radioWissen - Bayern 2   /     Ordnung in die Natur! Der schwedische Forscher Carl von LinnĂ©

Description

Der schwedische Naturforscher Carl von Linné erfasste im 18.Jahrhundert die damals bekannte Tier- und Pflanzenwelt und brachte sie in eine logische Ordnung. Dazu führte er die binäre Benennung der Organismen ein. Dieses System ermöglicht es Wissenschaftlern, sich über Arten in einer präzisen und standardisierten Sprache auszutauschen. Autorin: Susanne Hofmann

Subtitle
Duration
00:25:42
Publishing date
2023-11-23 03:00
Link
https://www.br.de/mediathek/podcast/radiowissen/ordnung-in-die-natur-der-schwedische-forscher-carl-von-linn/2081028
Contributors
  Susanne Hofmann
author  
Enclosures
https://media.neuland.br.de/file/2081028/c/feed/ordnung-in-die-natur-der-schwedische-forscher-carl-von-linn.mp3
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Shownotes

Der schwedische Naturforscher Carl von Linné erfasste im 18.Jahrhundert die damals bekannte Tier- und Pflanzenwelt und brachte sie in eine logische Ordnung. Dazu führte er die binäre Benennung der Organismen ein. Dieses System ermöglicht es Wissenschaftlern, sich über Arten in einer präzisen und standardisierten Sprache auszutauschen. Autorin: Susanne Hofmann

Credits
Autor/in dieser Folge: Susanne Hofmann
Regie: Rainer Schaller
Es sprachen: Hemma Michel, Peter WeiĂź
Technik: Tim Höfer
Redaktion: Iska Schreglmann

Im Interview:
Kärin Nickelsen, Professorin für Wissenschaftsgeschichte an der Ludwig-Maximilians-Universität München;
Gerhard Haszprunar, Professor em. für Zoologie an der Ludwig-Maximilians-Universität München, früherer Direktor der Zoologischen Staatssammlung München; 
Renate Hudak, Dipl.-Ingenieurin fĂĽr Gartenbau, Botanischer Garten Augsburg

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Das vollständige Manuskript gibt es HIER.

Lesen Sie einen Ausschnitt aus dem Manuskript:

ERZĂ„HLER

Das musste ihm erst mal einer nachmachen! 

ZITATOR1

Kein Naturwissenschaftler hat mehr Beobachtungen in der Natur angestellt. Keiner hat einen solideren Einblick in alle drei Reiche der Natur zugleich gehabt. Keiner war ein größerer Botaniker oder Zoologe.

ERZÄHLER 

Ein Superlativ reiht sich an den nächsten. 

ZITATOR1

Keiner hat mehr Werke geschrieben, besser, ordentlicher, aus eigener Erfahrung. Keiner so völlig eine ganze Wissenschaft reformiert und eine neue Epoche eingeleitet. Keiner hat eine so über alle Welt ausgedehnte Korrespondenz gehabt. [langsam ausblenden]

ERZÄHLER 

Keine Frage: Nach dieser Einschätzung ist der so Gepriesene eine Ausnahmeerscheinung, eine überragende Figur in der Wissenschaft des 18. Jahrhunderts: der schwedische Naturforscher Carl von Linné. Randnotiz zum Schmunzeln – das überschwängliche Lob stammt aus Linnés eigener Feder. An Selbstbewusstsein mangelte es dem Schweden nicht. Seine Lebensleistung: Er entwickelte ein umfassendes, schlüssiges hierarchisches System der biologischen Klassifizierung. Alle damals bekannten Tiere und Pflanzen ordnete er in Kategorien wie Klassen, Ordnungen und Gattungen ein. Dafür rühmten ihn auch andere Geistesgrößen, der Philosoph Jean-Jacques Rousseau zum Beispiel: 

ZITATOR 2

Für mich gibt es keinen Größeren auf Erden. 

ERZÄHLER 

Und Goethe bekannte, dass Linnés Hauptwerk „Philosophia naturae“ sein steter Begleiter war und 

ZITATOR 3

dass nach Shakespeare und Spinoza auf mich die größte Wirkung von Linné ausgegangen ist 

ERZÄHLER 

Sein größtes Verdienst bringt Linné selbst so auf den Punkt:

ZITATOR 1

Gott schuf, Linné ordnete

ERZÄHLER 

Carl von Linné, oder Carl Linnaeus [Linnäus], wie er die ersten 50 Jahre seines Lebens hieß, revolutionierte die Biologie, indem er in der Natur „aufräumte“. Oder vielmehr: sich auf die Suche nach dem geheimen Plan machte, welcher der göttlichen Schöpfung nach seiner Vorstellung innewohnte - erklärt der österreichische Zoologe Gerhard Haszprunar, langjähriger Leiter der Zoologischen Staatssammlung in München und Zoologie-Professor an der Ludwig-Maximilians-Universität München:

1. ZUSPIELUNG Haszprunar 6:14

„Er war hundert Jahre vor Darwin, also von Evolution gab es noch gar keine Rede. Und daher war für ihn diese Ordnung göttlich vorgegeben. Punkt. Also er hat gar nicht versucht, diese Ordnung in irgendeiner Form durch einen Mechanismus zu erklären, sondern das war die göttliche Schöpfung, die ist hierarchisch geordnet, offensichtlich, und die Aufgabe des Wissenschaftlers ist jetzt, diese göttliche Ordnung in allen Details zu erkennen und zu beschreiben. Das war sein Programm, und das hat er knallhart durchgezogen.“

ERZÄHLER 

Linné war ein begnadeter Beobachter. Was er sah – seien es nun Mineralien, Tiere oder Pflanzen – sortierte er. Sein Ordnungssystem sorgt noch heute für Übersicht in der Botanik und in der Zoologie – und das, obwohl wir in den über 250 Jahren seit seinem Tod im Jahr 1778 viele neue Erkenntnisse gewonnen und unzählige weitere Pflanzen und Tiere entdeckt haben. Die Tierwelt ordnete Linné folgendermaßen: Er unterteilte die Tiere in sechs grobe Gruppen – Säugetiere, Vögel, Amphibien, Fische, Insekten und Würmer. Diese sechs Kategorien wiederum untergliederte er weiter – in Stämme, Klassen, Ordnungen, Familien und Gattungen. Der Zoologe Gerhard Haszprunar:

2. ZUSPIELUNG Haszprunar 8:11

„Also wir haben Begriffe wie etwa jetzt die Säugetiere. In den Säugetieren haben wir die Huftiere. In den Huftieren haben wir jetzt zwei Gruppen: Paarhufer und Unpaarhufer. In den Paarhufern haben wir jetzt Hornträger und Geweihträger und so weiter und so fort. Also, das ist so ineinander geschachtelt wie eine russische Puppe, aber vielfach, nicht bloß ein paar, sondern 30, 40 solcher Kategorien.“

MUSIK m02 (Z8028537114, Rework it, Artisan crafts, Sponticcia, Martin, 0:53 Min)

ERZÄHLER 

Linnés besonderes Interesse galt indes der Welt der Pflanzen, der Botanik. Schon als Kind, Anfang des 18. Jahrhunderts, tummelte er sich gern im Garten seines Vaters. Der hatte einen besonders schönen, selbst angelegten Lustgarten, in dem er auch seltene Pflanzen anbaute, darunter mediterrane Kräuter wie Thymian oder Rosmarin. Der junge Carl durfte bald seine eigenen Beete beharken und lernte die Namen der Pflanzen kennen. Was die Benennung von Pflanzen betraf, herrschte damals Wildwuchs…

ZITATOR 2 oder 3

„…da dreißig oder vierzig Botaniker ein und derselben Pflanze ebenso viele verschiedene Namen beilegten. Auf diese Weise war die ganze Botanik zu einem wahren Chaos, zu einem allgemeinen Babel geworden, wo niemand mehr seinen Nachbarn verstehen konnte.“

ERZÄHLER 

So beschrieb der französische Naturforscher und Geologe Georges Cuvier die Begriffsverwirrung, zu Beginn des 18. Jahrhunderts, die damals herrschte. Für die Botaniker der Zeit eine kaum noch zu beherrschende Herausforderung, meint Kärin Nickelsen, Professorin für Wissenschaftsgeschichte an der Ludwig-Maximilians-Universität München. Sie forscht zur Geschichte der Biologie, insbesondere zur Geschichte der Botanik.

3. ZUSPIELUNG Nickelsen 4:12

„Zu der Zeit, als Linné lebte, gab es natürlich sehr viele andere Systeme bereits, aber diese Systeme waren nicht einheitlich, und die Arten und Gattungen hießen auch unterschiedlich, je nachdem, welches System man anlegte. Also es gab eine große Verwirrung, und die wurde umso ein beschwerlicher und auch wirklich hinderlicher, als ja viele neue Arten nach Europa kamen, also durch die Expansionsbestrebungen, die Kolonialunternehmen der europäischen Mächte, kamen sehr viele neue Pflanzenarten auch Tierarten - aber bleiben wir mal bei den Pflanzen,… nach Europa. Die musste man neu benennen, und sie bekamen häufig ganz unterschiedliche Namen, je nachdem, wer sie gerade in seinem System benannt hat. So, jetzt kam Linné und wollte ein einheitliches System schaffen.“ 

ERZÄHLER 

Dieses einheitliche System der Benennung ist eine von Linnés Errungenschaften als Naturforscher. Doch ehe wir dazu kommen – rasch ein Abstecher in seine Biographie. 

MUSIK m03 C1480470016, Tempelfeste, Melancholie - Music for film, Proksch, Michael, 0:49 Min)

ERZÄHLER 

Name:

ZITATOR 1 

Carl Linnaeus

ERZÄHLER 

Art

ZITATOR 1

Homo sapiens 

ERZÄHLER 

Unterart

ZITATOR 1

Naturforscher, Botaniker, Arzt

ERZĂ„HLER

Herkunft: 

ZITATOR 1

SmĂĄland [smoland], Provinz in SĂĽdschweden

ERZĂ„HLER

Lebenszeit:

ZITATOR 1

1707 bis 1778

ERZĂ„HLER

Aussehen - nach seiner eigenen Beschreibung:

ZITATOR 1

„Der Kopf groß, mit gewölbtem Hinterhaupt, … Die Augen braun, lebhaft, äußerst scharf, von hervorragender Sehkraft. … Ein entschlossener Charakter, leicht zu Zorn, Freude, Trauer geneigt, schnell zu besänftigen; frohgemut in der Jugend und auch nicht stumpfsinnig im Alter; seinen Obliegenheiten voll und ganz hingegeben“

ERZĂ„HLER

Carl Linnaeus wuchs als Sohn eines protestantischen Pastors in Südschweden auf dem Land auf. Eigentlich sollte er in die Fußstapfen seines Vaters treten – allein: Er gehörte in den dafür maßgeblichen Fächern Theologie, Griechisch und Hebräisch zu den schlechtesten Schülern. Dafür überragte er seine Mitschüler in Mathe und Physik. Ein Lehrer erkannte seine Begabung und unterrichtete ihn privat bei sich zuhause. Linnaeus schloss das Gymnasium ab und begann das Studium der Medizin zunächst in Lund, später in der Universitätsstadt Uppsala [Uppsála]. Vor allem interessierte er sich dort aber für das Studienfach Botanik, er erforschte den Botanischen Garten der Uni und tat sich durch seine Sachkunde derart hervor, dass man ihm bald einen Lehrauftrag erteilte. 

MUSIK m04 (CD701240020, The song of Iivana Onoila. Traditiona, Authentic Scandinavia 3, Kontio, Matti (Bearb.), 0:45 Min)

Mit 23 wurde er auf eine abenteuerliche Forschungsreise ins weithin unbekannte Lappland entsandt, dessen Flora und Fauna, Landschaften und Bewohner er genau beschrieb und mit Zeichnungen illustrierte. 

ZITATOR 1

Hier war es, als wĂĽrde ich in eine neue Welt hinausgefĂĽhrt, und als ich in die Berge kam, wusste ich nicht, ob ich in Afrika oder Asien war, denn sowohl das Erdreich als auch die Lage und die Pflanzen waren mir vollkommen unbekannt.

ERZĂ„HLER

Nach seiner Rückkehr schrieb er an seinen ersten Werken zur Systematik der Pflanzen. Schließlich promovierte er in Medizin, ließ sich zunächst als Arzt nieder und bekam später eine Professur am Lehrstuhl für Botanik. Mit 50 wurde Carl Linnaeus in den Adelsstand erhoben und durfte sich fortan Carl von Linné nennen. Die Wissenschaftshistorikerin Kärin Nickelsen:

4. ZUSPIELUNG Nickelsen 8:18

„Linné war sehr, sehr erfolgreich darin, an seiner Karriere zu arbeiten, wenn man so möchte. Er studierte in Schweden, das war auch damals eher von den Zentren der Wissenschaft weit entfernt, und es gelang ihm aber dann, auf der damals üblichen großen Europa-Tour Kontakte zu knüpfen zu den besten Botanikern der Zeit, also in den Zentren wie vor allen Dingen Paris, was sehr wichtig war für die Wissenschaft der Zeit, aber auch in den Niederlanden, wo ganz wichtige Naturforscher ihre botanischen Gärten hatten, also für die Botanik vor allen Dingen oder in der Medizin. Durch diese Kontakte wurde es ihm ermöglicht, die Manuskripte, die er bereits mitbrachte, an angesehenen Druckereien drucken zu lassen. Er publizierte die Werke und sorgte dann dafür, dass diese auch breit gelesen und eben verkauft wurden.“

ERZĂ„HLER

Linné war ein unermüdlicher Arbeiter, er veröffentlichte rund 20 Bücher, die er in Neuauflagen immer wieder korrigierte und erweiterte, er korrespondierte mit anderen Wissenschaftlern und er hielt Vorlesungen. Die Studenten kamen aus ganz Europa, um von ihm zu lernen. Als Professor veranstaltete er regelmäßige Exkursionen rund um Uppsala, um mit den angehenden Forschern die heimische Flora und Fauna zu studieren. Diesen wissenschaftlichen Erkundungen der Natur schlossen sich manchmal bis zu 200 Teilnehmer an. 

Mitzunehmen waren: Linnés Buch „Systema naturae“ über die Systematik der Lebewesen, Lupe, Messer, Botanisierbüchse zum Umhängen für die Funde. Alle 30 Minuten wurden die gefundenen Exemplare nach Gattung, Art, Standort, Nutzen und Besonderheiten besprochen. Fand jemand eine Seltenheit, wurde das Waldhorn geblasen. 

Waldhorn-Atmo? 

ERZÄHLER 

In seiner Autobiographie erinnert sich Linné:

ZITATOR 1

„Und nachdem sie von morgens sieben bis abends neun Uhr mittwochs und sonnabends botanisiert hatten, kamen sie in die Stadt zurück mit Blumen auf den Hüten, begleiteten auch ihren Anführer mit Pauken und Waldhörnern durch die ganze Stadt bis zu dem Garten.“

ERZĂ„HLER

Zum Abschluss der Exkursion riefen die Teilnehmer laut: 

MEHRERE (junge, männliche) STIMMEN?

Vivat Linnaeus!

MUSIK m07 (Z8033060122, New hope, Ice Word, Kreuzer, Anselm, 0:35 Min)

ERZĂ„HLER

Zu den wissenschaftlichen Verdiensten Linnés gehörte nicht nur sein Ordnungssystem für Lebewesen. Er führte auch eindeutige wissenschaftliche Namen für Pflanzen und Tiere ein. Insbesondere in der Botanik ein Meilenstein. Dazu reduzierte er die oft langatmigen Bezeichnungen von Pflanzen auf zwei Bestandteile. 

Jede Pflanze erhielt sozusagen einen Vor- und einen Nachnamen – auf Latein. Der erste Teil des Namens bezeichnete die Gattung, der zweite die Art innerhalb der Gattung. Die binäre Nomenklatur war geboren – und damit unter anderem der Begriff Homo sapiens, den Linné ebenfalls prägte. Diese Systematik erwies sich im, bis dahin völlig unüberschaubaren, Pflanzenreich als besonders hilfreich. 

Ein Beispiel: Während einst den Schwalbenwurz-Enzian ein wahres Wortungetüm bezeichnete

ZITATOR 2 oder 3

Gantiana foliis avato-lanceolatis floribus campanulatis in alis sessilibus – zu Deutsch: Enzian mit eiförmig-lanzettenartigen Blättern und glockenförmigen Blüten in sitzenden Flügeln

ERZÄHLER 

So machte Linné daraus schlicht eine 

ZITATOR 1

Gentiana asclepiadea – zu Deutsch also: Schwalbenwurz-Enzian 

ERZÄHLER 

Der Vorteil dieser knappen, eindeutigen Benennung liegt noch heute auf der Hand - nicht nur für Wissenschaftler, sondern für alle, die mit Pflanzen zu tun haben, wie Renate Hudak vom Botanischen Garten Augsburg: 

5. ZUSPIELUNG Hudak 0:16

„Damit kann ich mir immer sicher sein, dass, wenn ich mit jemandem anderen spreche, wir dieselbe Pflanze meinen.“ 

ERZÄHLER 

Noch heute tragen Pflanzen im alltäglichen Sprachgebrauch oft regional unterschiedliche deutsche Namen. Um Missverständnisse auszuschließen, hilft der Rückgriff auf die Linnéschen lateinischen Bezeichnungen weiter. 

Linné führte nicht nur diese zweiteilige Nomenklatur ein, er entwickelte eine ganz neue Fachsprache und legte Methoden zur Erforschung der Pflanzen fest. Das alles in seinem Werk „Philosophia Botanica“. 

7. ZUSPIELUNG Nickelsen 16.38

„Und was dieses Werk auch auszeichnet, ist, es ist nicht ein trockenes Lehrbuch der Botanik, sondern das ist eingeteilt in unterschiedliche Aphorismen könnte man sagen, in Sätze und dann Erläuterung, und es ist unglaublich witzig zum Teil, also geistreich. Bei den Namen zum Beispiel … sagt er etwa: Namen sind nicht zulässig, wenn sie anstrengend auszusprechen sind, wenn sie ekelhaft sind oder wenn sie länger sind als anderthalb Fuß. Und das erläutert er dann weiter und sagt, länger als eineinhalb Fuß ist ein Name, der mehr als zwölf Buchstaben hat.“

ERZÄHLER 

Linné ging bei seiner wissenschaftlichen Arbeit pragmatisch zu Werk und orientierte sich am praktischen Nutzen. 

Die Botanik war seinerzeit dem „gottgegebenen“ System der Pflanzen auf der Spur, das es zu erkennen galt. 

8. ZUSPIELUNG Nickelsen 5.10

„Aber Linné war sehr davon überzeugt, dass das zwar ein Ziel war, dass wir dies aber nicht erreichen können. Und dass wir … Kategorien brauchen, die wir nach unserem Gutdünken definieren, also dass wir Gruppen schaffen, mit denen wir gut arbeiten können… Das gelang ihm sehr, sehr gut. Hier hat er Klassen definiert und Ordnungen, also große Gruppen nach den sogenannten Sexual-Organen der Pflanzen. Das war schon bekannt, dass man so etwas wie eine sexuelle Fortpflanzung hat bei Pflanzen, und man musste dann … für diese übergeordneten Gruppen nur noch zählen. Also man musste zählen, wie viele Staubblätter und wie viele Stempel und Narben eine Pflanze hatte und konnte sie dann ins System einsortieren.“

ERZÄHLER 

Linnés systematischer Ansatz ermöglichte ihm eine geradezu enzyklopädische Leistung. Im Laufe seines Lebens beschrieb und benannte er schätzungsweise 16.000 Pflanzen- und Tierarten, viele davon Neuentdeckungen. Das tat er nicht eigenhändig, er konnte sich dabei auf ein weltumspannendes Netzwerk an Korrespondenten stützen. 

Sie alle arbeiteten schon bald nach seinem System.

10. ZUSPIELUNG Nickelsen 13.20

„Zum Teil waren das Schüler, zum Teil waren es auch Kollegen, mit denen er auf gutem Fuß stand, die durch die Welt reisten und ihm Pflanzen-Material zusandten, meistens als getrocknete Herbarexemplare, die er dann nutzte, um die neuen Pflanzennamen zu definieren und die dann in die nächste Auflage der Spezies Plantarum aufzunehmen. Das ist also ein Werk, das sehr häufig aufgelegt wurde, immer wieder überarbeitet und erweitert.“

ERZÄHLER 

Diese Arbeitsweise war damals unter Botanikern üblich – es herrschte ein Geben und Nehmen, man tauschte Pflanzenmaterial aus und teilte sein Wissen. Wobei Linnaeus sich in der damaligen Botaniker-Gemeinschaft einen eher zweifelhaften Ruf erwarb, wie die Wissenschafts-Historikerin Kärin Nickelsen berichtet.

11. ZUSPIELUNG Nickelsen 20.48

„Denn es war bald bekannt, dass Linné zwar von allen Pflanzenmaterial, getrocknete Pflanzen oder auch eingelegtes Material, bekam und auch darum bat oder sogar anforderte, aber kaum jemals etwas wieder verschickte. Also ein Korrespondenzpartner bezeichnete ihn einmal sehr schön als die Spinne im Netz.“

ERZÄHLER 

Dank dieser zentralen Stellung mit Verbindung in alle Welt gewann Linné in seinem abgelegenen Botanischen Zentrum im schwedischen Uppsala einen Überblick über die für Europa bekannte Flora der Zeit. Und aus dieser Position heraus definierte er, welche Pflanze wo in dem System ihren Platz erhielt und vergab entsprechende Namen. 

12. ZUSPIELUNG Nickelsen 13.30 

„Und Linné nutzte seine Position als Autorität, um auch Gunst zu vergeben. Also er konnte auch mit Pflanzennamen zum Beispiel Kollegen feiern, die er besonders lobenswert fand und erwähnenswert fand, also seinen verehrten Lehrer zum Beispiel, Rudbeck, den ehrte er durch die Rudbeckia, also den Sonnenhut, eine ganz besonders schöne Pflanze in dieser Zeit.“

ERZÄHLER 

Kritiker seiner Arbeit dagegen konnte er schon einmal abstrafen durch seine Namensgebung.  

13. ZUSPIELUNG Nickelsen 12.13

„Es gab einen Botaniker, der ihn besonders scharf kritisierte: Johann Georg Siegesbeck, und da hat Linné im Gegenzug etwas gemacht, was er auch häufiger machte, nämlich seine Position als Nomenklator, als derjenige, der Pflanzennamen vergab, ausgenutzt. Er hat also zu Ehren von Siegesbeck eine ganz besonders unscheinbare, unwichtige Pflanze Siegesbeckia genannt.“

ERZÄHLER 

Und Kritiker hatte Linnaeus durchaus. Vor allem sein sogenanntes Sexualsystem der Pflanzen stieß einigen Zeitgenossen peinlich auf. Denn Linné gruppierte die Pflanzen anhand ihrer Fortpflanzungsorgane. In Analogie zum menschlichen Sexualleben sprach er von den „Hochzeiten der Pflanzen“ und war überzeugt, so die Umweltpädagogin Renate Hudak: 

14. ZUSPIELUNG – Hudak 6:39

„Pflanzen haben eine Sexualität, und es gibt weibliche Blüten und männliche Blüten, und zum Teil wurde er dafür richtig angefeindet, weil das zu dieser Zeit eigentlich ein Unding war - zu sagen: das harmlose, friedliche Reich der Pflanzen wird jetzt auch noch damit verbunden.“

ERZÄHLER 

Auch wenn seine Beobachtung völlig richtig war – bei der Fortpflanzung von Pflanzen spielen männliche und weibliche Blütenorgane eine große Rolle – geriet er mit seinen Begriffen und seinen Beschreibungen in Konflikt mit den Moralvorstellungen seiner Zeit, sagt Kärin Nickelsen. Indes:

15. ZUSPIELUNG Nickelsen 11:25

„Er hat es auch genossen. Er hat auch geschrieben darüber, wie etwa, wenn man eine Gruppe hatte, zum Beispiel mit einem Staubblatt und verschiedenen Narben oder Stempeln, dann nannte er dies Monandria, … und schrieb auch darüber, dass hier also ein Mann mit vielen Frauen ins Bett geht - das war durchaus bewusst als Provokation gesetzt und wurde auch so gelesen.“ 

ERZÄHLER 

Gegen die gängigen Vorstellungen verstieß auch, dass er den Menschen in sein System der Tiere aufnahm, und zwar in eine Gruppe mit den Menschenaffen. Kärin Nickelsen:

16. ZUSPIELUNG Nickelsen 26:45

„Das war etwas, was den religiösen Gefühlen der Zeit vollständig entgegenstand. … Also den Menschen als Krone der Schöpfung auf eine Stufe zu stellen mit eben Affen - dafür wurde er sehr kritisiert und blieb aber, hielt daran fest und sagte, als Naturforscher sehe er eigentlich keinen Grund, der dem irgendwie entgegenstand. 

ERZĂ„HLER

Linné war durch und durch Wissenschaftler. Er fühlte sich dem verpflichtet, was sich beobachten ließ. Sein System und die Vereinfachung der Namensgebung bewirkten,

17. ZUSPIELUNG Nickelsen:

„dass im 19. Jahrhundert etwa das Botanisieren etwas wurde, was ein verbreitetes Hobby war, also gerade für bürgerliche Familie in England ganz besonders, aber auch in anderen Teilen Europas, auch schicklich für junge Damen, … also mit ganz wenig Vorbildung konnte man auf diese Weise eben Pflanzen, die man fand, da konnte man zunächst einmal zählen: Wie viele Staubblätter gibt es, wie viel Stempel gibt es, und wo gehört es dann zunächst mal rein als Klasse und Ordnung und sich dann also einen Zeitvertreib aneignen, der zugleich also gerade in England auch aufgeladen war mit theologischen Vorstellungen. näher. Also man konnte auf diese Weise mehr darüber erfahren, wie Gott eben die Welt geordnet hat.“ 

ERZĂ„HLER

Vieles von dem, was Linné an Ideen schuf, hat noch heute Bestand. 

Sein zweiteiliges System zur Benennung von Tieren und Pflanzen beispielsweise. Anderes dagegen war schon bald überholt. Dass die Arten gottgeschaffen und konstant seien, wirbelte spätestens Charles Darwins Evolutionstheorie Mitte des 19. Jahrhunderts gehörig durcheinander. 

Die Erkenntnis, dass sich Arten über die Generationen hinweg entwickeln, war unvereinbar mit Linnés künstlich definierten Kategorien. 

Und: Längst ist klar, belegt auch durch die Genetik, dass morphologische Ähnlichkeiten eben nicht unbedingt Verwandtschaftsbeziehungen spiegeln.

MUSIK m01 (M0017672Z00, Into another dimension part 3, M0017672Z00, Rucker, Steve; Chase, Thomas Jones, 0:28 Min)

Carl von Linnés geniale Leistung bleibt dennoch zu würdigen: Es gelang ihm, Ordnung zu schaffen angesichts einer unübersichtlichen und geradezu explodierenden Wissensfülle. 

Und was wäre eine Wissenschaft ohne Ordnung?!