Das Erlernen der Beistrichregeln kann jedoch mühsam sein. Mühsam vor allem dann, wenn im Unterricht nur die Regeln im Vordergrund stehen, der Sinn dahinter aber unklar bleibt. Ein einfacher Perspektivenwechsel kann hier helfen. Weg vom Schreiben und hin zum Lesen.
Denn der Sinn der Kommasetzung liegt seit jeher bei der lesenden und nicht bei der schreibenden Person. Wir schreiben den Beistrich nicht, um uns als Schreibende das Schreiben zu erleichtern, sondern den Lesenden das lesen. Zunächst ging es darum, rhetorisch wirksam vorzutragen, später darum, den Leseprozess zu beschleunigen und Mehrdeutigkeiten zu beseitigen.
Ja: Kommas lesen ist sehr viel einfacher, als sie zu schreiben. Aber indem wir sie schreiben, indem wir uns die Mühemachen, sie zu schreiben, erleichtern wir anderen das Lesen ungemein. Lesen ohne Kommas ist in der schnelllebigen und hoch komplexen Welt, in der wir heute leben, höchst unpraktisch. Es kostet wertvolle Zeit, ist kognitiv herausfordernd und führt selbst dann noch zu Missverständnissen.
Natürlich geht es bei der Kommasetzung nicht immer um Leben oder Tod. Doch wenn wir Deutsch sprechen oder Deutsch schreiben, haben wir immer die Hörenden oder Lesenden im Blick. Nie uns selbst. Und das ist meiner Meinung nach doch ein Grund ein kleines Bisschen stolz zu sein und sich ein ganz klein wenig anzustrengen, damit das auch so bleibt.
Quellen:
Komma und Didaktik (Esslinger/Naock, 2020) |
Historische Sprachwissenschaft (Nübling/, 2017) | Interpunktion als Teil schriftsprachlichen Wandels (Masalon, 2014)
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