radioWissen - Bayern 2   /     Richard Feynman - Physikgenie mit Charisma

Description

Eine Mischung aus theoretischem Physiker und Zirkusdirektor: Richard Feynman revolutionierte die Quantenphysik und setzte dabei auch auf den groĂźen Auftritt. (BR 2020) Autorin: Sophie Stigler

Subtitle
Duration
00:22:25
Publishing date
2023-10-31 03:00
Link
https://www.br.de/mediathek/podcast/radiowissen/richard-feynman-physikgenie-mit-charisma-1/2069611
Contributors
  Sophie Stigler
author  
Enclosures
https://media.neuland.br.de/file/2069611/c/feed/richard-feynman-physikgenie-mit-charisma-1.mp3
audio/mpeg

Shownotes

Eine Mischung aus theoretischem Physiker und Zirkusdirektor: Richard Feynman revolutionierte die Quantenphysik und setzte dabei auch auf den groĂźen Auftritt. (BR 2020) Autorin: Sophie Stigler

Credits
Autor/in dieser Folge: Sophie Stigler
Regie: Rainer Schaller
Es sprachen: Beate HimmelstoĂź, Johannes Hitzelberger, Benedikt Schregle
Technik: Robin Auld
Redaktion: Nicole Ruchlak

Im Interview:
Finn Ravndal (Doktorand bei Feynman am Caltech von 1968-74)
Harald Fritzsch (Forscher in Gruppe Murray Gell-Mann am Caltech, 1972-76)

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Das vollständige Manuskript gibt es HIER.

Lesen Sie einen Ausschnitt aus dem Manuskript:

ATMO großer Hörsaal, voll, Gemurmel, Gespräche

MUSIK Beschwingt, positiv, bouncy

OTON Ravndal 1

[00:36:57] I remember the first very first time I saw Feynman in the lecture hall. 

VOICE-OVER – Sprecher:  Ravndal 1

Ich erinnere mich noch an das erste Mal, als ich Feynman gesehen habe, im Hörsaal war das. 

OTON Ravndal 2

((That must have been during my first year and that time I hadn't seen him yet on campus.)) And I was sitting in the audience. And then I saw this man walking down on my left side towards the blackboard and he had a white shirt and gray black pants and he had long black gray hair. 

VOICE-OVER – Sprecher: Ravndal 2

Ich habe bei den Zuhörern gesessen und sehe dann diesen Mann, der links von mir zur Tafel runtergeht. Er hatte ein weißes Hemd an und eine grauschwarze Hose und lange grauschwarze Haare. 

SPRECHERIN 2

Finn Ravndal erzählt – einer von Richard Feynmans wenigen Doktoranden. 

OTON Ravndal 3

((And he was moving.)) He was almost gliding down towards the blackboard. And he was smiling and he looked in many ways divine. 

VOICE-OVER – Sprecher:  Ravndal 3

Er ist fast runter zur Tafel geschwebt. Und er hat gelächelt und hatte dabei sowas… göttliches. 

OTON Ravndal 4

I think I thought about Jesus [freistehen lassen], because he almost, you know, he was in a different sphere because he looked so happy and so content. And it was very, it made a very special impression that time. 

VOICE-OVER – Sprecher: Ravndal 4

Ich glaube, ich dachte da an Jesus. Weil er fast, naja, er war irgendwie in anderen Sphären unterwegs, so glücklich, so zufrieden sah er aus. Und das hat auf mich damals ziemlich Eindruck gemacht. 

SPRECHERIN 3

Aber dann spricht Jesus über Theoretische Physik. 

OTON Ravndal 5

[00:38:32] Yes. Yes. Yes. 

ATMO Hörsaal keine Gespräche mehr, nur noch Raumgeräusch??

MUSIK bouncy steht frei, auch immer wieder mit Akzenten in Pausen von folgendem Sprechertext

SPRECHERIN 4

Richard Feynman ist nicht nur theoretischer Physiker. Er hat das Herz eines Zauberers, der das Staunen der Zuschauer liebt – ein Entertainer eben. In einer Vorlesung beschwert er sich halb ironisch, halb ernst: Seine Vorredner erwähnten immer nur, was für ein guter Trommler er sei.

SPRECHER Feynman 6

Sie scheinen es nie für nötig zu halten, dass ich auch theoretische Physik betreibe.

MUSIK bouncy endet mit Akzent

SPRECHERIN 5

Vielleicht waren die Kollegen der Meinung, Feynman brauche keine lange Vorstellung. Schließlich gehört sein Name in die Reihe der bekanntesten Physiker der USA. Und auch, wer in Deutschland einen Physik-Hörsaal betritt, hat gute Chancen, an der Tafel Richard Feynmans Vermächtnis zu sehen: Abstrakte Kunstwerke aus Strichen, Schlangenlinien, Pfeilen – die Feynman-Diagramme. Sie zeigen, was zwischen Elementarteilchen vor sich geht. Und sie haben Feynman einen Nobelpreis eingebracht. Nicht für die eine große Theorie, sondern für den Anspruch, dass Physik einfach und verständlich sein sollte – selbst, wenn es Quantenphysik ist. Das machte ihn zu einem der besten Lehrer, den die Physik je hatte. Das und ein gutes Gefühl für einen dramatischen Auftritt. Schon mit elf, zwölf Jahren. Feynmann erinnert sich in seiner Anekdotensammlung “Sie belieben wohl zu scherzen, Mr. Feynman!“

MUSIK nostalgisch, fröhlich, Ende 20er/ Anfang 30er Jahre

SPRECHER Feynman 7

Wir haben oft Zauberkunststücke – chemische Zaubereien – für die Kinder aus der Straße vorgeführt. 

MUSIK Ende

SPRECHERIN 7

Am MIT und später an der Universität Princeton gehört Feynman Ende der 30er, Anfang der 40er Jahre zur ersten Generation von Physikern, die Quantenphysik im Studium lernen. Man weiß damals noch nicht allzu lange, dass seltsame Dinge passieren, wenn man immer tiefer in die Materie hineinschaut. In der Welt der kleinsten Teilchen, der Quanten, gibt es plötzlich keine Gewissheiten mehr, sondern es regieren der Zufall und Wahrscheinlichkeiten. Leider wollen die neuen Gesetze der Quantenmechanik so gar nicht zu den „alten“ Gesetzen passen, die die Welt der großen Dinge doch vorher so gut beschrieben haben. Selbst für Feynman wird diese Erkenntnis problematisch:

OTON Feynman 9

3:15 We see things that are far from what we would guess. 

SPRECHERIN 8

Feynmans Vorlesung  mit dem Titel “Wahrscheinlichkeit und Unsicherheit“, 1964 aufgenommen von der BBC. 

OTON Feynman 10

Our imagination is stretched to the utmost just to comprehend the things that are there. 

VOICE-OVER/SPRECHER Feynman 10 (nicht drĂĽberlegen, bitte)

Wir sehen Dinge, die weit weg sind von allem, was wir erwartet hatten. Unsere Vorstellungskraft wird aufs Äußerste gefordert, nur, um die Dinge zu erfassen, die da sind. 

SPRECHERIN 9

Genau das ist Feynmans Mission: Diese neue unvorstellbare Quantenwelt zu versöhnen mit der bewährten Physik. Aber das reicht ihm noch nicht, erinnert sich sein früherer Doktorand Finn Ravndal. Er ist heute emeritierter Professor der Universität Oslo. 

OTON Finn Ravndal 11

[00:51:25] He used to say that if you if you have found a truth about nature, something which is of fundamental importance on the basic level, then whatever this level is, when the truth, when it's right, when it's really true, then you should be able to go out and tell an arbitrary person on the street about this truth and this insight. And this arbitrary person should understand right away that this is really right. (…) And it sounds almost hopeless to do that in theoretical physics, in elementary particles. But that was his attitude.

VOICE-OVER Ravndal 11

Er sagte immer, dass, wenn du etwas Wahres über die Natur rausgefunden hast, etwas, das grundlegend wichtig ist, dann solltest du in der Lage sein, auf die Straße zu gehen und deine Erkenntnis der nächstbesten Person zu erklären. [Und diese Person sollte sofort verstehen, dass deine Erkenntnis auch stimmt.] Das klingt hoffnungslos in der Theoretischen Physik oder in der Teilchenphysik. Aber das war seine Einstellung. 

SPRECHERIN 10

Feynman nimmt schon im Physikstudium nichts als gegeben hin, leitet sich alle Gesetze selbst her. Aber noch bevor seine Karriere in der Wissenschaft richtig angefangen hat, wird er vor die Wahl gestellt. 

MUSIK Spannung sanft

SPRECHERIN 11

Ein Kollege berichtet ihm von einem geheimen Projekt, bei dem Feynman unbedingt mitmachen müsse. 

SPRECHER Feynman 12

Dann erzählte er mir von der Aufgabe, verschiedene Uranisotope voneinander zu trennen, um daraus schließlich eine Bombe zu machen. Er erzählte mir davon und sagte: „Es findet ein Treffen…“ Ich sagte, ich wolle nicht daran mitarbeiten. Er sagte: „Na gut, um drei Uhr findet ein Treffen statt. Bis dann.“

SPRECHERIN 12

Feynman erklärt dem Kollegen noch einmal, dass er nicht mitmachen wird [und wendet sich wieder seiner Doktorarbeit zu – für ungefähr drei Minuten]. 

SPRECHER Feynman 13

Dann begann ich auf und ab zu gehen und mir die Sache zu überlegen. 

SPRECHERIN 13

Er denkt an Hitler und dessen Versuche, eine Atombombe zu entwickeln, und an die Möglichkeit, dass es ihm gelingen könnte. Um drei Uhr ist er beim Treffen. Um vier Uhr sitzt er an einem Schreibtisch und rechnet los. So erinnert sich Richard Feynman jedenfalls in seiner Anekdotensammlung „Sie belieben wohl zu scherzen, Mr. Feynman!“.

MUSIK bleibt noch frei stehen und endet dann

SPRECHERIN 14

Am Kernforschungsstützpunkt in Los Alamos, New Mexico arbeitet Feynman also mit an der US-amerikanischen Atombombe. Eine seiner Aufgaben: die Explosionskraft der Bombe berechnen. Wenn er kann, fährt Feynman die knapp zwei Stunden ins Krankenhaus, um seine Frau Arline zu besuchen. 

Seine große Jugendliebe hat eine lebensbedrohliche Form der Tuberkulose. Feynman gelingt es dennoch, ihre Krankheit und den Erfolgsdruck immer wieder wenigstens für kurze Zeit zu vergessen – etwa mit Streichen, die man einem Physiker, der gerade an der Atombombe forscht, nicht unbedingt zutrauen würde. Er macht sich einen Spaß daraus, die Tresore der Kollegen zu knacken und wird richtig gut darin. 

SPRECHER Feynman 14

Wir hatten in Los Alamos keine Unterhaltung, und wir mussten uns selbst irgendwie amĂĽsieren. (S. 188)

SPRECHERIN 15

Im Manhattan Project gehen Größen in der Physik ein und aus. Paul Dirac etwa, der Mitbegründer der Quantenphysik, und die Kernphysiker Enrico Fermi und Niels Bohr. Feynman hat am Anfang nicht mal einen Doktortitel, verdient sich aber Respekt mit seinem klugen Kopf und seiner unerschrockenen Art. [Noch während seiner Zeit in Los Alamos bekommt er Angebote von Universitäten.] 

MUSIK traurig, sanft

SPRECHERIN 16

Im Sommer 1945 erreicht Feynman schließlich der lange befürchtete Anruf. Auf dem Weg zum Krankenhaus hat sein Auto drei platte Reifen. Er schafft es noch rechtzeitig – Arline stirbt wenige Stunden später. Die Frau, mit der er sein Leben verbringen wollte, wird 25 Jahre alt. 

MUSIK steht frei

SPRECHERIN 17

Wenige Wochen später explodiert die erste Atombombe der USA. 

SPRECHER Feynman 15

BANG, und dann ein Grollen, wie Donner. Wir schauten alle stumm zu. (178)

SPRECHERIN 18

Feynman selbst wird erst danach klar, was er mit angestoßen hat. 

ATMO Park, Vögel, leiser Verkehr in der Nähe

SPRECHERIN 19

Nur selten spricht er darĂĽber, mit seinem Doktoranden Finn Ravndal kommt das Thema ausgerechnet an einem sonnigen, warmen Freitagnachmittag auf.

OTON Ravndal 16

[00:09:48] I remember especially one afternoon we were standing in my office and it was a beautiful afternoon. And we looked out over the landscape, the city outside campus, which was very green and a wonderful afternoon.

VOICE-OVER – Sprexcher: Ravndal  16

Wir standen in meinem Büro und schauten raus über die grüne Landschaft und die Stadt hinter dem Campus. Es war ein wunderschöner Nachmittag.

ATMO steht nochmal kurz frei

OTON Ravndal 17

And Feynman came to discuss atomic weapons and his involvement with atomic weapons during the war. And then he said that: When I look at this beautiful landscape, I never thought it would survive so long without being destroyed by atomic weapons. And so he was very well aware of the danger from atomic weapons. Which he had helped to develop. 

VOICE-OVER – Sprecher: Ravndal 17

Und Feynman fing an, von Atomwaffen zu reden und seiner Rolle dabei während des Kriegs. Und dann sagte er: Wenn ich mir diese schöne Landschaft so ansehe – ich hätte nie gedacht, dass sie so lange überdauert, ohne von Atomwaffen zerstört zu werden. Er war sich also der Gefahr durch die Atombombe sehr wohl bewusst. Und er hatte geholfen, sie zu entwickeln. 

ATMO fadet langsam aus

SPRECHERIN 20

Nach dem ersten Atomwaffentest kehrt Feynman zurück in die Zivilisation, auf eine gutbezahlte Stelle als junger Professor. Aber mit seinen 27 Jahren fühlt er sich ausgebrannt, ohne Perspektive. Er hat sich schon damit abgefunden, dass er nie mehr etwas leisten wird, da macht er eine interessante Beobachtung in der Cafeteria. 

ATMO Kantine wird unter Sprechertext langsam lauter. Rufe ertönen, als Teller geworfen wird

SPRECHER Feynman 18

Und irgendjemand, der herumalbert, wirft einen Teller in die Luft. Als der Teller durch die Luft flog, sah ich, dass er eierte. 

ATMO fadet aus oder endet mit markantem Klappern

SPRECHERIN 21

Feynman macht sich daran, die Bewegung zu berechnen. Er entdeckt, dass der Teller bei kleinem Winkel doppelt so schnell rotiert wie er eiert. Als ein Kollege ihn fragt, was daran so wichtig sei, antwortet er nicht ohne Trotz: 

SPRECHER Feynman 19

Ha! Daran ist überhaupt nichts wichtig. Ich mache das nur aus Jux und Tollerei. 

SPRECHERIN 22

Feynman erinnert sich wieder daran, was ihm in der Physik immer am wichtigsten war: Der Spaß am Entdecken. Das ist seine Rettung, wie er in seiner Anekdotensammlung schreibt. 

SPRECHER Feynman 20

Es war, wie wenn man eine Flasche entkorkt: Alles floss mühelos heraus. Es war nichts wichtig an dem, was ich tat, aber schließlich doch. Die Diagramme und die ganze Geschichte, wofür ich den Nobelpreis erhielt, das kam von dem Herummachen mit dem eiernden Teller.  

SPRECHERIN 23

Der eiernde Teller führt Feynman zu rotierenden Elektronen und schließlich zurück zu den Widersprüchen, die sich in der Quantentheorie ergeben, wenn man zu genau hinschaut. Beim Versuch, die geladenen Teilchen umfassend zu beschreiben, tauchen damals an allen Ecken und Enden lästige Unendlichkeiten auf, die verhindern, dass man realistische Ergebnisse erhält. 1947 kommt ein weiterer, ganz konkreter Beweis, dass etwas mit der Theorie nicht stimmt. Wissenschaftler der Columbia University in New York haben Elektronen so genau wie noch nie vermessen und herausgefunden: Die geladenen Teilchen halten sich nicht an die bisherigen Vorhersagen – weder ihre Energieniveaus noch ihre magnetischen Eigenschaften sind wie erwartet. Erstmal eine unschöne Überraschung, aber auch eine große Chance. Feynmans Chance. Er stürzt sich auf das Problem – aber anders als andere.  

O-TON Fritzsch 21

2 /10:39 Ja ja, fĂĽr ihn, er war net interessiert an Mathematik, mathematische Symbole haben fĂĽr ihn gar nix bedeutet. Er wollte die Sache verstehen, richtig verstehen.

SPRECHERIN 24

Der theoretische Physiker Harald Fritzsch hat in den USA länger mit Feynman zusammengearbeitet. Sie wurden Freunde. 

O-TON Fritzsch 22

2/ [0:25:03] Er hat alle Probleme intuitiv gelöst, er hat lange nachgedacht über das, bis er dann die richtige Antwort hatte und erst danach hat er die Mathematik dazu gemacht, aber er hat das alles intuitiv gemacht.

SPRECHERIN 25

Feynman hat seine eigene Art, die Dinge zu betrachten. Beim Elektron interessiert ihn: Wo geht es hin, wo kommt es her? Der Clou in der Quantenwelt ist: Das Elementarteilchen muss sich nicht „entscheiden“, ob es hierhin oder dahin fliegt, sondern es nimmt alle Wege gleichzeitig. Natürlich sind nicht alle Wege gleich wahrscheinlich – aber wenn man alle Wege und Wahrscheinlichkeiten zusammen betrachtet, bekommt man ein gutes Gesamtbild davon, was das Elektron so treibt und welche Eigenschaften sich daraus ergeben. Feynmans Methode ist noch nicht ganz ausgefeilt, da kommt ihm ein Physiker der Harvard University zuvor. 

O-TON Fritzsch 23

2/ 28:20 Julian Schwinger. Schwinger hat einen Vortrag gehalten, und dann hat er auf komplizierte Weise dieses magnetische Moment ausgerechnet, und was er gerechnet hatte, stimmte genau überein mit dem Experiment. 

SPRECHERIN 26

Schwinger gilt damals als wahrer Mathematikakrobat. Seine komplexen Rechnungen zum Elektron erzeugen großes Staunen – aber keiner kapiert sie. 

O-TON Fritzsch 24

2/ 28:30 Und der Feynman, fĂĽr ihn war das alles zu kompliziert.

SPRECHERIN 27

Ganz ohne Mathematik geht es nicht. Aber Feynman verpackt sie geschickt – in Diagrammen. [Fritzsch zeigt auf eines davon.]

O-TON Fritzsch 25

C [0:01:21]: Diese Wellenlinie sind Photonen und die geraden Linien, wie das da oder das, sind Elektronen oder Positronen. [Positronen sind die Antiteilchen zum Elektron] und diese Diagramme sind keine Spielsachen, sondern damit kann man rechnen.

SPRECHERIN 28

Mithilfe von Feynmans Diagrammen kann man nachvollziehen, wann ein Elektron Energie abgibt oder aufnimmt, und wie schnell es dabei unterwegs ist. Klingt erstmal simpel – es kann sich dabei aber vorwärts oder rückwärts in der Zeit bewegen. Und es können Teilchen aus dem Nichts entstehen und wieder verschwinden. Solche Phänomene konnte man bis dahin überhaupt nicht berechnen. 

O-TON Fritzsch 26

2 [0:25:50]: Es war eine groĂźartige Idee mit dem Diagramm.

MUSIK Spannung, sanft, mit positivem Ende

SPRECHERIN 29

Nur glaubt erstmal niemand an Feynmans Hilfszeichnungen. Anfang 1949 kommt schließlich seine große Chance. Auf einer Konferenz der Amerikanischen Physik-Gesellschaft in seiner Heimatstadt New York. Ein Kollege stellt vor, was er in sechs Monaten zum Elektron ausgerechnet hat. Feynman nimmt die Herausforderung an. 

O-TON Fritzsch 27

2/ 29:30 Er ging dann in sein Hotel. Er hat die ganze Nacht drüber gearbeitet. 

SPRECHERIN 30

Er rechnet alles nochmal durch. 

O-TON Fritzsch 28

2/ 29:40 Und Feynman hatte es am nächsten Morgen auf ‚ner halben Seite ausgerechnet mit seinem Diagramm. Und dann hat er einen Vortrag darüber gehalten. Und die Leute waren sehr beeindruckt. … [Er hatte dasselbe ausgerechnet in ganz, ganz schnell. Das war schon ein wesentlicher Schritt.]

SPRECHERIN 31

Zusammen mit Schwinger und einem japanischen Kollegen, der noch eine dritte Rechenvariante entwickelt hat, bekommt Feynman knapp 20 Jahre später den Nobelpreis. Seine Diagramme gehen um die Welt. Sie werden erweitert und heute gibt es kaum eine Veröffentlichung auf dem Gebiet, in der nicht mindestens ein kleines Feynman-Diagramm zu finden ist. 

MUSIK endet mit Akzent

SPRECHERIN 32

Richard Feynman zieht es kurz nach seinem Durchbruch mit den Diagrammen zu dem Ort für Elementarteilchenphysiker. 

Zum California Institute for Technology, kurz Caltech. Er holt den jüngeren Murray Gell-Mann ans Institut und beide arbeiten zusammen als Dream-Team– zumindest vorerst, erzählt Harald Fritzsch. 

O-TON Fritzsch 29

1 /15:59 Gell-Mann war mathematisch orientiert, er mochte nur die Mathematik, nicht die eigentliche Physik. Und Feynman war das umgedrehte: Er war interessiert an der Physik und die Mathematik war Nebensache.

SPRECHERIN 33

Eine Weile ergänzten sich beide in ihrer Arbeit wunderbar. 

O-TON Fritzsch 30

1/11:00 Danach muss es einen Krach gegeben haben. … Was genau weiß ich nicht. Jedenfalls haben sie schon miteinander geredet, aber sie haben nicht mehr zusammengearbeitet. 

SPRECHERIN 34

Sie werden zu Rivalen, die sich manchmal wie Jungs auf dem Spielplatz zanken. Fritzsch versteht sich gut mit beiden, mit Gell-Mann und Feynman. 

O-TON Fritzsch  31

2/ 2:15 Ich musste nur aufpassen, dass der Gell-Mann uns nicht sieht, wenn wir diskutieren.

SPRECHERIN 35

Denn Harald Fritzsch arbeitet eigentlich im Team von Gell-Mann. Zusammen versuchen sie, Ordnung in das Teilchenchaos damals zu bringen. 

Was, wenn man annimmt, dass manche Elementarteilchen gar nicht so elementar sind und sich in NOCH kleinere Bausteine zerlegen lassen? Gell-Mann nennt solche – rein hypothetischen – Bausteine: Quarks, geschrieben wie der deutsche Quark. 

O-TON Fritzsch 32

2/21:40 Aber es bedeutet indirekt auch Unsinn, und das wusste Gell-Mann halt nicht. … Ich habe ihm gesagt, die heißen eigentlich unsinnige Teilchen. (lacht)

SPRECHERIN 36

Die meisten halten die Quarks nur für einen mathematischen Trick – sogar Gell-Mann selbst. Wären da nicht die Ergebnisse eines neuen Teilchenbeschleunigers an der Uni Stanford. 

ATMO/MUSIK rhythmisches Prasseln, Rieseln

SPRECHERIN 37

Dort wurden Elektronen auf Wasserstoffkerne, also Protonen, geschossen und es passierten seltsame Dinge. Eigentlich hätte man erwartet, dass die Elektronen relativ unbeeindruckt durch die schwammige Ladungswolke der Protonen fliegen – wie Gewehrkugeln, die man durch eine Matratze schießt. Aber einige Elektronen prallten in alle möglichen Richtungen ab – so als hätte die Matratze Metallfedern im Innern. Ein Physiker in Stanford versucht, sich einen Reim darauf zu machen. Aber kaum einer versteht, was er da gerechnet hat. Es braucht jemanden, der hinter die Mathematik schauen kann. Einen wie Feynman. 

O-TON Fritzsch 33

2 / 04:07 Ja, das war vor allem die Idee der Partonen. 

SPRECHERIN 38

Feynman nimmt an, dass Protonen wirklich aus kleineren, realen Teilchen bestehen könnten. Er nennt sie aber nicht Quarks, sondern Partonen. 

O-TON Fritzsch  34

1 /12:50 Gell-Mann hatte immer gelacht ĂĽber den Ausdruck Partonen, er nannte das immer Put-onen. Ein Kunstwort aus dem englischen, das heiĂźt sowas wie Unsinn.

SPRECHERIN 39

Feynman lässt sich nicht beirren und denkt die Idee weiter: Wie sieht die Kollision aus Sicht des Elektrons aus, wie aus Sicht des Protons? Er kommt zu dem Schluss, dass Protonen wirklich aus realen, noch kleineren Teilchen bestehen müssen. An denen sind die Elektronen in den Kollisionsexperimenten abgeprallt. 

O-TON Fritzsch 35

1/13:20 Jedenfalls habe ich mit Feynman darüber gearbeitet und habe ihn dann auf die Idee gebracht, dass die Partonen eventuell weiter nichts sind wie die Quarks. Und es hat sich ja auch herausgestellt, die Partonen sind genau, die Quarks … und dazu auch die Gluonen, die die Quarks zusammenhalten, das sind dann die sogenannten Partonen. 

SPRECHERIN 40

Trotz Fritzsch´ Überzeugungsversuchen dauert es noch einige Jahre, bis beide – Feynman und Gell-Mann – überzeugt sind, dass sie das Selbe meinen. Feynman fusioniert die Ideen schließlich einfach.

O-TON Fritzsch 36

1 [0:32:00] Er nannte sie Quark-Partons… Das ging dann schon.

SPRECHERIN 41

Für seine Überlegungen bekommt Gell-Mann schließlich einen eigenen Nobelpreis. Die Erkenntnis, dass sich die angeblich kleinsten Teilchen noch weiter aufspalten lassen, gibt der Teilchenphysik in den nächsten Jahrzehnten einen großen Schub. Und Feynman? Kehrt in seiner Forschung immer wieder zu den Quarks zurück. 

O-TON Fritzsch 37

2 [1:00:00] Feynman hat dann später eine Menge Sport gemacht und auch Dauerlauf gelaufen. Er ist einmal sogar von seinem Haus in Altadena hoch zum Mount Wilson und zurückgelaufen und das ging sehr gut, und einmal ist er beim Dauerlauf zusammengebrochen, und dann ging's ab ins Hospital, und da hat man entdeckt, dass er Krebs hatte. [Pause] Und dann hat man das operiert, war es wieder weg. Dann kam es wieder, noch mal operiert, wieder dasselbe, noch einmal operiert. So ging das halt. 

MUSIK startet traurig, sanft, wird positiver

SPRECHERIN 42

Feynman stirbt im Jahr 1988, mit 69 Jahren. Was hinterlässt er?

O-TON Fritzsch 38

2 /52:09 Feynman selber hatte oft gesagt, er selber hätte keine richtige Theorie machen können. Er kam nie auf eine Theorie. Er hat immer nur Theorien, die schon existierten, da hat er dann die Details ausgearbeitet. Das hat ihn immer gewurmt, dass er nicht so was gemacht hat. 

MUSIK endet

SPRECHERIN 43

Feynman ist inzwischen weniger bekannt als großer Physiker denn als Wissenschaftsvermittler und Visionär, der Forschungsgebiete wie die Nanotechnologie und Quantencomputer vorhergesehen hat – lange bevor irgendjemand davon redete. Seine Vorlesungen sind bis heute legendär. In einem wahren Feuerwerk der Physik fuchtelt Feynman, reißt Witze, doziert mit vollem Körpereinsatz. Eine Mischung aus theoretischem Physiker und Zirkusdirektor, schreibt einmal die New York Times.

O-TON Fritzsch 39

2/42:30 (lacht) Ja, so kann mans sagen.

MUSIK lustig, beschwingt, gerne 40er/50er Jahre

SPRECHERIN 44

Vielleicht war Feynman auch deshalb so beliebt, weil er immer Spaß hatte. An der Physik und auch sonst im Leben. Zugegebenermaßen: Manchmal auch auf Kosten anderer. 

O-TON Fritzsch 40

C [0:02:09] In Kalifornien kann man Nummernschilder draufmachen nur mit einem Wort. Das sind spezifische Nummernschilder, und die dürfen nicht zweimal vorkommen. Natürlich. Und Feynman hatte er ein Nummernschild. Da stand einfach drauf: Quarks. Quarks. Und als mein Kollege Gell-Mann, der die Quarks erfunden hat, selber auch so ein Nummernschild haben wollte, wollte er auch Quarks. Und das ging halt nicht, weil der Feynman das hatte. Er war sehr ärgerlich, denn er hatte ja die Quarks erfunden, nicht der Feynman.

SPRECHERIN 

Eins kann man Richard Feynman nicht absprechen – er hatte Sinn fĂĽr Humor.Â