radioWissen - Bayern 2   /     Unsere Luft - Was in ihr steckt

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Die Luft, die uns auf der Erde umgibt, ist ein Gasgemisch und unerlĂ€sslich fĂŒr jedes Leben. Frische Luft ist sauerstoffreich, farb- und geruchsfrei. Aber vor allem in den StĂ€dten sind neben Sauerstoff, Stickstoff und den anderen natĂŒrlichen Bestandteilen auch Schadstoffe in der Luft. Autorin: Katrin Kellermann

Subtitle
Duration
00:23:01
Publishing date
2023-12-21 03:00
Link
https://www.br.de/mediathek/podcast/radiowissen/unsere-luft-was-in-ihr-steckt/2087895
Contributors
  Katrin Kellermann
author  
Enclosures
https://media.neuland.br.de/file/2087895/c/feed/unsere-luft-was-in-ihr-steckt.mp3
audio/mpeg

Shownotes

Die Luft, die uns auf der Erde umgibt, ist ein Gasgemisch und unerlĂ€sslich fĂŒr jedes Leben. Frische Luft ist sauerstoffreich, farb- und geruchsfrei. Aber vor allem in den StĂ€dten sind neben Sauerstoff, Stickstoff und den anderen natĂŒrlichen Bestandteilen auch Schadstoffe in der Luft. Autorin: Katrin Kellermann

Credits
Autor/in dieser Folge: Katrin Kellermann
Regie: Anja Scheifinger
Es sprachen: Christian Baumann, Berenike Beschle, Katja Schild
Technik: Susanne Harasim
Redaktion: Iska Schreglmann

Im Interview:
Dr. Susanne Rehn-Taube, Kuratorin Chemie, Deutsches Museum MĂŒnchen;
Prof. Annette Peters, Epidemiologin, LMU MĂŒnchen & Institutsleiterin Helmholtz Munich, war als Expertin an den Luftschadstoff-Richtlinien der WHO beteiligt;
Prof. Mark Wenig, Physiker LMU MĂŒnchen;
Dr. Stefan Gilge, Zentrum fĂŒr Medizin-Meteorologische Forschung des Deutschen Wetterdienstes in Freiburg

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Literaturtipps:

„Staub. Alles ĂŒber fast nichts“, Jens Soentgen, dtv Verlag.

„Ein Meer von Luft: Eine Naturgeschichte der AtmosphĂ€re“, Gabrielle Walker, Berlin Verlag 2007.

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Das vollstÀndige Manuskript gibt es HIER.

Lesen Sie einen Ausschnitt aus dem Manuskript:

Collage Windhauch / Atem / Pusten / Klangspiel

O-Ton Luft 1 Rehn-Taube 00:26

„Also Luft merkt man natĂŒrlich nur dann nicht, wenn es wirklich komplett windstill ist. Und sobald ich draußen bin, spĂŒre ich die Luft. Es gibt Wind, es gibt auch Unterdruck, dann ist die Luft auch TrĂ€ger von Wasserdampf, also wenn es Nebel gibt, das wĂ€re ohne Luft auch nicht möglich, und spĂ€testens, wenn einem die Luft mal ausgeht, merkt man natĂŒrlich auch, dass da vorher was war, was man unbedingt gebraucht hat. 

Sprecher: 

Chemikerin Dr. Susanne Rehn-Taube kuratiert die Chemie-Ausstellung im Deutschen Museum in MĂŒnchen. Sie zeigt auf ein riesiges Periodensystem der Elemente. Diese Liste kennen viele aus dem Chemiebuch, allerdings nimmt sie im Museum eine komplette WandflĂ€che ein. Lila, rot und blau leuchtende Tafeln stellen die verschiedenen chemischen Elemente dar. 

O-Ton Luft 2 Rehn-Taube 00:35

„Bei der Luft ist es sehr spannend, weil sie zum grĂ¶ĂŸten Teil tatsĂ€chlich aus reinen Elementen besteht. Und zwar: Der Hauptbestandteil der Luft ist ja der Stickstoff, zu etwa 78 Prozent, und Stickstoff ist ein Element, das ist ein ElementmolekĂŒl aus zwei Stickstoffatomen, und der andere große Bestandteil der Luft ist der Sauerstoff, also auch ein Element, besteht auch aus ElementmolekĂŒlen. Wenn man im Periodensystem ganz nach rechts geht, das sind die Edelgase. Und zwar haben wir in der Luft ungefĂ€hr, nicht ganz, ein Prozent Argon “ 

Sprecher: 

Das Periodensystem dient heute vor allem der Übersicht. Historisch war es fĂŒr die Vorhersage zur Entdeckung neuer Elemente und deren Eigenschaften von besonderer Bedeutung. Heute wissen wir, dass die Luft ein Gemisch aus verschiedenen Gasen und damit verschiedenen Elementen ist. Ein Blick in die Wissenschaftsgeschichte zeigt, dass Naturforschende Jahrtausende lang eine ganz andere Idee hatten. 

Musik Mystic 2 (LĂ€nge: 1ÂŽ00ÂŽÂŽ) unter:

Sprecherin: 

Die Luft selbst sei ein einziges, ganzes und unteilbares Element, ein so genannter Urstoff, so die antike Vorstellung. Der griechische Philosoph Empedokles formulierte die Vier-Elemente-Lehre, wonach Feuer, Wasser, Erde und Luft ewig existent und unverĂ€nderlich seien und unterschiedlich gemischt die gesamte lebende Welt abbilden könnten. Diese Überzeugung fand ihren Platz in der Alchemie des spĂ€ten Mittelalters bis hinein in die frĂŒhe Neuzeit.

Musik-Akzent

Sprecher: 

Erst im ausgehenden 18. Jahrhundert beginnen Gelehrte und Naturforscher, sich fĂŒr gasförmige Stoffe zu interessieren: 

O-Ton Luft 3 Rehn-Taube 00:33

„Ein ganz einfacher Versuch: Man nimmt einen abgeschlossenen Glaskolben oder - wie so eine KĂ€seglocke eigentlich - und verbrennt darin eine Kerze. In dieser Glaskuppel geht sie nach wenigen Sekunden aus. Dann liegt natĂŒrlich schon nahe, dass da etwas in der Luft ist, was aber nicht unendlich vorhanden ist, also was eben aus geht nach einer gewissen Zeit. Und dann kann man tatsĂ€chlich auch dieses Luftgemisch vorher wiegen, nachher wiegen, und kann feststellen, aha, da wurde ein Teil der Luft verbraucht. Und diese Forscher in dieser Zeit wurden sehr neugierig und wollten genau wissen, was hat das damit auf sich.“ 

Musik Mystic 2  (LÀnge: 0Ž47ŽŽ) unter:

Sprecher: 

Mehrere Forscher machten zur selben Zeit im 18. JH Àhnliche Experimente und kamen dabei dem Element Sauerstoff auf die Spur: Der deutsch-schwedische Apotheker Carl Wilhelm Scheele nannte seine Entdeckung Feuerluft. Auch der englische Philosoph und Theologe Joseph Priestley ('Dschoussiff (ss=weich) 'Prihstli (s=scharf)) isolierte diese neue Luft und erkannte deren Besonderheit: So wird er oft mit den Worten zitiert, dass diese Art Luft: 

Sprecherin: 


 fĂŒnf Mal besser zum Atmen und zum Verbrennen sei als normale Luft. 

Sprecher: 

Um ihre Beobachtungen zu erklÀren, zogen sie die damals vorherrschende so genannte Phlogiston ('Flohgistonn)- Theorie heran.  

M Celestial Map (LÀnge: 0Ž33ŽŽ) unter: 

Sprecherin: 

Nach dieser Vorstellung entweicht allen Materialien bei der Verbrennung eine flĂŒchtige Substanz, ein geheimnisvoller Feuerstoff mit dem Namen Phlogiston, vom griechischen Wort fĂŒr „verbrannt“. Die Luft wird nach und nach mit dem Phlogiston angereichert, bis sie kein weiteres mehr aufnehmen kann. Diese neue Art Luft, in der eine Kerze nun besonders gut brennt, mĂŒsste also von Natur aus wenig oder gar kein Phlogiston enthalten.   

O-Ton Luft 4 Susanne Rehn-Taube 00:35 

„Da hat sehr vieles sehr gut zusammengepasst. Also im Sinne von ich entwerfe eine wissenschaftliche Theorie, die viele PhĂ€nomene richtig erklĂ€rt, da war die Phlogiston-Theorie eigentlich sehr gut. Doch gewisse Dinge waren dann doch nicht so wie nach der Phlogiston-Theorie vorhergesehen: Wenn ich jetzt zum Beispiel Eisen verbrenne, ist das Produkt Eisenoxid aber schwerer, wie wir heute wissen, weil es mit dem Sauerstoff der Luft reagiert hat. Da hat man sich beholfen, ah Phlogiston hat vielleicht eine negative Masse, also, wenn es entweicht, ist es dann hinterher schwerer. Aber das waren so große SchwĂ€chen dieser Theorie.“ (bleibt mit der Stimme oben, bitte stimmlich abnehmen!)

Sprecher:

Die bessere - noch heute gĂŒltige – Theorie formulierte der französische Naturforscher Antoine Laurent de Lavoisier (Atto'ann (A=nasal) Lo'ra Lawwoa'sje (s=weich)), der oft als Vater der Chemie bezeichnet wird: 

O-Ton Luft 5 Susanne Rehn-Taube 00:19

„Lavoisier war derjenige, der gesagt hat, nein, wir haben es hier mit dem Element Sauerstoff zu tun, Phlogiston-Reaktion gibt es nicht. Auch die Namensgebung, oxygen, also die Benennung des Elements Sauerstoff, ist sein Verdienst. Und dass es sich um chemische Reaktionen handelt: Eine Verbrennung ist eine Oxidation - das ist tatsĂ€chlich auf ihn zurĂŒckzufĂŒhren.“ 

Sprecher: 

Mit einer Reihe von Versuchen hat er also bewiesen, dass sich bei einer Verbrennung der Ausgangsstoff mit dem Sauerstoff aus der Luft verbindet. Mit der so genannten Oxidationstheorie deutete er nicht nur die VorgÀnge bei der Verbrennung, sondern auch die bei der alkoholischen GÀrung und bei der Atmung.  

Sprecherin:

Heute wissen wir: Ohne das Element Sauerstoff, das in der Luft als zweiatomiges kleines Teilchen, als 02-MolekĂŒl, als so genannter molekularer Sauerstoff, enthalten ist, wĂŒrde Feuer nicht brennen und Eisen nicht rosten. Und viele Lebewesen, darunter wir Menschen, könnten nicht existieren.

Musik Hitze Into the Fire (LÀnge: 0Ž28ŽŽ) unter:  

Sprecher:

Die junge Erde vor etwa 4,5 Milliarden Jahren: Eine glĂŒhende Kugel aus Gestein, umgeben von heißen und teilweise Ă€tzenden Gasen. Dazu ein sehr hoher Gehalt an Kohlendioxid, Wasserdampf und Methan. Lebewesen wie wir wĂ€ren in der Ur-AtmosphĂ€re erstickt. 

M Aid convoy (LĂ€nge: 0ÂŽ30ÂŽÂŽ) unter:

Erst Milliarden Jahre spĂ€ter bildete sich die LufthĂŒlle der Erde in der Zusammensetzung, wie wir sie heute kennen. Der Wendepunkt ging von winzigen so genannten Cyanobakterien aus. Sie sind derart klein, dass ein einziger Wassertropfen Milliarden davon enthalten kann. Und sie waren die ersten, die durch Photosynthese Sauerstoff produziert haben. 

Sprecherin: 

Zur Erinnerung: Die Photosynthese ist ein biochemischer Vorgang, der in einigen Bakterien und vor allem in grĂŒnen Pflanzen stattfindet. 

Dabei nimmt die Pflanze aus ihrer Umgebung Wasser und Kohlenstoffdioxid auf. Mithilfe der Energie des Sonnenlichts stellt sie dann den fĂŒr ihr Wachstum notwendigen Zucker her. Als Abfallprodukt entsteht Sauerstoff.

O-Ton 6 Luft Rehn-Taube 00:23

„Und dieser Sauerstoff hat sich quasi auch ungebremst angereichert, weil es gab ja noch keine Tiere, die das hĂ€tten weg atmen können ((sozusagen)) und dadurch hat sich die AtmosphĂ€re sehr stark verĂ€ndert. Und da kann man durch Untersuchung von Gestein, also geologisch, verschiedene Schichten sehen, wo man nachweisen kann, dass der Sauerstoffgehalt der Luft mal höher und mal niedriger war.“ 

Sprecher: 

Erst im Laufe der Evolution haben sich Lebewesen an eine sauerstoffhaltige Umgebung angepasst. Denn Sauerstoff ist hochreaktiv und musste erst in lebenskompatible Bahnen gelenkt werden. Mit der Zeit hat sich dann ein Gleichgewicht zwischen der Produktion von Sauerstoff durch Photosynthese und dem Verbrauch durch atmende Lebewesen eingestellt. Man vermutet, dass der Sauerstoffgehalt etwa seit 350 Millionen Jahren auf dem heutigen Niveau liegt. 

Atmo Aus- und Einatmen 

Sprecherin: 

Die Lungenatmung beim Menschen: Bei einem Atemzug wird etwa ein halber Liter Luft in die Lunge gesaugt. Bei rund 20 000 AtemzĂŒgen pro Tag also mindestens 10 000 Liter Luft. Über die LungenblĂ€schen findet der Gasaustausch statt, Kohlendioxid wird abgegeben und Sauerstoff ins Blut aufgenommen. Es sind die roten Blutkörperchen mit ihrem Farbstoff HĂ€moglobin, die den Sauerstoff binden und durch die Adern zu jeder Zelle des Körpers transportieren. 

O-Ton 7 Luft Annette Peters 00:21

„In den Zellen wiederum gibt es die Mitochondrien. Das ist ein kleines Zellorganell, das darauf spezialisiert ist, aus dem Sauerstoff ĂŒber die Freisetzung von Sauerstoff-Radikalen Energie zu machen. Das heißt, der Sauerstoff ist unsere Energiequelle.“     

Sprecher: 

So die Medizinprofessorin Annette Peters. Entscheidend ist die Dosis: Zu wenig Sauerstoff in der Atemluft fĂŒhrt zu Bewusstlosigkeit und Tod durch Ersticken, aber zu viel wĂ€re auf Dauer ebenso lebensfeindlich. Zwar kommt reiner Sauerstoff heute beispielsweise in der Notfallmedizin kurzzeitig zum Einsatz, dennoch: Die Luft unserer Erde wird erst durch den zweiten Hauptbestandteil, dem trĂ€gen Stickstoff, zu einer fĂŒr uns guten Luft: 

O-Ton 8 Luft Rehn-Taube 00:39

„Der ist auch chemisch sehr unreaktiv, deswegen heißt er auch Stickstoff, weil er alles erstickt, weil ((sozusagen)) keine Atmung und keine anderen chemischen Reaktionen damit möglich sind. Das ist auch ganz wichtig fĂŒr uns, dass die Luft so viel Stickstoff enthĂ€lt, weil wenn wir einen höheren Sauerstoffanteil hĂ€tten, dann wĂŒrde alles viel schneller rosten, unsere Haut wĂŒrde kaputt gehen. Es gab auch mal so eine Zeit, so Ende der Kreidezeit, als der Sauerstoffanteil in der Luft höher war, da kann man sich dann vorstellen, da gibt‘s viel schneller BrĂ€nde, WaldbrĂ€nde und so etwas, weil die Luft einfach viel reaktiver ist, dadurch, dass der Sauerstoffanteil höher ist.“ 

Musik Ice Sphere (LĂ€nge: 0ÂŽ37ÂŽÂŽ) unter:

Sprecherin: 

Neben den drei Hauptbestandteilen Stickstoff, Sauerstoff und Argon machen andere Gase nur einen geringen Anteil in der Luft aus. Sie werden demnach als Spurengase bezeichnet. Dazu gehören die Edelgase Neon, Helium Und Krypton. Auch das vielzitierte Kohlenstoffdioxid, kurz Kohlendioxid oder CO2, das bei der Atmung und jeder Verbrennung entsteht, und fĂŒr den Treibhauseffekt, den natĂŒrlichen und den menschengemachten, verantwortlich ist, betrĂ€gt nur 0, 04 Prozent. Allerdings spielt es in der höheren AtmosphĂ€renchemie eine entscheidende Rolle. 

Musik Bioreactor (LĂ€nge: 1ÂŽ00ÂŽÂŽ)

Sprecher: 

Neben verschiedenen Gasen finden sich in jedem Liter Luft tausende Partikel. Feste und flĂŒssige, unterschiedlicher Natur, Herkunft und GrĂ¶ĂŸe. Einige sind natĂŒrlichen Ursprungs wie Staub aus der Sahara, Pollen oder Rußpartikel von WaldbrĂ€nden oder VulkanausbrĂŒchen. Aber die wichtigste Ursache fĂŒr dicke Luft ist der Mensch. Denn alle unsere modernen Feuer, die im Heizungskeller, im Kraftwerk, in den Industrieanlagen oder in den Motoren produzieren neben Kohlendioxid auch Feinstaub und Abgase. Je nach Wetterlage, Tages- und Jahreszeit ergeben sie eine mehr oder weniger toxische Mischung, sagt die 

Epidemiologin und Luftschadstoff-Expertin Annette Peters: 

O-Ton 9 Luft Annette Peters 00:18

„Die Luft ist ein ganz ganz komplexes Gemisch und auch die Partikel und die Gase sind nicht statisch. Das heißt, die reagieren miteinander, die Gase kondensieren auf den Partikeln. Die Zusammensetzung der Partikel ist auch fĂŒr die Schadwirkung verantwortlich.“ 

Sprecher: 

Forschende sprechen manchmal von der „Suppe“, um damit auszudrĂŒcken, wie unterschiedlich die Bestandteile sind, die - beispielsweise in der Stadtluft - zusammenkommen und gleichzeitig ein neues Ganzes bilden.

Atmo Stadtverkehr vorhanden?

O-Ton 10 Luft Mark Wenig 00:22

„Jetzt hĂ€lt hier gerade ein Bus, je nachdem ob das ein Elektrobus ist oder ein Diesel 
 vom GerĂ€usch her ist es glaub ich kein Elektro, genau! So Busse oder auch LkW, die emittieren sehr viel mehr als ein PKW, also insofern wird jetzt gerade die Belastung wahrscheinlich etwas höher sein als normal.“

Verkehrsatmo 

Sprecherin: 

SpĂ€ter Mittwochnachmittag im Herbst. Bushaltestelle Maxvorstadt in der MĂŒnchner Innenstadt: Professor Mark Wenig vom Meteorologischen Institut der Ludwig-Maximilians-UniversitĂ€t MĂŒnchen misst die LuftqualitĂ€t. Dazu hat er eine unauffĂ€llige graue Box hinter dem BushĂ€uschen installiert

O-Ton 11 Luft Mark Wenig 00:35 

„Die Luft wird hier ĂŒber diesen Schlauch eingesaugt und dann da drin analysiert, so dass man dann auf die einzelnen Gase schließen kann
 hauptsĂ€chlich Stickstoffdioxid, es wird aber auch Ozon gemessen, Co2 und Feinstaub. Und dann haben wir hier oben noch so eine kleine Wetterstation, so dass wir auch wissen, von wo der Wind kommt. Und hier sind noch verschiedene GerĂ€te, die versuchen den Verkehr zu zĂ€hlen, dass wir halt wissen, wie viele LKW, wie viele Autos, wie viele Busse und so weiter vorbeigekommen sind, um das mit unseren Messungen zu korrelieren, so dass wir dann rauskriegen können, woher kommen ((eigentlich)) diese ganzen Schadstoffe, die wir jetzt gerade messen.“ 

Verkehrsatmo lebhaft 

Sprecherin:

Dass die Luft-Schadstoffe, vor allem Feinstaub und Stickoxide, in der Stadt hauptsĂ€chlich vom Straßenverkehr verursacht werden, ist bekannt. Doch Mark Wenig will herausfinden, unter anderem welche Fahrzeuge fĂŒr welchen Ausstoß verantwortlich sind. Seine Erkenntnisse sind wichtig, denn Luftverschmutzung ist eine ernstzunehmende Gesundheitsgefahr. 

Sprecher: 

Zwar ist der Mensch an ein Leben in einer staubigen Umgebung angepasst. Die Atemwege - Nase, Mundhöhle, Rachen - filtern den gröbsten Dreck aus der Luft, aber der so genannte Feinstaub lĂ€sst sich davon nicht aufhalten. Professorin Annette Peters leitet den Lehrstuhl fĂŒr Epidemiologie an der Medizinischen FakultĂ€t der Ludwig-Maximilians-UniversitĂ€t MĂŒnchen und ist Direktorin des Instituts fĂŒr Epidemiologie bei Helmholtz Munich. Seit mehr als dreißig Jahren erforscht sie die Auswirkung von Luftschadstoffen und nennt eine Zahl von weltweit sieben Millionen TodesfĂ€llen pro Jahr: 

O-Ton 12 Luft Annette Peters 00:40

„Wir wissen heute, dass Feinstaub nicht nur die Lunge krank macht, sondern auch Herz-Kreislauf-Erkrankungen auslösen kann. Es trĂ€gt zu einer Verschlechterung von Diabetes bei und wir haben auch festgestellt, dass es Auswirkungen auf das Gehirn gibt. Sowohl bei alten Menschen, d. h. man findet, dass neurodegenerative Erkrankungen hĂ€ufiger auftreten, wenn eine jahrelange hohe Belastung vorlag, als auch bei Kindern, da haben zum Beispiel Kollegen aus Spanien zeigen können, dass die GedĂ€chtnis- oder DenkfĂ€higkeiten bei diesen Kindern verĂ€ndert waren.“

M Light reflex (LÀnge: 0Ž41ŽŽ) unter: 

Sprecher:  

Im Blickpunkt der Forschenden ist aktuell der so genannte Ultrafeinstaub. Bisher ist die Studienlage noch dĂŒnn, aber sicher ist: Je kleiner, desto gefĂ€hrlicher. Denn diese ultrafeinen Partikel können ĂŒber die LungenblĂ€schen bis ins Blut gelangen. Und einmal in der Blutbahn, erreichen sie alle Organe des Körpers, darunter auch das Gehirn. 

Sprecherin: 

Zudem schweben sie oft wochenlang umher. Die grĂ¶ĂŸeren Partikel dagegen sinken nach und nach zu Boden und kleben dort fest, erklĂ€rt Physiker Mark Wenig:  

O-Ton 13 Luft Mark Wenig 00:21

„Beim Feinstaub zum Beispiel kann es auch einfach ausregnen. Also da gibt es verschiedene Prozesse, die natĂŒrlich dafĂŒr sorgen, dass die Luft so langsam wieder sauberer wird. Wenn der Wind stĂ€rker ist, ist die Luft automatisch sauberer. Weil saubere Luft aus höheren Luftschichten mitreingewirbelt wird und somit auch die Schadstoffbelastung auch wieder geringer wird.“ 

Sprecherin: 

Je weniger Schadstoffe in der Stadtluft, umso besser fĂŒr die Bewohner. Wer sich eine gute Wohnlage mit sauberer Luft nicht leisten kann, ist auf den Gesetzgeber angewiesen. 

Sprecher: 

SiebenundfĂŒnfzig Messstationen betreibt allein das Bayerische Landesamt fĂŒr Umwelt in Bayern. So soll die LuftqualitĂ€t ĂŒberwacht und die Einhaltung der Grenzwerte ĂŒberprĂŒft werden. Durch LuftreinhalteplĂ€ne, die Ausweisung von Umweltzonen, vieldiskutierte Fahrverbote und den Einbau von Partikelfiltern beispielsweise ist die Luft in den bayerischen StĂ€dten in den vergangenen Jahrzehnten kontinuierlich besser geworden. Doch laut Weltgesundheitsorganisation reicht das fĂŒr einen konsequenten Gesundheitsschutz nicht aus. Sie empfiehlt einen Feinstaub-Grenzwert, der fĂŒnfmal niedriger ist als der derzeit geltende. Auf EU-Ebene wird jetzt ĂŒber eine VerschĂ€rfung der Grenzwerte verhandelt. 

Sprecherin: 

Epidemiologin Annette Peters war als Expertin an den WHO-Richtlinien beteiligt und sieht Handlungsbedarf: 

O-Ton 14 Luft Annette Peters 00:56

„Generell ist es leider so, dass ich persönlich wenig gegen die Belastung durch Luftschadstoffe machen kann. Wenn ich mich durch eine Maske schĂŒtzen möchte, wĂŒrde noch nicht mal die FFP-2 Maske helfen, die wir kennen, sondern ich mĂŒsste eine FFP3-Maske tragen, die aber nur im Arbeitsschutz zum Einsatz kommt. Und in der Tat ist es gar nicht gesund, diese Masken so lange zu tragen. Es gibt auch, gerade in sehr belasteten Regionen wie z. B. China, die BemĂŒhungen mit Luftreinigern. Aber damit kann ich ja auch nur die InnenrĂ€ume sĂ€ubern und damit habe ich große EinschrĂ€nkungen in der LebensqualitĂ€t, und auch zum Beispiel in der Möglichkeit, körperlich aktiv zu sein, Sport zu treiben. Das heißt, wir sind darauf angewiesen, dass die Luft in unseren StĂ€dten gut ist.“ 

Musik-Akzent oder Atmo Vögel-zwitschern

Sprecherin: 

Der Zusammenhang ist unstrittig: Je weniger Schadstoffquellen in der NĂ€he sind, desto besser die Luft. Demnach gibt es die beste Luft in der unberĂŒhrten Natur, beispielsweise in den Höhenlagen der Berge.   

Und „Gute Luft“ ist auch ein Wirtschaftsfaktor. Orte, die damit Werbung machen und Touristen anlocken wollen, können sich ihre LuftqualitĂ€t auszeichnen lassen. Doktor Stefan Gilge vom Zentrum fĂŒr medizin-meteorologische Forschung des Deutschen Wetterdienstes prĂŒft die Gutachten: 

O-Ton 15 Luft Stefan Gilge 00:42

„(Also) Es gibt verschiedene PrĂ€dikate, das bestimmt der deutsche HeilbĂ€derverband. Zum Beispiel ganz normale Luftkurorte, es gibt aber auch SeeheilbĂ€der oder heilklimatische Kurorte, wo dann noch strengere LuftqualitĂ€tsrichtlinien gelten. Es wurden Richtwerte festgelegt, die unter den gesetzlichen Grenzwerten liegen und damit ist sichergestellt, dass der Patient oder der erholungssuchende Urlauber in dem Kurort eine regelmĂ€ĂŸige bessere LuftqualitĂ€t vorfindet als in seinem Heimatort, um den Kurerfolg zu unterstĂŒtzen, weil Luft natĂŒrlich auch ein natĂŒrliches Heilmittel ist.“ 

Atmo Vögel-zwitschern

Sprecher:

Bewegung an der Luft hat viele positive Effekte. Wer nicht das GlĂŒck hat in einem Luftkurort zu wohnen, sollte nicht ausgerechnet neben einer vielbefahrenen Straße spazieren gehen. Zudem gilt, dass die Luft in den Morgenstunden oft noch besser ist als im Laufe des Tages. Im Sommer sollten empfindliche Menschen neben Feinstaub und Stickoxid unbedingt auch den Ozon-Gehalt im Blick behalten. StĂŒndlich aktualisierte Werte bieten viele Wetter-Apps oder auch die App „LuftqualitĂ€t“, die das Umweltbundesamt zur VerfĂŒgung stellt. 

Sprecherin: 

Annette Peters engagiert sich seit Jahrzehnten fĂŒr den Gesundheitsschutz. Sie betont, dass alle Maßnahmen zum Klimaschutz gleichzeitig unserer Luft zugutekommen: Denn ein verminderter Ausstoß von CO2 bedeutet ja auch, dass dann weniger Schadstoffe wie Feinstaub, Stick- und Schwefeloxide in die Luft geblasen werden. Und davon profitieren wir alle: Die Luft ist schließlich unser Lebenselixier: 

Collage nochmal?

O-Ton 16 Annette Peters 00:39 

„Wir brauchen saubere Luft zum Atmen, weil saubere Luft uns mit Sauerstoff versorgt auf der einen Seite, und zum anderen, die vielen Schadwirkungen, die Luftschadstoffe haben können, eben nicht hat. Und der dritte Grund: Wir brauchen saubere Luft, damit wir die Klimakrise meistern können. An Tagen mit hoher Hitzebelastung und an der Belastung durch Luftschadstoffe treten vermehrt TodesfĂ€lle auf und wir haben alle dann mit der Hitze und der schlechten Luft gleichzeitig zu kĂ€mpfen.“