Bernd und André sprechen mit Katrin und Anna über die Entdeckung und Funktionsweise von CRISPR/Cas und über die Anwendungen in der Landwirtschaft und der Medizin.
Bernd und André sind in Leipzig auf dem 36. Chaos Communication Congress (kurz 36c3) und haben sich dort mit Dr. Katrin Leinweber und Dr. Anna Müllner getroffen, um über die Methode CRIPR/Cas zu reden und die Möglichkeiten, die daraus erwachsen, einzuordnen.
Dr. Katrin Leinweber und Dr. Anna MüllnerKatrin, Anna und André haben 2018 auf dem 35c3 in Leipzig, bereits einen Vortrag über CRISPR/Cas gehalten – aber seit dem ist einiges passiert. In dieser Episode geht es zunächst darum, was CRISPR/Cas genau ist und wie es funktioniert. Danach erklärt Katrin die Sicht auf Pflanzen, Einsatzmöglichkeiten in der Landwirtschaft und einiges zur Rechtslage. Und schließlich erläutert Anna, welche Möglichkeiten zur Therapie es durch CRISPR/Cas gibt, wo die technischen und ethischen Grenzen der Methode liegen und welche Therapien bereits entwickelt werden. Beide Gäste dieser Episode sind auch Podcasterinnen, Anna kann man regelmäßig im Zellkultur-Podcast hören und Katrin hat bis vor einiger Zeit den Konscience-Podcast betrieben.
(Im Podcast gibt es Kapitelmarken, die den Zwischenüberschriften hier im Text entsprechen, so dass es einfacher ist, bestimmte Teile erneut zu hören. Nicht jede Kapitelmarke hat eine Zwischenüberschrift, manchmal fassen wir mehrere Kapitel zusammen.)
Impression von der Aufnahme auf dem 36c3 (Danke an Henning Krause für das Bild)Anna und Katrin erklären die Grundlagen und die Herkunft der CRISPR/Cas Methode. Der Name stammt vom englischen Clustered Regularly Interspaced Short Palindromic Repeats – gruppierte kurze palindromische Wiederholungen mit regelmäßigen Abständen und CRISPR-associated – CRISPR-assoziiertes Protein. Man kann sich auch eine Einführung von Anna in dem bereits erwähnten Talk ansehen.
Link zum Vortrag von Katrin, Anna und André: Genom-Editierung mit CRISPR/Cas – „Eine neue Hoffnung“ oder „Angriff der Klonkrieger“ auf media.ccc.de
CRISPR/Cas entstammt dem Immunsystem von Bakterien. Bakterien können auch krank werden, indem sie von Phagen attackiert werden. Phagen tragen DNA in sich, ähnlich wie ein Virus, mit dem ein Bakterium infiziert werden kann. Um sich dagegen zu wehren, speichert ein Bakterium Kopien von bekannten Phagen im CRISPR-Genlokus, also einem speziellen Abschnitt der Bakterien-DNA – ähnlich wie ein Phantombild der Phage. CRISPR, also die sich wiederholenden Sequenzen von denen die Abkürzung herrührt, sind so etwas wie der Rahmen und quasi das Uninteressante an der ganzen Sache, sagt Anna.
Das Bakterium kann dann DNA-Gegenstücke für diese Phantombilder produzieren, die dann an das Erbgut binden kann, das die Phage in das Bakterium eingebracht hat. An diesen DNA-Gegenstücken befindet sich das Cas-Protein, das sehr effizient DNA immer dort schneidet, wo zwei Guanin-Basen (G) hintereinander vorkommen. So zerstört das CAS-Protein die fremde DNA, die durch die Phage eingebracht wurde.
Man kann also mit diesem System aus den Bakterien sehr einfach Phantombilder und die nötige DNA und Proteine in alle möglichen anderen Zellen einbringen und sehr spezifisch DNA zerstören – besser als man das mit allen anderen Methoden bisher konnte. Bei so einer Zerstörung schaltet sich der Reparaturmechanismus ein, den jede Zelle besitzt, und repariert den Schaden. Wenn man dem CRISPR/Cas System dann gleich eine Reparaturvorlage mit gibt, also ein Stück DNA, dann wird dieses von der Zelle selbst eingebaut, und so sind auch extrem spezifische Änderungen möglich und nicht nur Zerstörung.
Nicht nur ist diese Methode einfach anzuwenden, sondern auch extrem günstig und schnell. Fertige DNA-Stücke kann man einfach bestellen und ein oder zwei Tage später geliefert bekommen und direkt mit einem Experiment starten. Bisherige Methoden benötigten für eine Änderung viele Vorbereitungsschritte und einige Wochen Zeit ohne Garantie, dass die Änderung überhaupt erfolgreich war.
Der nicht wirklich ernst gemeinte Kommentar mit dem Pudel von André wäre nicht vollkommen unmöglich, aber auf jeden Fall sehr sehr schwierig, sagt Anna. Die Frage nach dem Verabreichungsweg ist aber genau der Knackpunkt. Versuche in der biologischen Forschung werden meistens in Mäusen gemacht und dort werden dann Embryos verändert, die dann von einer Leihmutter ausgetragen werden. Mann kann nicht davon ausgehen, dass man CRISPR/Cas einfach in einen Organismus hinein spritzt und jede Zelle sofort geändert wird.
In der Tat ist eine Idee CRISPR/Cas anzuwenden, indem man versucht in bestimmte Organe zu kommen, wenn man an eine Gen-Therapie denkt. Gerade bei vielen genetisch bedingten Stoffwechselerkrankungen ist oft die Leber der Ort, an dem ein Gendefekt zu der Erkrankung führt. In diesem Fall könnte man ein Virus benutzen, das spezifisch Leberzellen befällt, aus dem Virus die schädlichen Effekte herausnehmen und CRISPR/Cas einsetzen. Allerdings klingt das jetzt einfacher als es ist, denn sowohl das Immunsystem kann auf den Virus reagieren, Viren sind auch nicht spezifisch, und man kann auch nie ausschließen, dass ein Virus doch noch schädigen kann.
Katrin erzählt über die Anwendung von CRISPR/Cas in Pflanzen. Vieles von dem hat sie ebenfalls im erwähnten Vortrag erklärt.
Link zum Vortrag von Katrin, Anna und André: Genom-Editierung mit CRISPR/Cas – „Eine neue Hoffnung“ oder „Angriff der Klonkrieger“ auf media.ccc.de
Die verschiedenen Sorten bei Früchten, Gemüse und Getreide existieren, weil der Mensch angefangen hat, Pflanzen zu züchten. Der Züchtungsprozess ist langwierig und aufwendig. Das könnte man auch mit Gentechnik tun, wenn man weiß, welche bestimmte Eigenschaft auf welchem Gen liegt. André und Katrin ordnen ein, was der Unterschied zwischen Züchtung und Gentechnik ist, der gar nicht so groß ist, wie man meint.
Bei der klassischen, grünen Gentechnik führt man Veränderungen auf Ebene der Gene durch. Man kann ein Gen aktivieren oder deaktivieren, um so der Pflanze bestimmte Eigenschaften zu geben, wenn man denn die genaue Funktion des jeweiligen Gens kennt. Bei der CRISPR/Cas Methode ist man unterhalb der Gen-Ebene und kann eine kleine Mutation in ein Gen einführen oder eine Mutation entfernen, was bisher nicht möglich war. Trotzdem muss man die Funktionsweise und Wechselwirkungen der Gene untereinander beziehungsweise der Mutationen genau kennen.
Katrin ordnet ein, welche Gefahren es bei einer durch Gentechnik veränderten Pflanze geben kann. Man kann die Gefahr mit einer Allergie vergleichen: Wird aus einer anderen Pflanze ein Protein eingeführt, kann es sein, dass der menschliche Körper mit einer Allergie gegen die Pflanze reagiert, aus der das eingeführte Gen stammt. Tatsächlich ist das die größte Gefahr, denn der menschliche Körper braucht Proteine, Aminosäuren und DNA von Pflanzen, um überleben zu können. Aufgenommene DNA wird in der Salzsäure des Magens für diesen Zweck, also zur Verwertung, verdaut. Genau so ist es auch mit CRISPR/Cas. Da der Mensch mit jeder Nahrungsaufnahme auch Bakterien zu sich nimmt, gelangt auch jedesmal CRISPR/Cas in unseren Körper. Das heißt, selbst wenn in Pflanzen Teile des CRISPR/Cas Systems verbleiben würden, würde es dem Menschen nicht schaden.
Katrin hebt hervor, dass mit CRISPR/Cas es auch möglich ist, die sehr spezifische Züchtung auch im kleinen Maßstab anwenden zu können, beispielsweise von einer Gruppe von Landwirten und lokalen Hochschulen. Aspekte davon hat sie bereits im erwähnten Vortrag angesprochen. Außerdem fasst Katrin noch die Rechtslage zusammen.
Die Blutorange wurde nicht durch klassische Kreuzung gezüchtet, sondern durch radioaktive Bestrahlung der Samen oder chemischer Behandlung.
Kommentar von André zu Bildern über „Atomic Gardening“ und „Atomic Energized Seeds“: Leider gibt es dazu keine Bilder die unter CC-Lizenz oder gemeinfrei sind. Ihr findet diese Bilder aber leicht, wenn Ihr nach diesen Begriffen in einer Suchmaschine sucht.
Katrin berichtet davon, wie im Moment Saatguthersteller operieren – im Podcast nennt André das die “Abofalle”. Häufig wird Hybridsaatgut verkauft, das einen hohen Ertrag liefert, dessen Ernte aber nicht mehr keimfähig ist, so dass geerntete Früchte nicht wieder ausgesäht werden können ,sondern neues Saatgut gekauft werden muss. Zudem kommt es häufig vor, dass in dieses Saatgut auch eine Resistenz gegen ein Pflanzenschutzmittel hineingezüchtet wurde, das ebenfalls vom Saatguthersteller verkauft wird. Glyphosat wäre ein solches Beispiel. Dies hat mehrere Nachteile, die ausführlich besprochen werden.
Hier kommt Katrins Idee mit der lokalen Anwendung auf kleiner Ebene von CRISPR/Cas wieder zum Tragen, da es großen Saatgut-Monopolisten etwas in die Suppe spucken würde.
Katrin hat auch einen Podcast, von dem es leider keine neuen Folgen mehr gibt – ein Reinhören lohnt sich trotzdem: konscience.de
Viele Dinge wurden schon im viel erwähnten Vortrag von Katrin, Anna und André angesprochen. In den Fällen, wo über etwas geredet wird, das nicht im Vortrag vorkommt, ist der Shownote-Text ausführlicher. Link zum Vortrag: Genom-Editierung mit CRISPR/Cas – „Eine neue Hoffnung“ oder „Angriff der Klonkrieger“ auf media.ccc.de
Das am besten geeignete Einsatzgebiet für eine Therapie mit CRISPR/Cas sind genetische Erkrankungen, bei denen nur eine Mutation die Erkrankung auslöst – weil dies mit der Methode einfach zu adressieren ist. Allerdings muss man trotzdem noch dafür sorgen, dass die DNA und die Proteine von CRISPR/Cas an die richtige Stelle im Körper gelangen.
Anna nennt als Beispiel die Huntington-Krankheit, bei der eben genau ein Gen betroffen ist. Allerdings ist es nicht so einfach, CRISPR/Cas gezielt zu Nervenzellen zu bringen. Aber auch gegen andere Krankheiten könnte CRISPR/Cas eingesetzt werden, um beispielsweise das Immunsystem zu stärken.
Nicht jede genetisch bedingte Krankheit muss zwangsläufig behandelt werden. Anna spricht dabei vom individuellen Leidensdruck – erst wenn der hoch genug ist für die jeweilige Patient*in, sollte man dies erwägen. Es gibt einige wenige Krankheiten, die eine hohe Sterblichkeit bereits im Kindesalter aufweisen. In diesen Fällen wären eine solche Therapie sicher sinnvoll.
Anna berichtet von zwei Patientinnen, eine aus Deutschland (Regensburg) und eine aus den USA, die zwei unterschiedliche Bluterkrankungen hatten, und die durch die gleiche Genveränderung geheilt werden konnten. Dies war möglich, weil ein anderes Gen reaktiviert wurde, nämlich ein Gen für das Hämoglobin-gamma, das jeder Mensch eigentlich nur als Fötus im Mutterleib besitzt.
Annas Einschätzung für Therapien im Körper sind Viren, allerdings müssen die Viren sehr gut „abgerichtet“ werden, was durchaus teuer ist. Organe wie die Augen oder die Lunge, eben solche, die von außen zugänglich sind, stellen die vielversprechendsten Ziele für eine Therapie mit CRISPR/Cas dar, nach Annas Einschätzung. Andere Organe sind nur mit großen Schwierigkeiten zu erreichen.
Für die Krankheit spinale Muskelatrophie gibt es eine Therapie, zwar ohne CRISPR/Cas, allerdings auf der Basis eines Virus. Die von Anna erwähnte Gentherapie findet sich noch nicht im Link zu Wikipedia von oben (Stand Januar 2020).
Katrin, Anna und André haben die CRISPR-Babies in ihrem Vortrag besprochen. Mittlerweile wurde der Verantwortliche Wissenschaftler He zu drei Jahren Haft in China verurteilt.
Auch diesen Aspekt haben Katrin, Anna und André in ihrem Vortrag ausführlich besprochen. Kurz dazu: Die ethische Frage nach „übriggebliebenen“ Embryonen steht schon länger im Raum, nicht erst seit CRISPR/Cas – diese Debatte sollte aber nicht allein von Wissenschaftler*innen geführt werden.
Die Detektion von genetischen Veränderungen von früheren Methoden war lediglich indirekt. Wenn man ein Gen aus einem Gänseblümchen in einen Löwenzahn einbringt, kann man dies später feststellen. Bei CRISPR/Cas ändert man unter Umständen nur eine Base, was auch einfach durch Evolution oder Kreuzung zustande gekommen ist – daher kann man Veränderungen durch CRISPR/Cas nicht direkt nachweisen.
Das Werkzeug, also die CRISPR-DNA und das Cas-Protein wird nach kurzer Zeit durch die Zelle erkannt und auch abgebaut, beziehungsweise verliert sich die Aktivität durch Zellteilung.
Was Anna so alles macht und tut, wo man ihren Blog und Podcast „Zellkultur“ finden kann, das bekommt man auf ihrer Homepage zellmedien.de geliefert.
Anna ist ein ausgesprochener Ibuprofen-Fan.
Strukturformel (RS)-Ibuprofen (Bild: CC BY-SA 4.0, Denwet)Außerdem findet Anna die neuen Entwicklungen bei Checkpoint-Inhibitoren durch monoklonale Antikörper spannend, die vor allem in der Krebstherapie sehr vielversprechend sind. Diesen Entwicklungen sind noch recht neu.
Katrin ist immer von den Chlorophyllen fasziniert gewesen.
Grundstruktur für die Chlorophylle a, b und d (Die Bezeichnung der Ringe ist angegeben.) (gemeinfrei)Wir bedanken uns ganz herzlich bei Dr. Anna Müllner und Dr. Katrin Leinweber für ihre Zeit und die Erklärungen und Einschätzungen zum Thema.
Wir freuen uns immer über Feedback: per Mail unter info@wirkstoffradio.de, in den Kommentaren unter den einzelnen Episoden, über Twitter @wirkstoffradio oder auch als Bewertung bei iTunes oder panoptikum.io.
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