Nach „Kriegstüchtigkeit“ soll eine „Kriegsmentalität“ an den Tag gelegt werden – diese hat gerade NATO-Generalsekretär Mark Rutte gefordert. In einer Grundsatzrede brachte er zudem zum Ausdruck, dass bei den Militärausgaben der „Turbo“ aktiviert werden müsse. Und im November meinte der Kanzlerkandidat der CDU, Friedrich Merz, in einer Rede: „Frieden gibt es auf jedem Friedhof“.Weiterlesen
Nach „Kriegstüchtigkeit“ soll eine „Kriegsmentalität“ an den Tag gelegt werden – diese hat gerade NATO-Generalsekretär Mark Rutte gefordert. In einer Grundsatzrede brachte er zudem zum Ausdruck, dass bei den Militärausgaben der „Turbo“ aktiviert werden müsse. Und im November meinte der Kanzlerkandidat der CDU, Friedrich Merz, in einer Rede: „Frieden gibt es auf jedem Friedhof“.Weiterlesen
Nach „Kriegstüchtigkeit“ soll eine „Kriegsmentalität“ an den Tag gelegt werden – diese hat gerade NATO-Generalsekretär Mark Rutte gefordert. In einer Grundsatzrede brachte er zudem zum Ausdruck, dass bei den Militärausgaben der „Turbo“ aktiviert werden müsse. Und im November meinte der Kanzlerkandidat der CDU, Friedrich Merz, in einer Rede: „Frieden gibt es auf jedem Friedhof“. Es wird immer deutlicher: Auf politischer Ebene sehen wir die Verrohung demokratischer Werte. Von Marcus Klöckner.
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„Kriegsmentalität“? Wie kann ein Demokrat so etwas fordern? Weiß Mark Rutte, was Kriegsmentalität bedeutet? Man möchte dem Generalsekretär der NATO geradezu wünschen, dass er keine Ahnung hat, was hinter dem Begriff Kriegsmentalität steckt. Wie sonst sollte ihm, der doch das mächtigste Militärbündnis der Welt formal anführt, noch etwas zugutegehalten werden? Aber halt! Falsche Rücksicht ist unangebracht. Genauso wenig, wie es deplatziert wäre, gefällige Erklärungen für das Auftreten Ruttes zu suchen. Hier gilt es, der Realität ins Auge zu blicken. Ein Generalsekretär der NATO weiß, was er sagt. Zumal Rutte auch noch ein erfahrener Politiker ist. Jeder Politiker weiß um die Bedeutung seiner Worte. Und ein Wort wie Kriegsmentalität sollte von jedem demokratischen Politiker ohnehin sofort mit einer roten Flagge versehen wahrgenommen werden. Dass Rutte dennoch öffentlich seine Verbündeten zu einer Kriegsmentalität aufruft, muss den Bürgern in jedem NATO-Land eine unmissverständliche Warnung für die große Gefahr sein, die eine sich immer weiter verschärfende Politik der Konfrontation mit Russland beinhaltet.
Ruttes Worte lassen aber auch erkennen, dass eine regelrechte Verwilderung menschlich-zivilisatorischer Errungenschaften auf der politischen Bühne auszumachen ist.
Kriegsmentalität – was heißt das denn? Alleine, dass es angebracht ist, diese Frage zu stellen und sie zu beantworten, zeigt den Grad der Verrohung innerhalb der großen Politik. Ein Soldat, der Kriegsmentalität verinnerlicht, muss seine Menschlichkeit ablegen. Ein Soldat, der mit der Kriegsmentalität auf das Schlachtfeld zieht, wird zum Abbild des Krieges in seiner schlimmsten Form. Schießen – auf den Feind. Egal wohin. Hauptsache, der Feind ist tot. Zerstören, töten, massakrieren, vernichten, zerfetzen, zustechen, zuhauen, wo und wie es geht. Das bringt Kriegsmentalität hervor. Wenn auf der geistigen Ebene die Bereitschaft und der unbedingte Wille zum Krieg besteht, dann ist das Kriegsmentalität. Rutte hebt diesen Begriff auf Ebene des „Verteidigungsbündnisses“ NATO.
NATO, das heißt: 32 Mitgliedsstaaten und, laut Statistica, 7,6 Millionen Soldaten, zusammengesetzt aus regulären Soldaten und Reservisten. Dieses Bündnis also soll eine „Kriegsmentalität“ an den Tag legen? Und obendrauf sind dann auch noch die zig Millionen an Bürgern aller NATO-Mitgliedsstaaten zu zählen – denn schließlich ist ja auch immer wieder die Rede von einer „kollektiven Anstrengung“, an der auch die Bürger und Steuerzahler mindestens durch ihr Steuergeld mitwirken sollen.
Kriegsmentalität also entwickelt, ausgebaut und vielleicht sogar noch in der Praxis umgesetzt, auf einer geradezu gigantischen Landmasse?
Ein furchtbarer Regress der Humanität ist auf der politischen Ebene zu konstatieren. Akteure wir Rutte sagen, Kriegstüchtigkeit und Kriegsmentalität würden ja nur deshalb gefordert, weil es doch darum gehe, einen Krieg zu verhindern. Der „Turbo-Gang“ in Sachen Aufrüstung solle doch nur eingelegt werden, um das Schlimmste zu verhindern. Das soll wohl heißen: Aufrüsten für den Frieden! Welch eine Pervertierung! Die Rüstungsindustrie freut’s auf jeden Fall. Doch das ist kein Anlass zur Freude für die Gesellschaften Europas. Wir reden hier über einen heißen Krieg mit Russland.
„Wir sind nicht bereit für das, was in vier bis fünf Jahren auf uns zukommt“, so Rutte. Welch eine ungeheuerliche Aussage. Anstatt mit den Mitteln der Diplomatie und einer Friedenspolitik unverzüglich dem Wahnsinn der Aufrüstung entgegenzutreten, zeigt die Politik einen bemerkenswerten, ja: verdächtigen! Eifer, was den Ausbau der „Kriegsfähigkeit“ angeht. Der Philosoph Paul Watzlawick bemerkte einmal: „Je mehr eine Nation sich von Nachbarn bedroht fühlt, desto mehr wird sie sich zur Verteidigung rüsten, und desto mehr wird die Nachbarnation ihre eigene Aufrüstung für das Gebot der Stunde halten. Der längst erwartete Krieg ist dann nur noch eine Frage der Zeit.“
Das ist in der Tat die große Gefahr. Demnächst hat zudem Deutschland vielleicht sogar noch einen Kanzler mit Namen Merz, der sich vor kurzem in Sachen Wiedereinführung der Wehrpflicht an die jungen Leute im Land mit den Worten richtete: „Ihr lebt in einem Land, in dem ihr alle Chancen habt – so gut, wie in wenigen anderen Ländern der Welt“. Und: „Heißt auch, wir können und wir dürfen von euch auch etwas erwarten“. Dass er in einer Rede auch noch sagt, „Frieden gibt’s auf jedem Friedhof“, zeigt: Ein Geist hat sich in der Politik ausgebreitet, der dem Verderb näher ist, als es einem Land und seinen Bürgern lieb sein kann.
Titelbild: Jeroen Meuwsen Fotografie/shutterstock.com