Standen dem Bergretter vor 100 Jahren lediglich Seil, Pickel und pure Körperkraft zur Verfügung, so kann er sich heute zahlloser technischer Entwicklungen bedienen. Dennoch: Ein alpiner Rettungseinsatz bedarf einer gehörigen Portion Handarbeit und Geschick. Und: Der technische Fortschritt ist nicht immer nur ein Segen! Von Markus Mähner
Standen dem Bergretter vor 100 Jahren lediglich Seil, Pickel und pure Körperkraft zur Verfügung, so kann er sich heute zahlloser technischer Entwicklungen bedienen. Dennoch: Ein alpiner Rettungseinsatz bedarf einer gehörigen Portion Handarbeit und Geschick. Und: Der technische Fortschritt ist nicht immer nur ein Segen! Von Markus Mähner
Credits
Autor dieser Folge: Markus Mähner
Regie: Kirsten Böttcher
Es sprachen: Caroline Ebner, Jennifer Güzel, Friedrich Schloffer
Technik: Laura Picerno
Redaktion: Hellmuth Nordwig
Im Interview:
Robert Zimmermann, Bergwacht Steingaden-Peiting
Roland Ampenberger, Bergwacht Bayern
Bergwacht Bayern HIER
Bergwacht Bayern, Region Steingaden-Peiting HIER
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Lesen Sie einen Ausschnitt aus dem Manuskript:
SPRECHERIN 2
Es ist der 12. November 2023. 16 Uhr. Bei der Leitstelle der Bergwacht Bayern geht ein Hilferuf ein: Vier Bergsteiger sind am ausgesetzten Gjaidsteig im Karwendel in einen Schneesturm geraten und kommen weder vor noch zurück. Bereits eine halbe Stunde später stapfen 7 Bergwachtler den verschneiten Gjaidsteig entlang. Alles Ehrenamtliche.
GERÄUSCH Hallentür öffnen
SPRECHERIN
So wie Robert Zimmermann.
ROBERT 1
Wir sind jetzt hier in der Bergrettungswache Steingaden. Das ist eben unsere Garage, in der wir die Fahrzeuge deponiert haben und unsere Ausrüstung zwischengelagert ist.
SPRECHERIN
Robert Zimmermann ist Mitglied der Bergwacht Steingaden-Peiting. Schon als Jugendlicher gerne in den Ammergauer Bergen unterwegs, stieß er einmal mit einem Freund nach einer Klettertour am Geiselstein - im Bergmassiv zwischen Schloss Linderhof und Schloss Neuschwanstein gelegen - auf ein paar Ehrenamtliche der Bergwacht:
ROBERT 2
Wir waren eben am Geiselstein klettern, sind auf dem Runterweg an der Kenzenhütte vorbeikommen. Die Bergwachtler waren dagesessen und man hat mit denen halt geratscht: Und? Was ist bei euch so alles los? Und dann hat es geheißen: man würde mal wieder Anwärter brauchen. Wie schaut es aus: Du bist doch einer, der geht in´n Berg. Und ja, eigentlich: Warum nicht? Ich war früher mal bei der Feuerwehr - vielleicht ist da auch so ein gewisses Helfersyndrom. Und dann habe ich gesagt: ja ich schaue mir das gerne mal an! Und dann war eben zwei Jahre lang Ausbildung, bei der du ja dann als Anwärter mit dabei bist. Du darfst noch keine Einsätze machen. Dann habe ich natürlich die ganze Ausbildung mitgemacht und dann die Sommer- und die Winterprüfung absolviert.
SPRECHERIN
In dieser Ausbildung lernen die Bergwachtanwärter den Umgang mit den technischen Hilfsmitteln, diverse Abseiltechniken, und sie bekommen eine notfallmedizinische Ausbildung, so wie Rettungssanitäter.
Was Robert neben der Bergbegeisterung mitbringen musste, war natürlich auch dass er sich im schwierigen Gelände sicher bewegen kann und im Bedarfsfall sogar klettern. Und: Ja, auch den Wunsch Menschen helfen zu können. Roland Ampenberger, Sprecher der Bergwacht Bayern:
AMPENBERGER 1
Grundsätzlich: Bergrettung ist Solidarität von Menschen in einer vermeintlich lebensfeindlichen Umgebung, die die Berge ein Stück weit darstellen. Und in sofern glaube ich, gab es das schon immer, dass man sich beisteht in so einer Umgebung.
Musik 2: Zeitloser Duft 37 Sek
SPRECHERIN
Bereits im 12.Jahrhundert gründeten auf dem großen St. Bernhard-Pass auf knapp 2500 Meter Höhe Augustiner-Chorherrn ein Hospiz, das nicht nur Reisenden eine Schutzunterkunft versprach. Die Ordensbrüder kamen auch Jahrhunderte lang Erschöpften, Verletzten und Verirrten zu Hilfe. Ihnen gehörte auch einer der berühmtesten Bergretter der Geschichte an: Der Lawinenhund Barry, ein Bernhardiner, der um das Jahr 1800 im Hospiz seine Ausbildung bekam und über 40 Menschen das Leben rettete.
Musik 3: The Berensen Lectures 1:06 min
Im 19.Jahrhundert ging es dann richtig los mit dem Tourismus im Alpenraum. Das ungebremste Gipfelsammeln der ausschließlich wohlhabenden - und meist britischen - Abenteurer erhielt 1865 einen Dämpfer als während der Erstbesteigung des Matterhorns vier Alpinisten zu Tode stürzten. Woraufhin Queen Victoria verlautbaren ließ: Man solle doch endlich mit dem Wahnsinn in den Bergen aufhören! Sie erwog sogar alpinistische Expeditionen zu verbieten. Dazu kam es zwar nicht, doch die Tragödie am Matterhorn hat den Alpinisten erst klar gemacht, wie gefährlich die Berge sein können. 20 Jahre später, 1885, erließen die Alpenvereine die sogenannte "Hilfsverpflichtung der Bergführer im Alpenraum" - was heute als die Geburtsstunde des organisierten Bergrettungswesens angesehen wird.
AMPENBERGER 2
Die einzige Institutionalisierung waren die Bergführerbüros vor Ort, und die wurden tatsächlich dann eben verpflichtet, wenn sie nicht geführt haben, wenn eine Alarmierung, eine Meldung, eingegangen ist, dass Hilfe notwendig ist, dann auch zu gehen. Die wurden auch dafür bezahlt, muss man sagen. Also da gab es dann aber tatsächlich schon so eine hohe Erwartungshaltung - das lässt sich ein Stück weit nachlesen - dass man erwartet hat: Ok, wenn der mit Gästen am Berg unterwegs ist und er bekommt Kenntnis eines Notfalls, dann muss er seine Gäste ins Tal runter schicken, sobald es möglich ist, und muss dann zur Hilfe eilen am Berg an anderer Stelle.
Musik 4: Signatur Folge 1 23 Sek
SPRECHERIN
Doch wie bekommen die Bergretter überhaupt mit, dass etwas passiert ist? Klar: Heute ist das Handy immer dabei und meistens setzt der Verunglückte einfach selbst einen Notruf ab - sofern er Empfang hat! Das ist in den Alpen aber längst nicht immer der Fall. Als noch die Bergführer für die Rettung zuständig waren sah dies ganz anders aus.
AMPENBERGER 3
((Das war natürlich das Hauptthema. Wie bekommt man überhaupt einen Notruf dorthin abgesetzt, wo er dann auch weiterverarbeitet werden kann? Und)) da waren diese alpinen Meldestellen, das war das zentrale strukturierte Element, das der Alpenverein aufgebaut hat an den Hütten dorten. Sieht man auch heute manchmal noch an verschiedenen Hütten: so kleine Schilde, da steht dann drauf: Alpine Meldestelle. Das waren eben Orte, die dann auch über ein Telefon verfügt haben, um dann auch die Nachricht weiterzugeben an des Bergführerbüro eben oder im Tal an eine Institution zu sagen: Hier ist ein Hilfebedarf und man muss eine Rettungsmannschaft eben aufbieten.
SPRECHERIN
Von den technischen Möglichkeiten, die heute den Bergrettern zur Verfügung stehen, konnte eine Rettungsmannschaft früher nur träumen. Konkret sieht man das in der Bergrettungswache Steingaden. Robert Zimmermann:
ROBERT 3
Der Einsatzleiter, der den Einsatz dann eben übernimmt von der Rettungsleitstelle, der positioniert sich hier: hat dann eben Funkgeräte, die er einschalten kann und dementsprechend auch zum Beispiel mit Weilheim als Rettungsleitstelle Oberland oder mit der Leitstelle Kempten für das Allgäu kommuniziert. Dann haben wir hier zwei Bildschirme, die an einen Rechner angeschlossen sind, der entsprechende Software draufhaut wie Kartenmaterial, Wetterberichte. Dann natürlich auch Ortung mittlerweile über die Handys: Wär so eine Option, dass man Patienten da orten können, wenn er jetzt nicht genau weiß, wo er ist, dass man zumindest dann über Koordinaten rausfinden kann: Also da müsste er eigentlich sein. ((Und ansonsten gibt es halt hier mit der Karte im Hintergrund auch mal abzustecken: Machen wir zum Beispiel so ein Szenario einer Vermisstensuche: dass man halt dann wirklich hergehen und sagen kann: so okay, da in dem Bereich haben wir schon mal gesucht. Da waren jetzt drei, vier Leute unterwegs, dann deckt man mal die drei, vier Wege noch ab. Die Karten sind so ausgestattet, dass man mit dem Filzstift kurz darauf malen kann und einfach mal sich ganz klassisch analog einen Überblick gestaltet. Und das ist natürlich dann immer recht hilfreich, um das zu koordinieren.))
Musik 5: Frozen Landscapes – siehe oben – 50 Sek +
Atmo Sturm
SPRECHERIN 2 (darüber)
Zurück zum Gjaidsteig. Inzwischen ist es 7 Uhr abends und bereits dunkel geworden. Da erkennen die Kräfte der Bergwacht Licht und hören Hilferufe. Sie haben die Eingeschneiten entdeckt! Doch das Gelände und der hohe Schnee lassen kein Durchkommen zu. Lawinenmassen donnern die mächtigen Nordwände der Raffelspitze herab. Ein Weitergehen wäre zu riskant. Um 20:15 kehren die Bergwacht-Helfer um und alarmieren die Kollegen aus Tirol, die es nun, zu zwölft, von der anderen Seite versuchen. Ebenso erfolglos. Die vier Bergsteiger müssen während der Nacht ausharren. Die Bergwacht gibt ihnen über Handy Hilfestellung, wie sie ein Notlager einrichten können.
SPRECHERIN
Zog die Rettungsmannschaft früher noch zu Fuß, lediglich mit Seil und Pickel los, so stehen Robert und seinen Kollegen heute gleich mehrere Fahrzeuge zur Verfügung - vollgepackt mit Equipment.
ROBERT 4
Also zum einen sieht man jetzt hier das Fahrzeug mit einem besonderen Aufbau, dass wir eben auch einen Patienten transportieren können. Wir haben eine Gebirgstrage drin, wir haben entsprechend Bergsäcke drin. Wir haben natürlich das ganze Arztequipment, Notfallausrüstung sozusagen, auch mit dabei. Und ja: Wenn es dann losgeht, geht es halt rein ins Fahrzeug. Wenn man jetzt ins Auto einsteigt, dann schalte ich gleich wieder den Funk mit dazu. Wenn es ganz brisant ist, haben wir auch Blaulicht und Martinshorn, das dann eingeschaltet wird, um dann wirklich möglichst schnell zum Patienten zu gelangen.
Da ist zum Beispiel jetzt wirklich dieser große Rucksack, der ein paar Kilo hat und dem Arzt-Rucksack entspricht. Der ist auch von unseren Gerätewarten so vorbereitet, dass man sofort nachschauen kann, was drin ist. Weil wir so Listen haben, die dann entsprechend mit hinterlegt sind. Wenn man ihn also gebraucht hat, ist immer das Thema: danach wieder so aufzuräumen, wieder aufzufüllen, dass dann alles wieder für den nächsten Einsatz parat wäre.
ATMO Quad
SPRECHERIN
Neben dem Einsatzfahrzeug steht zudem noch ein großes, geländegängiges Quad. Bis zum Beginn der Sommersaison im Mai ist es mit Ketten statt Reifen ausgestattet. Hier können zwar nicht so viele Einsatzkräfte mitfahren, dafür kommen Robert und seine Kollegen damit viel näher an die Verunglückten heran.
ROBERT 5
Wir hatten schon mal eine Patientin, die unterwegs war, zu Fuß im Winter und in einer Schneewächte eingebrochen ist. Aber wir reden jetzt nicht von tausend Höhenmeter irgendwo auf einem Berg, sondern es war ein Wanderweg in der Nähe vom Hohen Peißenberg. Und da hat die aus eigener Kraft sich da aus dieser Schneewehe nicht mehr befreien können. Sie hat dann einen Notruf abgesetzt, und man konnte halt dann mit dem Fahrzeug relativ weit an die Patientin eben auch hinkommen. Das war natürlich schon sehr hilfreich, weil sonst hätten wir uns ja selber durch den Schnee so tief durchwühlen müssen, bis dass wir die dann bergen hätten können.
SPRECHERIN
Das Einsatzgebiet der Bergwacht Steingaden ist hauptsächlich in den Ammergauer Alpen rund um die Kenzenhütte und den beliebten Kletterberg Geiselstein.
ROBERT 6
Aber unsere Statistik zeigt auch, dass wir nicht nur Einsätze in dem Bereich haben, sondern auch in Naherholungsgebieten, wie zum Beispiel um Steingaden rum, es gibt Wanderwege Richtung Wieskirche, es gibt den Auerberg in der Nähe, es gibt dann sogar im Landkreis Weilheim-Schongau den Hohen Peißenberg auch ganz klassisch.
SPRECHERIN
Denn Robert Zimmermann und seine Kollegen sind überall gefragt, wo das Gelände unwegsam ist und ein herkömmlicher Krankenwagen und Sanitäter nicht hinkommt. Und das ist gut so: Denn wenn heute jemand abstürzt, so kann er fast immer gerettet werden. Früher war das nicht so sicher, einfach weil die Einsatzkräfte viel länger brauchten, um zum Verunglückten zu gelangen. Denn sie sind zu Fuß statt mit dem Auto angerückt.
GERÄUSCH AUTO
SPRECHERIN (darüber)
Heute sieht das anders aus. Und selbst wenn die Ehrenamtlichen Bergretter gerade nicht zuhause sind, so sind sie doch immer und überall erreichbar mittels eines kleinen Gerätes, das Textnachrichten schicken kann. Robert Zimmermann:
ROBERT 7 (Auto)
Der Einsatz kommt bei uns über diese Pieps rein, der dann eben zumindest schon mal andeutet, was denn sein kann. Also Trauma, dass jemand abgestürzt ist und verletzt ist. Das sind so Kurzinformationen, die dann da im Prinzip auf dem Pieps drauf sind. Und dann trifft sich die Mannschaft an der Bergrettungswache in Peiting oder eben in Steingaden. Und dann fährt die Einsatzgruppe auf jeden Fall schon mal mit dem Amarok los. Wenn wir jetzt noch mehr Leute brauchen, dann wäre der VW-Bus von Peiting eben noch mit im Einsatz. Und dann können wir also auf einen Schlag gut 14 Leute ins Einsatzgeschehen losschicken.
SPRECHERIN
Doch nicht immer sind alle verfügbar. Robert zum Beispiel ist Lehrer und somit unter der Woche vormittags immer im Unterricht - zudem noch im Kempten, relativ weit von Steingaden entfernt.
ROBERT 8 (Auto)
Das Ganze läuft ehrenamtlich ab natürlich. Wir haben alle unsere Berufe, wir sind alle irgendwo im Arbeitsleben. Entsprechend ist halt dann wieder das Thema: Wann ist der Einsatz? Wenn er unter der Woche in den frühen Morgenstunden oder frühen Nachmittag ist, kann man davon ausgehen, dass die meisten in der Arbeit sind. Und entsprechend gibt es da natürlich schon auch Regelungen, dass man je nachdem, wie der Arbeitgeber das handhabt, dass man jemandem freistellt. ((Also bei der Feuerwehr zum Beispiel ist das ähnlich, dass für bestimmte Einsätze auf jeden Fall die Leute freigestellt werden in dem Moment, dass die zum Einsatz gehen dürfen.))
Musik 6: Kreisen 1 Minute
SPRECHERIN
Zurück ins 19. Jahrhundert, den Anfängen der organisierten Bergrettung: Wenige Jahre nach der Hilfsverpflichtung für Bergführer gründeten die Alpenvereine eigene Bergrettungsdienste. 1896 den "Alpinen Rettungsausschuß Wien", 1898 dann Einrichtungen in Innsbruck und München.
Die Bergwacht Bayern wurde 1920 gegründet - und zwar nicht als Rettungsorganisation, sondern um den in den Jahren nach dem Erstem Weltkrieg stark zunehmenden Massentourismus in geordnete Bahnen zu lenken. Und um der zunehmenden Wilderei und den vermehrten Vieh- und Holzdiebstählen und Hütteneinbrüchen Herr zu werden. Oder, wie es in der Gründungsschrift hieß:
ZITATOR:
"zur Bewahrung der guten Sitten und dem Schutz fremden Eigentums im Kontext des Bergsteigens und des alpinen Skilaufs.“
SPRECHERIN
Roland Ampenberger:
AMPENBERGER 5
Der Fritz Berger war einer der Gründer im Münchner Hofbrauhaus aus der Sektion Bayerland, und darum ging es ihm auch genau: Diese Werte des Bergsteigens am Berg zu schützen, weil eben die Massen ins Gebirge geströmt sind. Also es ging jetzt nicht nur darum, Blumen am Berg zu schützen, sondern es hat angefangen: Wie verhalfen sich die Menschen in den Zügen? Wie verhalten sich die Menschen auf den Hütten bis hin natürlich auch: Wie verhalten Sie sich gegenüber den Tieren, gegenüber den Bergbauern, gegenüber dem Sammeln von Edelweiß?
SPRECHERIN
Deswegen ist heute noch das Zeichen der Bergwacht Bayern ein Edelweiß. Doch schon bald übernahm sie auch Rettungsaufgaben - da ihre "Berg-Wächter" ja ohnehin bereits vor Ort waren. Allerdings noch mit nahezu derselben Ausrüstung wie ihre Kollegen im 19.Jahrhundert. Der große Sprung in der Entwicklung von Rettungsgeräten fand in den 1950er Jahren statt.
AMPENBERGER 6
Und da gibt es so drei Namen im deutschsprachigen Raum: der Wastl Mariner aus Tirol, der Doktor Rudolf Campell von den Schweizern und der Wickerl Gramminger aus Bayern. Und diese drei Personen die stehen ganz stark für diese Rettungsgeräte-Entwicklung: also für Tragehilfen, für Seiltechniken, die optimiert waren auf die Anwendung am Berg. Und wenn man sich zum Beispiel den Akja anschaut - da gibt es unterschiedliche Formen - der Akja, dieser Schneeschlitten, mit dem man verletzte Personen liegend vom Berg bringen kann: Der wurde da in dieser Zeit optimiert, weiterentwickelt und dann tatsächlich auch in Serie gebaut. Und Dann ist natürlich das Thema Luftrettung ein ganz großer Entwicklungsschritt gewesen. Und das hat Ende der 50er-Jahre angefangen, wo Hubschrauber verfügbar geworden sind. In der Schweiz ganz bekannt auch die Rettungsflieger. Also: die mit kleinen Flugzeugen in Österreich und der Schweiz am Berg auch gelandet sind. Also die Luftrettung in der Hilfe am Berg, das ist so ganz großer Epochenschritt.
Und dann die Kommunikation am Berg: einerseits unter den Rettungskräften mit Funkgeräten, das war der erste große Schritt und daran aufbauend das gesamte Alarmierungssystem. Also wenn man heute in den bayerischen Alpen unterwegs ist, dann wird man immer wieder auf Hütten treffen - auf Hütten der Bergwacht. Diese Hütten der Bergwacht haben den Zweck gehabt eben genau diese Alarmierungswege zu verkürzen.
SPRECHERIN
Auch Robert Zimmermann und seine Kollegen haben außer ihrer Rettungsstelle in Steingaden noch eine Berghütte, ganz in der Nähe ihres Einsatzgebietes um die Kenzenhütte zu Fuße der mächtigen Nordwand der Ammergauer Hochplatte.
ROBERT 9 (inkl Geräusche)
So, jetzt sind wir an unserer Diensthütte. Wir haben drüben, da gehen wir jetzt gleich rüber, die Zentrale. Das ist ein älterer Raum. Da war früher mal eine Zollhütte installiert. Weil wir sind ja nicht weit weg von der Grenze. Und hier haben wir unsere Telefon- und Funkzentrale nochmal herin. Und die Räumlichkeit agiert jetzt ungefähr so wie unten die Einsatzzentrale.
SPRECHERIN
In den Sommermonaten sind an jedem Wochenende ein paar von Roberts Kollegen auf der Hütte und verrichten dort ihren Dienst, damit sie schneller vor Ort sein können, falls ein Wanderer oder Kletterer in Not gerät. Deswegen ist die Hütte auch so eingerichtet, dass sie unabhängig vom Tal agieren können.
Musik 7: Signatur Folge 1 – siehe oben – 35 Sekunden
SPRECHERIN
Im Gegensatz zu den Anfängen der Bergrettungsgeschichte können heute fast alle in Not geratenen Bergsteiger gerettet werden - auch dank der zahlreichen technischen Hilfsmittel und der überall präsenten Bergretter. Trotzdem gibt es Jahr für Jahr in den bayerischen Bergen noch bis zu 100 Menschen, die nur noch tot geborgen werden können. Viele davon sind allerdings nicht abgestürzt, sondern erliegen Herzproblemen oder einem Kreislaufversagen. Im Durchschnitt rückt die Bayerische Bergwacht um die 8000 Mal pro Jahr aus.
Und das kostet natürlich auch. Roland Ampenberger:
AMPENBERGER 7
Die gesamte Bergwacht in Bayern hat ungefähr einen Aufwand von 11 Millionen Euro jedes Jahr und - ganz grob, das stimmt jetzt nicht genau - aber ein Drittel kommen aus den Einsätzen, ein Drittel finanziert der Staat und ein Drittel kommen von den Spenden dazu. Und ich denke, das ist schon auch ein großer Wert, der da geschaffen worden ist: Egal, ob wir jetzt am Marienplatz auf der Rolltreppe verunglückten oder auf Autobahnen einen Verkehrsunfall haben oder eben am Berg verunglücken: Egal ob beim Skifahren, beim Klettern oder beim Wandern: dass dann die Krankenkasse eben diesen Einsatz auch übernimmt dazu.
Und jetzt kommt immer gleich die große Frage: ja, aber der war doch selber schuld, oder? Das wäre doch vermeidbar gewesen. Grundsätzlich immer dann, wenn man nicht verletzt ist, also wenn man klassischerweise in Bergnot ist, dann muss man den Einsatz selber bezahlen.
SPRECHERIN
Und das kommt im Zeitalter der Smartphones immer häufiger vor - nicht nur weil immer mehr Menschen auf die Berge stürmen.
AMPENBERGER 8
Aber natürlich, so wie unser gesamtes Sicherheitsgefühl auch im Tal sich verändert hat, wird natürlich heute auch schon bei Unfällen alarmiert, wo man vielleicht 1950 gesagt hat: Na ja, dafür kommt jetzt keine Bergrettung! Und schon gar nicht 1890, sondern da hat man selber geschaut, wie man ins Tal kommt. Das eigenverantwortliche Bergsteigen das gehört ja auch zu der Ehre dazu: Ich versuche so lange wie möglich mir selbst zu helfen, wie es irgendwie geht. Das ist natürlich in der Breite der Masse von Menschen, die heute am Berg unterwegs sind, nicht mehr vorhanden. Das ist auch ganz klar.
SPRECHERIN
Einen Grund dafür sieht Roland Ampenberger, Sprecher der Bayerischen Bergwacht, auch in den sozialen Medien:
AMPENBERGER 9
Berge sind immer und überall verfügbar - sei es in den sozialen Medien: Das schaut immer für jeden zu jeder Zeit machbar und verfügbar aus. Und das beschäftigt uns schon in Einsätzen: jetzt nicht in der Masse, was die Anzahl angeht. Aber wenn immer wieder, gerade an den Hotspots - sei es in den Berchtesgadener Alpen oder im Wettersteingebirge - dass wir auf Menschen treffen, wo die Urteilsfähigkeit oder die Einschätzung einfach auf eine gewisse Unbedarftheit letztendlich schließen lässt.
Musik 8: ARD Labelmusik No trace 28 Sek
SPRECHERIN
Doch auch wenn die Bergretter sehr gut ausgestattet sind und die meisten Bergsteiger ein Handy dabei haben: Nicht überall ist Handyempfang, bei schlechter Sicht oder schlechtem Wetter kann der Hubschrauber nicht fliegen und auch die Bergretter sind, wenn auch Helden, so doch keine Übermenschen.
AMPENBERGER 10
Es geht nicht immer und überall! Also dieser Slogan: zu jeder Zeit in jedem Gelände bei jedem Wetter. Ehrlicherweise muss man dazu sagen: ja, fast immer. Aber es gibt natürlich auch Grenzen dessen.
SPRECHERIN
Und das kann dann auch für die Einsatzkräfte, die ihrer Hilfeleistung wegen Lawinengefahr, Schneemassen, Dunkelheit oder Wetter nicht nachkommen können, belastend sein. In solchen Fällen ist es wichtig, dass der Zusammenhalt unter den Kollegen der Bergwacht gut ist, so Robert Zimmermann:
ROBERT 11
Dieser Einsatz, wenn er jetzt zum Beispiel abgeschlossen ist, dann man kommt da eben auch zusammen, dann ist es halt auch: „Ja wie war´s denn?“ Einfach mal hinhocken, wieder was zusammen trinken. Belastende Einsätze sind natürlich dann auch eine gewisse Notwendigkeit, dass man sich wirklich hinhockt und sagt: „Du, wie geht es denn? Was waren gerade los?“ Ansonsten ist es einfach auch mal wieder: sich bewusst machen, wie schnell einfach was sein kann.
Musik 9: Frozen Landscape – siehe oben – 27 Sek +
GERÄUSCH Hubschrauber
SPRECHERIN 2 (darüber)
Inzwischen ist es der 13.November am Gjaidsteig im Karwendel. In der früh um 8 Uhr lässt das Schneetreiben für kurze Zeit nach. Sofort startet der Rettungshubschrauber "Christoph Murnau" mit einem Mittenwalder Bergwachtler und rettet die stark unterkühlten Bergsteiger. Sie werden in das Klinikum Garmisch-Partenkirchen gebracht. Gerade noch einmal gut gegangen.
Musik aus