radioWissen - Bayern 2   /     Die Meeresbrandung - Ein Küsten-Schauspiel voller Überraschungen

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Brandung entsteht, wenn eine aus dem offenen Meer heranrollende Welle das flache Wasser erreicht. Die Bewegung der Welle wird am Grund gebremst; die Welle türmt sich auf, bevor sie tosend bricht ? zur Freude vieler Surfer. Den Küstenschutz stellt die Meeresbrandung allerdings vor große Herausforderungen. Autorin: Claudia Steiner

Subtitle
Duration
00:21:47
Publishing date
2024-02-22 03:00
Link
https://www.br.de/mediathek/podcast/radiowissen/die-meeresbrandung-ein-kuesten-schauspiel-voller-ueberraschungen/2090293
Contributors
  Claudia Steiner
author  
Enclosures
https://media.neuland.br.de/file/2090293/c/feed/die-meeresbrandung-ein-kuesten-schauspiel-voller-ueberraschungen.mp3
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Shownotes

Brandung entsteht, wenn eine aus dem offenen Meer heranrollende Welle das flache Wasser erreicht. Die Bewegung der Welle wird am Grund gebremst; die Welle türmt sich auf, bevor sie tosend bricht ? zur Freude vieler Surfer. Den Küstenschutz stellt die Meeresbrandung allerdings vor große Herausforderungen. Autorin: Claudia Steiner

Credits
Autorin dieser Folge: Claudia Steiner
Regie: Christiane Klenz
Es sprachen: Ditte Ferrigan
Technik: Monika Gsaenger
Redaktion: Iska Schreglmann

Im Interview:
Dr. Jochen Horstmann vom Helmholtz-Zentrum Hereon;
Alexander Paffrath von der Deutschen Lebens-Rettungs-Gesellschaft (DLRG);
Dr. Theide Wöffler vom Landesbetrieb für Küstenschutz, Nationalpark und Meeresschutz Schleswig-Holstein 

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Das vollständige Manuskript gibt es HIER.

Lesen Sie einen Ausschnitt aus dem Manuskript:

MUSIK 1 (Z8018228102 Jack Johnson: You Can’t Controll It 0‘40) / ATMO (Wellen) 

SPRECHERIN

An der portugiesischen Atlantikküste bei Nazaré türmen sich jeden Herbst und Winter haushohe Wellen auf. Die heimischen Fischer nennen die bis zu 30 Meter hohen Monsterwellen „Witwenmacher“. 

ATMO (Wellen) 

SPRECHERIN

Die einen meiden die Giganten, andere werden von ihnen magisch angezogen. Big Wave-Surfer aus der ganzen Welt lassen sich von Jetskis in die Wellen ziehen und rasen dann die steil abfallenden Wasserberge, die in Strandnähe laut krachend brechen, hinab.

ATMO (Wellen) 

O-TON 1 (Steudtner) 

Es gibt für mich nichts Faszinierenderes als so eine mächtige Wand im Rücken zu haben, da runterzufahren und das durchzuziehen. 

MUSIK 2 (Z8018228102 Jack Johnson: You Can’t Controll It 0‘30)

SPRECHERIN

…erzählte der Nürnberger Big Wave-Surfer Sebastian Steudtner vor einiger Zeit in einem Interview mit dem Bayerischen Rundfunk. Vor Nazaré, das rund 120 km nördlich von Lissabon liegt, befindet sich ein Unterwassergraben, der die Wellen zusammenführt und die Energie des Wassers kanalisiert. An der Wand des Grabens werden die Wellen gestoppt, die Länge der Wellen wird kleiner, sie wachsen in die Höhe –auch durch eine entgegenkommende Küstenströmung. Sebastian Steudtner: 

O-TON 2 (Steudtner) 

Also die Saison geht jetzt von September bis Ende März. Und in der Zeit, wenn auch immer große Wellen sind, die das Zeug haben – von den Windbedingungen her, von den Gezeiten her, von der Wellenrichtung, vom Wetter, ob’s jetzt regnet oder nicht regnet, die Sonne scheint. 

MUSIK 3 (Z9388447120 Die Fantastischen Vier – Tag am Meer 1‘20) / ATMO (Wellen) 

SPRECHERIN

Big Wave-Surfer tragen einen Airbag, so dass sie bei einem Sturz, wenn sie von tonnenschweren Wellen umhergewirbelt und unter Wasser gedrückt werden, wieder schneller an die Oberfläche kommen. Ähnlich riesige Wellen wie an der portugiesischen Küste gibt es auch vor der Insel Maui auf Hawaii, in Nordkalifornien und an der Küste von Tahiti, wo die Wellen über einem Korallenriff brechen. Big Wave-Surfen ist ein gefährlicher Sport: Anfang 2023 kam es zu einem tödlichen Unfall. Damals starb der brasilianische Extremsurfer Marcio Freire in der Brandung vor Nazaré. 

weiter MUSIK 3 (Z9388447120 Die Fantastischen Vier – Tag am Meer 1‘20) 

SPRECHERIN

Wind, Wetter, Gezeiten, Strömungen, der Meeresboden, die Beschaffenheit der Küste – all das bestimmt, ob eine Brandung stark ist, oder ob die Wellen sanft an den Strand plätschern. Jochen Horstmann vom Helmholtz-Zentrum hereon in Geesthacht in der Nähe von Hamburg befasst sich mit der Oberflächendynamik der Ozeane und erklärt, wie sich Wasserteilchen in Wellen bewegen. 

O-TON 3 (Horstmann) 

Viele denken ja, dass eine Welle so eine Art Massentransport ist. Also, dass sich dieser Wellenkamm vielleicht bewegen würde. Aber letztendlich bewegt sich ein Partikel, das in der Welle oder auf der Welle schwimmt, immer nur hoch und runter und bisschen nach vorn und zurück - letztendlich auf sogenannten Orbital-Bahnen, die im tiefen Wasser Kreisbahnen beschreiben. Also so ein Korken würde dann wirklich einen Kreis beschreiben, während diese Welle da durchläuft. Und wenn es jetzt ins flache Wasser kommt, dann würde diese Kreisbahn ja unten den Boden anfangen zu spüren. Und an dem Boden wird dann die Geschwindigkeit zum Beispiel des Korkens oder eines Partikels im Wasser abgebremst. Und dadurch beschreiben die Partikel dann nicht mehr eine Kreisbahn, sondern so eher eine flachgedrückte Ellipse. 

MUSIK 4 (Z8046716115 Findus Engelbrecht / Tony Delmonte: By The Ocean 0‘55)

SPRECHERIN

Also im tiefem Wasser – auf dem offenen Meer - sind die Bahnen der Wasserteilchen beim Passieren einer Welle fast kreisförmig, im flachem Wasser – also in Küstennähe - elliptisch. Transportiert wird vor allem Energie. Es ist ein bisschen als würde man eine Decke aufschlagen. Die Decke bleibt an derselben Stelle, der Stoff bildet Wellen. Den Effekt kann man auch im flachen Wasser beobachten, sagt Jochen Horstmann: 

O-TON 4 (Horstmann)  

Wenn man am Strand ist, im flachen Wasser, da sind oft so kleine Rippelwellen unten am Sand. Und dann sieht man, wenn man da mal reinguckt ins Wasser, (…) da sieht man wirklich, wie diese kleinen Sandpartikel immer hin und her sich bewegen, so kleine Wirbel über diesen Kämmen entstehen und das ist eben wirklich ein Effekt von den Orbitalbewegungen, die durch die Wellen induziert werden. 

ATMO (Wellen) 

SPRECHERIN

Wenn heranrollende Wellen vor Küsten auf die Wand eines Unterwassergrabens, auf Korallenriffe oder auf eine Sandbank treffen, werden die Bewegungen gebremst. Jochen Horstmann: 

O-TON 5 (Horstmann) 

Durch dieses Abbremsen der Welle unten wird eben oben die Geschwindigkeit höher sein als unten. Und wenn die Geschwindigkeit oben dann die Ausbreitungsgeschwindigkeit der Welle erreicht, dann ist sozusagen eines der Brecher-Kriterien erfüllt.

SPRECHERIN

Die Welle bricht, es bildet sich weißer Schaum und ein Wasser-Luft-Gemisch. 

ATMO (Wellen, Brandung) 

SPRECHERIN

Ob Wellen sich hoch auftürmen oder eher klein sind, hängt unter anderem auch mit der Küstenform zusammen, auf die die Meeresbrandung trifft, erklärt der Experte für physikalische Ozeanographie. 

O-TON 6 (Horstmann) 

Wenn man zum Beispiel eine Bucht hätte, die ganze Wellenenergie verteilt sich dann wirklich an den Stränden in dieser Bucht – die läuft dann auseinander. Und das nennt man dann Divergenz, also die Wellen sind dann divergent. Das heißt: In der tiefen Bucht dort würde man weniger Seegang haben, während so an solchen Nasen (…) kommen die Wellen dort zusammen und dann nennt man das konvergent. 

SPRECHERIN 

Dort laufen die Wellen aufeinander zu, die Energie addiert sich – die Welle wächst in die Höhe. Und natürlich spielt es für die Größe einer Welle auch eine Rolle, welche Wellen überhaupt an der Küste ankommen, erklärt der Forscher Jochen Horstmann. 

O-TON 7 (Horstmann) 

Also man braucht eine lange Wirklänge. Sprich: ein großes Gebiet, in dem der Wind die See auffachen kann, so dass sich Wellen aufbauen können. Und man braucht auch eine lange Wirkdauer, also eine lange Dauer von dem Sturm.

SPRECHERIN

Die Wellen, die sich dann vor Nazaré oder auch vor Hawaii zu Giganten entwickeln, sind oft weit entfernt entstanden, bei einem Sturm mitten im Ozean – und Hunderte oder Tausende Kilometer über das Meer gewandert. Es braucht also viele Parameter, um eine starke Brandung entstehen zu lassen. 

MUSIK 5 (ZZ267398005 M. Ward: Tranfiguration No 1 0‘35) / ATMO (Wellen an Küste – Badegäste am Strand)  

SPRECHERIN

Manche Badende fühlen sich von Wellen magisch angezogen. Jeden Sommer sieht man am Meer Urlauber, die - wie im Wellenbad - den Wellen entgegenspringen und sich dann wieder Richtung Land treiben lassen. Doch viele unterschätzen die Kraft der Brandung – und die damit verbundenen Gefahren. Problematisch ist vor allem das Phänomen des Brandungssoges, sagt Alexander Paffrath von der Deutschen Lebens-Rettungs-Gesellschaft, kurz DLRG: 

O-TON 8 (Paffrath) 

Der entsteht beispielsweise, wenn das mit den Wellen in Richtung Ufer geströmte Wasser am Meeresboden zurückläuft. Und je größer da die Wassermassen sind, also je höher die Intensität ist, die da an Energie zum Ufer transportiert wird, desto stärker kann dieser Brandungssog ausfallen. Und dann werden den in der Brandung Stehenden regelrecht die Beine weggezogen. Und gerade Kinder oder unsichere Schwimmer werden von dem Phänomen oftmals überrascht. Die landen dann halt unvermittelt im Wasser. Und dann kommt es zu brenzligen Situationen und das teilweise schon im brusttiefen Wasser. Das wird halt vielfach unterschätzt. Und ich sehe halt immer wieder im Sommer, dass dann da auch Eltern mit ihren Kindern im Spülsaum stehen und die Hand nicht am Kind haben. Und letztlich kann es dann alleine dadurch, dass man noch zupacken müsste und das Kind eben nicht dann an der Hand hat, einfach schon zu spät sein, weil die Kinder gegen diesen Sog sich nicht mehr wehren können. 

ATMO (Kinder im Wasser) / MUSIK 6 (M0064148112: Akademisches Blasorchester München: Alfred Reed – Suite Nr. 7 0‘40)

SPRECHERIN

Wenn Kinder oder ungeübten Schwimmer, denen die Beine weggezogen wurden, dann wieder auftauchen, werden sie manchmal schon von der nächsten, anrollenden Welle wieder umgerissen oder überspült – denn Wellen treten in Gruppen auf. Alexander Paffrath: 

O-TON 9 (Paffrath) 

Dann kommt noch eine Panikreaktion, ein Schockmoment dazu. Und das ist halt das Problem, was da auftreten kann. Und je nachdem, wie hoch die Wellen sind, haben wir ja dann da auch noch eine gewisse Gischt. Wenn man dann in dieser Gischt einatmet, dann atmet man letztendlich auch Wasserpartikel ein. Und gerade bei einem ungeübten Schwimmer führt das einfach zu Panikreaktionen und dann im worst case auch tatsächlich zu einem potenziellen Ertrinkungsfall.

MUSIK 7 (M0011707Z00 Mathias Mersch: Oceans Deep 0‘25)  

SPRECHERIN 

Auch Gezeitenströmungen, also Strömungen, die durch Ebbe und Flut ausgelöst werden, können für Schwimmer gefährlich werden. 

O-TON 10 (Paffrath) 

Und gerade bei Ebbe kann man natürlich rausgezogen werden ins offene Meer. Und daher sind die Badezeiten an den bewachten Badestellen an der Nordsee in aller Regel auch so kurz vor oder ein, zwei Stunden vor dem Hochwasser. Das heißt also mit dem auflaufenden Wasser, sodass man in diesen Sog der Ebbe eigentlich gar nicht reingeraten kann. An allen unbewachten Badestellen sollte man es tunlichst vermeiden, dann tatsächlich ins Wasser reinzugehen.

SPRECHERIN

Besonders viele Rettungseinsätze gibt es für die DLRG aufgrund der tückischen Rip-Strömung, die auch unter dem Namen Trecker-Strömung bekannt ist. Dabei strömt Wasser vom Strand in Vertiefungen im Meeresboden zurück aufs Meer. Es ist eine oft mehrere Meter breite, sehr schnelle Strömung, gegen die Schwimmer nicht ankommen. Das Gefährliche: Rippströmungen können plötzlich und an unterschiedlichen Stellen auftreten – also auch an Stellen, an denen es kurz vorher noch ungefährlich war. Gerät man in diese Strömung, sollten Schwimmer keinesfalls versuchen, gegen die Strömung anzukämpfen. Die Ursache tödlicher Unfälle in Rippströmungen ist fast immer Ertrinken durch Erschöpfung. Vielmehr sollten Schwimmer quer zur Strömung aus dem Hauptstrom rausschwimmen, rät Alexander Paffrath von der DLRG: 

O-TON 11 (Paffrath, 7.14) 

Mit dem geübten Auge kann man schon einigermaßen erkennen, wo denn eine Trecker-Strömung ist. Also zum Beispiel, dass man sieht, dass in einem Bereich das Wasser aufgewühlter ist als in einem anderen. Oder die Oberfläche sieht völlig anders aus als im umgebenden Wasser, zum Beispiel im Gegensatz zur flachen Umgebung ist da dann so eine leicht gekräuselte Wasseroberfläche. Oder aber, dass die Wellen, wenn man da ein bisschen länger draufguckt, in einem anderen Winkel brechen als in dem restlichen Brandungsbereich. Aber das sind Dinge, die sind halt für Otto-Normal-Urlauber in Anführungszeichen nicht wirklich einfach zu erkennen. 

SPRECHERIN 

Nicht nur für Menschen, auch für Tiere können Stürme mit starken Strömungen und hohen Wellen tückisch werden. So wurde 2023 nach dem Sturm „Zoltan“ auf Sylt eine geschwächte Karettschildkröte angespült, die eigentlich im Mittelmeer heimisch ist. 

MUSIK 8 (MR035790111 Petra Eisend & Band: Under Water 1‘05) / ATMO (Wellen, Sturm) 

SPRECHERIN

Auch der Küstenschutz muss die Brandung immer ganz genau im Blick haben. Denn die Wucht der Brandung ist gewaltig und kann ganze Küstenabschnitte verändern: Wellen können Sandbänke verschieben, Strandabschnitte neu anspülen oder auch abtragen. Bei jeder Sturmflut ist eindrucksvoll zu erleben, wie Wind und Wasser an den Küsten nagen. Beispiel Sylt: Die Wellen tragen den Sand an der Westküste nach und nach ab. „Der Kampf um Land und Sand ist für Sylt eine Überlebensfrage“, heißt es auf der Webseite der Insel. Theide Wöffler vom Landesbetrieb für Küstenschutz, Nationalpark und Meeresschutz Schleswig-Holstein: 

O-TON 12 (Wöffler) 

Im Mittel verlieren wir auf der Insel Sylt eine Million Kubikmeter Sand pro Jahr infolge von Brandung und auch Gezeitenströmung. 

SPRECHERIN

Das Meer reißt Sandmassen mit sich, die zum Teil im Seegebiet zwischen Sylt und Amrum wieder abgelagert werden. Vor allem das Süd- und Nordende von Sylt sind gefährdet, die Inselenden sind am stärksten von der Erosion betroffen. 

MUSIK 9 (SC019360W01 (102) Claude Debussy: 2.Satz aus Sonate F-Dur 0‘45) /ATMO (Wind Wellen) 

SPRECHERIN

Bereits Mitte des 19. Jahrhunderts unternahmen die Bewohner von Sylt erste Versuche, ihre Insel vor der Brandung zu schützen. Damals wurden sogenannte Buhnen errichtet. Das waren zunächst Holzpfahlbuhnen, später dann auch Stein-, Stahlspundwand- und Betonpfahlbuhnen, die in langen Reihen rechtwinklig zur Küste ins Meer geschlagen wurden. Diese sollten die Brandungs- und Gezeitenströmungen vom Ufer fernhalten. Sehr effektiv ist diese Methode auf Sylt allerdings nicht gewesen. Eine nachhaltige Verminderung des Küstenrückganges konnte durch die Buhnen nicht erreicht werden. Daher wurden die Buhnen an der Westküste von Sylt in den letzten Jahren fast vollständig zurückgebaut. 

ATMO Möwen / MUSIK 10 (ZZ267398011 Astor Piazzolla: Vuelvo al sur 0‘45)  

SPRECHERIN

In Westerland wurde eine Ufermauer errichtet – doch die Erosion ist stark, immer wieder stehen aufwändige Reparaturarbeiten an. Um Landabbrüche an der Westseite der 38 Kilometer langen Insel zu verhindern, wurden ab den 1960er Jahren am Strand von Hörnum im Süden von Sylt Tetrapoden ausgebracht – das sind riesige, vierfußige Steine aus Beton. Mit Hilfe von Tetrapoden wird vor der Küste eine Art künstliches Riff geschaffen, erklärt Jochen Horstmann: 

O-TON 13 (Horstmann) 

Die sorgen für immense Turbulenzen. Dann brechen die Wellen zusammen und brechen sich dann an diesen Tetrapoden, die ja auch aus Beton sind und deshalb den Kräften gut widerstehen können, dass wird oft gemacht, insbesondere auch an den Küsten von Taiwan, aber auch vor Sylt gibt es Tetrapoden.

SPRECHERIN

Die Wellenbrecher aus Beton sind mit rund sechs Tonnen allerdings so schwer, dass sie je nach Untergrund einsinken und dann nicht mehr den gewünschten Effekt erfüllen. Auch auf Sylt stecken einige der Riesensteine schon tief im Sand. Damit Sylt nicht weggespült wird, werden auf der Insel zusätzlich seit 1972 Sandaufspülungen vorgenommen. Dabei entnehmen Baggerschiffe etwa acht Kilometer vor der Westküste ein Sand-Wasser-Gemisch und pumpen dies über Rohrleitungen an den Strand. Das Wasser fließt ab, der Sand bleibt zurück und wird von Bulldozern verteilt. Am Meeresboden bleiben Vertiefungen zurück. Theide Wöffler. 

O-TON 14 (Wöffler) 

Bei den Sandvorspülungen haben wir auch ein wenig die Strategie in den letzten Jahren verändert. Also wenn man sich anguckt, wie am Anfang der Sandvorspülung gearbeitet wurde: Da wurde eine große Menge Sand auf einen Strandabschnitt vorgespült. Und in den letzten Jahren sind wir einfach zielgerichteter geworden, was die Sandvorspülung angeht. Also das heißt: Wir verteilen unsere Sandmengen auf eine größere Länge des Strandabschnitts, also weniger Sand, verteilt auf einen längeren Strandabschnitt und setzen so den Sand zielgerichtete ein.

ATMO (Wellen auf Meer) 

SPRECHERIN

Vor Sylt befindet sich etwa 300 bis 400 Meter vor der Küste ein natürlicher Wellenbrecher, ein Sandriff. Es ist ein dynamisches Gebilde, dass sich durch die Brandung immer wieder verändert. Theide Wöffler. 

O-TON 15 (Wöffler)  

Also dieses Sandriff wandert auch im Laufe des Jahres auf die Küste zu und entfernt sich auch wieder. Also in Abhängigkeit der Wellengröße, wandert dieses Sandriff in den Herbst und Wintermonaten etwas weiter nach draußen. Und in ruhigeren Monaten, wandert dann dieses Sandriff näher auf die Küste zu. Und das hat eine ganz entscheidende Funktion für den Küstenschutz auch. Also ist eine Art natürlicher Wellenbrecher, den wir vor der Insel Sylt einfach liegen haben – in Form dieses Sandriffs. 

SPRECHERIN

Auf Sylt wird aber auch vor dem Strand – also im Meer - Sand aufgespült und so das vorgelagerte Sandriff verstärkt. Dadurch wird die Brandung abgeschwächt, bevor sie auf Land trifft. In der Fachsprache heißt diese Maßnahme Vorstrandaufspülung: 

O-TON 16 (Wöffler) 

Das heißt, wir spülen den Sand nicht mehr auf den Strand vor, sondern verstärken das Riff vor dem Strand und verklappen dort den Sand auf der seewärtigen Seite des Riffs. Und haben da einfach die positive Erfahrung gemacht, dass durch diese Riff-Verstärkung die Strände sich dahinter einfach sehr stabil verhalten und wir so letzten Endes eine wirtschaftlichere Methode haben, den Strand zu schützen.

ATMO (Meer) / MUSIK 11 (ZZ267398011 Astor Piazzolla: Vuelvo al sur 1‘00)  

SPRECHERIN

An Land soll mit Sandfangzäunen, die oft aus Birken oder Weiden gebaut werden, der Sand gehalten werden. Dazu werden Reisigbündel in den Sand gesteckt, so dass Zäune entstehen, in deren Windschatten sich der Sand ablagern soll. Auch mit dem Anbau von Strandhafer auf den Dünen wird versucht, Sandflug zu vermeiden. Ammophila arenaria – so der lateinische Name von Strandhafer - hat bis zu fünf Meter tiefe Wurzeln. Die Wurzeln der Pflanzen verflechten sich zu einem unterirdischen Netz, das die Düne und den Sand festhält. Gerade nach neuen Sandaufspülungen werden Sandfangzäune gebaut, damit der mühsam ausgebrachte Sand nicht gleich wieder vom Wind weggeweht wird. Wenn Wellen auf Land treffen, sind Dünen das erste Bollwerk gegen die Brandung. 

ATMO (Wellen) 

SPRECHERIN

Seegang und Wellenschlag gefährden auch die Deiche, die Küstenbewohner vor Überflutungen schützen sollen. Bereits jetzt wohnt in Schleswig-Holstein etwa ein Drittel der Einwohner in potenziell überflutungsgefährdeten Gebieten. Angesichts des Klimawandels steht der Küstenschutz vor neuen Herausforderungen, so Theide Wöffler vom Landesbetrieb für Küstenschutz, Nationalpark und Meeresschutz:  

O-TON 17 (Wöffler) 

Also eines ist sicher, dass infolge des Klimawandels der Meeresspiegel weiter ansteigt. Und ganz sicher ist dann auch, dass zukünftige Sturmfluten auf diesen gestiegenen Meeresspiegel aufsatteln, also sprich: der Meeresspiegelanstieg von einem Meter und dementsprechend laufen dann zukünftige Sturmfluten auch mindestens einen Meter Höhe auf. Und dann haben wir es natürlich auch noch damit zu tun, dass in größeren Wassertiefen auch ja einfach eine größere Seegangs-Energie steckt. Also es können sich größere Wellen bilden in tieferem Wasser. Die Wellen können eine größere Periode haben. Und somit haben wir es dann einfach mit einer größeren Brandung-Energie zu tun, die auf unsere Deiche und auf unsere Küsten trifft.

SPRECHERIN

Deshalb werden in Schleswig-Holstein die Deiche verstärkt und ausgebaut. Die sogenannten Klimadeiche sind höher, breiter und flacher. Theide Wöffler: 

O-TON 18 (Wöffler) 

Das Profil verfügt über eine wesentlich breitere Deichkrone, auf die dann die nachfolgenden Generationen eine sogenannte Kappe aufsetzen können - mit vergleichsweise geringem Aufwand. Und die nächste Generation, die den Deich dann wiederum verstärkt, kann dann halt - wenn sie diese Kappe aufgesetzt haben - einen Meeresspiegelanstieg von 1,5 Meter schon mal entgegenwirken, (…) dadurch, dass einfach der Deich so breit jetzt ausgestaltet ist, dass man dann letzten Endes nur noch eine Kappe obendrauf setzt. Und dann gibt es noch die zweite Ausbauoption bei diesem Klimadeich, das dann wiederum das Profil noch mal abgeflacht werden kann, dass letzten Endes dann auch wiederum mit sehr gering bautechnischen Aufwand Wasserstände bei einem Meeresspiegel von bis zu zwei Meter gekehrt werden können. Also das ist so das neue Deichprofil, was wir in Schleswig-Holstein umgesetzt haben und was es dann den nachfolgenden Generationen erleichtert, mit dem Meeresspiegelanstieg umzugehen. 

SPRECHERIN

Einer der ersten Klimadeiche wurde 2016 auf Nordstrand im Kreis Nordfriesland fertig gebaut. Dafür wurde der Deich auf zweieinhalb Kilometern um 70 Zentimeter erhöht und um zweieinhalb Meter verbreitert. Auch in anderen Gegenden an der Küste wurden Deiche schon verstärkt.

MUSIK 12 (Z9388447120 Die Fantastischen Vier – Tag am Meer 1‘20) 

SPRECHERIN 

Nicht nur die deutsche Küste und Inseln in der Nord- und Ostsee, weltweit sind viele Regionen gefährdet – durch den steigenden Meeresspiegel, höher auflaufende Sturmfluten, höhere Wellen, zunehmende Wetterextreme und geänderte Strömungs- und Tidebedingungen. Viele Inselstaaten auf der Südhalbkugel sehen sich in ihrer Existenz bedroht. Weltweit versuchen deshalb Forscher, die Entstehung von Wellen, Strömungen und die Brandung besser zu verstehen, um mögliche Folgen besser einschätzen und die Küsten noch besser schützen zu können. 

MUSIK / ATMO (Wind, Wellen)