In einem kleinen italienischen Dorf nördlich von Bergamo fĂ€ngt alles an. Von dort stammt die Familie der Tasso, die schon bald hinaus in die Welt strebt und ab 1490 die ersten internationalen Postverbindungen in Europa betreibt. Die ?Thurn und Taxis?, wie sie sich spĂ€ter nennen, legen den Grundstein fĂŒr das internationale Postwesen. Autor: Martin Schramm
In einem kleinen italienischen Dorf nördlich von Bergamo fĂ€ngt alles an. Von dort stammt die Familie der Tasso, die schon bald hinaus in die Welt strebt und ab 1490 die ersten internationalen Postverbindungen in Europa betreibt. Die ?Thurn und Taxis?, wie sie sich spĂ€ter nennen, legen den Grundstein fĂŒr das internationale Postwesen. Autor: Martin Schramm
Credits
Autor dieser Folge: Martin Schramm
Regie: Christiane Klenz
Es sprachen: Andreas Neumann, Rahel Comtesse, Jerzy May
Technik: Wolfgang Lösch
Redaktion: Andrea BrÀu
Im Interview:
Dr. Martin Dallmeier. Historiker, ehemaliger Direktor des Regensburger Thurn & Taxis-Archivs;
Dr. Peter Styra, Historiker, Leiter des FĂŒrst Thurn und Taxis Zentralarchivs
Literaturtipp:
Eine fundierte, sehr umfangreiche wissenschaftliche Darstellung der Thematik mit vielen Quellen und Illustrationen:
Behringer, Wolfgang: âThurn und Taxis. Die Geschichte ihrer Post und ihrer Unternehmen.â MĂŒnchen/ZĂŒrich 1990.Â
Linktipp:
Eine virtuelle Ausstellung der Museumsstiftung Post und Telekommunikation:
Franz von Taxis und die Erfindung der Post | Museum fĂŒr Kommunikation NĂŒrnberg
EXTERNER LINK | https://www.mfk-nuernberg.de/erfindung-der-post
Wir freuen uns ĂŒber Feedback und Anregungen zur Sendung per Mail an radiowissen@br.de.
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Das vollstÀndige Manuskript gibt es HIER.
Lesen Sie einen Ausschnitt aus dem Manuskript:
MUSIK 1 (96239280101 Eric Terwillliger: Improviation ĂŒber Till Eulenspiegel fĂŒr Horn solo 0â10)
MUSIK 2 (M0010633020 Marc Marder: Innocent Games 0â37)
ZITATOR (Q: Johann Jacob Moser, 1742, S.262)
âEs bleibet also das formliche Postwesen allerdings eine Taxische Erfindung, welche gantz erstaunliche Folgen nach sich gezogen und die Welt in manchen Sachen fast in einen andern Model gegossen hat [âŠ] und ist es zwar jetzso so leicht nachzumachen wie die Schiffahrt dem Columbo; wer weiĂ aber, ob die Welt nicht noch eben so lang als zuvor wĂŒrde gestanden seyn, ohne von den Posten oder America etwa zu erfahren, wenn kein Taxis und kein Columbus gekommen wĂ€re?â
SPRECHER
Columbus, der Entdecker der neuen Welt -
SPRECHERIN
Familie Taxis, die BegrĂŒnder der modernen Post.
SPRECHER
Zumindest Johann Jacob Moser, immerhin der fĂŒhrende Reichspublizist des 18. Jahrhunderts, stellt beide fĂŒr ihre Verdienste auf eine Stufe.
SPRECHERIN
Fest steht aber auch: Nicht nur die Welt hat von der Post profitiert. Auch die Familie âThurn und Taxisâ. Das Schicksal der âThurn und Taxisâ ist untrennbar verbunden mit dem Aufbau eines völlig neuen Kommunikationsnetzes, um Botschaften von A nach B zu bringen.Â
MUSIK 3 (96239280101 Eric Terwilliger: Improviation ĂŒber Till Eulenspiegel fĂŒr Horn solo 0â10)
ZITATOR
Die âInitialzĂŒndungâ - oder: Von Stafetten und Felleisen
MUSIK 4 (Fantasia XI fĂŒr Laute 0â38)
SPRECHER
Angefangen hat alles in einem kleinen italienischen Dorf - in Cornello, nördlich von Bergamo. Ein Dorf so klein, dass man es selbst heute noch nicht mit dem Auto erreicht.
SPRECHERIN
Aus diesem kleinen Nest stammt die Familie Tasso, die sich bereits im 12. Jahrhundert auf den Kurierbereich spezialisiert hat - und schon bald hinaus in die Welt strebt.
SPRECHER
Die Tasso dienen u.a. der Republik Venedig als verlÀssliche Boten in politischen Missionen.
SPRECHERIN
Um 1490 - in einer Zeit voller UmbrĂŒche â legen die Tasso schlieĂlich die Basis fĂŒr ein Familienunternehmen, das in der obersten Liga mitspielen wird: FĂŒr das spĂ€tere âImperiumâ der âThurn und Taxisâ. Peter Styra, Leiter des FĂŒrst Thurn und Taxis Zentralarchivs in Regensburg:
01-O-TON Styra
âEs ist also kurz vor 1500. Wir sind in der Zeit kurz vor der Reformation. Wir sind in der Zeit ja, der Buchdruck ist gerade erfunden. Das heiĂt also auch die Bildung stellt sich auf neue Beine. Wir sind in der Zeit der deutschen ersten Hochfinanz, mit den Fuggern und Welsern - also eine Zeit, in der sehr, sehr viel passiert. Also, die Renaissance bricht an. Es ist eine völlig neue Konzeption in ganz Europa. Es ist eine komplette Umstellung. Das einzige, was tatsĂ€chlich noch fehlt, ist eine gut funktionierende, und möglichst schnelle und zuverlĂ€ssige Kommunikationseinrichtung.â
SPRECHERIN
Vor allem fĂŒr die MĂ€chtigen der Zeit ist die von zentraler Bedeutung. Z.B. fĂŒr König Maximilian I. - dem spĂ€teren Kaiser Maximilian.
SPRECHER
Der hatte ein aufkommendes Weltreich zu regieren - u.a. mit dem im Nordwesten etwas abgelegenen Burgund. Von seiner Residenzstadt aus in Innsbruck war das aber gar nicht so einfach zu bewerkstelligen. Der Kaiser brauchte daher dringend eine schnelle, verlÀssliche Post:
02-O-TON Styra
âDa mĂŒssen Reichsteile verbunden werden, und der Kaiser möchte immer informiert werden, egal, wo er ist, ob er jetzt gerade in Spanien ist oder in Frankreich ist oder in England ist oder Italien ist oder in Innsbruck zu Hause. Er braucht Boten, als er braucht Informationen - und er holt sich tatsĂ€chlich diesen Francesco Tasso an seinen Hof nach Innsbruck und gibt ihm den Auftrag, praktisch im im Jahr als sozusagen ja fast zum BeamtenverhĂ€ltnis, die Kaiserlichen Depesche von A nach B zu transportieren.â
MUSIK 5 (M0027373105 Gerd Baumann: Coyage Ă trois 0â41)
SPRECHERIN
Die Familie Taxis macht sich an die Arbeit â allen voran Franz von Tasso â und begrĂŒndet die âmoderne Postâ.
SPRECHER
Wie so oft in der Geschichte fangen aber auch die Tasso nicht bei Null an. Sie profitieren von dem, was andere bereits geleistet haben.
SPRECHERIN
Z.B. vom âStafettensystemâ. Das haben bereits die alten Römer entwickelt.
SPRECHER
Statt einen einzigen Boten fĂŒr eine Strecke tagelang reiten zu lassen, ist âTeamworkâ angesagt: Die Boten ĂŒbergeben ihre Ledertaschen, die sogenannten âFelleisenâ - nach dem französischen Wort Valise fĂŒr Koffer âjeweils nahtlos an den nĂ€chsten Boten. Vorgewarnt durch ein Hornsignal, kann sich der bereithalten.
ATMO POSTHORN
SPRECHERIN
Die Post wechselt so rund alle 30 km, spÀter sogar alle 15 km, zum nÀchsten Reiter mit frischem Pferd, und kommt ohne Unterbrechung viel schneller ans Ziel.
SPRECHER
Die dafĂŒr eingerichteten Wechselstationen hieĂen "Posta". Genau daraus leitet sich auch unser heutiges Wort "Post" ab.
MUSIK 6 (M0010633020 Marc Marder: Innocent Games 1â06)
SPRECHERIN
Franceso Tasso perfektioniert dieses System - und schafft es 1490 tatsĂ€chlich erstmals, eine Depesche von Innsbruck nach BrĂŒssel zu transportieren, in fĂŒnfeinhalb Tagen, wie von Maximilian gefordert.
SPRECHER
Es ist die âGeburtsstundeâ, die âInitialzĂŒndungâ fĂŒr die internationale Post.
SPRECHERIN
In der Folge gelingt es den Tasso durch eine ganze Reihe von VertrĂ€gen, ihr Unternehmen immer weiter auszubauen. Sie arbeiten ab 1501 fĂŒr die Krone Spaniens und verlegen dazu ihre â heute wĂŒrde man sagen âFirmenzentraleâ - von Innsbruck nach BrĂŒssel, der Hauptstadt der damals spanischen Niederlande.
SPRECHER
Dort macht Francesco Tasso, - der sich schon bald âFranz von Taxisâ nennt - 1505 dann einen entscheidenden Schritt: Er schlieĂt einen auĂergewöhnlichen Vertrag mit König Philipp I. von Spanien.
SPRECHERIN
Einen gleichberechtigten Vertrag zwischen einem Staat und einem âfreien Unternehmerâ. Damals ein Novum.
SPRECHER
Mit diesem Vertrag beginnt der Siegeszug der Taxis. Denn Franz von Taxis wird dadurch nicht nur finanziell solide ausgestattet, er erhĂ€lt auch ungeahnte hoheitliche Rechte, die ihm ermöglichen, den Postdienst weitgehend unabhĂ€ngig vom Staat zu organisieren: u.a. das Recht, die Postbediensteten aufgrund von Verfehlungen gegen Weisungen des Oberpostmeisters zu bestrafen. AuĂerdem âdas Recht, jeden, der die Postbeförderung behindert oder die UnterstĂŒtzung verweigert, zur Duldung bzw. Zusammenarbeit zu zwingen.â usw.
SPRECHERIN
Diese rechtliche Sonderstellung sollte den Taxis im Postbereich bis ins 19. Jahrhundert erhalten bleiben.
SPRECHER
Und 1615 werden die Verdienste der Familie Taxis schlieĂlich belohnt, indem das Amt des kaiserlichen Generalpostmeisters zum erblichen Lehen erhoben wird â und zwar als âMannlehenâ wie auch als âWeiberlehenâ, wie das damals hieĂ. Auch Frauen konnten so also das Postunternehmen fĂŒhren.
SPRECHERIN
Die Taxis sitzen dadurch sicher im Sattel, niemand kann sie mehr verdrÀngen. Die Nachfolge durch die Generationen ist gesichert: Sie haben ein verbrieftes Monopol errungen.
SPRECHER
Mitte des 17. Jahrhunderts wollte man dann auch den Namen der Familie optimieren, hin zu einem Namen mit mehr âGlamourâ, einem Namen, der klangvoll genug wĂ€re, um damit in den Hochadel aufsteigen zu können.
SPRECHERIN
Denn die âTaxisâ galten eher als kleines Rittergeschlecht, das in den Kaufmannsstand gewechselt war. Ohne das wirklich beweisen zu können, behauptete man nun einfach, die Taxis wĂŒrden vom italienischen Adelsgeschlecht âdella Torreâ, abstammen. - Der Kaiser genehmigte die Ănderung und so entstand der klangvolle Name âThurn und Taxisâ.
MUSIK 7 (96239280101 Eric Terwillliger: Improviation ĂŒber Till Eulenspiegel fĂŒr Horn solo 0â10)
ZITATOR
Eine Familie setzt sich durch â oder: Von Netzwerken und Goldgruben
SPRECHER
Nicht alle erkennen die âMonopolstellungâ der Thurn und Taxisâschen Post an â auch wenn der Kaiser sie âverbrieftâ hat.
SPRECHERIN
Es gibt jede Menge Konkurrenten: UnzĂ€hlige FĂŒrsten- und HerzogtĂŒmer, ReichsstĂ€nde, StĂ€dte und Kaufmannschaften im Deutschen Reich wollen ebenfalls mitverdienen - und grĂŒnden ihre eigenen Landesposten, um der Reichspost der Thurn und Taxis Konkurrenz zu machen.
SPRECHER
Die ZĂŒnfte beauftragen beispielsweise gerne ihre fahrenden Gesellen.Â
SPRECHERIN
Im sĂŒddeutschen Raum haben u.a. die Metzger ein ausgeklĂŒgeltes Postsystem entwickelt. Die so genannte âMetzgerspost.â
SPRECHER
Um Vieh zu kaufen, ziehen die ohnehin ĂŒbers Land, haben Wagen und Pferde. Also gibt man ihnen gerne mal die Post mit.
MUSIK 8 (Z8036173101 Gerd Baumann & Gregor HĂŒbner: Octavio 0â51)
SPRECHERIN
Doch letztlich war so eine âMetzgerspostâ von eher lokaler Bedeutung. Die Strecke Innsbruck-BrĂŒssel oder Innsbruck-Rom konnten sie nicht bedienen.
SPRECHER
Und selbst die professionelle Boten-Konkurrenz hatte es letztlich schwer, dem internationalen Netzwerk der Thurn und Taxis etwas entgegenzusetzen. Vor allem, als ihnen der Kaiser um 1600 untersagte, eigenstÀndige Wechselstationen, sprich Poststationen, einzurichten. Ohne diese Stationen waren sie nicht konkurrenzfÀhig.
SPRECHERIN
Auch LĂ€nder wie Bayern wollten den Profit aus der Post lieber selbst einstreichen, als ihn den Thurn und Taxis zu ĂŒberlassen. - Martin Dallmeier - ehemaliger Direktor des Regensburger Thurn & Taxis-Archivs:
03-O-TON Dallmeier
âDass Private hier ein groĂe Einkommen anhĂ€ufen durch diesen Nachrichtenverkehr. Das war vielen Staaten schon natĂŒrlich ein Dorn im Auge. Bayern hat zum Beispiel 1697 versucht, eigene Post einzurichten unter Max Emanuel von Bayern - ist daran gescheitert.â
SPRECHER
Die Bayern hatten dem international agierenden Monopolisten âThurn und Taxisâ letztlich nichts entgegenzusetzen - , mit seinen unzĂ€hligen Poststationen und VertrĂ€gen - selbst mit den kleinsten Stadtstaaten z.B. in Italien - wie Venedig, Genua und Florenz.
SPRECHERIN
Die Thurn und Taxis ĂŒberlieĂen dabei nichts dem Zufall. Einer der SchlĂŒssel zu Ihrem Erfolg: Es waren Mitglieder aus dem eigenen âFamilienclanâ, die an entscheidenden Positionen des Unternehmens saĂen.
SPRECHER
Und es entstand ein loyales Netzwerk â mit â heute wĂŒrde man sagen âFranchisenehmernâ - um die stolze Zahl von ĂŒber 2500 Poststationen ĂŒberhaupt betreiben zu können. - Der Historiker Peter Styra:
04-O-TON Styra
âDas Postnetz aufzubauen bedeutete, durchs Land zu reiten, sich GasthĂ€user zu suchen, Wechselstation zu suchen. Die dortigen Besitzer möglichst eng zu verpflichten und am Gewinn zu beteiligen. Und dieses System funktioniert von 1500 bis 1867. Wichtig ist, dass man seine Leute bei der Stange hĂ€lt. NatĂŒrlich gab es da haufenweise Ărger. Was man aber damals schon gesehen hat, dass ĂŒber Generationen hinweg das oftmals die gleichen Familien gewesen sind. Also Generationen von Familien, die dieses Amt in ihrer Poststation an die Söhne und Enkel weitergeben, also ein relativ verlĂ€ssliches Netz.â
SPRECHER
Die Thurn und Taxis taten also etwas fĂŒr ihre Leute: sie bekamen Anerkennung und wurden gut bezahlt, ja konnten reich werden durch ihre Arbeit.
SPRECHERIN
Wurden aber auch nach strengen Kriterien ausgewĂ€hlt â und wenn nötig ĂŒberwacht:
05-O-TON Styra
âWir haben Visitationsberichte in der bayrischen Post, wo also genau untersucht wurde: Wie ist das Wirtshaus beieinander? Wie sind die Pferde? Ist es dort sauber. Kann man dort ĂŒbernachten, wie ist das Essen, also alles wird genau wie in einer Liste aufgefĂŒhrt. Wieviel Kinder hat er? Da steht alles drin. Also was fĂŒr eine soziale Kompetenz bringt er damit. Ist er mit seiner Frau gut oder ist Witwer oder ist sie allein? Wird genau untersucht. Also, man sucht versucht immer das Personal auch natĂŒrlich abzuchecken. Ob sie sowohl körperlich als auch geistig wie auch immer, ob sie in der Lage sind, das zu machen.â
SPRECHERIN
Doch gutes Personal bekam eben nur, wer seine Leute auch gut behandelt - und letztlich auch ĂŒberdurchschnittlich gut bezahlt hat.
SPRECHER
Was die Frage aufwirft: Wie genau haben nun eigentlich die Thurn und Taxis selbst ihr Geld verdient?
MUSIK 9 (M0027373106 Gerd Baumann: Rifiuto 0â45)
SPRECHERIN
Bereits kurz nach der Geburt des Unternehmens zeichnete sich ab, dass es um die Zahlungsmoral der MĂ€chtigen dieser Zeit nicht zum Besten bestellt war. Manche sind notorisch pleite, andere zahlen, wenn ĂŒberhaupt, erst mit reichlich VerspĂ€tung.
SPRECHER
Um die Ausgaben zu decken, das kostspielige Zustellungssystem aber auch zu expandieren, waren also neue, verlÀssliche Einnahmequellen gefragt.
SPRECHERIN
Die Zukunft lag daher in der Masse. Statt nur amtlich-kaiserliche Korrespondenz zu transportieren, öffneten die Postmeister bereits 1506 ihre Pforten fĂŒr private Kunden: Jeder, der zahlen konnte, war willkommen. Vor allem durch diese Einnahmen entwickelt sich das teure Postnetz zu einer wahren Goldgrube. Die Thurn und Taxis blieben den MĂ€chtigen so einerseits verbunden â zugleich aber auch freie Unternehmer.
SPRECHER
Egal ob Briefe, PĂ€ckchen, Pakete oder Geldkassetten. Transportiert wird alles. Schon bald auch Personen.
SPRECHERIN
Möglich wird das durch ein weiteres Novum: die Postkutsche. Sie macht es möglich, nicht nur Massensendungen und sperrige GĂŒter von A nach B zu bewegen - sondern auch Reisende.
MUSIK 10 (R0026990W02 Mozart: Divertimento fĂŒr Streicher D-Dur, Capella Istropolitana (007) 3.Satz: Presto 0â57)
SPRECHER
Auch prominente Zeitgenossen wie beispielsweise Wolfgang Amadeus Mozart. In einem Brief an seinen Vater schildert er 1780 eindrĂŒcklich, dass so eine Fahrt mit der Postkutsche offenbar alles andere als ein Luxusreise war:
ZITATOR W.A. Mozart (Q: Brief 8.11.1780)
âIch versichere Sie, daĂ keinem von uns möglich war nur eine Minute die Nacht durch zu schlaffen â dieser Wagen stöĂt einem doch die Seele heraus! â und die Sitze! â hart wie Stein! â von Wasserburg aus glaubte ich in der that meinen Hintern nicht ganz nach MĂŒnchen bringen zu können! â er war ganz schwielig â und vermuthlich feuer Roth â zwey ganze Posten fuhr ich die HĂ€nde auf dem Polster gestĂŒtzt, und den Hintern in lĂŒften haltend â â â doch genug davon, das ist nun schon vorbey! â aber zur Regel wird es mir seyn, lieber zu fus zu gehen, als in einem Postwagen zu fahren.â
SPRECHER
Zufriedene Kundschaft klingt anders. - Dabei ging es damals nicht nur um Komfort. Um auf Dauer Erfolg zu haben, war eine weitere Frage zentral: die nach der Sicherheit. FĂŒr die FahrgĂ€ste, das geladene Gut â aber natĂŒrlich auch fĂŒr das Personal selbst.
SPRECHERIN
Wirklich aktenkundig und dokumentiert sind erstaunlich wenige ĂberfĂ€lle auf die Post. Peter Styra:
06-O-TON Styra - ĂberfĂ€lle
âGrundsĂ€tzlich kann man sagen ich glaube, es war gefĂ€hrlicher, einen betrunkenen Postkutschenfahrer zu haben als einen RĂ€uber, der am StraĂenrand steht. Das war gefĂ€hrlicher. Aber natĂŒrlich gab es natĂŒrlich solche VorfĂ€lle, es gab ĂberfĂ€lle auf die Kutsche, aber die sind sehr selten. Ăberliefert sind einzelne FĂ€lle in jedem Jahrhundert, vor allen Dingen in Kriegszeiten. Also solche GroĂkatastrophen wie der dreiĂigjĂ€hrige Krieg waren auch fĂŒr die Post, fĂŒr die Reichspost, natĂŒrlich gefĂ€hrlich, weil da ist ja alles losgelassen, da haben dann seien es die schwedischen oder die bayerischen oder die sonstwas-Soldaten, die haben sich einen SpaĂ daraus gemacht. Da gab es ja eben kein Halten mehr. Es gab ja auch nicht das verbindende Reichsglied mehr den Kaiser. Das hat sich ja derzeit aufgelöst.â
MUSIK 11 (M0055275105 Gerd Baumann: Verschellt 0â46)
SPRECHER
Doch nicht nur durch ĂberfĂ€lle war die Post bedroht - auch durch Spionage alle Art.
SPRECHERIN
Das Postgeheimnis galt zwar schon damals prinzipiell als schĂŒtzenswertes Gut. Speziell im Zeitalter des Absolutismus stand das Interesse des Staats aber deutlich ĂŒber dem Briefgeheimnis.
SPRECHER
Weil gerade die Reichspost unter den Thurn und Taxis letztlich vom Kaiserhaus abhĂ€ngig war, zögerte man dort auch nicht, sich durch âSpionagediensteâ erkenntlich zu zeigen.
SPRECHERIN
Sprich: Briefe auf direkte Weisung gezielt zu öffnen, also das Siegel zu brechen, die Briefe dann oft auch abzuschreiben - und den Kaiser auf Stand zu halten. Eine Praxis, die europaweit ĂŒblich war.
SPRECHER
Dem Ruf und dem Erfolg des Unternehmens Thurn und Taxis scheint das letztlich aber nicht geschadet zu haben. Noch im 19. Jahrhundert Ă€uĂert sich ein gewisser Geheimrat Johann Wolfgang von Goethe anerkennend ĂŒber die âdurchgreifende Schnelligkeit der Taxis'schen Postenâ - und auch ĂŒber âdie Sicherheit des Siegels.â
MUSIK 12 (96239280101 Eric Terwillliger: Improviation ĂŒber Till Eulenspiegel fĂŒr Horn solo 0â10)
ZITATOR
Steter Aufstieg - oder: Reichtum, Macht und starke Frauen
SPRECHERIN
Vor allem im 17. Jahrhundert geht es mit den Thurn und Taxis steil nach oben: 1608 erfolgt die Erhebung in den âReichsfreiherrenstandâ, 1624 in den erblichen âReichsgrafenstandâ und 1695 schlieĂlich unter Kaiser Leopold I. in den âReichsfĂŒrstenstandâ. Und seit Mitte des 18. Jahrhunderts ist ein Thurn und Taxis schlieĂlich Stellvertreter des Kaisers im immerwĂ€hrenden Reichstag in Regensburg.
SPRECHER
Ohne die sprudelnden Gewinne aus der Post, also den wirtschaftlichen Erfolg der Familie wĂ€re das undenkbar. Im 18. Jahrhundert verdienen die Thurn und Taxis Jahr fĂŒr Jahr MillionenbetrĂ€ge, gehören zur wirtschaftliche Elite Europas.
SPRECHERIN
Adelig zu sein, musste man sich eben auch leisten können. Wer Mitglied im Club sein wollte, musste sich nach den âSpielregelnâ dieses Clubs richten. Gefragt war âstandesgemĂ€Ăeâ Lebenshaltung, Prunk- und Prachtentfaltung.Â
07-O-TON Styra
âGesellschaftlich gesehen haben die Taxis immer beides betrieben. Sie haben mit ihrem jeweiligen Stand auch ihr Postunternehmer natĂŒrlich befördern können. Wenn ich vom Grafen zum FĂŒrstenstand aufsteige, dann kann ich mit ganz anderen Menschen verhandeln als als Graf. Wenn ich ein ReichsfĂŒrst bin, kann ich mit dem König verhandeln. Wobei das haben die Taxis vorher auch schon gemacht, weil sie halt selbstbewusst waren. Aber grundsĂ€tzlich mit jeder Adels-Erhebung steige ich auf und hebe Standesschranken auf und kann weiter nach oben und kann das auch fĂŒr mein Unternehmen nutzen. Insofern bedingt eins das andere. Sie haben beides fĂŒreinander benutzt und genutzt.â
MUSIK 13 (M0055275105 Gerd Baumann: Verschellt 0â38)
SPRECHER
Die Mission der âPost-FĂŒrstenâ war klar: Es galt, das Imperium gegen alle möglichen WiderstĂ€nde und Bedrohungen zu sichern. Die Post vor allem als Privatunternehmen zu erhalten â wĂ€hrend im ĂŒbrigen Europa verstaatlicht wurde. Das ging nur im Zusammenspiel mit den MĂ€chtigen.
SPRECHERIN
Diese MÀchtigen bei Laune zu halten, sich mit ihnen zu vernetzen und gut zu stellen, Töchter zu verheiraten usw., war also essentiell. Gefragt waren Diplomatie und bestÀndiges Verhandeln.
SPRECHER
In der Familiengeschichte der âThurn und Taxisâ ist das auch immer wieder die Stunde starker Frauen. Alexandrine von Taxis beispielsweise fĂŒhrt das Unternehmen durch die Wirren des 30-jĂ€hrigen Krieges.
SPRECHERIN
Und FĂŒrstin Therese richtet beim Wiener Kongress 1814 einen eigenen Salon ein, um Politik fĂŒr das Haus âThurn und Taxisâ zu machen. Peter Styra:
08-O-TON Styra
âIhr Mann hat ihr das als Gesandte ĂŒbertragen. Sie war hĂŒbsch, sie war intelligent. Sie war verwandt mit dem russischen Zaren, mit dem bayerischen König, mit dem PreuĂischen König. Sie war mit allen verwandt, musste in Sachen Taxis verhandeln, und sie durfte auf dem Wiener Kongresse, als Frau nicht teilnehmen. Aber sie hat eben die sogenannte Salon-Politik betrieben, die ja in Frankreich ganz groĂ gewesen ist. Und die hatten einen ganz genauen Plan. Da gibt es genaue Anweisungen ihres Ehemannes, mit wem sie ĂŒber was verhandelt, was sie wem auch sagen darf und wie weit sie gehen können und wo sie vorsichtig sein muss. Also genaue Instruktionen, das war ein perfektes Team.â
MUSIK 14 (M0010633046 Marc Marder: Premonition 2 0â47)
SPRECHERIN
Dennoch - die Kaiserlichen Reichspost steht 1806 vor dem Aus.
SPRECHER
In gewisser Weise hat die âReichspostâ aber das âReichâ sogar ĂŒberlebt: Die Thurn und Taxis Post versorgt nĂ€mlich noch weitere sechs Jahrzehnte einen groĂen Teil Deutschlands - als Privatunternehmen versteht sich.
SPRECHERIN
EndgĂŒltig abgefahren ist die Post fĂŒr die Familie dann 1867. Sie muss sĂ€mtliche Postrechte an den preuĂischen Staat abtreten. Die deutsche Reichspost ĂŒbernimmt.
SPRECHER
Nach ĂŒber 500 Jahren geht damit eine Ăra zu Ende. Das Post-Unternehmen Thurn und Taxis ist Geschichte. Ein Unikum weltweit.
SPRECHERIN
Doch natĂŒrlich ist das nicht das Ende der âThurn und Taxisâ. Sie stellen sich neu auf. Investieren ihre Gewinne aus dem PostgeschĂ€ft und auch die EntschĂ€digungen und Abfindungen fĂŒr ihre Postrechte in neue GeschĂ€ftsmodelle. Kaufen Bergwerke, Zuckerfabriken oder Brauereien - und werden zum bis heute wohl gröĂten privaten Waldbesitzer Deutschlands.
MUSIK 15 (M0010633020 Marc Marder: Innocent Games 0â57)
SPRECHER
Angefangen hat also alles mit den revolutionĂ€ren Ideen eines Franz von Tasso â in einem kleinen Nest in Norditalien. Daraus wird der gröĂte Dienstleitungsbetrieb der frĂŒhen Neuzeit. GefĂŒhrt von einer Unternehmerfamilie und deren FamilienoberhĂ€upter.
SPRECHERIN
Von Wirtschaftshistorikern werden die zwar spĂ€ter gerne mal als âHĂ€uptlinge ganzer Clans verwandter Kapitalistenâ verspottet - doch das Unternehmen ist erfolgreich, kann sich durch die Jahrhunderte behaupten - und wird zum Vorbild fĂŒr viele andere Postorganisationen weltweit.
SPRECHER
Francesco Tasso hat es ĂŒbrigens sogar im 19. Jahrhundert noch nach New York geschafft â auf eine Gedenktafel an einem PostgebĂ€ude - offenbar hat er sogar die Post dort noch inspiriert.
MUSIKENDE