radioWissen - Bayern 2   /     Programm-Ansagerinnen - Fernsehgesichter der ersten Stunde

Description

Sie wurden als "sprechende Visitenkarte" bezeichnet oder auch als "Gastgeberin": Seit den AnfĂ€ngen des Fernsehens stellten Programm-Ansagerinnen zu einen den Bogen her zwischen unterschiedlichen Programminhalten und ĂŒberbrĂŒckten zum anderen die zu Beginn des Fernsehens oft noch minutenlangen Umschaltzeiten. Autorin: Carola Zinner

Subtitle
Duration
00:23:49
Publishing date
2024-01-24 03:10
Link
https://www.br.de/mediathek/podcast/radiowissen/programm-ansagerinnen-fernsehgesichter-der-ersten-stunde/2089112
Contributors
  Carola Zinner
author  
Enclosures
https://media.neuland.br.de/file/2089112/c/feed/programm-ansagerinnen-fernsehgesichter-der-ersten-stunde.mp3
audio/mpeg

Shownotes

Sie wurden als "sprechende Visitenkarte" bezeichnet oder auch als "Gastgeberin": Seit den AnfĂ€ngen des Fernsehens stellten Programm-Ansagerinnen zu einen den Bogen her zwischen unterschiedlichen Programminhalten und ĂŒberbrĂŒckten zum anderen die zu Beginn des Fernsehens oft noch minutenlangen Umschaltzeiten. Autorin: Carola Zinner

Credits
Autorin dieser Folge: Carola Zinner
Regie: Sabine Kienhöfer
Es sprachen: Irina Wanka, Jenny GĂŒzel, Jerzy May
Technik: Regina Staerke
Redaktion: Iska Schreglmann

Im Interview:
Carolin Reiber, ehem. Ansagerin;
Sylvia BrĂ©cko, Kabarettistin, ehem. Ansagerin, Autorin der Magisterarbeit „Die Entwicklung der Fernsehansage im VerhĂ€ltnis zum Programmschema“ 

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Am 25. Januar 1949 wurde der Bayerische Rundfunk gegrĂŒndet. Seitdem ist viel passiert. Ein bunter Ritt durch 75 Jahre Programm fĂŒr Bayern:
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Das vollstÀndige Manuskript gibt es HIER.

Lesen Sie einen Ausschnitt aus dem Manuskript:

Musik: Z8036592105 Busy Busy 0‘7

ZUSPIELUNG 1 Collage

„Guten Abend, meine Damen und Herren...- verehrte Zuschauer!“

ERZÄHLERIN

Seit Beginn des Fernsehens gab es Ansagerinnen, die durch das Programm fĂŒhrten. Galt beim Radio anfangs noch der Grundsatz, mĂ€nnliche Stimmen seien seriöser und daher zu bevorzugen, drehte sich, als das Bild zum Ton kam, das VerhĂ€ltnis um. Gutaussehende Frauen wurden zum „Gesicht des Senders“, seine „sprechende Visitenkarte“.

ZUSPIELUNG 2 Brécko

Die allererste Fernsehansage gab es tatsĂ€chlich schon im MĂ€rz 1935 von der Ansagerin Ursula Patzschke-Beutel - die hat dann gleichzeitig auch den Hitlergruß mit versendet - 

ZITATORIN

„Achtung, Achtung! Fernsehsender Paul Nipkow. Wir begrĂŒĂŸen alle Volksgenossen und Volksgenossinnen in den Fernsehstuben Großberlins mit dem deutschen Gruß Heil Hitler!

ZUSPIELUNG 3 Brécko

Und im Dezember 1952 dann der offizielle Fernsehstart mit Ansagerin Irene Koss. 

ERZÄHLERIN

Die Schauspielerin und Kabarettistin Sylvia BrĂ©cko hat nicht nur selbst beim WDR als Ansagerin gearbeitet, sie verfasste auch mit ihrer Magisterarbeit ĂŒber die Entwicklung der Fernsehansage eine der wenigen wissenschaftlichen Arbeiten zum Thema. 

ZUSPIELUNG 4 Brécko

Anfangs dienten die Fernsehansagen dazu, die technisch notwendigen Umschaltzeiten zwischen den verschiedenen Sendern und auch Sendungen zu ĂŒberbrĂŒcken. Außerdem war sie Bindeglied zwischen dem Sender und am Zuschauer, sollte informieren und Geschmack machen auf das folgende Programm. Und sie sollte eine harmonische Überleitung bieten, was besonders wichtig war bei aufeinanderfolgenden gegensĂ€tzlichen Sendeformaten.

Direkt dran

ZUSPIELUNG 5 C. Reiber

So dass der Zuschauer sagte, ach, das mĂŒssen wir uns anschauen. Und, sicher, der Auftritt war auch nicht unwichtig. 

Musik: M0017532000 Prize winner 1      0‘10

AKZENT  Wiederkehrendes Signal / eine Art Kennung fĂŒr „Ansage“

ZUSPIELUNG 6 

„Bevor wir beginnen, ein kurzer Blick auf das, was wir Ihnen heute Abend bieten.“

(All diese eingestreuten Ansagen können als PUFFER dienen)

ZUSPIELUNG 7 C. Reiber 

Wie sieht die aus, was trĂ€gt sie fĂŒr eine Frisur? Was hat sie heute an? Das war schon alles wichtig, und das wussten wir auch. Und das war ja auch schön.

ERZÄHLERIN

Die Moderatorin Carolin Reiber, Jahrgang 1940, begann ihre Fernseh-Karriere als Ansagerin beim Bayerischen Rundfunk. Angefangen hatte alles mit einem munteren Interview Ende der 1950er Jahre, in dem die hĂŒbsche junge Frau von einem Aufenthalt in den USA erzĂ€hlte.

ZUSPIELUNG 8 C. Reiber

Daraufhin meinte der damalige Leiter der Abendschau, Heinz Böhmler, ach, die wĂ€re doch was. Und der ging zu meinen Eltern - ich sehe ihn noch im Wohnzimmer - und fragte meine Eltern, ob sie es erlauben wĂŒrden, wenn ich Ansagerin werden wĂŒrde. Wir sind ja mit 21 erst volljĂ€hrig geworden! Und meine Eltern meinten, naja, wenn sie ÂŽs kann, warum nicht. 

ERZÄHLERIN

Schließlich steht zu dieser Zeit „Ansagerin“ neben „Stewardess“ ganz oben auf der Liste weiblicher Traumberufe. Doch die Umsetzung dieses Wunsches gelingt nur den wenigsten, auch weil die Eltern fĂŒr solche „Flausen“ ihrer Töchter meist wenig VerstĂ€ndnis haben. Als „vernĂŒnftige“ weibliche Berufe gelten in Westdeutschland SekretĂ€rin, VerkĂ€uferin oder Krankenschwester, eine Anstellung in den BĂŒros von Ämtern, der Post oder der Bahn. Und fĂŒr so genannte „BĂŒcherwĂŒrmer“ kommt auch das Lehramt in Frage – was allerdings noch bis Mitte der 1950er Jahre zur Sackgasse werden kann, weil in vielen BundeslĂ€ndern die Frauen aufgrund des so genannten Lehrerinnenzölibats verpflichtet sind, bei einer Eheschließung, den Dienst zu quittieren. 

MUSIK: CD 965740020  Rumba Anna 0‘28 

Anmutung 50er Jahre

ERZÄHLERIN

Nach den Kriegsjahren, in denen Frauen hĂ€ufig in harten Knochenjobs die fehlenden MĂ€nner hatten ersetzen mĂŒssen, gilt es im Westdeutschland der 50er und 60er Jahre als Privileg, als Ehefrau nicht zur Arbeit gehen zu mĂŒssen, sondern sich mit aller Kraft um einen geordneten Haushalt und das Wohlergehen von Mann und Kindern kĂŒmmern zu können. 

Musik: M0017532000 Prize winner 1      0‘10

AKZENT  Wiederkehrendes Signal / eine Art Kennung fĂŒr „Ansage“

ZUSPIELUNG 9 Ansage b

Das Programm des Deutschen Fernsehens kommt heute vom SĂŒdwestfunk. Dazu begrĂŒĂŸen wir auch die Zuschauer des Österreichischen Fernsehens.  

ERZÄHLERIN

Auch die Fernsehansagerinnen passen in gewisser Weise ins Schema der 50er und 60er. Schließlich ist es ihre Aufgabe, den attraktiven Rahmen zu bilden fĂŒr die „gewichtigen“ Programminhalte, die fast ausschließlich von MĂ€nnern erstellt werden. Ansagerinnen machen es dem Publikum quasi in der „Guten Stube“ Fernsehen schon mal gemĂŒtlich, bevor man zum wichtigen Teil des Abends kommt. Es ist eine Rolle, die ihnen beim Publikum enorme PopularitĂ€t einbringt. 

ZUSPIELUNG 10 (Brécko)

In den 50ern waren sie regelrechte Stars. Alles, was die ersten Fernsehansagerinnen Irene Koss, Ursula von Manescul, Dagmar Bergmeister sagten, trugen und taten, war der Presse eine Schlagzeile wert. Sie waren die Gesichter des jeweiligen Senders.

ZUSPIELUNG 11 (Reiber)

Das war so, dass die Leute oft, was ich sehr lustig fand, wenn ich zu meinem Friseur ging, hat er mal wieder
 es kam wieder eine Kundin mit einem Bild von Ihnen „Ich möchte die Frisur haben!“ Aber das war ja ein Kompliment. Das war ja schön, wenn jemand sagt, ah, ich möchte genauso eine Frisur haben wie sie. 

ERZÄHLERIN

Die hohen GehÀlter allerdings, die man den Fernsehansagerinnen angesichts ihrer Prominenz oft unterstellt, existieren nur in der Vorstellung des Publikums. Carolin Reiber:   

ZUSPIELUNG 12 (Reiber)

Wir hatten ja alle einen Beruf noch nebenbei. Ja, ich war ja Auslandskorrespondentin dann, und die anderen waren Schauspieler, die Anneliese Fleyenschmidt war mit dem Schreiben beschÀftigt - also wir hatten alle unseren Nebenjob noch. Keine konnte davon leben.

ZUSPIELUNG 13 (von Aretin/ Kappelsberger/ Fleyenschmidt)

Dann kamen Briefe, gell: Was soll ich meine Tochter studieren lassen? - also um RatschlĂ€ge -  Ja, wir waren ja in der Familie drin / Was hat denn die fĂŒr eine Frisur – tĂ€t uns auch gefallen, oder gefĂ€llt uns ĂŒberhaupt nicht
 / Ich hab wahnsinnig viel Anrufe, Briefe gekriegt, das ging also an, ich hab meinen SchĂ€ferhund verloren, meine Tochter will Abitur machen, ich hab Schwierigkeiten in der Ehe, ich krieg keine Wohnung: ich hatte das GefĂŒhl, du wirst ein bisschen wie ein SozialbĂŒro auch – zu der haben wir Vertrauen, die gehört zu uns, die kennt ja viele Leute, die ist ja in der Öffentlichkeit, und die kann mir helfen. 

ERZÄHLERIN

Annette von Aretin, Anneliese Fleyenschmidt und Ruth Kappelsberger:  Pionierinnen der Fernsehansage beim Bayerischen Rundfunk. 

Musik: CD955450017 Wo rote Rosen blĂŒh’n 0‘42

Bei einem Treffen im Sommer 1992 schwelgten die drei in Erinnerungen an die aufregenden Anfangsjahre. Die drei waren bei einem Auswahlverfahren, das damals noch im Versuchsstudio in einem MĂŒnchner Blindenheim stattfand, aus hunderten von Bewerberinnen herausgefiltert worden, als der Sender 1954, knapp zwei Jahre nach dem bundesweiten Start des deutschen Fernsehens, ein eigenes Fernsehprogramm entwickelte. Am 6. November 1954 war es dann so weit: Annette von Aretin kĂŒndigte die erste Fernsehsendung aus Bayern an. 

ZUSPIELUNG 14 DK227700008 (Von Aretin – Start des BR-Fernsehens in der ARD) 

„Guten Abend, verehrte Zuschauer. Gestern konnten unsere Zuschauer uns zum ersten Mal sehen. Und heut dĂŒrfen wir uns Ihnen vorstellen: Der Bayerische Rundfunk im Deutschen Fernsehen. Von jetzt ab werden wir im Bereich des Senders Wendelstein unsere MĂŒnchner Abendschau tĂ€glich um 19 Uhr bringen und im Deutschen Fernsehen, also im Gemeinschaftsprogramm der Deutschen Rundfunkanstalten zwischen 20 und 22 Uhr, werden wir 5 oder 6mal in jedem Monat zu sehen sein. An den ĂŒbrigen Tagen wird das Programm von den Studios in Hamburg, Köln, Berlin, Frankfurt, Stuttgart und Baden-Baden bestritten. Wir begrĂŒĂŸen unsere Zuschauer von den Alpen bis zur Nordsee auf das herzlichste und ebenso unsere Kollegen auf den anderen Stationen. Und wir hoffen, dass Ihnen unser Programm gefĂ€llt! 

ZUSPIELUNG 15 (Aretin, 1992)  

Evtl. Diese Zuspielung in die Mitte der obigen Ansage setzen, nach „Deutschen Fernsehens“, anschließend dann mit der Ansage weiter bis „Programm gefĂ€llt“). Und, bitte, den kleinen (Fremd-) Schnaufer unter „panisch“ nach Möglichkeit rausfiltern. 

Ich war panisch. Und hab das Ganze eigentlich wie in Narkose abgewickelt. Und es hat kein Wort gefehlt, also es ging, nur diese Angst habŽ ich nie mehr verloren beim Ansagen.   

ERZÄHLERIN

Vielleicht liegt es an diesem permanenten Lampenfieber, dass die gelernte Fotografin, die bereits seit Ende der 40er Jahre in den verschiedensten Bereichen fĂŒr den Bayerischen Rundfunk arbeitet, nach einigen Jahren als erste der drei Kolleginnen wieder aus der Ansage aussteigt – Annette von Artin leitet fortan das BesetzungsbĂŒro des Hauses. Der Promi-Status beim Publikum bleibt ihr trotzdem erhalten, ist „unsere Annette“ doch festes Mitglied im Rateteam der deutschlandweit beliebtesten Fernsehsendung des Bayerischen Rundfunks.

ZUSPIELUNG 16 DK 398170 Thema „Was bin ich“ 0‘33

ERZÄHLERIN

„Was bin ich“ – DER Quotenrenner aus Bayern mit einer Einschaltquote von bis zu 75 Prozent. Das Team muss die Berufe wechselnder StudiogĂ€ste erraten, die auf Fragen ausschließlich mit „Ja“ oder „Nein“ antworten dĂŒrfen – wobei sie vom „Gastgeber“ Robert Lembke ebenso humorvoll und intelligent begleitet werden

MUSIK falls lang genug, nochmal hoch

ZUSPIELUNG 17 (Reiber)

Es war sozusagen das Highlight des Bayerischen Rundfunks. Da die ganze Nation zugeschaut.- Ich mein, mit Robert Lembke
.!

ERZÄHLERIN

Carolin Reiber erinnert sich noch genau an die große Aufmerksamkeit des Publikums fĂŒr die Ansagen vor Straßenfegern wie „Was bin ich“. Sprache, Kleidung, Haare: alle wurde genauestens registriert – und oft auch kommentiert.

ZUSPIELUNG 18 (Reiber) 

Die Kleider waren schon ein Problem: Es war ja erst mal alles Schwarz-Weiß. Und dann hatten wir einen Spind, ich hatte einen Schrank, da hing etwas in Tracht, etwas fĂŒr Trauer und etwas fĂŒr Sport. Denn das Programm hat ja oft gewechselt. Und dann mussten wir schnell umdisponieren. Und dann hat mir eine Zuschauerin geschrieben, also Frau Reiber, die Sendung war ja ganz gut, aber ihre Bluse war ganz schön verknittert. Die war nicht gut gebĂŒgelt! 

ZUSPIELUNG 19 (Fleyenschmidt) 

Wir konnten einen Pullover auf drei verschiedene Arten tragen. Denn konntest Du einmal linksrum, einmal rechtsrum, einmal mit nem BlĂŒschen drunter, einmal mit ner Brosche hin, und dann sagten Leute: Die hat jeden Tag was anderes an.  

ERZÄHLERIN

So Anneliese Fleyenschmidt. In welchem Outfit die Ansagerinnen auf dem Bildschirm erscheinen, interessiert auch die Kolleginnen brennend, die in den anderen Sendeanstalten auf die nĂ€chste Schalte warten. Dezent soll die Kleidung sein, gepflegt und ein bisschen vornehm – wenn man da nicht gerade ein Dirndl trĂ€gt wie etwa Carolin Reiber vom  Bayerischen Rundfunk gelegentlich, kann es leicht mal zu Überschneidungen kommen.     

ZUSPIELUNG 20 (Reiber) 

An einem Abend, das wird ich nie vergessen: MĂŒnchen mit der tollsten Ansage fĂŒr „Was bin ich?“, dann WDR Claudia Dorn, dann
: viermal, und wir hatten alle das Gleiche an: einen beigen Twinset mit einer Perlenkette. Das war ein Halleluja! Das Gleiche passierte dann auch natĂŒrlich mit den Frisuren. Da kam die Zeit der PerĂŒcken, die Zeit der großen Haarteile. Und ich kann mich noch erinnern, da hatten wir dann mal einen Kommentar: Jetzt wĂ€chst die Frisur aus dem Bildschirm! 

ZUSPIELUNG 21 (Fleyenschmidt, Kappelsberger)

Die Leute waren auf das Fernsehen wirklich wild. Die drehten um 5 Uhr den Knopf auf und blieben bis 10 dran. Drum hab ich immer gesagt: Die kommen an unserem Kopf gar nicht vorbei. Die drehten auf und dann waren wir da. Aber auf der anderen Seite war man ewig auf dem PrĂ€sentierteller – also ich habe meinen ersten Schock gekriegt, ich hab meinen Wagen abends in die Werkstatt gefahren zur Inspektion – und da war die Putzfrau da und schaut – GrĂŒĂŸ Gott – GrĂŒĂŸ Gott – sind Sie die vom Fernsehen? – Ja
 - Nu, auf dem Bildschirm sind se aber auch scheener! 

ERZÄHLERIN

Weil das Fernsehen in den Anfangsjahren ausschließlich schwarz-weiß ausgestrahlt wird, mĂŒssen Anneliese Fleyenschmidt, Ruth Kappelsberger und Annette von Aretin immer wieder fĂŒr maskenbildnerische Experimente herhalten. Denn in Schwarzweiß wirkt beispielsweise ein roter Lippenstift nicht unbedingt rot. Aber ein blauer vielleicht
?   

ZUSPIELUNG 22 (v. Aretin, Fleyenschmidt)

Da sind wir mit blauen Lippen – da hieß es, roter Lippenstift wirkt schwarz – mit hellblauen Lippen haben wir lieblich gesĂ€uselt. / Wenn wir die allererste Zeit nehmen, da waren nur Experimente; da hat der Kameramann experimentiert, der Redakteur hat experimentiert, wir haben experimentiert, das Licht hat experimentiert – wir waren eigentlich selig, wenn wir auf dem Schirm waren und nicht gewackelt haben. 

Musik: M0017532000 Prize winner 1      0‘10

AKZENT Wiederkehrendes Signal / eine Art Kennung fĂŒr „Ansage“

ZUSPIELUNG 23 Ansage e „Im Telezoo
 “ 

ZITATOR

31. Sitzung des Fernseh-Ausschusses des Rundfunkrates des Bayerischen Rundfunks. Behandelte Tagesordnung:

Das Problem der Ansage - GesprÀch mit den Ansagerinnen - 

Reportage der MĂŒnchner Abendschau ĂŒber das Eheseminar in Landau

Das Aufzeichnungsverfahren 

(Kursives verschwindet in Blende)

ERZÄHLERIN

Das Protokoll einer Sitzung vom 19. Dezember des Jahres 1955: sechs Herren und eine Dame vom Rundfunkrat und vom Sender beratschlagen, wie es mit der Fernsehansage weitergehen soll. DafĂŒr sind GĂ€ste geladen.

ZITATOR 

„Der Vorsitzende begrĂŒĂŸt die Damen von Aretin, Fleyen-Schmidt und Kappelsberger, mit denen man sich heute einmal gemeinsam ĂŒber das Problem der Ansage unterhalten wolle. 

ERZÄHLERIN

So richtig begeistert scheinen die Sitzungsteilnehmer von den Ansagen nicht zu sein; Fernsehen gilt im Gegensetz zu Radio immer noch als leicht unseriös. Und Damen, so prominent im Programm? 

ZITATOR

Pfarrer Hildmann wirft zunĂ€chst die Frage auf, wozu ĂŒberhaupt eine sichtbare Ansage gebraucht werde. () Ob nicht die Sendungen selbst so stark sein sollten, dass sie den Kontakt schaffen?“ 

ZUSPIELUNG 24

Werbespot zur RundfunkgebĂŒhr mit Ruth Kappelsberger

„Verehrte Zuschauer
 und Sie kriegen bestimmt ganz was Schönes!“

Musik: Z8036592105 Busy Busy 0‘5

ZITATOR

Die Damen von Aretin, Fleyen-Schmidt und Kappelsberger berichten aus der Praxis ihrer AnsagetĂ€tigkeit. SelbstverstĂ€ndlich können sie zu den Sendungen keine persönliche Meinung Ă€ußern, doch seien ihnen kleine Änderungen im Text der Ansage gestattet. Herr MĂ€rker bezweifelt, dass die Erscheinung der Ansagerin den persönlichen Kontakt stĂ€rke. Andererseits wĂ€re eine Ansage ohne persönliche Erscheinung der Ansagerin auch nicht das rechte; doch solle das Bild der Ansagerin auf dem Schirm zwischen Großaufnahme und Aufnahme aus der Entfernung wechseln. Dr. MĂŒnster erklĂ€rt die derzeitigen Großaufnahmen der Ansagerin mit den Raumschwierigkeiten: im Studio II könne man durch die Beengtheit des Raumes die Distanz fĂŒr ein Ÿ Bild eigentlich nicht gewinnen.   

ZUSPIELUNG 25 (Aretin, Fleyenschmidt)

Wir saßen in einem wirklich 12-Quadratmeter-Raum, hier saß der mit den Nachrichten, der immer Dienst gehabt hat, da saß die Ansagerin, und da saß jeweils der berĂŒhmte Gast. Und wenn man nicht dran war, ist man unter der Kamera rausgeschlichen, ganz leise, ist in den Regieraum – ist es in Ordnung so? Also es war wirklich eine lustige Akrobatik. / Wir waren in dem Studio, das war eine Baracke und es war sehr heiß, und es war Sommer. Und oben auf der Baracke stand die Sonne, und wir hatten wahnsinnig starke Lichter, und die Lichter waren noch viel heißer als heute, man schwitzte also. Und wir waren die „Damen ohne Unterleib“, ja, man saß also da und redete. Und einer der Kameraleute, der sah, dass mir so warm war, und brachte also eine solche SchĂŒssel mit kaltem Wasser. Ich hatte also keine StrĂŒmpfe an, ich hab also die FĂŒĂŸe ins kalte Wasser, hab oben ganz fein weitergeredet. 

Musik: M0017532000 Prize winner 1      0‘10

AKZENT  Wiederkehrendes Signal / eine Art Kennung fĂŒr „Ansage“

ZUSPIELUNG 26 Ansage Konsalik-Roman – 

Der folgende Film
. wĂŒnschen Ihnen viel VergnĂŒgen 0ÂŽ13

ERZÄHLERIN 

Mit Beginn des Farbfernsehens 1967 beginnt ein neues Kapitel - mit neuen Experimenten. Die spĂ€tere Ansagerin Silvia BrĂ©cko preist sich glĂŒcklich, damals nicht schon dabei gewesen zu sein. 

ZUSPIELUNG 27 (Brécko) 

Denn da konnte deine Gesichtsfarbe sich wĂ€hrend einer Ansage ohne weiteres mehrmals von aschfahl ĂŒber grĂŒnlich-gelb nach knallrot Ă€ndern. Durch die technische Übertragung der Farbsignale in den drei Grundfarben kam es nĂ€mlich anfangs zu stĂ€ndigen Farbschwankungen auf dem Bildschirm. Das Farbfernsehen steckte halt noch in den Kinderschuhen.

ERZÄHLERIN

Allerdings steht auch nur in wenigen Haushalten schon einer der teuren Farbfernseher. Doch egal ob schwarzweiß oder bunt: auch in den wilden 70er Jahren gilt fĂŒr Fernsehansagerinnen, insbesondere fĂŒr die der ARD: ja nicht zu viel Sexappeal! Auch Moderatorinnen wie Carolin Reiber oder Petra SchĂŒrmann, die ehemalige Miss World, dĂŒrfen zwar im Regionalprogramm durchaus mal Bein zeigen. Als ARD-Ansagerinnen aber sind und bleiben sie die „Damen ohne Unterleib“. 

ZUSPIELUNG 28 (Brécko)

Das ZDF setzte nicht zuletzt durch den grĂ¶ĂŸeren Unterhaltungsanteil in seinen Programminhalten schon frĂŒher darauf, auch mal Totalen zu zeigen. Und die Privatsender sind natĂŒrlich gleich in die Vollen gegangen, mit DekolletĂ©, Kurven und langen Beinen. 

Musik: M0017532000 Prize winner 1      0‘10

AKZENT  Wiederkehrendes Signal / eine Art Kennung fĂŒr „Ansage“

ZUSPIELUNG 29 

Ansage Zur „Hallo-Elvis-Party erwarten Sie
. Gute Unterhaltung!“

Musik: M0035929101You dirt rat 0‘31

ERZÄHLERIN

Bereits ein Jahrzehnt, bevor ab 1984 die Privatsender mit ihrem – oft deutlich schrilleren Programm - den deutschen Fernsehmarkt eroberten, bemĂŒhten sich die Öffentlich-Rechtlichen um einen merklich lockereren Ton. Das galt auch fĂŒr die Ansagen: die Texte stammten zunehmend nicht mehr aus den Redaktionen, sondern wurden von den Ansagerinnen selbst verfasst – und von den Ansagern, denn zum festen Team der Fernsehsender gehörten nun auch MĂ€nner, die bisher nur in „ErnstfĂ€llen“ wie etwa dem Tod hochrangiger Politiker oder aber im Radio zum Einsatz gekommen waren. Auch sonst wurden die ÜbergĂ€nge  fließender, und die vertrauten Fernsehgesichter tauchten immer öfter außerhalb des gewohnten Studioumfelds auf: die gelernte Schauspielerin Ruth Kappelsberger etwa spielte hĂ€ufig in kleinen Heimatfilmen mit, wĂ€hrend die kurzhaarige blonde Hanni Vanhaiden vom NDR – Markenzeichen dicke Brille – eine Kindersendung moderierte und sich als SchlagersĂ€ngerin versuchte.

Musik: Vanhaiden „Ich bin die Mieze vom 1. Kanal“ 0‘15 

(nach Wahl, rechtzeitig ĂŒber Programmaustausch bestellen). Den 

Vanhaiden-Song „Ich bin die Mieze vom 1. Kanal“ finde ich nur auf Youtube, von wo man ihn im Rahmen der Produktion bitte runterziehen mĂŒsste)  

ERZÄHLERIN

Und Carolin Reiber macht deutschlandweit Fernseh-Karriere. Dabei hatte sie doch in ihrer Anfangszeit als Ansagerin fĂŒr ihr rollend-bayerisches „r“ oft heftige Kritik einstecken mĂŒssen.

ZUSPIELUNG 30 (Reiber)

Also zunĂ€chst haben sich vor allem die Hessen darĂŒber beklagt, was die MĂŒnchnerin da fĂŒr ein „r“ spricht. Aber: ich bekam es in den Griff, und nach einiger Zeit konnte ich nach Wunsch rollen oder nicht.    

ERZÄHLERIN

Und mit der ZDF-Sendung „Lustige Musikanten“, die sie ab 1978 moderiert wird das bayerische „R“ ohnehin zu ihrem ganz besonderen Markenzeichen. 

Musik: M0017532000 Prize winner 1      0‘10

AKZENT Wiederkehrendes Signal / eine Art Kennung fĂŒr „Ansage“

ZUSPIELUNG 31 

Ansage a: Ich begrĂŒĂŸe Sie sehr herzlich zu unserem Abendprogramm im Ersten! 

ERZÄHLERIN

Nach der EinfĂŒhrung der Privatsender, in denen Ansagen schon bald von Programmtrailer und Spots ersetzt wurden, ging auch bei den öffentlich-rechtlichen Sendern die Ära der Programmansagen langsam zu Ende. Leider, sagt Sylvia BrĂ©cko, die heute erfolgreich als Kabarettistin arbeitet. 

ZUSPIELUNG 32 (Brécko)

Weil die Fernsehansage zur Sender-Kennung beitrug. Gesichter, die man konkret mit einem Fernsehsender verbindet. Menschen, zu denen der Zuschauer eine Verbindung aufbaut. Außerdem hatte die Fernsehansage Tradition. Sie war von der ersten Fernsehstunde an dabei, und Traditionen zu pflegen schadet oft nicht. 

Musik: C1582090108 The Bat Swing (A) 0‘40

ERZÄHLERIN

Das letzte Ansage-Wort bei den Öffentlich-Rechtlichen, sieht man einmal vom Kultursender Arte und von ARD alpha ab, wo man gelegentlich noch heute auf diese Art der ProgrammprĂ€sentation zurĂŒckgreift, gehörte – Zufall oder nicht – einem Mann. Mit der PrĂ€sentation des Silvesterprogramms 2004 durch DĂ©nes Törzs vom NDR ging die Ära der Fernsehansage zu Ende.