radioWissen - Bayern 2   /     Loriot - Jodeldiplom und deutscher Humor

Description

Kein zweiter Satiriker hat so zielsicher ins deutsche Herz getroffen wie Vicco von BĂŒlow, der sich den Möpsen mit der gleichen Leidenschaft widmete wie den Menschen. Unter dem KĂŒnstlernamen Loriot analysierte er, wie die Kommunikation im Alltag zerbröselte, wie die Deutschen in wortreichen Dialogkaskaden aneinander vorbeiredeten oder vorbeijodelten und blickte in Sketchen wie "Herrn im Bad" und "Die Nudel" dem SpießbĂŒrgertum so liebevoll wie selbstkritisch in die Seele. Autor: Florian Kummert

Subtitle
Duration
00:23:51
Publishing date
2023-11-14 10:00
Link
https://www.br.de/mediathek/podcast/radiowissen/loriot-jodeldiplom-und-deutscher-humor/2076621
Contributors
  Florian Kummert
author  
Enclosures
https://media.neuland.br.de/file/2076621/c/feed/loriot-jodeldiplom-und-deutscher-humor.mp3
audio/mpeg

Shownotes

Kein zweiter Satiriker hat so zielsicher ins deutsche Herz getroffen wie Vicco von BĂŒlow, der sich den Möpsen mit der gleichen Leidenschaft widmete wie den Menschen. Unter dem KĂŒnstlernamen Loriot analysierte er, wie die Kommunikation im Alltag zerbröselte, wie die Deutschen in wortreichen Dialogkaskaden aneinander vorbeiredeten oder vorbeijodelten und blickte in Sketchen wie "Herrn im Bad" und "Die Nudel" dem SpießbĂŒrgertum so liebevoll wie selbstkritisch in die Seele. Autor: Florian Kummert

Credits
Autor/in dieser Folge: Florian Kummert
Regie: Sabine Kienhöfer
Es sprachen: Irina Wanka
Technik: Susanne Harasim
Redaktion: Andrea BrÀu

Diese hörenswerte Folge von radioWissen könnte Sie auch interessieren:

Heinz Erhardt - Was bin ich fĂŒr ein Schelm!
JETZT ANHÖREN

Literaturtipps:

Stefan Lukschy: Der GlĂŒckliche schlĂ€gt keine Hunde – Ein Loriot Portrait. (Aufbau Verlag)

Stefan Neumann: Loriot und die Hochkomik – Leben, Werk und Wirken Vicco von BĂŒlows (Wissenschaftlicher Verlag Trier)

Und noch eine besondere Podcast-Empfehlung der Redaktion:

Paula sucht Paula 
Das Tagebuch der jungen Undercover-Journalistin Paula Schlier gibt uns heute, 100 Jahre spĂ€ter, einen seltenen Einblick in die AnfĂ€nge des Nationalsozialismus in MĂŒnchen. Aber wer war diese Frau, was hat sie motiviert, war sie ĂŒberhaupt eine Heldin? Die BR-Reporterin Paula Lochte begibt sich auf Spurensuche.
Paula sucht Paula | Folge 1/3 | Alles Geschichte - History von radioWissen
JETZT ANHÖREN

Wir freuen uns ĂŒber Feedback und Anregungen zur Sendung per Mail an radiowissen@br.de.

RadioWissen finden Sie auch in der ARD Audiothek:
ARD Audiothek | RadioWissen
JETZT ENTDECKEN

Das vollstÀndige Manuskript gibt es HIER.

Lesen Sie einen Ausschnitt aus dem Manuskript:

ERZÄHLERIN

Ein Knollennasen-Mann sitzt im Wohnzimmer in seinem Sessel. Schaut ins Leere, regt sich nicht. Ein Stillleben, wĂ€hrend im Hintergrund seine Knollennasen-Frau emsig in der KĂŒche hin- und herlĂ€uft. So beginnt der Sketch „Feierabend“. Gezeichnet und gesprochen von einer Person: Loriot.

AUSSCHNITT 1 (Feierabend, CD037610 010)         1‘15

Hermann ... 

Ja... 

Was machst du da? 

Nichts... 

Nichts? Wieso nichts? 

Ich mache nichts ... 

Gar nichts? 

Nein ... (Musik ertönt) 

Überhaupt nichts? 

Nein ... ich sitze hier... 

Du sitzt da? 

Ja... 

Aber irgendwas machst du doch? 

Nein


Denkst du irgendwas? 

Nichts Besonderes ... 

Es könnte ja nicht schaden, wenn du mal etwas spazieren gingest.

Nein - nein... 

Ich bringe dir deinen Mantel... 

Nein danke... 

Aber es ist zu kalt ohne Mantel... 

Ich gehe ja nicht spazieren ... 

Aber eben wolltest du doch noch ... 

Nein, du wolltest, dass ich spazieren gehe... 

Ich? Mir ist es doch völlig egal, ob du spazieren gehst... 

Gut... 

Ich meine nur, es könnte dir nicht schaden, wenn du mal spazieren gehen wĂŒrdest 

Nein, schaden könnte es nicht... 

Also, was willst du denn nun? 

Ich möchte hier sitzen ... 

Du kannst einen ja wahnsinnig machen! 

Ach... 

Erst willst du spazieren gehen ... dann wieder nicht... dann soll ich deinen Mantel holen ... dann wieder nicht... was denn nun? 

OTON Loriot 1 (aus Talkshow Wortwechsel SWR)      0‘25

„Mein Hauptthema, das ist die mangelnde KommunikationsfĂ€higkeit. Das Aneinandervorbeireden der Menschen, die bestimmte Dinge miteinander bereden wollen und trotzdem auf ein falsches Gleis geraten. Also der Mann, der seine Frau fragt: Liebling, wann gibt es Essen? Und sie sagt: Mein Gott, ich kann doch nicht hexen. In dieser Antwort liegt bereits die Keimzelle zu einem stundenlangen MissverstĂ€ndnis, wenn nicht zu einem lebenslangem ZerwĂŒrfnis.“

Musik: Z8034434102 Under the stairs 0‘42

ERZÄHLER/IN

Loriot. Karikaturist, Humorist, Menschenkenner. So liebevoll und zugleich so hinterlistig hat keiner auf unsere UnzulĂ€nglichkeiten geblickt. Er schuf Figuren, die zauberhaft scheitern. Menschen im Alltag, in der Beziehung, im Miteinander. Menschen, die sich mehr oder weniger vergebens um eine aufrechte Haltung im Leben bemĂŒhen. Die dabei aber scheitern, es höflich weiter versuchen und wieder scheitern. Und wir, das Publikum, erkennen uns in ihnen wieder, und freuen uns, wie komisch das Leben doch sein kann. Und auch das Leiden.

AUSSCHNITT 2:

„Ach was?!“   0‘2

OTON Loriot 2 (aus Talkshow Wortwechsel SWR)     0‘35

„Das wirklich Absurde hat mich nie interessiert. Mich hat immer das interessiert, was wirklich ist, und was jedem tĂ€glich passiert. Und ich bin eigentlich nur ganz langsam und ganz folgerichtig darauf gekommen, das zu beschreiben, was wir tĂ€glich erleben. Und das, was ich versuche ist nur, einen ganz kleinen Schritt daneben zu sein, um deutlich zu machen, wie grotesk es eigentlich ist, was wir tĂ€glich erleben. Und durch diese NĂ€he zur Wirklichkeit entsteht dieses GefĂŒhl der Menschen, das sind wir doch und das passt in vielen Situationen.“

ERZÄHLER/IN

Der vielleicht beste Therapeut, den Deutschland je hatte. Bernhard-Viktor Christoph-Carl von BĂŒlow. Rufname: Vicco. KĂŒnstlername: Loriot. Zu dem lĂ€sst er sich vom Wappenvogel derer von BĂŒlow inspirieren: der Pirol, auf Französisch „Loriot“. 

Im November 1923 wird er in Brandenburg an Havel geboren, als Spross eines alten Adelsgeschlechts. Sein Vater ist ein hochrangiger Polizeioffizier, der seinem Sohn die Liebe zu Literatur und Theater ebenso vererbt wie einen preußischen Hang zur Perfektion und Humor. Gerne imitiert der Vater Ă€ltere MĂ€nner, eine Gabe die auch Vicco von BĂŒlow beherrscht und mit Figuren wie Opa Hoppenstedt verewigt.

AUSSCHNITT 3:

„FrĂŒher war mehr Lametta!“   0‘2

MUSIK: Z8034434103 Hobbling down 0‘24

ERZÄHLER/IN

Als Vicco vier Jahre alt ist, lĂ€sst sich der Vater von seiner Frau Charlotte scheiden. Nur zwei Jahre spĂ€ter stirbt sie. Vicco und sein jĂŒngerer Bruder kommen nach Berlin, zur Großmutter. Ein Haushalt, in dem den Kindern ebenfalls die Welt der Literatur offensteht. Der Vater heiratet erneut, und zieht mit der Familie nach Stuttgart. Am dortigen Theater hat Vicco erste Auftritte. 

OTON Loriot 3 (aus Begegnung im Prinzregententheater, BR)   0‘24

Ich wollte mein Taschengeld aufbessern, indem ich Komparse wurde. Und daher kenne ich eine ganze Menge Opern auswendig, die ich vor und rĂŒckwĂ€rts pfeifen könnte, wenn ich wollte. Und das hat sicher auch dazu beigetragen, dass ich die Liebe zur Oper habe entwickeln können. Und mein Vater hatte ein altes Grammophon, ein richtiges zum Aufdrehen, zum Aufnudeln mit alten Schellackplatten. Und da war auch eine ganze Menge dabei, was mich ungeheuer interessiert hat.

Musik: N1495800001 OuvertĂŒre aus Martha 0‘15

ERZÄHLER/IN

SpĂ€ter wird er selbst Opern inszenieren, „Martha“ und „Der FreischĂŒtz“. Und „Der Ring an einem Abend“, Loriots ErzĂ€hlfassung von Richard Wagners „Der Ring der Nibelungen.“ Bereits als Junge zeigt Vicco von BĂŒlow eine vielfache Begabung, als Texter, Zeichner und Schauspieler. 1940 bekommt er im Spielfilm „Friedrich Schiller - Der Triumph eines Genies“ eine Statistenrolle als Page. Doch nur ein Jahr spĂ€ter ruft der Kriegsdienst. Vicco macht als 17jĂ€hriger das Notabitur und muss fĂŒr drei Jahre an die Ostfront. BĂŒcher werden zu seinem Rettungsanker. Er liest Goethe, Schiller, Shakespeare, lernt ganze StĂŒcke auswendig, die er in der Einsamkeit im Krieg zitieren kann, Texte, die er sein Leben lang nie wieder vergessen wird. Viccos jĂŒngerer Bruder fĂ€llt 1945, mit nur 20 Jahren.

SOUND Holzhacken im Wald

ERZÄHLER/IN

Nach dem Krieg schlĂ€gt sich Vicco von BĂŒlow als HolzfĂ€ller in Niedersachsen durch, um an Lebensmittelkarten zu gelangen. Harte, tagtĂ€gliche Arbeit, bei der er - wie er in einem Interview mal sagt - eine „gewisse Abneigung gegen frische Luft entwickelte“. Sein Vater, der immer schon das zeichnerische Talent des Sohns bewundert hat, ermutigt ihn, sich in Hamburg an der Landeskunstschule einzuschreiben. Dort lernt er seine spĂ€tere Frau, die Modezeichnerin Rosemarie Schlumbom kennen, und signiert erste Arbeiten mit dem Pseudonym Loriot.

MUSIK 72043570 000  Wum’s Gesang, Ich bin ein kleiner Hund, Instrumental-Teil mit Gejaule 0‘39

ERZÄHLER/IN

Bald erhĂ€lt er AuftrĂ€ge als Zeichner, und fĂ€llt durch seinen feinen, einzigartigen Humor auf. Ab 1950 wird der Stern auf Loriot aufmerksam. FĂŒr das Magazin entwirft er die Serie „Auf den Hund gekommen“. 

(kurz Musik mit Gejaule hoch)

Das VerhĂ€ltnis von Mensch und Hund - eines von Loriots Lieblingsthemen. In „Auf den Hund gekommen“ zeigt er Hunde und Menschen in Alltags-Situationen mit einem besonderen Twist: die Rollen sind vertauscht. Die Hunde gehen auf zwei Beinen und sind deutlich grĂ¶ĂŸer als die Menschen. Die Menschen nehmen die Rolle der Hunde ein. Sie urinieren an BĂ€ume, machen KunststĂŒckchen, um den Hunden zu gefallen, oder wĂŒhlen im MĂŒll. Und die Hunde kommentieren das Ganze mit SĂ€tzen wie „Ich mag keine Menschen - die riechen so
“ oder „Du bist und bleibst ein Mensch, du Ferkel.“. Die Folge: wĂŒtende Leserbriefe.

OTON Loriot 4 (aus Talkshow Wortwechsel SWR)   0‘28

Damals war man noch nicht so weit. Man war noch von der Sonderstellung der Menschen sehr ĂŒberzeugt und besonders aus Intellektuellenkreisen, auch aus Kreisen der Kirche hat man mir ernst so VorwĂŒrfe gemacht, dass der Mensch doch immerhin die Krone der Schöpfung sei und nicht der Hund und man war doch sehr indigniert ĂŒber diesen Verlauf dieser humoristischen Entwicklung und der Stern hat damals sehr rasch diese Reihe eingestellt, weil die Briefe sich hĂ€uften.

ERZÄHLER/IN

DafĂŒr wird die Reihe in Buchform zum Bestseller. Titel wie „Der gute Ton. Das Handbuch der feinen Lebensart in Wort und Bild“, „Wahre Geschichten. Erlogen von Loriot“ und „Loriots großer Ratgeber“ machen ihn bekannt. Vicco von BĂŒlow steigt auf zu einem der wichtigsten und erfolgreichsten Karikaturisten der deutschen Nachkriegszeit. 

Hundefiguren bleibt er treu, vor allem den von ihm ĂŒber alles geliebten Möpsen, die auch das von BĂŒlowsche Familiendomizil bei Ammerland am Starnberger See bevölkern. Und Hund Wum mit den langen schwarzen Schlappohren wird - an der Seite von Elefant Wendelin - zum festen Bestandteil von Wim Thoelkes Quizshow „Der große Preis“. 

MUSIK: C1352870 210   ..0’32 Titelmelodie Der große Preis mit Stimme Loriot/Wum

„Meine Damen und Herren, gleich werden Sie erleben wie man viel gewinnen und wieder verlieren kann, mit Wim Thoelke
“ (Instrumental weiter)

ERZÄHLER/IN

Loriots menschliche Zeichentrickfiguren zeichnen sich vor allem durch eins aus: eine unĂŒbersehbar große Knollennase. Dazu fliehendes Kinn, Oberlippenschnute und eine Portion asexuelle SchlĂ€frigkeit. Mit diesem Typus taucht Vicco von BĂŒlow ein in die Welt des kleinbĂŒrgerlichen Spießers. GenĂŒsslich seziert er die bundesdeutschen gesellschaftlichen Konventionen und die Formen des Miteinanders.

OTON Loriot 5 (aus Begegnung im Prinzregententheater, BR)   0‘21

Gerade weil ich aus einer Familie und Kreisen komme, die auf Formen sehr viel Wert legten, war es reizvoll fĂŒr mich, diese Formen zu unterlaufen, obwohl ich nichts gegen Formen habe. Ich glaube, dass wir ohne Formen ĂŒberhaupt nicht leben könnten, genauso wenig wie im Straßenverkehr ohne Rot und GrĂŒn und Gelb können wir nicht ohne Konventionen, also Abkommen, wie wir uns gegenseitig behandeln wollen, leben.

Musik: Z8034434102 Under the stairs 0‘42

ERZÄHLER/IN

Einen weiteren PopularitĂ€tsschub erlebt Vicco von BĂŒlow, als er sich dem Medium Fernsehen zuwendet. Ein neues Spielfeld, in dem er sich kreativ austoben kann, hinter und vor der Kamera. FĂŒr den SĂŒddeutschen Rundfunk moderiert er zwischen 1967 und 1972 die Sendung „Cartoon“. Auf einem roten Sofa sitzend, stellt er das Werk anderer Karikaturisten vor, baut aber auch eigene Sketche ein, etwa das Gedicht „Advent“. Ein Paarreim, der im vierhebigen Versmaß von einem Mord und dem Beseitigen der Leiche erzĂ€hlt. Die Frau des Försters erschießt am Nikolausabend ihren Mann. Der hat sie beim Hausputz im Forsthaus allzu sehr gestört. 

AUSSCHNITT 4a Advent (CD176110 209)    0‘26

Und als das Rehlein ging zur Ruh', das HÀslein tat die Augen zu, 

erlegte sie - direkt von vorn - den Gatten ĂŒber Kimm' und Korn. 

Vom Knall geweckt rĂŒmpft nur der Hase zwei-, drei-, viermal die Schnuppernase. 

Und ruhet weiter sĂŒĂŸ im Dunkeln, derweil die Sternlein traulich funkeln. 

ERZÄHLER/IN

Ein ZeichentrickmĂ€nnchen, wie so oft von Loriot selbst gesprochen, trĂ€gt das Gedicht vor. Ein gutmĂŒtiger Fernsehonkel, graumeliert mit Brille, sitzt im Stuhl unter einem Adventskranz mit Kerzen. Der Widerspruch des gemĂŒtlich vorgetragenen Festtags-Gedichts mit dem blutigen Inhalt machen aus der Schauerballade ein StĂŒck Komik fĂŒr die Ewigkeit. 

AUSSCHNITT 4b Advent (CD176110 209)   0‘33

Und in der guten Stube drinnen, da lÀuft des Försters Blut von hinnen.

Nun muss die Försterin sich eilen, den Gatten sauber zu zerteilen. 

Schnell hat sie ihn bis auf die Knochen nach Waidmanns Sitte aufgebrochen. 

Voll Sorgfalt legt sie Glied auf Glied - was der Gemahl bisher vermied - 

BehĂ€lt ein Teil Filet zurĂŒck, als festtĂ€gliches BratenstĂŒck.

Und packt zum Schluss – es geht auf Vier – die Reste in Geschenkpapier.

ERZÄHLER/IN

Das Advents-Gedicht wird auch Teil einer Fernsehserie, die 1976 bis 1978 fĂŒr den ARD-Sender Radio Bremen entsteht: Loriot I bis VI. Eine Mischung aus Zeichentrick- und Realfilmsketchen, moderiert von Loriot, diesmal auf einem grĂŒnen Biedermeiersofa sitzend. 

Musik: C1339650017 Aktenzeichen XY ungelöst 0‘13

In den Sketchen schlĂŒpft er in verschiedenste Rollen, parodiert dabei auch gerne die TV-GrĂ¶ĂŸen der damaligen Zeit, wie Eduard Zimmermann in Aktenzeichen XY oder den Zoologen und Tierfachmann Bernhard Grzimek, in dessen Sprachduktus er von der fiktiven „Steinlaus“ erzĂ€hlt. Ein possierliches Tierchen, mit einem Tagesbedarf von etwa 28 Kilogramm Beton und Ziegelsteinen, das ganze HĂ€userblocks zum Einsturz bringt.

ATMO einstĂŒrzendes Haus

ERZÄHLER/IN

Zum Stamm-Team gehören Schauspieler wie Heinz Meier, der etwa den bei einem TV-Interview völlig ĂŒberforderten Lottogewinner Erwin Lindemann mimt. 

FĂŒr die Sketche sucht Loriot aber zusĂ€tzlich eine weibliche Partnerin. Ihm schwebt eine etwa 50jĂ€hrige Frau vor, am besten mittelgroß, etwas fĂŒlliger, mit blonden Dauerwellen. Doch dann stellt sich eine schlanke, hochgewachsene BrĂŒnette vor, Anfang 30. Ihr Name: Evelyn Hamann. Die erinnert sich 1996 an diese denkwĂŒrdige erste Begegnung:

OTON Evelyn Hamann (aus Talkshow Wortwechsel SWR)   0‘35

Ich bin dann zum VorstellungsgesprĂ€ch gekommen und habe gemerkt, ach du lieber Gott, der sucht ganz was anderes, na, dann wird es wohl nichts. Wir haben dann ein GesprĂ€ch gefĂŒhrt. Und er hat eigentlich nur beobachtet und geschaut, und ich nehme an, in diesem GesprĂ€ch hat er gesehen, also, das könnte das Richtige sein, und hat mich in drei kleinen Rollen ausprobiert. Und dann hat er die Sketche geschrieben, Nudel, Liebe im BĂŒro und dieses Interview mit dem Monster. Und dann war die Basis gelegt fĂŒr eine wunderschöne Zusammenarbeit. 

AUSSCHNITT 5a Inhaltsangabe (CD094760 013)    0‘22

Gwyneth Molesworth hatte fĂŒr Lord Hesketh-Fortescue in Nether Addlethorpe einen Schlipth - Verzeihung! - einen Schlips besorgt, ihn aber bei Lord Molesworth-Houghton liegengelassen. Lady Hesketh-Fortescue verdĂ€chtigt ihren Gatten, das letzte Wochenende mit Priscilla Molesworth in Middle Fritham verbracht zu haben. 

ERZÄHLER/IN

Evelyn Hamann als Fernsehansagerin, die beim Zusammenfassen einer britischen Serie ĂŒber das (englische) th (Tee-Eitsch) und andere Gemeinheiten stolpert. 

Musik: Z8034434103 Hobbling down 0‘23

ERZÄHLER/IN

Evelyn Hamann und Loriot - zwei Seelenverwandte, die sich bei der Arbeit perfekt ergĂ€nzen. WĂ€hrend Loriot gerne die eitlen, dauerreferierenden MĂ€nner gibt, mit ĂŒberdrehtem Spiel, schafft Evelyn Hamann oft große Komik aus ihrer Kunst der versteinerten Miene.

AUSSCHNITT 6 Jodelschule (CD037620 006)    0‘41

Frau Hoppenstedt, was hat sie als Frau veranlasst in eine Jodelschule einzutreten?

Da regt mich ja die Frage schon auf. Was heißt denn Sie als Frau? Eine Berufsausbildung ist doch nicht grundsĂ€tzlich von MĂ€nnern gepachtet! 

Reporter: Ich meine ja nicht


Ich finde gerade eine Hausfrau mit Familie sollte eine abgeschlossene Berufsausbildung haben. (
)

Danke, Frau Hoppenstedt!

Hollera da didel


Holleri!

Holleri di dudel du


Du dödel di...

Holleri du dödel du...

Du dödel di. Im ganzen Satz!

Hollerö dö dudel dö

Du dödel di, „dö dudel dĂ¶â€œ ist zweites Futura Sonnenaufgang!

ERZÄHLER/IN

SĂ€tze, die die zahlreichen Fans von Loriot - manche nennen sich auch „Loriotiker“ - Wort fĂŒr Wort auswendig können. Ein prominenter Loriot-Fan ist der Autor, Schauspieler, Theater- und Filmregisseur Leander Haußmann, der mit Stoffen wie „Sonnenallee“ Erfolge feierte. 

OTON Leander Haußmann 1

FĂŒr mich ist Loriot im Grunde aus meinem eigenen bescheidenen Werk nicht wegzudenken. Also auch als Lehrmeister nicht. Ich hatte ja das GlĂŒck, ihn auch kennenzulernen, weil er mich kennenlernen wollte. Das war damals in MĂŒnchen nach meiner „Romeo und Julia“-Inszenierung. Und ich war so erstaunt und erfreut gleichzeitig, dass er wie seine Figuren auch war, also auch im Sprach-Duktus.

AUSSCHNITT 7 Herren im Bad     0‘15

Herr MĂŒller-LĂŒdenscheidt!

Herr Doktor Kloebner! Also lassen Sie die Ente in Gottes Namen herein.

Nein, mit Ihnen teilt meine Ente das Wasser nicht.

Sie lassen sofort die Ente zu Wasser!

Ich denke nicht daran.

ERZÄHLER/IN

Der Sketch „Herren im Bad“ zĂ€hlt zu den LieblingsstĂŒcken von Leander Haußmann. Herr MĂŒller-LĂŒdenscheidt und Doktor Kloebner sitzen gemeinsam in einer leeren Badewanne. Doktor Kloebner hat sich dabei in der Zimmernummer im Hotel geirrt und ist irrtĂŒmlich in einer fremden Wanne gelandet. Eine absurde Situation, die aber nicht weiter thematisiert wird. Stattdessen streiten sich die beiden Herren, ob Wasser in die Wanne soll, wer das Wasser einlĂ€sst und ob eine gelbe Quietsche-Ente mit in die Wanne darf.

OTON Leander Haußmann 2

Ich lasse jetzt die Ente zu Wasser. Das ist der entscheidende Satz: die Ente zu Wasser lassen. Das verrĂ€t den großen Sprachliebhaber und vor allem den Liebhaber der deutschen Sprache, Loriot, weshalb er auch so schwer international zu transportieren ist, weshalb er so ganz und gar uns gehört.

ERZÄHLER/IN

Was im Falle von Loriot heißt: den Westdeutschen und den Ostdeutschen. Auf dem Höhepunkt seiner Schaffensphase und PopularitĂ€t, in den 1970er und 1980er Jahren, hat Loriot auch etliche Fans in der damaligen DDR. Zu denen gehört Leander Haußmann, der in Ost-Berlin aufwĂ€chst. 

OTON Leander Haußmann 3

Mein Vater hat mir damals, da war ich vielleicht elf, ein Buch besorgt zu Weihnachten. Und das war vom Eulenspiegel-Verlag herausgegeben das dicke Loriot-Buch und das wurde zu meiner Bibel, habe ich auch heute noch und liegt direkt ĂŒber Ibsen und Strindberg. Und wir haben es in der Schule nachgespielt, durften wir auch, obwohl es eben ein West-Autor war. Und das habe ich ihm auch erzĂ€hlt. Und da hat er auch sehr ernsthaft darauf geantwortet, als ich ihm sagte, dass mein alter Schulfreund Guido Kossak damals die Nudelkrise in der 7A sehr gut gespielt hat. Und da antwortete er auch mit: Ach was?!

MUSIK: (C1150140 031) Odipussi Titelmusik 0‘44

ERZÄHLER/IN

Als Loriots erster Kinofilm Ödipussi im MĂ€rz 1988 startet, organisiert Vicco von BĂŒlow die Premiere am selben Tag erst in Ost-Berlin, dann einige Stunden spĂ€ter in West-Berlin. Die einzige UrauffĂŒhrung eines Films im geteilten Deutschland, die in beiden Landesteilen am selben Tag stattfindet. „Ödipussi“, Drehbuch, Regie und Hauptrolle: Loriot. Er spielt den Stoff- und MöbelhĂ€ndler Paul Winkelmann, der mit knapp Sechzig immer noch unter der Fuchtel seiner Mutter steht. „Ödipussi“ wird der erfolgreichste deutsche Kinofilm 1988. 

MUSIK: (C1150140 034) Pappa ante Portas Schlusstitel 0‘32

Auch mit „Pappa ante Portas“ gelingt ihm 1991 wieder ein Publikums- und Kritikerliebling, in dem er als FrĂŒhrentner Heinrich Lohse den Rest der Familie in den Wahnsinn treibt. 

ERZÄHLER/IN

Bis zum Ende seines Schaffens leistet sich Vicco von BĂŒlow keinen einzigen Flop. Zielsicher trifft er mit seinen Arbeiten immer wieder ins deutsche Herz. Loriot, der Anarchische und zugleich BĂŒrgerliche, subversiv, aber nie bösartig-Ă€tzend, elegant, aber nie elitĂ€r, spöttisch und doch menschenfreundlich. Er schafft es, sich mit Contenance und Charme ĂŒber das deutsche Wesen lustig zu machen, ohne es an den Pranger zu stellen. Auf demokratische Weise holt sein Humor ein breites Publikum ab, ohne es zu verletzen. 

OTON Loriot 6 (aus Talkshow Wortwechsel SWR)    0‘24

Es wird mir oft fast vorgehalten, ich sei zu liebenswĂŒrdig, in dem was ich mache. 

Ich glaube, dass das falsch gesehen ist. Das was ich mache, ist bestimmte Bosheiten so einzupacken, dass der Betreffende, der es fressen muss, nicht merkt, was er runtergeschluckt hat, und erst spÀter, wenn er es im Magen hat, ihm klar wird. Das ist der ganze Trick dabei. 

MUSIK: (C1150140 031) Odipussi Titelmusik  1‘14

ERZÄHLER/IN

2011 stirbt Vicco von BĂŒlow, mit 87 Jahren. Und lebt doch weiter, in unzĂ€hligen, von Laientheatern und im Internet von Fans nachgespielten Sketchen, und in den Wiederholungen seiner Fernsehklassiker wie „Weihnachten bei Hoppenstedts“. Loriots Grab in Berlin wird zur PilgerstĂ€tte, verziert mit gelben Badeenten und Porzellan-Möpsen, was zwar der Berliner Friedhofsordnung widerspricht, aber toleriert wird. Ein Umstand, der Loriot-Fan Leander Haußmann besonders freut. 

OTON Leander Haußmann 4

Es ist ihm gelungen, diese unendlich langweilige deutsche Friedhofsordnung durcheinander zu bringen, indem dort nun erlaubt wurde, dass man auf sein Grab eine Gummiente stellen darf. Und nun ist das Grab voller Gummienten. Wer einige Verluste in seinem Leben zu erleiden hatte, der weiß, wie langweilig deutsche Friedhöfe sind. Aber Loriot hat das ausgehebelt. Selbst da hat er noch etwas geleistet fĂŒr uns alle, was uns ein kleines LĂ€cheln auf die Lippen zaubert.