Noch-Außenministerin Annalena Baerbock hat (versehentlich?) verkündet, dass „wir“, ein Unterstützungspaket für Waffen und andere Unterstützungsleistungen für die Ukraine auf den Weg bringen, „das es in dieser Dimension noch nie gegeben hat“. Sie verwies dabei als Referenzwert auf den Umfang der „Corona-Wiederaufbauhilfe“, dieser umfasste 720 Milliarden Euro. Die US-Finanznachrichtenagentur Bloomberg zitierte in diesem Zusammenhang EU-Regierungsvertreter mitWeiterlesen
Noch-Außenministerin Annalena Baerbock hat (versehentlich?) verkündet, dass „wir“, ein Unterstützungspaket für Waffen und andere Unterstützungsleistungen für die Ukraine auf den Weg bringen, „das es in dieser Dimension noch nie gegeben hat“. Sie verwies dabei als Referenzwert auf den Umfang der „Corona-Wiederaufbauhilfe“, dieser umfasste 720 Milliarden Euro. Die US-Finanznachrichtenagentur Bloomberg zitierte in diesem Zusammenhang EU-Regierungsvertreter mitWeiterlesen
Noch-Außenministerin Annalena Baerbock hat (versehentlich?) verkündet, dass „wir“, ein Unterstützungspaket für Waffen und andere Unterstützungsleistungen für die Ukraine auf den Weg bringen, „das es in dieser Dimension noch nie gegeben hat“. Sie verwies dabei als Referenzwert auf den Umfang der „Corona-Wiederaufbauhilfe“, dieser umfasste 720 Milliarden Euro. Die US-Finanznachrichtenagentur Bloomberg zitierte in diesem Zusammenhang EU-Regierungsvertreter mit dem Worten, dass die entsprechenden Ausgabenpläne eigentlich erst nach dem 23. Februar bekanntgegeben werden sollten, um „Kontroversen“ vor der Bundestagswahl zu vermeiden. Die NachDenkSeiten wollten vor diesem Hintergrund wissen, ob der Regierungssprecher die Aussagen bestätigen kann und wenn ja, ob er dies nicht als Ignorierung des Wählerwillens betrachtet. Von Florian Warweg.
Dieser Beitrag ist auch als Audio-Podcast verfügbar.
Am 17. Februar hatte die Berliner Zeitung getitelt:
„Baerbock verplappert sich: Nach der Wahl Milliarden für Ukraine“
Hintergrund waren Aussagen der deutschen Außenministerin am Rande der Münchner Sicherheitskonferenz. Die BLZ zitierte Baerbock in diesem Zusammenhang mit den Worten:
„Wir werden ein großes Paket auf den Weg bringen, das es in dieser Dimension noch nie gegeben hat. Ähnlich wie beim Euro oder der Coronakrise gibt es jetzt ein Finanzpaket für die Sicherheit in Europa. Das wird in naher Zukunft kommen.“
Bereits zuvor hatte die US-Finanznachrichtenagentur Bloomberg berichtet, dass EU-Regierungsvertreter „an einem neuen, umfangreichen Paket zur Erhöhung der Verteidigungsausgaben und zur Unterstützung Kiews“ arbeiten, dass diese Pläne jedoch mit Rücksicht auf die Scholz-Regierung erst nach dem Wahlsonntag in Deutschland bekanntgegeben werden sollten:
„Die Ausgabenpläne werden erst nach der deutschen Wahl am 23. Februar bekannt gegeben, um Kontroversen vor der Abstimmung zu vermeiden, so über die Pläne informierte Regierungsvertreter.“
Auch der litauische Verteidigungsminister Dovile Sakaliene kündigte in einem Pressestatement am 17. Februar mit Verweis auf die neue Sicherheitslage unter einer US-Regierung Trump an, dass man „Hunderte von Milliarden“ für die europäische Verteidigung ausgeben müsse:
„Hunderte von Milliarden müssen sofort ausgegeben werden. Wir werden alle schnell handeln müssen, auch Deutschland.“
In dieselbe Kerbe schlug auch NATO-Generalsekretär Mark Rutte, der mit Verweis auf den „europäischen Vorschlag“ ausführte, dieser werde sich „auf militärische Ausbildung, die Beschleunigung von Hilfsmaßnahmen, Waffenlieferungen und das konzentrieren, was Europa für Sicherheitsgarantien bieten kann“, konzentrieren.
Wirklich überraschend kommt diese Entwicklung und auch die Höhe der Summe nicht. Bereits am 14. Februar, also drei Tage vor dem Bloomberg-Artikel, hatte die deutsche Außenministerin, wie auf der Seite des Auswärtigen Amtes nachlesbar, verkündet, dass die Höhe der Investitionen für die militärische Aufrüstung der Ukraine und EU denen der Corona-Aufbauhilfen entsprechen sollte („Nicht mehr – aber sicher nicht weniger“):
„Seit der russischen Vollinvasion haben wir Europäer die Ukraine mit insgesamt über 134 Milliarden Euro unterstützt, Deutschland allein mit fast 44 Milliarden Euro. (…) Als Europäer werden wir mehr Verantwortung für unsere eigene Sicherheit tragen. Denn angesichts der existenziellen Bedrohung braucht es einer großen gemeinsamen Kraftanstrengung, um unseren Frieden und Wohlstand zu sichern. Bei Corona haben wir gesehen, zu was Europa fähig ist. Es braucht erneut Investitionen, die der historischen Wegmarke, vor der wir stehen, angemessen sind. Nicht mehr – aber sicher nicht weniger.“
Und die Höhe der damals aufgelegten Corona-Aufbauhilfen betrug 724 Milliarden Euro im Verlauf von sechs Jahren:
Auszug aus dem Wortprotokoll der Regierungspressekonferenz vom 19. Februar 2025
Frage Warweg
Am Rande der Münchner Sicherheitskonferenz hat Noch-Außenministerin Baerbock verkündet: „Wir werden ein großes Paket auf den Weg bringen, das es in dieser Dimension noch nie gegeben hat. Ähnlich wie bei der Coronakrise gibt es jetzt ein Finanzpaket für die Sicherheit in Europa. Das wird in naher Zukunft kommen.“
Die dabei von ihr ins Spiel gebrachte Summe beläuft sich auf mindestens 700 Milliarden Euro, vor allem für Waffenkäufe und andere Unterstützungsleistungen für die Ukraine.
Da würde mich interessieren, Herr Hebestreit: Können Sie diese Aussagen der Außenministerin und die von ihr ins Spiel gebrachte Summe so bestätigen?
Regierungssprecher Hebestreit
Die Planung der Bundesregierung kennen Sie. Die Grundlage ist der aktuelle Haushaltsentwurf. Was sich künftig ergeben wird, kann ich zum jetzigen Zeitpunkt nicht voraussagen.
Zusatzfrage Warweg
Die „Berliner Zeitung“ titelte jetzt beispielsweise „Baerbock verplappert sich“, und die Finanznachrichtenagentur Bloomberg zitiert europäische Regierungsvertreter mit den Worten, dass diese entsprechenden Ausgabenpläne eigentlich erst nach der Bundestagswahl am 23. Februar kommuniziert werden sollten, um so entsprechende Kontroversen im Wahlkampf zu vermeiden. Vor diesem Hintergrund würde mich interessieren, ob der Kanzler oder die Bundesregierung insgesamt es nicht als Ignorierung des Wählerwillens betrachtet, dass man – angenommen, diese Meldungen stimmen – Investitionen in dreistelliger Milliardenhöhe zustimmt, ohne das aber öffentlich zu kommunizieren, sodass diese Zahlungen dann erfolgen würden, egal wie die Wahlen ausgehen?
Hebestreit
Herr Warweg, da sich die Grundprämisse, die Sie hier aufgebracht haben, auf Meldungen insbesondere einer Zeitung bezieht, die jetzt nicht – – – Nein, diesen Halbsatz erspare ich mir und mache ihn wieder rückgängig.
Zwischenruf Warweg:
Richtig, denken Sie an Ihren Status…
Hebestreit
Ich glaube, die Unterstützung der Ukraine ist ein Thema, das uns hier in dieser Bundesregierung intensiv umgetrieben hat und umtreibt. Die Bundesregierung – angefangen beim Bundeskanzler, aber auch die Bundesaußenministerin, der Verteidigungsminister und viele andere – hat immer wieder deutlich gemacht, dass wir die Ukraine unterstützen und dass wir sie nicht im Stich lassen. Wir haben außerdem immer wieder deutlich gemacht, in welchem finanziellen Gesamtrahmen das vor sich geht. Das ist die Grundlage unserer Arbeit.
Die Behauptung – wenn ich sie so nennen darf -, dass der Wähler hinter die Fichte geführt werden sollte und etwas ausgeplaudert worden sei oder es schon Planungen gebe oder so, weise ich wirklich mit Entrüstung zurück. Es gibt einen Bundestagswahlkampf, in dem sehr deutlich geworden ist: Die unterschiedlichen Parteien haben darauf hingewiesen, dass sie unterstützen wollen. Sie haben auch auf die finanziellen Herausforderungen hingewiesen, und der Bundeskanzler hat immer wieder deutlich gemacht, dass das gegenfinanziert werden muss. Das ist die Grundlage allen Handelns, und aus dieser mathematischen Logik kann sich niemand befreien. Insofern ist diese Deutung, die Sie da zitiert haben, eine, die sicherlich einer kritischen Prüfung nicht standhalten würde.
Frage Warweg
Nur eine Verstandsfrage: Sie hatten jetzt noch einmal die Relevanz der Gegenfinanzierung betont, zumindest für den Kanzler. Bei der genannten Zahl von ungefähr 700 Milliarden Euro ist ja die Rede von einer Finanzierung über Eurobonds, also von zusätzlicher Schulden- bzw. Kreditaufnahme. Habe ich Sie richtig verstanden, dass Sie diese Darstellung, dass die Finanzierung eurobondsbasiert erfolgen soll, dementieren?
Hebestreit
Das kann ich dementieren; dazu würde es in keinerlei Foren, die ich überblicken kann, eine Einigkeit geben.
Zusatz Warweg
Zu der von der Außenministerin genannten Zahl von rund 700 Milliarden Euro hatten Sie sich noch nicht geäußert.
Hebestreit
Das kann ich auch gar nicht tun, weil Sie auch nicht gesagt haben, über welchen Zeitraum wir da reden. Die Bundesrepublik Deutschland hat die Ukraine seit Kriegsbeginn mit 44 Milliarden Euro unterstützt. Das beinhaltet Waffenlieferungen, humanitäre Hilfe, Finanzhilfe und auch Hilfen, die wir über die Europäische Union an die Ukraine auszahlen. Insofern kommt es immer darauf an, was die Bezugsgröße ist.
Richtig ist – das haben Sie sicherlich nicht vergessen, Herr Warweg -, dass die Ukraine von Russland überfallen worden ist, dass es einen erbarmungslosen Angriffskrieg gibt, der seit drei Jahren tobt und dass mehr als 1,3 Millionen Ukrainerinnen und Ukrainer in Deutschland Schutz finden vor diesem erbarmungslosen Krieg. Richtig ist auch, dass wir – wie auch viele andere internationale Partner – die Ukraine in ihrem Abwehrkampf unterstützen. Und richtig ist auch: Sollte es irgendwann einmal eine Lösung dieses Konfliktes geben, sind auch noch die Fragen zu beantworten, die den Wiederaufbau der Ukraine und die künftige Sicherheitsarchitektur in Europa auch mit Blick auf die Ukraine betreffen. Das sind alles Fragen, die uns in Europa intensiv und massiv beschäftigen und die sicherlich auch nicht zum Nulltarif zu haben sind.
Wenn jetzt einzelne Summen in den Raum gestellt werden bzw. wenn es darum geht, einzelne Summen klar zu umreißen, steht das also immer auch in Bezug zu der Frage, wer da alles insgesamt einzahlt und über welchen Zeitraum wir da reden.
Wagner (AA)
Ich kann das vielleicht noch ergänzen, weil es ja um eine Äußerung der Außenministerin geht. – Herr Warweg, weil Sie das jetzt wiederholt behauptet haben, möchte ich noch einmal festhalten: Die Ministerin hat keine konkrete Zahl in den Mund genommen. Was sie gesagt hat, ist, dass doch vollkommen klar ist – und ich glaube, das ist tatsächlich auch breiter europäischer Konsens -, dass die Gewährleistung des Friedens in Europa uns eine enorme Kraftanstrengung abverlangen wird. Das betrifft ja Fragen der adäquaten Ausstattung der Streitkräfte, das betrifft die industrielle Basis in Europa, das betrifft aber eben auch die Frage, wie wir die Ukraine weiter unterstützen. Es gibt Akteure in Europa, die da konkrete Zahlen in den Raum gestellt haben – zum Beispiel Kommissionspräsidentin Ursula von der Leyen -, aber was die Außenministerin gesagt hat, ist: Europa muss sich darauf beziehen, dass wir stark sind. Wir haben in der Corona-Krise ja schon einmal gezeigt, dass wir zu Großem fähig sind.
Es geht hier sicherlich auch um Zahlen in dieser Größenordnung, aber ich möchte noch einmal ausdrücklich sagen, dass die Meldung der „Berliner Zeitung“, sie hätte die Zahl 700 Milliarden in den Mund genommen, falsch ist.
Anmerkung Warweg
Noch kurz, wenn es mir erlaubt ist: Die Außenministerin hat auf jeden Fall auf die Coronawiederaufbauhilfen als Referenzwert Bezug genommen, und dieser betrug 720 Milliarden im Verlauf von sechs Jahren. Darauf baute auch die Aussage der „Berliner Zeitung“ auf, was ich als durchaus legitim ansehe. Das nur als kurze Erläuterung meiner Darstellung.
Titelbild: Screenshot NachDenkSeiten, Bundespressekonferenz 19.02.2025
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