Im Jahr 1505 segelt der GewĂŒrzkĂ€ufer Balthasar Sprenger an die indische MalabarkĂŒste. Seine Reise mit der portugiesischen Indienflotte ist die frĂŒheste deutsche Meerfahrt dahin, wo der heiĂbegehrte Pfeffer wĂ€chst. Von Simon Demmelhuber (BR 2022)
Im Jahr 1505 segelt der GewĂŒrzkĂ€ufer Balthasar Sprenger an die indische MalabarkĂŒste. Seine Reise mit der portugiesischen Indienflotte ist die frĂŒheste deutsche Meerfahrt dahin, wo der heiĂbegehrte Pfeffer wĂ€chst. Von Simon Demmelhuber (BR 2022)
Credits
Autor: Simon Demmelhuber
Regie: Irene Schuck
Es sprachen: Irina Wanka, Christian Baumann, Stefan Wilkening
Technik: Regina Staerke
Redaktion: Thomas Morawetz
Im Interview: Dr. Maximilian Kalus
Linktipps:
WDR (2012): Bartholomeu Dias bricht zum Kap der Guten Hoffnung auf
Seine Reise ist so geheim, dass bis heute niemand genau weiĂ, wie sie verlaufen ist: Im August 1487 sticht der Portugiese Bartolomeu Dias mit zwei Karavellen und einem Versorgungsschiff in See. Sein Ziel: die Umschiffung Afrikas und die Entdeckung eines Seewegs nach Indien, denn der verspricht reiche Gewinne im GewĂŒrzhandel. JETZT ANHĂREN
Deutschlandfunk (2022): Vasco da Gama, das Kap der Guten Hoffnung und der Seeweg nach Indien Â
Vor mehr als 500 Jahren umsegelte der portugiesische Seefahrer Vasco da Gama das Kap der Guten Hoffnung â und entdeckte den Seeweg nach Indien. FĂŒr die Portugiesen war es der Beginn eines goldenen Zeitalters, in dem sie den Seehandel mit Indien dominierten. JETZT ANHĂREN
Und hier noch ein paar besondere Tipps fĂŒr Geschichts-Interessierte:
Im Podcast âTATORT GESCHICHTEâ sprechen die Historiker Niklas Fischer und Hannes Liebrandt ĂŒber bekannte und weniger bekannte Verbrechen aus der Geschichte. True Crime â und was hat das eigentlich mit uns heute zu tun?
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Timecodes (TC) zu dieser Folge:
TC 00:15 - Intro
TC 02:08 â Portugiesische Waagnisse
TC 04:21 â Kupfer regiert die Welt
TC 08:42 â Der bayerische Seefahrer
TC 12:12 â Eine blutige Spur
TC 14:53 â Teile und herrsche
TC 19:19 - Heimreise
TC 22:40 â Outro
Lesen Sie einen Ausschnitt aus dem Manuskript:
TC 00:15 - Intro
MUSIK
ERZĂHLERIN
Indien! âŠ
ERZĂHLER
⊠wo Pfeffer, Kurkuma, Kardamon, Nelken, Zimt gedeihen, wo kostbare Harze, Hölzer und Arzneien wachsen, wo Rubine, Smaragde, Diamanten, Perlen, Gold in FĂŒlle ĂŒberflieĂen.
ERZĂHLERIN
In der Antike schaffen Karawanen den verschwenderischen Reichtum des Orients aus den Tiefen Arabiens, aus China, Persien, Indien zu den UmschlagplĂ€tzen am östlichen Mittelmeer und in die Zentren der Alten Welt. Ab dem 10. Jahrhundert bringen vorwiegend italienische GroĂimporteure die Ware von Alexandria per Schiff nach Venedig und Genua, wo sie KĂ€ufer aus allen Winkeln Europas findet.
ERZĂHLERIN
Um die Mitte des 15. Jahrhunderts sperrt das Osmanische Reich die uralten HandelsstraĂen. Die neue GroĂmacht hat Konstantinopel erobert, beherrscht Anatolien und den Balkan, rĂŒckt ĂŒber Syrien gegen Ăgypten vor und kontrolliert nun den Zugang zum Orient. Mit weitreichenden Folgen, wie der Wirtschaftshistoriker Maximilian Kalus erklĂ€rt:
O-TON KALUS 1
Die Osmanen wollen die Christen von den asiatischen GewĂŒrzen gewissermaĂen komplett abschneiden. Das gelingt auch eine Weile, bis sie merken, dass dieser Handel verdammt lukrativ ist und sie deswegen selber mitmachen.
ERZĂHLERIN
Auch im Mittelmeer versucht das Osmanische Reich, die abendlĂ€ndische Konkurrenz aus dem GeschĂ€ft zu drĂ€ngen. Die Sicherung der Warenströme und Profite lĂ€sst den europĂ€ischen GroĂimporteuren nur eine Chance: Sie mĂŒssen neue Lieferwege erschlieĂen und selbst in Asien einkaufen.
ERZĂHLER
Aber wie? Die Landroute fĂ€llt aus. Bleibt nur der Seeweg. Doch niemand weiĂ, ob und wo ein Weg um Afrika herum nach Osten fĂŒhrt.
TC 02:08 â Portugiesische Waagnisse
MUSIK
ERZĂHLERIN
Die Portugiesen wagen es trotzdem. Seit 1418 rĂŒstet die Krone zahllose Expeditionen aus, die sich Fahrt um Fahrt an der KĂŒste Westafrikas vortasten. Eine zentrale Behörde trĂ€gt den stĂ€ndig erweiterten Wissensschatz ĂŒber KĂŒsten, Winde, Strömungen, Gezeiten, Untiefen, AnkergrĂŒnde zusammen, der Portugals Goldenes Zeitalter befeuert.
ERZĂHLER
Wozu die MĂŒhe? Warum steckt ein kleines Land wie Portugal so viel Geld und Ausdauer in beschwerliche Entdeckungsfahrten mit unsicherem Ausgang? Aus Wissbegier und Missionierungseifer? Maximilian Kalus hat die Strukturen und Akteure des Orienthandels der frĂŒhen Neuzeit erforscht und hĂ€lt ein anderes Motiv fĂŒr ausschlaggebend:
O-TON KALUS 2
NatĂŒrlich werden religiöse GrĂŒnde vorgeschoben, da geht es immer auch um Christianisierung. Aber am Ende des Tages geht es um den schnöden Mammon. Am Ende geht es um Gewinn.
ERZĂHLER
Anders gesagt: Die Beseitigung des italienischen, osmanischen und asiatischen Zwischenhandels im GewĂŒrz- und OrientgeschĂ€ft ist portugiesische StaatsrĂ€son.
O-TON KALUS 3
Das ist ein klassischer VerdrÀngungswettbewerb: Wenn ich das selber mache, greife ich den Gewinn ab, egal wie teuer das am Ende in Europa ist. Ich schöpfe hundert Prozent ab, und das ist der Deal, den die Portugiesen versuchen.
MUSIK
ERZĂHLERIN
1488 ist das Ziel zum Greifen nah: Bartholomeu Dias umfĂ€hrt das Kap der Guten Hoffnung und stöĂt in den Indischen Ozean vor. Nur zehn Jahre spĂ€ter landet Vasco da Gama an der MalabarkĂŒste: Der erste EuropĂ€er hat Indien auf dem Seeweg um Afrika erreicht und kehrt mit Zimt, Nelken, Pfeffer, Ingwer, Harz, Weihrauch, Duft- und Farbstoffen reich beladen heim.
ERZĂHLER
Die Welt hat sich fĂŒr immer verĂ€ndert: Die alten Monopole sind gebrochen, das Tor zur indischen Schatzkammer ist aufgestoĂen, der direkte Zugriff auf die SchĂ€tze Indiens verheiĂt fantastische Renditen.
TC 04:21 â Kupfer regiert die Welt
ERZĂHLERIN
Auch den Augsburger und NĂŒrnberger Kaufherrn ist die Tragweite des Durchbruchs auf Anhieb klar: Die Zentren des Orienthandels werden sich von Venedig, Genua oder Alexandria nach Lissabon und nach Antwerpen verlagern, wo Portugal die GewĂŒrzimporte vermarktet. Wer im GeschĂ€ft bleiben will, muss dort prĂ€sent sein und investieren.
O-TON KALUS 4
Die Eliten der ReichsstÀdte, die europaweit Handel treiben, wissen genau, wo die Musik spielt, deswegen ist anzunehmen, dass sie diese Chancen wittern. Gerade die Welser gehen da ziemlich forsch voran.
ERZĂHLERIN
Heute wĂŒrde man die Augsburger Welser vermutlich als Early Mover bezeichnen. Schon 1502 grĂŒnden sie eine Niederlassung in Lissabon, wenig spĂ€ter ziehen mit den Fuggern weitere HandelshĂ€user nach. Und vermutlich sind es auch die risikobereiten Welser, die ab 1503 das Projekt einer deutschen Handelsfahrt nach Indien vorantreiben.
ERZĂHLER
Direktimporte aus Asien? Die ganze Lieferkette in einer Hand? Das klingt interessant, setzt aber einen Vertrag mit König Manuel von Portugal voraus. Zum GlĂŒck stehen die Chancen dafĂŒr gut. Denn die Deutschen haben zwei Dinge, die Manuel fehlen: Geld und Kupfer!
ERZĂHLERIN
Portugal schickt seit 1498 alljĂ€hrlich Handelsschiffe nach Indien, deren Finanzierung schwer auf der Staatskasse lastet. Vor allem der militĂ€rische Geleitschutz blutet die Ressourcen aus. König Manuel braucht also Fremdkapital, das er ĂŒber ein beiderseits profitables Beteiligungsmodell einwirbt: Der Investor zahlt die AusrĂŒstung, den Unterhalt und die Heuer der portugiesischen Besatzung eines oder mehrerer Schiffe, dafĂŒr kann er frei in Indien einkaufen. Einen Teil der RĂŒckfracht behĂ€lt die Krone, den Rest der Geldgeber.
ERZĂHLER
Aber Manuel hat noch ein zweites Problem: Indien besitzt keine eigenen Kupferminen. Das Metall ist begehrt, muss aber importiert werden und entwickelt sich so zum wichtigsten Tauschgut des GewĂŒrzgeschĂ€fts.
O-TON KALUS 5
Die Formel ist einfach: ohne Kupfer kein Pfeffer. Kupfer ist im Grunde das wichtigste Metall, Kupfer braucht man in wahnsinnigen Mengen fĂŒr DĂ€cher, fĂŒr AlltagsgegenstĂ€nde, alles Mögliche im Haushalt wird aus Kupfer hergestellt. SpĂ€ter werden auch die RĂŒmpfe von Schiffen mit Kupfer beschlagen, GeschĂŒtze sind aus Kupfer [âŠ].
ERZĂHLER
In groĂen Mengen liefern können das begehrte Metall nur Augsburger und NĂŒrnberger Handelsgesellschaften, allen voran die Fugger. Maximilian Kalus:
O-TON KALUS 6
Die Leute, die auf dem Kupfer hocken, sind im Grunde die oberdeutschen Kaufleute. Die haben fast die absolute Marktmacht. Die drei deutschsprachigen Reviere, nĂ€mlich Tirol, Neusohl und Mansfeld sind die gröĂten Kupferabbaugebiete, und die Leute, die im Montanwesen tĂ€tig sind, sind genau die Leute, die dann im Pfefferhandel tĂ€tig sind.
ERZĂHLER
Um mit der InvestitionslĂŒcke zugleich seine KupferlĂŒcke zu schlieĂen, kommt Manuel den Deutschen entgegen. Er gewĂ€hrt ihnen betrĂ€chtliche Handelsvorteile in Portugal und fordert einen vergleichsweise geringen Kronanteil von 30 Prozent auf die in Indien geladene Ware.
MUSIK
ERZĂHLERIN
1504 ist der Vertrag unter Dach und Fach. Ein Konsortium, dem die Augsburger Handelsgesellschaften der Welser, Fugger, Gossembrot und Höchstetter sowie die NĂŒrnberger Firmen Imhoff und Hirschvogel angehören, bringt 65.000 Dukaten fĂŒr drei Handelsschiffe auf. Ein Drittel der Summe, die etwa 7 Millionen Euro entspricht, tragen die Welser, den Rest die Mitgesellschafter.
ATMO
ERZĂHLERIN
25. MĂ€rz 1505: 20 Schiffe der siebten königlichen Indienflotte lichten im Hafen von Lissabon die Anker. Das Oberkommando hat Dom Francisco de Almeida, dem 1500 Soldaten, 200 schwere und 100 leichte GeschĂŒtze sowie ein Tross von Segelmachern, Zimmerleuten, Handwerkern, GeschĂŒtzgieĂern, Beamten und EinkĂ€ufern unterstehen.
TC 08:42 â Der bayerische Seefahrer
MUSIK
ERZĂHLER
Und: ein junger Mann, der an diesem Tag auf einer der drei deutschen Schiffe zur Reise seines Lebens aufbricht.
ZITATOR
Ich, Balthasar Sprenger aus Fils in Tirol, ein Bestellter der Welser zu Augspurg!
ERZĂHLERIN
Balthasar Sprenger, von dem wir kaum mehr als den Namen wissen, wird fĂŒr seine Auftraggeber 15 Monate auf See und fĂŒnf Monate in Indien zubringen. Er wird 42.000 Kilometer zurĂŒcklegen, wird unbekannte Tiere, Pflanzen und MerkwĂŒrdigkeiten bestaunen, wird in Seenot und Todesangst geraten, wird beten, bangen, hungern, dĂŒrsten und bisweilen an der Heimkehr verzagen.
ERZĂHLER
Er wird aber auch mit verstörender SelbstverstĂ€ndlichkeit an Gewaltexzessen, KriegsgrĂ€ueln, brutalen PlĂŒnderungen und Brandschatzungen teilhaben. Er wird auf Menschen treffen, deren Fremdheit sein Begreifen ĂŒberfordert. Er wird sehen, ohne zu verstehen, und urteilen, ohne zu prĂŒfen. Nur eines wird er nicht tun: Er wird nie, wird mit keinem Wort, keinem Gedanken an der Ăberlegenheit des christlichen Abendlands und seinem Vorrecht auf alle SchĂ€tze dieser Erde zweifeln.
ERZĂHLERIN
Nach vier Wochen auf See legt die Flotte erstmals eine lange Pause an der KĂŒste des heutigen Senegal ein. Hier leben WolofstĂ€mme, die sich mit den EuropĂ€ern arrangiert haben. Viele WolofhĂ€ndler sprechen genug Portugiesisch, um Frischwasser und Proviant gegen Werkzeug oder Schmuck zu tauschen.
ERZĂHLER
Die Rast vor der Kapumfahrung ist dringend nötig. Navigationsfehler, StĂŒrme, Strömungen und Havarien haben die Flotte zerstreut. Ohne sichere SammelplĂ€tze wĂ€ren die NachzĂŒgler verloren. AuĂerdem sind selbst die modernen portugiesischen Naos, Karacken und Karavellen schwimmende Dauerbaustellen. Marodes Tauwerk und gerissene Segel mĂŒssen geflickt, gesplitterte Masten, gebrochene Anker und Steuerruder erneuert, Lecks gestopft und faulende Planken ausgetauscht werden.
ATMO
ERZĂHLERIN
Dann wird es ernst. Die Umsegelung der SĂŒdspitze Afrikas entfesselt alle Schrecken des Meeres: WolkenbrĂŒche, gewaltige Strömungen, Fallböen und unberechenbare Winde zersprengen den Verband, drĂŒcken und schieben die Schiffe gegen Klippen und Riffe. Zwei spĂ€ter wiedergefundene Schiffe gehen verloren, fĂŒr die ĂŒbrigen öffnet sich nach schweren Tagen der Indische Ozean.
MUSIK
ERZĂHLER
Bislang liefert Sprengers Bericht erwartbare Entdeckerexotik: Wasser, Wellen, tanzende Horizonte, fremde Sterne, wundersame Tiere und Pflanzen, schwarze Menschen mit âseltsamenâ Kleidern, Haaren und anstöĂiger Nacktheit. An der ostafrikanischen KĂŒste kippt das launige SeestĂŒck.
ERZĂHLERIN
Acht Schiffe ankern vor Kilwa, der Hauptstadt des gleichnamigen Swahili-Sultanats. Der reiche Handelshafen herrscht ĂŒber den heute tansanischen Teil der KĂŒste Ostafrikas. 1502 unterstellt Vasco da Gama das Sultanat der Herrschaft Portugals und verhĂ€ngte einen jĂ€hrlichen Tribut. Dass Kilwa diese Abgabe und den Vasallenstatus seither ungestraft verweigert, schwĂ€cht die AutoritĂ€t Portugals.
ERZĂHLER
Höchste Zeit, ein warnendes Exempel zu statuieren!
TC 12:12 â Eine blutige Spur
MUSIK
ERZĂHLERIN
Am Morgen des 24. Juli 1505 kĂŒnden KanonenschĂŒsse ein blutiges LehrstĂŒck an. 500 Bewaffnete stĂŒrmen den Palast des Sultans, der inzwischen geflohen ist und die Stadt einer so raub- wie mordlustigen Soldateska ĂŒberlĂ€sst. Balthasar Sprenger ist, unklar ob als Zeuge oder TĂ€ter, in den Ăberfall verwickelt.
ZITATOR
Da fuhren wir hin mit ganzer Macht zu der Stadt und schossen etlich Heiden tot, plĂŒnderten und fanden groĂe SchĂ€tze von Gold, Silber, Perlen, Edelsteine sowie kostbare Kleidung.
ERZĂHLER
Von Skrupeln keine Spur. Auch als GeneralkapitĂ€n Almeida kurz danach das feindliche Mombasa belagern, angreifen, plĂŒndern und bis auf den Grund niederbrennen lĂ€sst, billigt Sprenger die zĂŒgellose Gewalt. Was hier geschieht, ist Ausfluss der Gewissheit, gemeinsam einer ĂŒberlegenen christlichen Zivilisation anzugehören, die einen universalen Herrschaftsanspruch begrĂŒndet.
MUSIK
ZITATOR
Durch Gottes Vorsehung blieb mancher Heide tot. Wir eroberten und besetzen die Stadt mit groĂem Frohlocken, dankten dem AllmĂ€chtigen und begannen zu plĂŒndern und fanden unsagbar groĂe ReichtĂŒmer. Amen!
ERZĂHLER
Die siebte Indienarmada von 1505 bis 1506 unter Francisco de Almeida ist keine Entdeckungs- und noch nicht einmal vorrangig eine Handelsfahrt. Sie ist eine brutale Inkasso- und Strafaktion. Die Demonstration militĂ€rischer Macht soll WiderstĂ€nde brechen, Aufwiegler zĂŒchtigen, Nachahmer schrecken und allen zeigen, wer an den afrikanischen KĂŒsten und im Indischen Ozean kĂŒnftig das Sagen hat.
ERZĂHLERIN
Dabei verzichtet Portugal trotz massiver MilitĂ€rprĂ€senz auf die Eroberung geschlossener HerrschaftsrĂ€ume. Die expansive Strategie setzt vorerst auf die Sicherung des Seewegs und der Logistikkette durch befestigte Faktoreien, die den Armadas als BrĂŒckenkopf, als Waren- und AusrĂŒstungslager, als Nachrichtenbörse, Herberge und Servicezentrum dienen. Welche Mittel der GeneralkapitĂ€n einsetzt, um seine Ziele zu erreichen, ist ihm ĂŒberlassen: Er kann Freundschafts- und BĂŒndnisvertrĂ€ge schlieĂen, notfalls aber auch Gewalt anwenden.
O-TON-KALUS 7
In Westafrika gibt es hochentwickelte Kulturen und KönigshĂ€user, da mĂŒssen sich die Portugiesen mit den Eliten arrangieren.
TC 14:53 â Teile und herrsche
ERZĂHLER
Malindi ist der letzte ostafrikanische Halt vor der Ăberfahrt nach Indien. Im geschĂŒtzten Hafen des muslimischen Stadtstaats kann die Armada gesichert ankern, VorrĂ€te auffrischen, SchĂ€den ausbessern, auf vermisste Schiffe warten. DafĂŒr sorgt ein Beistandsvertrag auf Gegenseitigkeit: Der König gewĂ€hrt das Aufenthaltsrecht, Portugal verspricht Schutz vor dem aggressiven Nachbarn Mombasa. Entsprechend freudig nimmt man die Nachricht vom Untergang des Rivalen auf.
ZITATOR
Der Kunig was zufrieden, dass wir die Stadt grĂŒndlich verwĂŒstet, ausgeraubt und eingeĂ€schert haben.
ATMO
ERZĂHLERIN
Ende August stechen 15 ĂŒberholte, bestens proviantierte Schiffe in See. Nach 16 Tagen und 4000 Kilometern ĂŒber offenes Meer ist die Passage geschafft. Die Flotte steuert zunĂ€chst die menschenleere Insel Angediva vor der MalabarkĂŒste an. WĂ€hrend die NachzĂŒgler eintreffen, errichten Bautrupps ein Fort nebst Kirche aus mitgebrachten Fertigbauteilen. Ende Oktober steht die Festung. Almeida stellt 80 Mann und zwei Schiffe zu ihrer Bewachung ab und nimmt Kurs auf die MalabarkĂŒste.
MUSIK
ERZĂHLER
Im SĂŒdwesten des indischen Subkontinents treffen die Portugiesen auf eine verwirrende Vielzahl meist muslimisch, bisweilen hinduistisch geprĂ€gter Königreiche, FĂŒrstentĂŒmer und Stadtstaaten. Unter allen Hafen- und HandelsstĂ€dten, in denen indische, tamilische, arabische, chinesische und jĂŒdische Kaufleute mehr oder minder friedlich zusammenleben, ist keine berĂŒhmter, keine gröĂer, reicher und wichtiger als Calicut.
ERZĂHLERIN
In Calicut, der Hauptstadt des gleichnamigen Königreichs, war auch Vasco da Gama bei seiner ersten Ankunft gelandet. Der Zamorin, der Herrscher der muslimischen Erbmonarchie, hatte die Portugiesen freundlich empfangen. Aber die Duldung wĂ€hrte nicht lange. Die Neuankömmlinge treten derart aggressiv und herrisch auf, dass sie zuletzt einen vollstĂ€ndigen Boykott seitens der eingesessenen HĂ€ndler provozieren. Als sich schlieĂlich niemand mehr bereitfindet, ihnen Ware zu verkaufen, weichen die Portugiesen auf andere HandelsplĂ€tze aus.
ERZĂHLER
Divide et impera â teile und herrsche! Ein Spiel beginnt, das die Portugiesen meisterhaft beherrschen: Wie in Afrika nutzen sie regionale RivalitĂ€ten und Sezessionsbestrebungen fĂŒr ihre Zwecke. Die Strategie geht auch diesmal auf: Weil Calicut die Vorherrschaft an der MalabarkĂŒste anstrebt und dabei nicht zimperlich vorgeht, sind die Portugiesen in den benachbarten Königreichen Cochin und Cannanore hoch willkommen. FĂŒr ein Beistandsversprechen gegen Calicut gewĂ€hren die Rajas nicht nur ungehinderten Zugang zu ihren HĂ€fen und MĂ€rkten. Sie gestatten den Bau von Faktoreien und Festungen, akzeptieren die DauerprĂ€senz bewaffneter Soldaten und erkennen die Oberherrschaft König Manuels an.
ERZĂHLERIN
Calicut hĂ€lt still, solange die Armada in Indien weilt. Kehrt sie mit dem Wintermonsun nach Portugal zurĂŒck, hagelt es Angriffe gegen die nun schutzlosen Nachbarn. Ein halbes Jahr spĂ€ter trifft die nĂ€chste Flotte mit dem Sommermonsun an der MalabarkĂŒste ein und fĂŒhrt sofort harte Strafexpeditionen durch. Das Hin und Her wechselseitiger Provokationen und RachefeldzĂŒge eskaliert: Calicut zerstört portugiesische Niederlassungen und befehdet ParteigĂ€nger Portugals. Die Portugiesen kapern und plĂŒndern muslimische Handelsschiffe, beschieĂen arabische Faktoreien, ĂŒberfallen und verwĂŒsten mit Calicut verbĂŒndete StĂ€dte.
MUSIK
ERZĂHLER
So stehen die Dinge, als Balthasar Sprenger am 26. Oktober 1505 in Cannanore erstmals indischen Festlandsboden betritt. Er landet in einem Gebiet schwelender Konflikte, die er nicht durchschaut, und nimmt selbst dann ungerĂŒhrt an Kriegshandlungen teil, wenn Almeida im Namen des portugiesischen Königs und abendlĂ€ndischer Handelsinteressen auf Unbewaffnete schieĂen und ihre HĂ€user niederbrennen lĂ€sst.
O-TON KALUS 8
Sie wollen sich etablieren im Indischen Ozean. Es war klar, dass sie den gesamten Handel kontrollieren wollten. Es ist der Beginn dessen, was wir spÀter als Globalisierung bezeichnen, dessen, was letztlich im Kolonialismus endet.
TC 19:19 - Heimreise
ERZĂHLERIN
Was Balthasar Sprenger miterlebt, ist die GrĂŒndung des Estato da India. Dieses vorkoloniale Gebilde, das Francisco de Almeida als erster der auf drei Jahre bestellten Vizekönige regiert, ist kein geschlossenes Herrschaftsgebiet. Das wĂ€re zu Beginn des 16. Jahrhunderts sowohl verwaltungs- und militĂ€rlogistisch wie demografisch nicht zu stemmen. Die Herrschaft des Vizekönigs erstreckt sich ĂŒber kleine, unverbundene FlĂ€chen mit portugiesischen Faktoreien, Festungen, Kirchen, Verwaltungs- und WohngebĂ€uden. Zum Schutz der Exklave bleiben erstmals zehn bemannte Schiffe in Indien zurĂŒck. Die dauerhaft stationierte Seemacht soll verbĂŒndete StĂ€dte und HĂ€fen verteidigen, Passierzölle eintreiben, Piraten bekĂ€mpfen und den muslimischen Handelsverkehr stören.
ERZĂHLER
WĂ€hrend Almeida sein Regiment als Vizekönig aufnimmt, beginnen die Kaufleute in Cochin und Cannanore mit dem Wareneinkauf und der Verladung. Ob Sprenger selbst handelt, in welcher Funktion er auftritt und wie das GeschĂ€ft ablĂ€uft, verschweigt der Bericht. Wir wissen nur, dass sich die drei Schiffe der oberdeutschen Kaufherren bis Ende Dezember mit Perlen, Edelsteinen, Ingwer, Zimt, Aloe, Schellack Kampfer, Gummi, kostbaren Harzen und rund 130 Tonnen Pfeffer fĂŒllen.
ATMO
ERZĂHLERIN
Dann drĂ€ngt die Zeit: Die gestaffelt abreisenden Heimkehrer mĂŒssen den Wintermonsun erwischen. Ein erstes Geschwader lĂ€uft am 2. Januar aus, die Leonarda, auf der Sprenger fĂ€hrt, setzt am 21. Januar 1506 Segel in Richtung Lissabon, die dritte Abteilung folgt Anfang Februar.
MUSIK
ERZĂHLER
Die Heimreise dauert zehn Monate und ist ein Fiasko. SchiffbrĂŒche, Gegenwinde, StĂŒrme, Flauten verzögern die Ăberfahrt. 123 Seefahrer sterben an Hunger, Durst und Fieber. 20 Monate nach seiner Ausfahrt macht Sprengers Schiff in Lissabon die Leinen fest.
ZITATOR
Am 15. November setzen wir Anker vor der Stadt und hatten do mit diese Reis in dem Namen Gottes vollbracht und geendet.
MUSIK
ERZĂHLER
Abgeschlossen ist die Reise damit noch nicht. Zumindest nicht fĂŒr die sĂŒddeutschen Handelsgesellschaften.
ERZĂHLERIN
König Manuel möchte verhindern, dass ein plötzliches Ăberangebot an GewĂŒrzen und Orientwaren die Preise ruiniert. Also lĂ€sst er die Fracht der Deutschen beschlagnahmen und einlagern. Erst nach vier Jahren können die Fugger, Welser, Gossembrot, Imhof und Hirschvogel die Herausgabe vor Gericht erstreiten.
ERZĂHLER
Am Ende tröstet ein stattlicher Reingewinn von 150 bis 175 Prozent wohl ĂŒber manchen Ărger hinweg.
ERZĂHLERIN
Und Balthasar Sprenger?
ERZĂHLER
Er kehrt nach Augsburg zurĂŒck, verfasst einen Reisebericht, der 1509 als illustrierte Merfart zu viln onerkanten Inseln und Kunigreichen im Druck erscheint. Wie es dem Chronisten der ersten deutschen Indienfahrt danach ergeht, ist ungewiss. Seine Spur verliert sich wie ein Ruderschlag im Ozean.
TC 22:40 â Outro