eines Querschnitts eines blühfähigen Triebs. Was fehlt ist Herbarmaterial und eine Zeichnung die Karl Sigismund Kunth erwähnt ist anscheinend auch verschollen. Die Notizen und die Zeichnung waren damit die alleinige Grundlage für die von Kunth bearbeitete Beschreibung
1823 erscheint dann die formelle Publikation, also die Erstbeschreibung von Cactus lanatus durch Humboldt, Bonpland und Kunth im großem Werk „Nova genera et species plantarum“. Humboldt erwähnt dort auch die pflaumengroßen, roten essbaren Beerenfrüchte und bezeichnet sie als „piscol colorado“.
1828 Cereus lanatus (Kunth) DC. – (Augustin-Pyrame de Candolle)
1870 kommt Haage ins Spiel So lange braucht es, bis die Pflanzen nach Europa in Kultur kommt. Benedikt Roezl stammt aus Prag und sammelt in Lateinamerika Pflanzen. Und die schickt er an die Kakteengärtnerei Friedrich Adolph Haage jun. in Erfurt. Noch bis zur Jahrhundertwende wurde sie als vermeintlich neue Art unter dem Namen Pilocereus dautwitzii geführt, benannt nach dem K. K. Hofbauverwalter und Architekt Dautwitz, der ein eifriger Kakteensammler ist und auf Schloß Schönbrunn bei Wien lebt.
1898 Pilocereus lanatus (Kunth) F.A.C.Weber (Frédéric Albert Constantin Weber)
1904 Cleistocactus lanatus (Kunth) F.A.C.Weber
1916 Oreocereus lanatus (Kunth) Britton & Rose
1920 Nathaniel Lord Britton und Joseph Nelson Rose stellten die Art in die Gattung Espostoa
Beschreibung Espostoa lanata
Wuchsform, Habitus
Espostoa lanata wächst baumförmig mit in den oberen Teilen verzweigten Trieben und erreicht Wuchshöhen von 1,5 bis 7 Metern. Der Stamm kann bis zu 1 Meter hoch werden und bis 20 Zentimeter Durchmesser erreichen. Die ausgebreiteten oder aufsteigenden Triebe werden mehrere Meter lang und weisen Durchmesser von 6 bis 10 Zentimeter auf. Es sind 18 bis 25 gerundete Rippen vorhanden, die 5 bis 8 Millimeter hoch sind und durch gerade Furchen voneinander getrennt sind. Die darauf befindlichen elliptischen, 7 bis 10 Millimeter voneinander entfernten Areolen sind trotz der zahlreichen Haare und Dornen erkennbar.
Dornen und Wolle
Der einzelne Mitteldorn, der auch fehlen kann, ist 2 bis 5 Zentimeter lang. Die 30 bis 40 ausgebreiteten, rötlichen oder gelblich braunen Randdornen vergrauen im Alter und weisen eine Länge von 3 bis 8 Millimeter auf. Das vier bis fünf Rippen umfassende Cephalium ist bis zu 1 Meter lang und besteht aus hellbrauner bis grauer, bis zu 3 Zentimeter langer Wolle.
HĂĽbsche BlĂĽten
Die trichterförmigen purpur- bis hellpurpurfarbenen Blüten sind 4,5 bis 5,5 Zentimeter lang und erreichen einen Durchmesser von 3 bis 3,5 Zentimeter. Die kreiselförmigen, mehr oder weniger purpurroten Früchte besitzen eine Länge von bis zu 2,5 Zentimeter und Durchmesser.
Die Wollige Espostoa blüht im Sommer und nur nachts. Nach und nach erscheinen die Blüten aus der schmalen ganz dicht wolligen Blühzone (Cephalium) seitlich an den Säulen. Sie sind frühmorgens schon wieder verwelkt. Die sich dunkel verfärbenden Blütenreste fallen nicht ab sondern bleiben, noch monatelang an der Pflanze.
Espostoas wachsen langsam, benötigen viel Sonne und ihrer tropischen Herkunft entsprechend einen nicht zu kühlen Standort.
Verbreitung, Gefährdung und Nutzung der wolligen Espostoa
Espostoa lanata ist in Ecuador in der Provinz Loja sowie in Peru in den Regionen Piura, Amazonas, Cajamarca und Lambayeque in Höhenlagen von 500 bis 2000 Metern verbreitet.
Die Art wird als nicht gefährdet eingestuft.
Aus dem Cephalium gewonnene Wollhaare wurden in Peru frĂĽher als FĂĽllung fĂĽr Kissen verwendet. Oder vielleicht auch fĂĽr MĂĽtzen?
Bevor ich hier den Sack auch zu mache sage ich
Danke fürs zuhören und:
weil die Folge heute sowieso schon länger ist als geplant, gibt es heute auch noch einen anderen musikalischen Abspann als gewohnt. Wir haben gestern beim Forumtreffen über die Basis dazu sinniert – wenn du eine Idee hast, woher die Melodie stammen könnte, dann schick mir eine Mail an studio@cactuspodcast.de, oder in der CactusPodcast-Gruppe.
Auch wenn du einen Themenwunsch hast für die nächste Folge.
Ich hab zwar auch schon eine Idee aber ich freu mich noch mehr, von dir zu hören!
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Und was kommt als nächstes?
Sei gespannt!
Der Cactuspodcast kommt wieder mit der Episode 042 zum Thema – hast du Wünsche?
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Und wenn du jetzt Fragen hast – oder deine Antworten auf meine Fragen schicken willst – oder vielleicht deine eigene Kakteengeschichte erzählen möchtest – melde dich einfach.
Wenn du mehr wissen willst – du findest die Shownotes, Fotos und viel mehr ganz einfach unter
www.cactuspodcast.de/041
Bis zur nächsten Episode – wo wir weiter in der Geschichte schauen.
Bleib gesund und mach’s gut!
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Shownotes:
Darüber habe ich erzählt:
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Schöne Grüße aus der Blumenstadt Erfurt
Ulrich Haage mit schicken Grüßen aus der Kakteengärtnerei.
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Wie gefällt dir diese Episode?
Ich freue mich auf dein Feedback.
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Welche Themen soll ich mir in den kommenden Episoden vornehmen?
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Auch diesmal habe ich mir wieder viel Mühe gegeben, die Shownotes mit noch mehr Informationen zu ergänzen.
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