radioWissen - Bayern 2   /     Das Geschenk - Die Magie der Überraschung

Description

Zu den unterschiedlichsten Anlässen kommen Geschenke zum Einsatz: Ob Geburtstag, Weihnachten, Hochzeit - die Kultur des Schenkens hat eine lange Tradition und viele Gesichter: Geschenke können erfreuen, aber auch unter Druck setzen. (BR 2018) Autorin: Veronika Wawatschek

Subtitle
Duration
00:22:10
Publishing date
2023-12-05 11:32
Link
https://www.br.de/mediathek/podcast/radiowissen/das-geschenk-die-magie-der-ueberraschung/2087212
Contributors
  Veronika Wawatschek
author  
Enclosures
https://media.neuland.br.de/file/2087212/c/feed/das-geschenk-die-magie-der-ueberraschung.mp3
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Shownotes

Zu den unterschiedlichsten Anlässen kommen Geschenke zum Einsatz: Ob Geburtstag, Weihnachten, Hochzeit - die Kultur des Schenkens hat eine lange Tradition und viele Gesichter: Geschenke können erfreuen, aber auch unter Druck setzen. (BR 2018) Autorin: Veronika Wawatschek

Credits
Autor/in dieser Folge: Veronika Wawatschek
Regie: Sabine Kienhöfer
Es sprachen: Ruth Geiersberger, Michael Hafner
Technik: Christiane Gerheuser-Kamp
Redaktion: Bernhard Kastner

Im Interview:
Frank Adloff (Professor);
Holger Schwaiger (Dr.);
Friedrich Rost (Dr.)

Wir freuen uns über Feedback und Anregungen zur Sendung per Mail an radiowissen@br.de.

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Das vollständige Manuskript gibt es HIER.

Lesen Sie einen Ausschnitt aus dem Manuskript:

MUSIK: Melodie „Morgen Kinder“ unterlegen

Kinderstimmen:

Ich mag Nikolaus am liebsten, weil der bringt immer Geschenke. // Ich mag des Christkind am liebsten, weil des Geschenke bringt // Mein schönstes Geschenk war der Bauernhof // Mein schönstes Geschenk war, wo wir in Zirkus Krone gegangen sind.

1. ZSP – Friedrich Rost 

Der Reiz des Schenkens, das Besondere, was Weihnachten eben grade durch das Schenken ausmacht, der hat uns alle seit frühester Kindheit gepackt und wir kommen praktisch nicht von ihm los. Es hat eben eine Magie, einen Zauber, eine Hektik, die nur einmal im Jahr sozusagen wirklich nur in dieser Kulmination auftritt.

SPRECHERIN

… sagt Friedrich Rost. Der Erziehungswissenschaftler von der FU Berlin hat sich neben seiner pädagogischen Forschung viel mit der Kunst des Schenkens beschäftigt, mit diesem Zauber, der uns jedes Jahr vor allem zu Weihnachten in Kindheitserinnerungen schwelgen lässt, mit dieser so besonderen Stimmung, diesem Knistern, dieser Aufregung, dieser Vorfreude, bevor es dann endlich so weit ist: 

ATMO: Glöckchen

Kinderstimmen: 

Wenn man ne Glocke hört, dann weiß man, dass des Christkind da war. // Dann geh ich schnell die Treppe runter von unserem Kinderzimmer und will die Geschenke sehen, das Wohnzimmer ist dann voller Geschenke und alles glitzert …

SPRECHERIN

Keine Frage: Geschenke bekommen ist schön. Schenken macht Spaß - und zwar nicht nur zu Weihnachten. Auch wenn da am meisten Geld ausgegeben wird: Pro Kopf investieren die Deutschen laut Handelsverband Deutschland gut 450 Euro im Jahr in Weihnachtsgeschenke. Nicht immer erfolgreich:

Umfrage Teil 1: Kinder

Ich hab nicht immer gekriegt, was ich wollte. // Du musst Barbie sagen // Die Meerjungsfraubarbie hab ich nicht gekriegt!

SPRECHERIN

Der Wunschzettel ist kein Bestellschein und das Christkind bringt nicht immer das Ersehnte, wie eine Umfrage des Handelsverbands HDE von 2016 zeigt: So werden zwar häufig Uhren oder Elektrogeräte verschenkt, die finden sich aber nicht unter den Top Ten der beliebtesten Geschenke. Und statt der vielen Geschenkgutscheine unterm Christbaum hätte die Mehrheit der Deutschen lieber Geld.  

Umfrage Teil 2: Mein schlimmstes Geschenk

Das schlimmste Geschenk, was ich jemals bekommen hab, das waren tatsächlich Cowboystiefel. Ich war einige Wochen zuvor zu Besuch bei meiner Tante und genau die gleichen Stiefel hat mein Cousin mal geschenkt bekommen, auf jeden Fall standen die da sehr auffällig im Flur, hab die so in die Hand genommen, weil ich so erschrocken war, wie man so was tragen kann. Und hab dann zu meinem Cousin gesagt: Och, das ist ja schön, so ein Stiefel, wollt ich ein Kompliment machen, obwohl ich das überhaupt nicht so empfunden hab und dann hat er sich gedacht, er findet die Stiefel so toll, dann schenk ich ihm die Stiefel.

002  #00:00:17-

Das war wirklich sehr schlimm. Das war eine Plastiktüte, die uns an den Balkon gehängt wurde, dann hieß es, da ist das Weihnachtsgeschenk drin und es war eingeschweißtes Geräuchertes.

SPRECHERIN

Ja, Geschenke können gehörig schiefgehen, bestätigt der Erlanger Soziologe Holger Schwaiger. Er nennt das Schenken einen Akt der Kommunikation. Und wie jede Form der Kommunikation kann auch das Schenken misslingen oder gar noch Schlimmeres auslösen:

2. ZSP – Holger Schwaiger

Es ist in dem Sinne bei den archaischen Völkern oftmals davon gesprochen worden, das ist die Fortsetzung des Krieges mit anderen Mitteln, indem eben dann die Völker mit materiellen Geschenken so überhäuft wurden, dass sie überhaupt keine Chance mehr hatten, quasi eine Gegengabe zu geben, weil sie da einfach nicht mehr mächtig dazu waren.

SPRECHERIN

Im Alten Testament schenkt König David die Kriegsbeute seinen Freunden - zur Demonstration der eigenen Macht. Und auch in der griechischen Antike gaben Geschenke nicht nur Grund zur Freude: 

Als Paris in Homers Schilderungen Aphrodite einen goldenen Apfel schenkt mit der Aufschrift „für die Schönste“, zieht er den Zorn und Neid von Hera und Athene auf sich. 

Der Trojanische Krieg nimmt seinen Lauf. Und als Pandora verbotenerweise die ihr geschenkte Büchse öffnet, wird sämtliches Leid und Unheil über die Menschen gebracht. Warum also schenken wir überhaupt? Professor Frank Adloff von der Universität Hamburg antwortet mit einer ganz allgemeinen Beobachtung:

3. ZSP – Prof. Frank Adloff 

Jedenfalls ist die Gabe in allen Gesellschaften konstitutiv für das Soziale kann man sagen, also für den Zusammenhalt der Gesellschaft ganz zentral. 

SPRECHERIN

Der französische Soziologe Marcel Mauss bezeichnete die Gabe in seinem gleichnamigen Werk 1925 als eine Art ‚Gesellschaftsvertrag‘. Denn Geschenke können Frieden stiften oder bewahren, sie sind ein Zeichen der Freundschaft, der Solidarität oder des Interesses am Gegenüber - und sie kommen sogar im Tierreich vor: 

ATMO Vogelgezwitscher

SPRECHERIN

Laubenvögel in Australien beschenken ihre Partnerinnen beispielsweise mit einer Beere, wenn sie ihnen in ihren Liebespavillon gefolgt sind. 

Für das Turmfalkenweibchen gibt es beim Brüten eine Maus und welche Katze hat ihr Herrchen nicht schon mal mit einem toten Vogel vor der Terrassentür beglückt. Der Verhaltensbiologe Irenäus Eibl-Eibesfeldt vermutete, dass sich diese tierischen Geschenke aus dem Paarungsverhalten und aus der Fürsorge für den Partner entwickelt haben: Sie befrieden, helfen dabei, einen intimen Kontakt anzubahnen und stechen damit möglicherweise sogar Konkurrenten aus. 

TRENNER: WERBEMUSIK

SPRECHERIN

Ein Trick, auf den die Werbung bis heute setzt, wie der Berliner Erziehungswissenschaftler Friedrich Rost feststellt:

4. ZSP – Friedrich Rost 

Werbegeschenke haben ja das Ziel, jemanden für sich zu gewinnen oder an sich zu binden. 

SPRECHERIN

Diesen Mechanismus beobachtete auch der französische Soziologe und Anthropologe Marcel Mauss bei indigenen Völkern in Nordwestkanada oder auf Samoa. Frank Adloff, Professor für Soziologie und Sozialökonomie in Hamburg, hat sich eingehend mit dem Werk von Marcel Mauss beschäftigt: 

5. ZSP – Frank Adloff 

Wenn beispielsweise Gruppen aufeinanderstoßen und das ist tatsächlich das, was Marcel Mauss hauptsächlich in seinem Text geschrieben hat, die jetzt noch nicht eine gemeinsame Kultur haben oder nicht gemeinsame Normen haben, die sich noch nicht darauf verlassen können, dass Frieden herrscht. Da gilt die Gabe im Grunde als Eröffnungszeichen für Friedfertigkeit.

SPRECHERIN

Ein Beispiel dafür ist der sogenannte Kula-Ring auf den Tobriand-Inseln bei Papua-Neuguinea. Zwei Arten von Schmuckstücken, Halsketten und Armbänder, kursieren in entgegengesetzter Richtung zwischen den Inseln. Sie zeigen: Wir leben friedlich zusammen. 

Erst nach dem Überreichen dieser Schmuckstücke beginnt der Tausch von Gebrauchsgegenständen. Der Kula-Ring hat also die Basis für eine weitere Zusammenarbeit gelegt. Ganz anders dagegen ein Brauch beim nordwestamerikanischen Volk der Kwakiutl, der sogenannte ‚Potlatsch‘. In der Gegend um Vancouver und Seattle diente das Geschenk eher der Machtdemonstration:

6. ZSP Adloff 

Sie haben sich wechselseitig Dinge geschenkt, Schmuckstücke, Wertgegenstände und die Personen, die hinterher aussteigen mussten, die nicht weiterkonnten, die hatte sozusagen diesen Wettlauf verloren. 

SPRECHERIN

Ende des 19. Jahrhunderts verbot die kanadische Regierung den Potlatsch. Das ursprünglich spirituelle Ritual war zu einem Wettkampf des Schenkens verkommen – zu einem Kampf mit friedlichen Mitteln. Die Machtfrage wird hier nicht mit Waffengewalt ausgetragen, sondern mit immer üppigeren Geschenken. Nur wer etwas übrighat, kann geben. Geschenke können so ein Machtgefälle ausdrücken, Zeichen der Überlegenheit, aber auch Zeichen der Unterwerfung und Huldigung sein.

MUSIK : Wir kommen daher aus dem Morgenland

SPRECHERIN

Sie ist eine der bekanntesten Schenk-Geschichten der Bibel, an die Kinder bis heute rund um den Dreikönigstag am 6. Januar erinnern: 

Als der Stern den Weisen aus dem Morgenland die Geburt eines Königs verkündet, machen sie sich auf den Weg zu dem Baby, das da so ärmlich in Windeln gewickelt in einer Futterkrippe liegt - edle Geschenke im Gepäck: Gold, Weihrauch und Myrrhe als Zeichen dafür, wer der wahre König ist, sagt Friedrich Rost:

7. ZSP – Friedrich Rost 

Die haben ja Gaben gebracht, die auf die Einzigartigkeit dieses Kindes hinweisen und die sehr wertvoll sind, die Symbolik darin liegt ja, dass weltliche Herrscher sich dem geistlichen Führer unterwerfen und dieses mit Geschenken tun, das war wirklich ein Akt des Respekts und der Unterwerfung und dementsprechend hat das eine hohe Symbolkraft. 

SPRECHERIN

Opfergaben oder Geschenke der Hingabe finden sich in vielen Religionen, stellt der Soziologe Holger Schwaiger fest. Dahinter stecke die Idee:

8. ZSP – Holger Schwaiger:

Der Mensch ist den Göttern oder seinen Gottheiten dadurch, dass er auf der Erde leben kann oder das Leben geschenkt bekommen hat, ist er ihnen auch etwas schuldig, etwas zurückzugeben und nachdem der Gott nicht so präsent ist wie der Nachbarsjunge haben sich eben Kulte um das Schenken entwickelt, dass man eben auf diese Art und Weise den Gottheiten etwas zurückgeben kann.

SPRECHERIN

Das Leben als das größte Geschenk, das der Mensch bekommen kann und das ihn zu Dankbarkeit verpflichtet: Ob Opfer, Spenden oder Almosen - immer verbunden waren diese Kulte mit der Hoffnung, dass solche Gaben den Weg ins Paradies erleichtern - und nebenbei auch das Zusammenleben auf Erden.

ZITATOR

"Was immer du auf Erden verschenkst, es wird dich in den Himmel begleiten."

SPRECHERIN

… heißt es im Koran und in den Sprüchen Salomos ist im Alten Testament zu lesen:

ZITATOR

"Wer Geschenke gibt, hat alle zu Freunden." 

SPRECHERIN

‚Geschenke erhalten die Freundschaft‘, heißt es im Volksmund. ‚Brot und Spiele‘ - auf dieses Motto setzten auch Herrscher lange Zeit - die Loyalität des Volkes den Mächtigen gegenüber und im Kriegsfall verstand sich dann von selbst. Denn Geben und üppiges Schenken waren lange Zeit denjenigen vorbehalten, die mehr hatten als sie brauchten.

EVTL Flötenmusik / Barockmusik unterlegen

SPRECHERIN

Als Georg der Reiche im Jahr 1475 in Landshut Hedwig, die Tochter des polnischen Königs heiratet, isst und trinkt die ganze Stadt eine Woche lang auf Kosten des Herzogs. Und der österreichische Kaiser Franz Josef spendiert seinen Untertanen anlässlich seiner Hochzeit mit Sissi eine Amnestie für die Aufständischen von 1848. 

Auch heute noch versuchen Unternehmen mit einem großzügigen Weihnachtsgeld, Gewinnbeteiligungen oder anderen Vergünstigungen ihr Ansehen bei ihren Mitarbeitern oder in der Öffentlichkeit zu steigern. Geschenke können gefügig machen - aber nach Meinung des Hamburger Soziologen Frank Adloff handelt es sich bei solchen Zweckgaben nicht mehr um wahre Geschenke:

9. ZSP – Frank Adloff 

Wenn man das so in diese Haltung hineingibt, ich gebe, damit du gibst, do ut des, dann annulliere ich die Gabe eigentlich auch, weil dann ist es schierer Eigennutz.  

SPRECHERIN

Die Gabe an sich ist nämlich qua definitionem an keine Bedingung geknüpft. Der Brockhaus spricht von einem Geben ohne die Erwartung einer Gegenleistung. Ähnlich sieht es auch die deutsche Rechtsprechung:

10. ZSP – Frank Adloff 

Im bürgerlichen Gesetzbuch gibt es Passagen, in denen festgelegt ist, was ein Geschenk ist und da ist es beispielsweise so, dass es eine unentgeltliche Übertragung von Eigentum ist. Also ich gebe etwas, ohne etwas dafür zu bekommen.

SPRECHERIN

Wenn aber Firmen großzügig an bestimmte Parteien spenden, Pharmaunternehmen Ärzte in teure Hotels zu Tagungen schicken und Journalisten, die sich zum Essen einladen lassen, wohlwollende Restaurantkritiken verfassen, sind das nach den Worten des Erlanger Soziologen Holger Schwaiger keine Geschenke mehr. Bei solchen Wohltaten fehle ein ganz wesentlicher Aspekt:

11. ZSP – Holger Schwaiger 

Korruption ist kein Geschenk. Ein Geschenk zeichnet sich in unserer heutigen Gesellschaft mal ganz banal und für jeden erkenntlich dadurch aus, dass zumindest mal ne Verpackung drum ist. Dass vielleicht eine Schleife, eine Widmung und ähnliches drum ist. Und genau das ist ja bei der Korruption nicht der Fall. 

SPRECHERIN

Denn diese Geschenke stehen einem guten Miteinander eher im Weg. Echte Geschenke sind seiner Meinung nach dagegen für das gesellschaftliche Zusammenleben von einer immensen Bedeutung:

12. ZSP – Holger Schwaiger

Auf diese Weise lässt sich eben sehr viel an Emotion ausdrücken, in der Beziehung zwischen Schenker und Beschenktem. Weil das Schenken ist im Prinzip eine Kommunikation der Liebe. Und Liebe ist einfach bedingungslos, das ist das vorteilhafte daran. 

SPRECHERIN

Geldgeschenke können für Holger Schwaiger deshalb nicht im engeren Sinne zu den Geschenken gezählt werden. 

13. ZSP – Holger Schwaiger 

Weil, wenn es sich um eine emotionale Form der Kommunikation handelt, kann man nicht sagen: Weißt du was, liebes Gegenüber, meine Beziehung zu dir, zwischen der Oma und mir beispielsweise ist 50 Euro wert. Das gibt es nicht, eine Beziehung ist nicht Geld wert, meines Erachtens.

SPRECHERIN

Schnell wäre man dann seiner Meinung nach auch einem gewissen Rechtfertigungsdruck ausgesetzt:

14. ZSP – Holger Schwaiger 

Dann kann man eben nicht sagen: Meine Beziehung zu dir ist 30 Euro wert und letztes Jahr hast du mir 50 Euro geschenkt, hat sich denn unsere Liebe oder unsere Beziehung abgekühlt?

SPRECHERIN

Außerdem gehe die persönliche Note verloren, also genau das, was ein Geschenk eigentlich ausmache, und es würden sich viel grundsätzlichere Fragen stellen:

15. ZSP – Holger Schwaiger 

Die Personalisierung ist beim Geldgeschenk aufgehoben, mit der Begründung: Du kannst dir jetzt was kaufen, was dir gefällt, schließlich weiß ich nicht, was dir gefällt. Und da muss man natürlich fragen: Wenn ich schon nicht weiß, was dir gefällt? Was ist denn dann unsere Beziehung wert? Also wenn ich mich von einem Partner schon so weit entfernt habe, dass ich gar nicht mehr weiß, was ihm gefallen würde, dann ist möglicherweise die Beziehung schon in einem ganz anderen Status, als dass man sich noch viel schenken kann.

SPRECHERIN

Was also macht ein gutes Geschenk aus? 

Umfrage #00:00:11-3# 

Das schönste Geschenk, was ich je gekriegt hab, war zu meinem 18. Geburtstag, ein Ring, der zusammengeschweißt war aus den Eheringen meiner Eltern. Das war bedeutungsvoll und extrem wichtig für mich. 

001 #00:00:16-2# 

Das war tatsächlich, dass mein Großvater meiner Schwester mal Inliner geschenkt hat und ich, glaub ich, ziemlich traurig danebengestanden hab, weil ich mir das auch sehr gewünscht hab und eine Woche später kam er dann und hat mir dann auch ein Paket überreicht, wo diese Inliner drin waren und weiß auch, dass ich in Tränen ausgebrochen bin, das war das Allergrößte, es war wirklich das größte Geschenk, was er mir machen konnte. 

#00:02:46-8# 

Es muss persönlich sein, es muss von Herzen kommen, ich glaub, es hat nichts mit Geld zu tun, es hat nichts mit Wert zu tun, der Wert ist glaub ich eher emotionaler Natur und ich glaub, das macht ein gutes Geschenk auch aus.

SPRECHERIN

Helmut Kohl hat einmal ein Trimm-Dich-Fahrrad bekommen. Für Angela Merkel gabs beim Antrittsbesuch des französischen Premierministers Francois Fillon 2007 ein Buch über Radioaktivität und Bundeskanzler Gerhard Schröder schenkte George W. Bush eine Motorsäge als „Geschenk unter Männern“ - solche Staatsgeschenke sagen oft mehr über den Schenker aus, denn über den Beschenkten. Friedrich Rost:

17. ZSP – Friedrich Rost 

Heute wird wahrscheinlich jeder aus seiner Alltagserfahrung heraus sagen, dass das Geschenk gelungen ist, was beim Gegenüber ankommt, was ihm Freude macht und diese Freude spiegelt sich zurück auf denjenigen, der das Geschenk gegeben hat.  

SPRECHERIN

Klar ist: Zum Schenken gehören immer zwei.

Umfrage #00:02:09-0# 

Die erste Regel meines Vaters war: Schenke nur, was du gerne behalten möchtest, das heißt, was er damit sagen wollte: du verschenkst das an jemanden anderen, was du letztendlich, wenn du es dann hast, auch gerne haben würdest, weil es dann so gut und so wichtig ist, dass du dir viele Gedanken darüber gemacht hast.   

#00:01:56-0# 

Das beste Geschenk, was ich verschenkt hab, das ist Zeit: Zeit verschenken, das mach ich immer mal gerne, grad mit den Patenkindern von mir. Die bekommene Zeit und dann machen wir einfach einen ganz tollen Tag.

SPRECHERIN

Früher ging es vor allem um den Willen des Schenkers, heute steht eher der Wunsch des Beschenkten im Vordergrund: Womit kann ich meinem Gegenüber eine Freude machen? Heute soll ein Geschenk persönlich sein, aber nicht einen bestimmten Zweck verfolgen – so die landläufige Meinung. 

18. ZSP – Friedrich Rost 

Wenn mit dem Geschenk signalisiert wird: Du musst dich ändern! Du bist nicht perfekt, das ist natürlich eine Aussage, die nicht dem Sinn des Schenkens entspricht. 

SPRECHERIN

Also kein Hometrainer, um den Ehemann zum Abspecken zu bewegen und auch kein Matheübungsbuch für den Sohn, der sich beim Rechnen schwer tut. Darüber hinaus haben sich eine ganze Reihe weiterer Normen rund ums Schenken entwickelt, wie Holger Schwaiger ausführt:

19. ZSP – Holger Schwaiger 

Man nimmt das Geschenk und schenkt es normalerweise nicht weiter und schenkt es auch nicht zurück, was zum Beispiel in archaischen Gesellschaften durchaus üblich war. Und man tauscht dieses Geschenk auch nicht um. (…) Und es gibt noch weitere Gebote, wie das Schenken ablaufen soll. Zum Beispiel ist natürlich auch Dank und Freude ein besonderer Faktor, der das Schenken immer begleitet. Es gibt nichts Ungewöhnlicheres, als wenn man sich für ein Geschenk nicht bedankt. Jeder sagt zu seinen Kindern, wenn das Kind etwas geschenkt bekommt: Hast du auch artig danke gesagt? 

SPRECHERIN

Die Frau freut sich wirklich über diesen ganz besonderen Seidenschal, die Großeltern schauen sich das Fotoalbum der Enkel immer und immer wieder an und die Schwester strahlt übers ganze Gesicht, als sie die eigens für sie angefertigte Kette umlegt. Auch wenn die Tendenz zu immer mehr Gutscheinen geht, für den Soziologen Holger Schwaiger macht das Materielle, das was man auspacken und in der Hand halten kann gerade den besonderen Reiz am Schenken aus: 

20. ZSP – Holger Schwaiger Geschenke, Materielles bleibt

Ein Geschenk hat einen Wert, es ist ein Gegenstand in der Regel. Der ist nicht flüchtig im Gegensatz zu Worten, zum Blick und so weiter. Dadurch, dass das Geschenk immer da ist und eine Art Erinnerungsfunktion oder Souvenircharakter hat, dadurch werde ich immer an diese Botschaft, die mit dieser Kommunikation übertragen wird, „ich hab dich lieb“, „ich habe Sympathie für dich“, „ich mag dich“, diese Botschaft kann nicht einfach weggewischt werden wie Worte die einfach verhallen.

SPRECHERIN

Geschenke können Zeichen sein, die überdauern: Ob es sich nun um den Ring am Finger handelt, der die Liebe auch dann noch symbolisiert, wenn die gerade im Alltag auf Eis gelegt scheint. Ob es das Sofa der Oma ist, das bleibt, auch wenn die Oma längst gestorben ist. Oder ob dadurch Politik sichtbar wird: sei es durch die Freiheitsstatue vor Manhattan, die Frankreich den USA zur Besiegelung der Unabhängigkeit von Großbritannien schenkte oder den Panda-Bären, den China Taiwan 2008 schenkte, um das gegenseitige Verhältnis zu verbessern. Geschenke sind weit mehr wert, als der Wert, den ihnen das Preisschild beimisst.

21. ZSP Adloff 

Ich würde sagen: Ohne Gabe kein Zusammenleben. Also meine These ist im Grunde immer, dass jede Form von Sozialität, dass jedes sich aufeinander einlassen, ob das nun die kleinste Interaktion ist oder auch größere gesellschaftliche Zusammenhänge darauf beruhen, dass wir bereit sind, uns zu öffnen, dem anderen etwas zu geben und auch ein Risiko einzugehen. Es gibt immer einen Moment der Bedingungslosigkeit im Sozialen. Wir können nicht davon ausgehen, dass immer schon klar ist, dass ich etwas zurückbekomme. Wir können nicht davon ausgehen, dass die Normen schon alles regeln.  Oder dass aus eigenem Interesse heraus die Welt funktioniert. Sondern ohne dieses Moment des Überschusses, der Bedingungslosigkeit kann das eigentlich überhaupt gar kein verlässliches Zusammenleben geben. 

MUSIK drunter und fade out: Morgen, Kinder, werden wir uns freuen!