Alles Geschichte - History von radioWissen   /     MUSSOLINIS ENDE – Die Republik von SalĂČ

Description

Im Sommer 1943 wird Mussolini gestĂŒrzt und festgesetzt, wenige Wochen spĂ€ter aber von deutschen FallschirmjĂ€gern befreit. Kurz darauf grĂŒndet er sĂŒdlich der Alpen die "Republik von SalĂČ", in der er versucht, als Staatschef von Hitlers Gnaden einen noch radikaleren Faschismus durchzusetzen. Das Unternehmen endet im Desaster. Von: Rainer Volk (BR 2023)

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Duration
00:22:33
Publishing date
2025-01-03 12:00
Link
https://www.br.de/mediathek/podcast/alles-geschichte-history-von-radiowissen/mussolinis-ende-die-republik-von-sal/2101613
Contributors
  Rainer Volk
author  
Enclosures
https://media.neuland.br.de/file/2101613/c/feed/mussolinis-ende-die-republik-von-sal.mp3
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Shownotes

Im Sommer 1943 wird Mussolini gestĂŒrzt und festgesetzt, wenige Wochen spĂ€ter aber von deutschen FallschirmjĂ€gern befreit. Kurz darauf grĂŒndet er sĂŒdlich der Alpen die "Republik von SalĂČ", in der er versucht, als Staatschef von Hitlers Gnaden einen noch radikaleren Faschismus durchzusetzen. Das Unternehmen endet im Desaster. Von: Rainer Volk (BR 2023)

Credits
Autor: Rainer Volk
Regie: Rainer Schaller
Es sprachen: Rahel Comtesse, Christian Jungwirth, Peter Weiß, Silke von Walkhoff
Technik: Andreas Lucke
Redaktion: Thomas Morawetz
Im Interview: Amedeo Osti Guerazzi, Roberto Vivarelli

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ZDF (2023): Mussolini – Der erste Faschist

Er gilt als Erfinder des Faschismus: der Diktator Benito Mussolini. Über zwei Jahrzehnte lang steht er an der Spitze Italiens und stĂŒrzt am Ende sein Land in die Katastrophe. JETZT ANSEHEN



Und hier noch ein paar besondere Tipps fĂŒr Geschichts-Interessierte:


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Alles Geschichte finden Sie auch in der ARD Audiothek:
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Lesen Sie einen Ausschnitt aus dem Manuskript:

OT 1 KriegserklÀrung Italien an Frankreich/GB am 10.6.1940
Rufe „Duce, Duce, Duce“ – L’ora delle decisione
 
  
MUSIK

ErzÀhler:
Die Stunde der Entscheidung ist da, ruft Benito Mussolini am 10. Juni 1940, als er Frankreich und Großbritannien den Krieg erklĂ€rt. Die Menschen auf dem Platz vor dem Palazzo Venezia in Rom jubeln. Entscheidend ist dieser Tag in der Tat. Mit ihm beginnt auch die Geschichte der Republik von SalĂČ. – Denn der 2.Weltkrieg ĂŒberfordert Mussolinis Diktatur: Zwei FeldzĂŒge in Äthiopien und Libyen haben Italien viel Kraft gekostet. Es ist Hitlers Blitzfeldzug durch Frankreich, der Mussolini in den Krieg lockt – er spekuliert auf einen Teil der Beute.
1943 hat Italien diese Hoffnungen begraben mĂŒssen. An allen Fronten ist das BĂŒndnis mit dem NS-Regime, die so genannte „Achse“, in der Defensive. Amedeo Osti Guerazzi, Professor fĂŒr Zeitgeschichte an der UniversitĂ€t Padua sagt zur Kriegslage im Sommer 1943:

OT 2: OV Amedeo Osti Guerazzi Osti-Guerazzi – Sommer 43
 „The reports of the political police 
 in the hands of Hitler.”  

Übersetzer:
“Die politische Polizei berichtete damals, dass die Menschen sauer waren ĂŒber das Regime. Man wusste, der Krieg war verloren. Es war völlig sinnlos, gegen die Amerikaner zu kĂ€mpfen. Die Bombenangriffe der amerikanischen und britischen Luftwaffe hatten viele StĂ€dte bereits stark zerstört. Im SĂŒden wie im Norden. Zudem hungerten die Italiener – Menschen starben, weil es nicht genug zu essen gab. Man war sich einig: Mussolini ist nur eine Marionette Hitlers.“

OT 3: Landung Sizilien
„Hello the OWI in New York – this is Allied Force Headquarters in North Africa. 
    

ErzÀhler:
Am 10.Juli 1943 merken alle, es wird ernst: Briten und Amerikaner beginnen die Invasion Siziliens. Die Landung fĂŒhrt dazu, dass Mussolinis Gefolgsleute das Vertrauen in ihn verlieren. Sie beantragen fĂŒr den 24.Juli eine Sitzung des „Faschistischen Großrats“. Das Gremium hat seit 1939 nicht mehr getagt, ist eigentlich unnĂŒtz, meint Amedeo Osti Guerazzi:

OT 4: OV Amedeo Osti Guerazzi (Osti Guerazzi – Großrat)
„But it was the only way
 to summon these hierarchs in the Gran Consiglio.”      

Übersetzer:
“Aber es war der einzige Weg wie die Bonzen der Faschistischen Partei, Mussolini zwingen konnten etwas zu tun. Die intelligentesten unter ihnen hatten kapiert, dass der Krieg verloren war. Sie hatten Mussolini bekniet, den Faschismus zu retten – und damit sich selbst. Jetzt zwangen sie ihn zu handeln. Seltsamerweise ist er einverstanden – das Motiv ist bis heute unklar. Wir wissen nicht, weshalb er die ParteigrĂ¶ĂŸen zum Faschistischen Großrat einberuft.“

MUSIK

ErzÀhler:
Man tagt zehn Stunden. Als ein Antrag gestellt wird, Mussolini das Kommando ĂŒber die StreitkrĂ€fte zu entziehen und es König Viktor Emmanuel III. zu ĂŒbertragen, schweigt der Duce. Prompt wird der Vorschlag angenommen. Konsterniert bittet Mussolini tags darauf um eine Audienz beim König. Dieser erklĂ€rt ihm dabei, er sei als Regierungschef entlassen und festgenommen.

OT 5: („Nachrichten des italienischen Rundfunks“ MB: W0030442Z00) -   „Attenzione! Attenzione!... Pietro Badoglio.“ 

ErzÀhler:
Die Nachricht von Mussolinis Sturz ist eine Sensation. In Rom feiern die Menschen auf der Straße. Offiziell heißt es im Radio: Seine MajestĂ€t der König und Kaiser habe der Bitte Mussolinis entsprochen, ihn von den Ämtern als MinisterprĂ€sident, Regierungschef und StaatssekretĂ€r zu entbinden. Diese Ämter seien Feldmarschall Pietro Badoglio ĂŒbertragen worden.

ErzÀhler:
Ein 71jĂ€hriger General als Nachfolger eines Mannes, der fĂŒr Millionen ein Idol war? Das bestĂŒrzt Millionen Italiener. Der Historiker Roberto Vivarelli erinnert sich, sein Vater habe als ĂŒberzeugter Faschist von „Verrat“ gesprochen. Vivarelli lehrt nach dem Krieg Geschichte an italienischen UniversitĂ€ten und forscht auch zu den UrsprĂŒngen des Faschismus. Anfang dieses Jahrhunderts sorgt sein freimĂŒtiges Bekenntnis in Italien fĂŒr Furore, der Staatsstreich gegen Mussolini 1943 sei fĂŒr ihn als damals 13jĂ€hrigen ein Schlag gewesen. Hier ein Ausschnitt eines GesprĂ€chs mit Roberto Vivarelli aus dem Jahr 2004.

OT 6: OV Roberto Vivarelli Vivarelli – Staatsstreich
„Era colpito 
all’interno di regime fascista stesso.“      

Übersetzer II:
„Es war Frustration und auch Wut, weil es nicht möglich schien, dass die Dinge so enden wĂŒrden. Wie Mussolini gestĂŒrzt wurde, schien fĂŒr uns wie ein Verrat. Verrat seitens der Italiener, aber auch seitens einiger Faschisten, denn es war ja der Großrat, der den Sturz herbeifĂŒhrte - gewissermaßen als Putsch innerhalb des faschistischen Regimes.“

ErzÀhler:
Die Hoffnungen des Monarchen in General Badoglio werden bald enttÀuscht. Viktor Emmanuel hat Angst vor dem Kommunismus und einem Ende seines Königreichs. Gleichzeitig soll Badoglio die Deutschen daran hindern, Italien zu besetzen. Denn in Berlin ahnt man, dass Italien den Krieg gegen Briten und Amerikaner beenden will. So viele Probleme kann ein Polit-Neuling wie Badoglio nicht lösen, meint der Historiker Amedeo Osti Guerazzi

OT 7: OV Amedeo Osti Guerazzi
„It was a failure, of course
 where he was in the hands of the Anglo-Americans.”

Übersetzer:
 “Das ging schief - klar. Das Einzige, was er schaffte, war auf Demonstranten gegen den Faschismus zu schießen. Er war unfĂ€hig, einen Waffenstillstand mit den Anglo-Amerikanern zu erreichen, der Hand und Fuß hatte. Er konnte die Rache der Deutschen nicht verhindern. Sie besetzten am 9./10.September das ganze Land. Daraufhin floh er mit dem König flugs in den Ă€ußersten SĂŒden, nach Brindisi, wo er in den HĂ€nden der Alliierten war.“

MUSIK

ErzÀhler:
Die Schilderung zeigt, wie sich die Ereignisse ĂŒberstĂŒrzen. Die Waffenruhe mit den Alliierten, die am 8. September 1943 publik wird, ist fĂŒr die Deutschen Vorwand, ganz Nord- und Mittelitalien zu besetzen, Rom zu belagern und 800-tausend italienische Soldaten gefangen zu nehmen. FĂŒr Roberto Vivarelli, der in Siena lebt, ist die Einigung mit Amerikanern und Briten der SchlĂŒsselmoment. Denn er zwingt alle sich zu entscheiden, auf welcher Seite sie stehen:

OT 8: OV Roberto Vivarelli Vivarelli – 8. September
„Il momento decisivo 
 contre gli tedeschi.”

Übersetzer II:
 „Der entscheidende Moment ist der 8. September, der Tag des Waffenstillstands. Denn ab da ging es bergab, sogar in einer kleinen Stadt wie Siena. Die Einwohnerschaft war gespalten. Es gab diejenigen, die fĂŒr die eine Seite waren und diejenigen, die gar keine Haltung einnahmen. Die auf der anderen Seite zeigten sofort eine, sagen wir mal, positive Haltung zur Regierung des SĂŒdens. Also gegen die Deutschen. Entscheidend war also, fĂŒr die Deutschen oder gegen die Deutschen zu sein.“

MUSIK

ErzÀhler:
Am 12. September befreien deutsche FallschirmjĂ€ger Mussolini aus der Gefangenschaft in einem Hotel am Gran Sasso-Massiv. FĂŒr die Nazis ein Coup – auch der Empfang durch Hitler in dessen Hauptquartier in Ostpreußen. Dort erklĂ€rt dieser seinem einstigen Vorbild, SS und Wehrmacht seien nun die Herren in Italien. – Ein Eklat, den man durch eine Radiorede Mussolinis an seine Landsleute kaschieren will.

OT 9: Radio-Rede Mussolinis nach der Befreiung
„Camiceneri, italieni Ă© italiane
         
ErzÀhler:
Der Duce spricht an diesem 18. September aus MĂŒnchen - sehr verhalten. Er verkĂŒndet, Italien werde den Kampf an der Seite Deutschlands wieder aufnehmen. - De facto ist die „Repubblica Sociale Italiana“, die er am 23. September 1943 ausruft, ein Staat von Hitlers Gnaden. Die erste Kabinettssitzung findet in der deutschen Botschaft in Rom statt. Da wissen aber alle schon, dass die Ministerien und FĂŒhrungsriege des neuen Regimes an den Gardasee umziehen. Amedeo Osti Guerazzi:

OT 10: OV Amedeo Osti Guerazzi Osti – Saló
“First of all
it was secret.   

Übersetzer:
Erstens lag Rom zu nahe an der Front. Zweitens verachtete Mussolini Rom, weil er hier verraten worden war am 25. Juli 43. Mailand war zu gefĂ€hrlich - die US-Luftwaffe bombardierte die Stadt tĂ€glich. So kam man auf diesen Ort am Garda-See, in der NĂ€he wichtiger Nazi-Kommandostellen, wo ihn der SS-General Wolff ĂŒberwachen konnte. Die Bezeichnung „Republik von SalĂČ“ rĂŒhrt daher, dass dort das Propaganda-BĂŒro saß. So hieß es offiziell immer: „SalĂČ sagt dieses, SalĂČ berichtet jenes.“ Die Leute meinten, Mussolini sei dort. Aber wo er wirklich war, war geheim.“

OT 11: Musik Giovinezza - instrumental

ErzÀhler:
Zur Propaganda gehört auch, dass im Radio wieder die Faschisten-Hymne „Giovinezza“ ertönt. Auch das ein Zeichen, es ist alles wieder wie Juli 1943. Allerdings zieht Mussolini auch Lehren aus seinem Debakel. Das zeigt der offizielle Staatstitel „Repubblica Sociale Italiana“ – Italienische Sozialrepublik. Er soll an die populistischen AnfĂ€nge der faschistischen Partei im Jahr 1919 anknĂŒpfen, sagt Amedeo Osti Guerazzi:

OT 12: OV Amedeo Osti Guerazzi Osti – RSI-Name
„The first name, not given by Mussolini
 against the monarchy, against the king, who betrayed him in July 1943.” 

Übersetzer:
ZunĂ€chst dachten die Nazi-Bonzen – nicht Mussolini – als Bezeichnung an „Nationale Faschistische Regierung“. Mussolini wusste aber: der Begriff „Faschismus” kommt im September 1943 nicht mehr gut an bei den Leuten. Er argumentierte: Wir mĂŒssen zurĂŒck zum wahren Faschismus – dem sozialen Faschismus, populistischen Faschismus. So entstand “Italienische Sozialrepublik“. Klar, das ging auch gegen die Monarchie - den König, der ihn im Juli 43 verraten hat.“ 

MUSIK

ErzÀhler:
Im Alltag fĂŒhrt das zu einer Radikalisierung: einer verschĂ€rften Zensur, Polizei und Gestapo verstĂ€rken erheblich die Verfolgung der Juden – tausende landen nun in deutschen Vernichtungslagern in Osteuropa. Wer politisch missliebig ist, landet im GefĂ€ngnis. Drakonische Maßnahmen, die Italien spalten. Eine Minderheit der Bevölkerung bleibt Mussolini treu; eine Mehrheit wartet ab oder leistet Widerstand. SchĂ€tzungen zufolge schließen sich 150-tausend MĂ€nner und Frauen Partisanen- und Widerstandsgruppen an - „Partigiani“ oder „Resistenza“ genannt.

MUSIK

ErzÀhler:
BerĂŒhmt – und in unzĂ€hligen Versionen nachgesungen – wird ab Herbst 1943 die Partisanen-Hymne „Bella ciao“, ursprĂŒnglich ein Volkslied. Der Text handelt vom Abschied eines Partisanen von seiner Geliebten, ehe er sich in den Bergen versteckt. Der „Eindringling“, der besungen wird, sind die deutschen Besatzer Italiens.
 
ErzÀhler:
Die Fronten werden unĂŒbersichtlich, was das Misstrauen wachsen lĂ€sst und tausende italienische Zivilisten das Leben kostet. BerĂŒchtigt sind die Massaker deutscher Soldaten in Orten wie Sant‘ Anna di Stazemma unweit von Pisa und Marzabotto bei Bologna. Auch in Rom schlagen die deutschen Besatzer erbarmungslos zu:

OT 14: Atmo „Fosse Ardeatine“

ErzÀhler:
Eine Landstraße im SĂŒden der italienischen Hauptstadt windet sich an den Ardeatinischen Höhlen vorbei. Der Weg in die GedenkstĂ€tte dort fĂŒhrt durch ein schmiedeeisernes Tor in einen weiten Innenhof, von dem aus man GĂ€nge sieht. Am 24. MĂ€rz 1944 erschießt die SS hier per Genickschuss 335 italienische Geiseln, darunter 75 Juden – Vergeltung fĂŒr einen Bombenanschlag der Widerstandsbewegung tags zuvor in Rom. – In den HöhlengĂ€ngen sind zur Erinnerung steinerne Tafeln angebracht; in einem Mausoleum stehen die SĂ€rge der Hingerichteten – eine dĂŒstere Szenerie.

MUSIK

ErzÀhler:
MilitĂ€rstrategen nennen Kriege zwischen Staats-Armeen und kleinen Guerrilla-Gruppen „asymmetrisch“. Sie sind zĂ€h, verlustreich, kaum zu gewinnen. Deshalb akzeptieren die Deutschen widerwillig Truppen der Republik von SalĂČ an ihrer Seite, vor allem fĂŒr den „Partisanen-Kampf“. Hier zeigt sich deren militĂ€rischer Wert, sagt der Experte Amedeo Osti Guerazzi:

OT 15: OV Amedeo Osti Guerazzi Osti – RSI-Truppen
„They were quite effective fighting against the partisans
 Alessandro Pavolini was wounded – on the back, by the way.”         
Übersetzer:
„Sie waren nĂŒtzlich– einige von ihnen zumindest waren ganz gut. Die so genannten “Schwarzen Brigaden”, die Miliz der faschistischen Partei, waren dagegen ein Desaster: Wirkungslos, disziplinlos, ohne Material und Waffen

ErzÀhler:
Trotz der mangelhaften AusrĂŒstung ihrer Gegner tun sich Amerikaner und Briten schwer auf dem italienischen Kriegsschauplatz. Erst Anfang Juni 1944 erreichen sie Rom. Die Stadt ist schwer mitgenommen, schreibt die Schriftstellerin Elsa Morante, eine Römerin, spĂ€ter in ihrem Roman „La storia“:

MUSIK

Zitatorin:
„In den letzten Monaten der deutschen Besatzung nahm Rom das Aussehen gewisser indischer Metropolen an, wo nur die Aasgeier ihr Futter bekommen.“

OT 17: Roosevelt – Rom ist gefallen
„Ladies and gentleman – the President of the United States. -  My friends, yesterday
 one up – two to go.”

ErzÀhler:
AnlĂ€sslich der Befreiung spricht in den USA PrĂ€sident Roosevelt im Radio. Die Deutschen haben Rom zur „offenen Stadt“ erklĂ€rt – sie wird nicht verteidigt. Roosevelt sagt: Dies ist die erste befreite Hauptstadt der Hitler-Allianz. Eine ist geschafft – zwei stehen noch aus.

ErzÀhler:
Die Symbolik der Befreiung Roms kann kaum ĂŒberschĂ€tzt werden – hinter der reinen Machtfrage, wem die Hauptstadt gehört, verbirgt sich ein ideologischer Kontext. Deshalb habe der Verlust Roms dazu gefĂŒhrt, dass sich die weltanschauliche Perspektive der Faschisten von SalĂČ weiter verschĂ€rft, meint der Historiker Amedeo Osti Guerazzi:

OT 18: OV Amedeo Osti Guerazzi Guerazzi – Bedeutung Rom
“Because since summer 1944 the fascists didn’t consider them (as) Italians anymore. 
 And the Italians were part of this plot against this Europe.”   

Übersetzer:
“Ab Sommer 1944 betrachteten sich die Faschisten nicht mehr als Italiener, sondern als Verteidiger der Festung Europa, der europĂ€ischen Zivilisation. Sie wurden Nazi-Faschisten, versuchten, wie die Deutschen zu sein, so hart, so erbarmungslos, so verschlagen. Ihr Kampf als Faschisten richtete sich gegen Italiens Bevölkerung. Daher die blutigen Aktionen gegen Zivilisten. Daher sind die Faschisten dieser Zeit im kollektiven GedĂ€chtnis Italiens so verhasst.“

ErzÀhler:
Das Überleben von Mussolinis Marionetten-Regime in Oberitalien wird dadurch erleichtert, dass Briten und Amerikaner im Herbst 1944 das Interesse an diesem Krieg verlieren. Sie ziehen ihre kampfstĂ€rksten Truppen ab nach Frankreich. So können Wehrmacht und SalĂČ-Soldaten die „Goten-Stellung“, eine Verteidigungslinie von Carrara in Ligurien bis Pesaro an der Adria lange halten. Trotzdem verlĂ€sst Mussolini die Region am Gardasee kaum noch. Roberto Vivarelli, damals inzwischen 15, berichtet noch Jahrzehnte spĂ€ter von der Not bei seinen EinsĂ€tzen gegen Partisanen in Piemont und gegen Briten und Amerikaner bei Bologna.

OT 20: OV Roberto Vivarelli Vivarelli – Verpflegung
„Mentre in vece 
 mangiaba molto male.“

Übersetzer II:
„Verpflegung gab es nicht. Wenn, dann einmal in der Woche riesige Laibe Schwarzbrot. Ich erinnere mich an Stempel mit einem Datum darauf – sie waren Monate alt. Und dann hatten wir eine Art Salami und einige Bonbons, die angeblich Vitamine enthielten. In Piemont war die Versorgung ein Problem. TatsĂ€chlich haben wir sogar versucht, Mehl von den Bauern zu bekommen und ab und zu auch ein paar HĂŒhner zu stehlen, um sie an Ort und Stelle zu kochen, denn sonst war die Verpflegung wirklich ĂŒbel.“

MUSIK

ErzÀhler:
Als Briten und Amerikaner Anfang April 1945 ihre Schlussoffensive starten, geht es mit Mussolinis Pseudo-Staat rasch zu Ende. Am 25.April stehen die Alliierten vor Mailand und die Partisanen rufen einen allgemeinen Aufstand aus. Mussolini sucht mit seiner Geliebten Claretta Petacci Schutz bei einem Trupp deutscher Soldaten, der nordwĂ€rts zieht, aber am Comer See von Partisanen gestoppt wird. Das besiegelt sein Schicksal. Stolz berichten einige der Partisanen spĂ€ter, wie sie das Paar am 28. April 1945 kurzerhand erschießen. Anschließend bringen sie die Leichen nach Mailand, wo sie geschĂ€ndet kopfĂŒber an einer Tankstelle aufgehĂ€ngt werden. Auch mit anderen Bonzen des Regimes wie Parteichef Pavolini macht man kurzen Prozess. Es beginnt eine Welle von SĂ€uberungen. SchĂ€tzungen zufolge werden allein 1945 zwischen 5- und 8000 Gefolgsleute der Republik von SalĂČ gelyncht. 10-tausende verlieren ihre ArbeitsplĂ€tze. Bis 1948 eine Amnestie kommt, sind viele politisch aktive Mussolini-AnhĂ€nger zu den Christdemokraten gewechselt. Dort ist es sicherer als im neu gegrĂŒndeten „Movimento Sociale Italiana“, der an den Faschismus anknĂŒpfen will. In derlei ultrarechten Gruppierungen der italienischen Nachkriegszeit sieht der Historiker Amedeo Osti Guerazzi das bleibende Erbe der Republik von SalĂČ â€“ und bezieht die „Fratelli d’Italia“ der derzeitigen Regierungschefin Georgia Meloni mit ein.

OT 22: OV Amedeo Osti Guerazzi Guerazzi – MSI
„Movimento Sociale italiana 
 Italian Social Republic.”         
Übersetzer:
 “Italienische Sozialbewegung, Italienische Sozialrepublik – das soll Erinnerungen wecken. Erster PrĂ€sident des Movimento war Rodolfo Graziani, Verteidigungsminister und Generalstabschef von 1943 bis ’45. Bis in die 1970er Jahre war der ideologische Spielraum des Movimento gering. Dann machte Silvo Berlusconi den rechten FlĂŒgel akzeptabel. Und Georgia Meloni ist die Tochter einer langen, langen Geschichte. Auch wenn ich sie nicht fĂŒr eine Faschistin halte, liegen die Wurzeln ihrer Partei in der Italienischen Sozialrepublik.“

MUSIK

ErzÀhler:
Der Marionettenstaat Hitlers wirft in Italien also Schatten bis heute. Benito Mussolinis Leiche wird 1945 ĂŒbrigens zunĂ€chst anonym verscharrt, dann ausgegraben und in einen Sarkophag gelegt. Predappio, sein Geburtsort, wo der Sarkophag ausgestellt ist, gilt als WallfahrtsstĂ€tte fĂŒr Neofaschisten. Nicht wenige kommen in schwarzen Hemden.