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Der US-PrĂ€sident stellt sich mit aktuellen Äußerungen in fundamentaler Weise gegen zahlreiche Darstellungen des Ukrainekriegs, die in den letzten Jahren von westlichen Politikern und Journalisten vehement vertreten wurden. Ein propagandistisches Kartenhaus wackelt. Ein Kommentar von Tobias Riegel. Dieser Beitrag ist auch als Audio-Podcast verfĂŒgbar. Der US-PrĂ€sident Donald Trump hat sich in einemWeiterlesen

Summary

Der US-PrĂ€sident stellt sich mit aktuellen Äußerungen in fundamentaler Weise gegen zahlreiche Darstellungen des Ukrainekriegs, die in den letzten Jahren von westlichen Politikern und Journalisten vehement vertreten wurden. Ein propagandistisches Kartenhaus wackelt. Ein Kommentar von Tobias Riegel. Dieser Beitrag ist auch als Audio-Podcast verfĂŒgbar. Der US-PrĂ€sident Donald Trump hat sich in einemWeiterlesen

Subtitle
Der US-PrĂ€sident stellt sich mit aktuellen Äußerungen in fundamentaler Weise gegen zahlreiche Darstellungen des Ukrainekriegs, die in den letzten Jahren von westlichen Politikern und Journalisten vehement vertreten wurden.
Duration
9:56
Publishing date
2025-02-20 11:30
Link
https://www.nachdenkseiten.de/?p=129049
Contributors
  Redaktion NachDenkSeiten
author  
Enclosures
https://www.nachdenkseiten.de/upload/podcast/250220_Trump_zertruemmert_die_westlichen_Erzaehlungen_zur_Ukraine_NDS.mp3
audio/mpeg

Shownotes

Der US-PrĂ€sident stellt sich mit aktuellen Äußerungen in fundamentaler Weise gegen zahlreiche Darstellungen des Ukrainekriegs, die in den letzten Jahren von westlichen Politikern und Journalisten vehement vertreten wurden. Ein propagandistisches Kartenhaus wackelt. Ein Kommentar von Tobias Riegel.

Dieser Beitrag ist auch als Audio-Podcast verfĂŒgbar.

Der US-PrĂ€sident Donald Trump hat sich in einem auf Truthsocial veröffentlichten Beitrag zum Ukrainekrieg geĂ€ußert. Besonders Trumps Aussage, der ukrainische PrĂ€sident sei ein nicht durch Wahlen legitimierter „Diktator“, sorgt fĂŒr große Aufregung im Lager der KriegsverlĂ€ngerer. Weiter unten folgt eine maschinelle Übersetzung im Wortlaut. Albrecht MĂŒller ist heute bereits in diesem Artikel auf einige europĂ€ische Reaktionen eingegangen.

Es treffen nicht jeder Satz und jede Aussage zu, die Trump in dem Beitrag zum Ukrainekonflikt schreibt – aber das gilt ja fĂŒr die „andere Seite“ in noch viel extremerem Maße: Ich weiß nicht, ob es in jĂŒngerer Vergangenheit einen Konflikt gab, bei dem das westliche Publikum in Ă€hnlich konsequenter Weise ĂŒber so lange Zeit so grundfalsch informiert wurde wie im Fall Ukraine seit 2014 – und das vonseiten fast aller Politiker und etablierter Journalisten in Deutschland. Darum ist es ĂŒberwiegend zu begrĂŒĂŸen, dass es nun ein „Gegengewicht“ gegen diese monolithische Darstellung gibt, auch wenn dieses Gegengewicht in manchen Aussagen inhaltlich oder stilistisch ebenfalls mit Vorsicht zu genießen ist – unter anderem die Äußerungen, die EU-Gelder fĂŒr die Ukraine seien „garantiert“, und dazu, wer Kriegsprofiteur sei.

„Ein Krieg, der nie hĂ€tte beginnen mĂŒssen“

Ich möchte Donald Trumps teils schwer berechenbare, teils unheimliche und gefĂ€hrliche, teils aber auch interessante Politik auf vielen Themenfeldern noch nicht abschließend bewerten. Aber beim Thema Ukraine muss man feststellen, dass mit dem neuen US-PrĂ€sidenten endlich eine realistische Dynamik angestoßen wurde, die zu einem Waffenstillstand und damit zur Beendigung des sinnlosen Sterbens fĂŒhren könnte. Das ist eindeutig zu begrĂŒĂŸen! Die Stimmen, die diese Perspektive zum Frieden nun sabotieren wollen, machen sich einer (fortgesetzten) unmoralischen Politik der KriegsverlĂ€ngerung schuldig, die nur durch einen großen Aufwand an Ideologie, Geschichtsklitterung und IrrefĂŒhrung so lange Bestand haben konnte.

Hier folgt eine maschinelle Übersetzung. Donald Trump hat auf Truthsocial geschrieben:

„Man stelle sich vor: Ein bescheiden erfolgreicher Komiker, Volodymyr Zelenskyy, hat die Vereinigten Staaten von Amerika dazu gebracht, 350 Milliarden Dollar fĂŒr einen Krieg auszugeben, der nicht zu gewinnen war, der nie hĂ€tte beginnen mĂŒssen, aber einen Krieg, den er ohne die USA und ‚TRUMP‘ niemals beenden können wird.

Die Vereinigten Staaten haben 200 Milliarden Dollar mehr ausgegeben als Europa, und das Geld Europas ist garantiert, wĂ€hrend die Vereinigten Staaten nichts zurĂŒckbekommen werden. Warum hat Sleepy Joe Biden keinen Ausgleich gefordert, da dieser Krieg fĂŒr Europa weitaus wichtiger ist als fĂŒr uns – wir haben einen großen, wunderschönen Ozean als Trennung. DarĂŒber hinaus gibt Zelenskyy zu, dass die HĂ€lfte des Geldes, das wir ihm geschickt haben, ‚FEHLT’.

Er weigert sich, Wahlen abzuhalten, liegt in ukrainischen Umfragen sehr weit hinten, und das Einzige, worin er gut war, war, Biden ‚wie eine Geige’ zu spielen. Als Diktator ohne Wahlen sollte Zelenskyy besser schnell handeln, sonst wird er kein Land mehr haben. In der Zwischenzeit verhandeln wir erfolgreich ĂŒber ein Ende des Krieges mit Russland, etwas, das, wie alle zugeben, nur ‚TRUMP’ und die Trump-Administration tun können. Biden hat es nie versucht, Europa hat es nicht geschafft, Frieden zu bringen, und Selenskyj will wahrscheinlich den ‚Saftladen‘ am Laufen halten. Ich liebe die Ukraine, aber Selenskyj hat schreckliche Arbeit geleistet, sein Land ist zerschlagen und MILLIONEN sind unnötig gestorben – und so geht es weiter 
”

Ein „Diktator ohne Wahlen“?

Die SĂŒddeutsche Zeitung (SZ) schreibt dazu wenig ĂŒberraschend, dass Trumps Aussage, Wolodymyr Selenskyj sei ein „Diktator ohne Wahlen“, von den Fakten nicht gedeckt sei. Der Artikel 103 der ukrainischen Verfassung lege die Amtszeit des PrĂ€sidenten auf fĂŒnf Jahre fest. Im folgenden Absatz argumentiert die SZ, dass Selenskyj auch ohne Wahlen immer noch legitimiert sei:

„Weil in der Ukraine nach dem russischen Überfall das Kriegsrecht ausgerufen und seitdem immer wieder verlĂ€ngert worden ist. Juristen halten es von Recht und Verfassung gedeckt, dass deswegen eine Neuwahl ausgesetzt wird und der PrĂ€sident wie auch das Parlament im Amt bleiben – auch ĂŒber die Dauer ihrer eigentlichen Amtsperiode hinaus. Die Frage möglicher Neuwahlen ist in der Ukraine immer wieder debattiert worden. Es gibt im Land aber eine relativ breite Einigkeit, darauf zu verzichten, solange gekĂ€mpft wird – auch weil die Organisation einer Wahl schwierig wĂ€re und unter anderem die Frage aufkĂ€me, wie man den Soldaten und den GeflĂŒchteten eine Teilnahme ermöglichen könnte.“

Wie wÀre die Situation in Deutschland? Im deutschen Grundgesetz steht zu dem Thema in Artikel 115h:

„WĂ€hrend des Verteidigungsfalles ablaufende Wahlperioden des Bundestages oder der Volksvertretungen der LĂ€nder enden sechs Monate nach Beendigung des Verteidigungsfalles.“

Dass Trump nun in der Frage der Wahlen russische Sichtweisen ĂŒbernehme, habe auch Folgen fĂŒr mögliche Friedensverhandlungen: Wie solle ein „illegitimer” PrĂ€sident einen möglichen Waffenstillstands- oder Friedensvertrag aushandeln oder gar gĂŒltig unterschreiben? Auf diese Weise könnte Selenskyj â€žĂŒbergangen“ werden, so die SZ.

Reaktionen in Deutschland

Bundeskanzler Olaf Scholz hat die Äußerungen von Donald Trump scharf zurĂŒckgewiesen, wie etwa der Spiegel berichtet. Es sei „schlicht falsch und gefĂ€hrlich“, Selenskyj die demokratische Legitimation abzusprechen. Auch die UNO habe laut SZ die Aussage Trumps verurteilt. StĂ©phane Dujarric, Sprecher von GeneralsekretĂ€r AntĂłnio Guterres, sagte demnach in New York: „PrĂ€sident Selenskyj ist nach den ordnungsgemĂ€ĂŸ abgehaltenen Wahlen im Amt.“ Besonders große Heuchelei praktizieren bei dem Thema mal wieder Politiker von den GrĂŒnen. So behauptete Außenministerin Annalena Baerbock zu Trumps Äußerungen:

„Wenn man nicht nur schnell twittert, sondern die wirkliche Welt sieht, dann weiß man, wer in Europa leider unter diktatorischen VerhĂ€ltnissen leben muss: die Menschen in Russland, die Menschen in Belarus.“

Und Wirtschaftsminister Robert Habeck behauptet auf X:

„Richtig ist: Der Diktator Putin hat die Demokratie Ukraine ĂŒberfallen.“

Hier mĂŒssten sich die Politiker und Journalisten aber schon entscheiden: Wer Putin als durch die russische Bevölkerung nicht legitimiert bezeichnet, muss Ă€hnliche Kriterien natĂŒrlich auch an Selenskyj anlegen. Bei diesem Vergleich muss festgestellt werden, dass der russische PrĂ€sident durch „seine BĂŒrger“ erheblich deutlicher legitimiert ist als Selenskyj.

„Kampf gegen Rechts“ – auch in der Ukraine?

Der Ukrainekonflikt ist unter vielem anderen auch ein PrĂŒfstein fĂŒr die WidersprĂŒche beim „Kampf gegen Rechts“ in Deutschland. Es wurde schon oft gefragt, wo eigentlich die (pseudo-)linken Stimmen in Deutschland gegen die rechten Strömungen in der Ukraine und gegen das Verbot zahlreicher linker Parteien in dem Land bleiben. Damit sagt man ĂŒbrigens nicht, dass nicht auch in Russland Regierungskritiker verfolgt werden – aber da in der westlichen Darstellung Russland der Platz als Reich des Bösen zugewiesen wurde, kann das ja wohl aus Sicht westlicher Meinungsmacher kaum ein Argument zur Rechtfertigung sein.

Florian Warweg ist in diesem Artikel auf die Verfolgung von Oppositionellen in der Ukraine eingegangen. Demnach erfolgte bereits im MĂ€rz 2022 auf Grundlage eines PrĂ€sidenten-Dekrets das Verbot von elf fast ausnahmslos linken Parteien, unter anderem der „Linken Opposition“, der „Progressiven sozialistischen Partei der Ukraine“, der „Sozialdemokratischen Partei der Ukraine“ sowie der „Union der linken KrĂ€fte“. Im weiteren Verlauf wurde dann auch die TĂ€tigkeit der sozialdemokratisch ausgerichteten und mit Abstand grĂ¶ĂŸten ukrainischen Oppositionspartei „Oppositionsplattform fĂŒr das Leben“ verboten. Bei den Parlamentswahlen 2019 hatte diese 44 Mandate geholt. GegenĂŒber der taz erklĂ€rte Bernhard Clasen, Soziologe vom Osteuropa-Institut der FU, befragt zu der Verbotswelle gegen linke Parteien in der Ukraine:

„In Deutschland hat man noch nicht begriffen, in welchem Umfang man in der Ukraine die Freiheit einschrĂ€nkt.“

Aber jetzt gibt es mit der neuen US-Regierung im Meinungskampf um die Deutung des Ukrainekonfliktes einen neuen Machtfaktor. Dieser Faktor ist wie gesagt schwer berechenbar, er verfolgt massiv eigene Interessen und ist teils problematisch – aber immerhin könnten die weiteren Debatten zur Ukraine nun vielfĂ€ltiger werden als jene der letzten Jahre, die noch komplett von unseren etablierten Journalisten dominiert waren.

Titelbild: The Trump White House, Public domain, via Wikimedia Commons