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Keine Waffen in die Ukraine zu liefern, würde heißen, den dritten Weltkrieg herbeizuführen – so lässt sich der Tenor eines aktuellen Beitrags im Tagesspiegel verstehen. Der Kommentar bietet den Lesern einen bemerkenswerten Einblick in die Geisteshaltung eines transatlantischen Milieus, wo das Feindbild Russland in Stahlbeton verewigt wurde. Ein Kommentar von Marcus Klöckner. Dieser Beitrag istWeiterlesen

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Keine Waffen in die Ukraine zu liefern, würde heißen, den dritten Weltkrieg herbeizuführen – so lässt sich der Tenor eines aktuellen Beitrags im Tagesspiegel verstehen. Der Kommentar bietet den Lesern einen bemerkenswerten Einblick in die Geisteshaltung eines transatlantischen Milieus, wo das Feindbild Russland in Stahlbeton verewigt wurde. Ein Kommentar von Marcus Klöckner. Dieser Beitrag istWeiterlesen

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Keine Waffen in die Ukraine zu liefern, würde heißen, den dritten Weltkrieg herbeizuführen – so lässt sich der Tenor eines aktuellen Beitrags im Tagesspiegel verstehen. Der Kommentar bietet den Lesern einen bemerkenswerten Einblick in die Geistesh
Duration
5:15
Publishing date
2024-05-03 11:41
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https://www.nachdenkseiten.de/?p=114746
Contributors
  Redaktion NachDenkSeiten
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https://www.nachdenkseiten.de/upload/podcast/240503_Tagesspiegel_Ohne_Waffenlieferungen_droht_der_dritte_Weltkrieg_NDS.mp3
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Shownotes

Keine Waffen in die Ukraine zu liefern, würde heißen, den dritten Weltkrieg herbeizuführen – so lässt sich der Tenor eines aktuellen Beitrags im Tagesspiegel verstehen. Der Kommentar bietet den Lesern einen bemerkenswerten Einblick in die Geisteshaltung eines transatlantischen Milieus, wo das Feindbild Russland in Stahlbeton verewigt wurde. Ein Kommentar von Marcus Klöckner.

Dieser Beitrag ist auch als Audio-Podcast verfĂĽgbar.

„Ich glaube, es ist verlockend, wenn das einzige Werkzeug, das man hat, ein Hammer ist, alles zu behandeln, als ob es ein Nagel wäre.“ Dieses Zitat stammt von dem amerikanischen Psychologen Abraham Maslow. Es lässt sich gut auf den Artikel des Tagesspiegel-Korrespondenten übertragen.

Verfasst hat den Artikel im Tagesspiegel, der unter der Überschrift „Mörderischer Mangel an Ukraine-Unterstützung: Scholz’ Zögern droht zum direkten Krieg mit Russland zu führen“ läuft, Christoph von Marschall, „diplomatischer Korrespondent der Chefredaktion“. Hat jemand erstmal ein Feindbild verinnerlicht, dann führt der Weg nur noch in eine Denkrichtung. So wie der Mann mit dem Hammer auf alles haut, als sei es ein Nagel, so „hämmert“ von Marschall unentwegt, Zeile für Zeile, auf das in Stahlbeton verewigte Feindbild Russland ein. Es bedarf keiner Fantasie, um zu hören, wie Marschall beim Verfassen des Textes zu sich in Gedanken sagt: „Russland muss gestoppt werden. Russland muss gestoppt werden. Russland muss gestoppt werden.“

Wer in einer Sinn-Enklave, in der derartige Ăśberzeugungen die alles bestimmende Denkrichtung sind, um Perspektivierung bittet, kann nur auf taube Ohren stoĂźen.

Wie soll man in eine Diskussion mit jemandem eintreten, der Folgendes schreibt:

„Europa ist in einer ähnlichen Lage wie 1938. Damals gab der Westen die Tschechoslowakei preis – in der Hoffnung, den Frieden zu retten.“

Das schreibt von Marschall. Und das ist nicht ironisch gemeint. Das ist nicht als extreme Zuspitzung zu verstehen. Der Text, so präsentiert er sich, will seine Kraft aus dem klaren, analytischen Blick eines Kommentators ziehen. Dass das Zitat impliziert, Putin sei letztlich Hitler ähnlich, dokumentiert den Sinnbruch: Wäre Putin Hitler ähnlich und hätte entsprechende Allmachtsfantasien – der herbeifantasierte Angriff auf NATO-Staaten würde in einem Atomkrieg enden. Mit verheerenden Konsequenzen für alle Beteiligten.

Von Marschall merkt nicht, wie er sich selbst widerspricht: „Wer mag noch darauf vertrauen, dass Putin in der Ukraine stoppt (…)?“, fragt der Redakteur und impliziert damit, dass Russland NATO-Staaten angreift. Ein paar Absätze zuvor stellte von Marschall noch fest, dass „Russland dem Westen wirtschaftlich und technisch weit unterlegen ist und der Nato militärisch“.

Ein Land, dass also „wirtschaftlich“, „technisch“ und auch noch „militärisch“ unterlegen ist, soll also mit aller Gewalt gestoppt werden, weil es sonst immer weitere Länder angreift und den dritten Weltkrieg nicht scheut?

Wie gesagt: Da ist ein Feindbild. Da ist ein Hammer. Da ist Stahlbeton. Und so schwingen in dem Beitrag Sinn- und Logikbrüche vor und zurück. Das auf diesem Boden der politischen „Analyse“ von Marschall gleich drei Mal im Hinblick auf Kriege von „gewinnen“ spricht, ist ein beeindruckendes Zeugnis der Verblendung. Wie oft muss man es noch sagen? Kriege werden nicht „gewonnen“. Wenn hunderttausende Söhne und Töchter mit ihrem Gesicht im Sand verreckt, verletzt, verstümmelt und für den Rest ihres Lebens traumatisiert sind, dann trauen sich nur noch Diplomzyniker, beschönigend von einem „Gewinnen“ zu sprechen.

In der Sinnwelt des Artikels ist es nur konsequent, dass von Marschall in Bundeskanzler Olaf Scholz das Problem sieht. Der Redakteur nennt Scholz einen „Zauderer“, weil der Kanzler nicht schnell genug Kriegsmaterial an die Ukraine liefert. Scholz gehe „als der Kanzler in die Geschichte ein, der den direkten Krieg gegen Russland durch weise Zurückhaltung verhindern wollte, ihn aber durch sein Zögern mit herbeigeführt hat“. Mit diesen Worten endet der Beitrag.

So schnell kann das gehen. Zugleich rĂĽckblickend aus der Zukunft in die Vergangenheit und die Zukunftsgegenwart schauen, wo Weltkrieg Nummer drei bereits am Laufen ist. Auf dem Portal X (frĂĽher Twitter) merkt ein Nutzer zu diesem Zitat an:

„Mit Verlaub – ausgemachter Unsinn. Völlig unlogisch! Wenn Scholz tatsächlich einen direkten Krieg mit Russland herbeiführen würde, gäbe es keine Geschichte mehr, in die er eingehen könnte.“

Titelbild: Kastoluza / Shutterstock