Stechmücken sind lästige Plagegeister und zählen, wie die Zecken, zu den Tieren, die gefährliche Krankheiten übertragen können. Aber wie leben sie? Welche Rolle spielen sie im Ökosystem? Darüber spricht die Autorin u.a. mit der Mückenforscherin Dr. Doreen Werner. Von Christiane Seiler
Stechmücken sind lästige Plagegeister und zählen, wie die Zecken, zu den Tieren, die gefährliche Krankheiten übertragen können. Aber wie leben sie? Welche Rolle spielen sie im Ökosystem? Darüber spricht die Autorin u.a. mit der Mückenforscherin Dr. Doreen Werner. Von Christiane Seiler
Credits
Autorin dieser Folge: Christiane Seiler
Regie: Eva Demmelhuber
Es sprachen: Burchard Dabinnus, Ruth Geiersberger
Technik: Roland Böhm
Redaktion: Bernhard Kastner
Im Interview:
Dr. Doreen Werner, Entomologin, Zentrum für Agrarlandforschung;
Dr. Helge Kampen, medizinischer Entomologe, Friedrich Löffler Institut;
Mandy Schäfer, Biologin, Friedrich Löffler Institut;
Nadja Pernat, Biologin, Zentrum für Agrarlandforschung
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Das vollständige Manuskript gibt es HIER.
Lesen Sie einen Ausschnitt aus dem Manuskript:
AT1:
Pernat: Jetzt kommt wieder der spannende Moment, (auf dem Friedhof, Klappern und Wassergluckern).
Sprecher (auf AT1)
Ein romantisch verwildertes Familiengrab auf dem Alten Zwölf Apostel Kirchhof mitten in Berlin; im Gebüsch neben dem Einfassungsmäuerchen des Grabes macht sich eine junge Frau mit Pferdeschwanz zu schaffen. Sie hebt einen schwarzen Plastikbecher, gießt den Inhalt in eine durchsichtige Plastikkanne um, untersucht den Inhalt. Ein Friedhofsgärtner kommt näher. Was macht sie da?
OT1 Pernat: Mücken!, ja, ...
Sprecher (auf ATMO IN OT2)
Sie fängt Mücken, sagt die Biologin Nadja Pernat, und erklärt weiter:
OT1 weiter Pernat und Friedhofsgärtner:
Also das hier, das sind die Fallen für die Mücken, da legen die Mücken ihre Larven rein (Gärtner: ja). Und dann nehme ich die mit, ans Leibnitz Zentrum für Agrarlandschaftsforschung und da bestimme ich, was das für Arten sind. Mann: also nur, um praktisch Zuwanderer zu identifizieren, ja? Pernat: unter anderem. Aber auch um zu gucken, welche Arten gibt es eigentlich in Berlin, das hat seit Jahrzehnten keiner mehr gemacht.
Sprecher
Mücken in der Stadt - dass es sie gibt, davon weiß sicher jeder aus eigener leidvoller Erfahrung zu berichten. Was aber gefällt den Blutsaugern ausgerechnet an Friedhöfen? Eine Antwort hat Dr. Helge Kampen, medizinischer Entomologe, also Insektenforscher, am Friedrich Löffler Institut bei Greifswald:
OT2 Kampen
Wenn ich Mücke wäre, ich würde mir immer einen Friedhof aussuchen.
Viele Friedhöfe sind hier sehr pflanzenreich, bebaumt, bebuscht. Da finden die Mücken schattige Plätze, um sich auszuruhen. Dadurch sind auf Friedhöfen auch häufig viele Vögel Eichhörnchen, kleinere Nager etc. Und natürlich die Menschen, die als Blutwirte dienen können und dann haben die Mücken eben durch die Blumenvasen, Vogeltränken etc. jede Menge Brutmöglichkeiten.
Musik: hohe, sirrende Violinklänge oder elektronische Musik
Sprecherin
Die Stechmückenforschung erlebt in Deutschland seit einigen Jahren eine Renaissance, nicht zuletzt durch die invasiven, also zugewanderten Arten, von denen auch der Berliner Friedhofsgärtner bereits gehört hat. 2011 wurden in einer Falle an der A5 bei Weill am Rhein die ersten Weibchen der Asiatischen Buschmücke und der asiatischen Tigermücke gefunden. Die Buschmücke, die aus einer ähnlichen Klimazone stammt, hat sich seitdem bei uns breitflächig etabliert. Aber auch das Wissen über die heimischen Arten ist lückenhaft. Wo welche Arten in Deutschland in welcher Menge leben, welche Krankheiten durch diese Mücken übertragen werden könnten — das sind Fragen, an denen Entomologen forschen. Seit 2012 zählen sie dabei auf eine wachsende Schar von Amateurforschern. Der „Mückenatlas“ des bei Berlin gelegenen Zentrums für Agrarlandschaftsforschung, kurz ZALF genannt, ist eins der großen Citizen Science Projekte Deutschlands und dient der Kartierung der Stechmücken. Citizen Science, das ist Wissenschaft unter Mitwirkung der Bürgerinnen und Bürger, und der Mückenatlas gehört zu den erfolgreichsten dieser Projekte.
Sprecher
Auf der Internetseite www.mueckenatlas.com wird erklärt, in welchem Zustand und mit welchen Angaben zu Fundort und Finder die Mücken eingesendet werden sollen. Jede Einsendung wird beantwortet, bis Mitte 2018 waren es über 20.000.
Welche Mücken sind dabei eigentlich gefragt? Dr. Doreen Werner, Biologin am ZALF und Initiatorin des Mückenatlas, erklärt, dass längst nicht alle Mücken stechen:
OT3 Werner
Wenn jemand mir die Frage stellt, was ist eine Mücke, dann geht natürlich die ganze Bandbreite auf. Wir haben in Deutschland 28 verschiedene Mückenfamilien, …. Die morphologischen Ausprägungen, also wie eine Mücke aussieht, können schon sehr vielgestaltig sein. Es gibt zB viele Menschen, die Trauermücken in ihrem Wohnumfeld haben, das sind die kleinen schwarzen Viecher, die aus den Blumentöpfen beispielsweise rauskommen. Oder jeder kennt vielleicht die Schnaken, die groß und behäbig im Frühjahr über die Wiesen fliegen, auch das sind Mücken. Zum anderen gibt es noch verschiedene andere Mückenfamilien, die zB in Abflussröhren leben oder im Komposthaufen sich entwickeln. Aber alle diese Mücken sind dadurch gekennzeichnet, dass sie Mundwerkzeuge haben, die nicht zur Aufnahme einer Blutmahlzeit befähigen. Und wir haben in Deutschland vier verschiedene Mücken-Familien, die das können, das sind zum einen natürlich die Stechmücken, die jeder kennt, zum anderen sind es aber auch die Kriebelmücken die Gnitzen und dann eine ganz kleine Gruppe innerhalb der Schmetterlingsmücken.
Sprecherin
Kriebelmücken und Gnitzen können ebenfalls sehr lästig sein, sogar gefährlich. Die Blauzungenkrankheit, eine tödliche Tierseuche, wird beispielsweise von bestimmten Gnitzenarten übertragen. Für den Mückenatlas sind aber nur die Stechmücken relevant:
OT4 Werner
Weil wir davon ausgehen, dass die meisten Menschen Stechmücken erkennen können, in ihrem Umfeld mit bloßem Auge erkennen können, und auch in der Lage sind, diese einzufangen. Bei den anderen drei blutsaugenden Familien ist es so, dass die eine sehr kleine Körpergröße haben, die sich so zwischen 2-4 mm bewegt. Und der Laie ist nicht wirklich in der Lage, diese Mückenfamilien von anderen Mückenfamilien oder sogar Fliegenfamilien zu unterscheiden und wir natürlich darauf angewiesen sind, nicht nur Beifang zu bekommen, sondern wirklich auch Material, was wir verwerten können …
AT2:
Schublade wird aufgezogen, Werner: Wir bauen eine deutschlandweite Referenzsammlung auf …
Sprecher
Im Wandschrank der Forschungsgruppe Mückenatlas liegen gut erhaltene Fundstücke nach Art sortiert in Insektensammelkästen, säuberlich genadelt und mit Schildchen zu Fundort und Finder versehen. Nur vollkommen intakte Exemplare finden Eingang in die Sammlung. Unter dem Mikroskop lässt sich erkennen, warum. Mückenflügel zum Beispiel sind mitnichten so glatt, wie es mit bloßem Auge betrachtet scheinen mag:
OT5 Werner
Da sind Härchen und Schuppen drauf, und die sind wichtig für uns. … Deshalb brauchen wir die nicht so totgeschlagen, man macht ja meistens so (klatscht) dann ist die Mücke zerstört, selbst wenn sie noch da ist, für uns ist sie unbrauchbar für die Bestimmung, also für die morphologische Bestimmung.
Sprecher
Deshalb sollte man die Mücken lebendig fangen, im Gefrierfach einfrieren und in einem Schächtelchen nach Müncheberg schicken. Woran erkennt man aber eine Stechmücke?
Sprecherin
Stechmücken haben einen Stechrüssel, mit dem sie die Haut ihres Opfers durchstechen können, um Blut zu saugen.
Daran kann sie auch der Laie gut von ähnlich aussehenden Mückenarten wie etwa den weltweit in Massen vorkommenden Zuckmücken unterscheiden. Diese Zuckmücken haben keinen Stechrüssel und nehmen auch kein Blut zu sich.
Musik: Elektronisches Sirren
Sprecherin
Mücken gehören, wie die Fliegen, in der Klasse der Insekten zur Ordnung der Zweiflügler. Von den knapp eine Million bis heute beschriebenen Insektenarten stellen die Zweiflügler rund 160.000. Ein Flügelpaar ist zu den sogenannten Schwingkölbchen umgebildet, die es der Mücke gestatten, die Flugrichtung zu halten oder sehr schnell zu ändern.
Sprecher
Stechmückenarten gibt es weltweit rund 3.500, in Deutschland kommen über 50 davon vor. Und wo leben diese Stechmücken - außer auf Friedhöfen natürlich?
OT6 Werner
Stechmücken sind typische Lebewesen, die verschiedene Lebensräume besiedeln, das heißt, für ihre Entwicklung brauchen sie den aquatischen Bereich, das Weibchen legt ihre Eier ab, entweder auf der Wasseroberfläche oder in der Nähe einer Wasseroberfläche. Und wenn die Eier mit dem Wasser in Berührung kommen und bei einer bestimmten Temperatur schlüpfen die Erstlarven. Die ernähren sich dann von Algendetritus, verschiedene Bestandteile, die sie eben in ihrem Medium finden, häuten sich drei Mal, das heißt wir durchlaufen vier Larvenstadien. Das sind Fressstadien, weil die Mücke natürlich auch wachsen muss. Sie muss Energie anhäufen, dann geht sie in das Puppenstadium über. In diesem Puppenstadium findet die komplette Metamorphose statt, das heißt, das Insekt wandelt sich um und aus dieser Puppe schlüpft dann letztendlich die flugfähige Mücke, die dann wieder in der Lage ist, sich durch die Kopulation, Befruchtung also fortzupflanzen, weiterzuentwickeln.
AT3: Tür schlägt zu, Schritte im Gang
Sprecher
Das Friedrich Löffler Institut auf der Insel Riems bei Greifswald widmet sich seit 1910 der Erforschung von Tierseuchen und ihren Übertragungswegen. Und seit einigen Jahren auch Krankheiten, die von Mücken auf Menschen übertragen werden. In einem hermetisch von der Außenwelt abgeriegelten Labor werden hier Mücken zu Versuchszwecken gezüchtet:
OT7 Mandy Schäfer
Hier zB culex pipiens molestus, ein Biotyp unserer Hausmücke …
Sprecher
Erklärt Mandy Schäfer, die am FLI an Mückenarten, die als Krankheitsüberträger infrage kommen, forscht. Sie nimmt ein kleines, mit einer ziemlich trüben Brühe gefülltes Aquarium aus dem Regal.
OT8 Schäfer
Hier sieht man ja, es sind große und kleine Larven dabei,
Autorin: Die Larven sind diese zappeligen Tierchen, die sich da an die Oberfläche hängen!?
Schäfer: Genau, die hängen sich wieder an der Oberfläche, mit dem Hinterteil nach oben, da an dem Hinterteil ist ein Atemrohr, das sie an die Oberfläche anhaften und dadurch atmen … die atmen atmosphärischen Sauerstoff.
Sprecher
Leere Puppen schwimmen auf dem Wasser, einige geschlüpfte Mücken sitzen bereits am Beckenrand.
OT9 Schäfer
Man sieht so ein bisschen, die haben so ganz buschige Fühler. Genau, und das sind die Männchen. Die warten auf die Weibchen, um sie zu begatten.
Musik: Elektronisches Sirren
Sprecherin
Betrachtet man eine Mücke unter dem Mikroskop, dann kann man Details genau erkennen: den langen Stechrüssel, der sich lanzettartig ineinanderschieben lässt, und die buschigen Fühler der Männchen. Einen Rüssel haben sowohl Männchen als auch Weibchen, aber nur die Weibchen gebrauchen ihn zum Stechen und Blutsaugen. Die Männchen leben strikt vegetarisch und ernähren sich von zuckerhaltigen Pflanzensäften. Sie leben auch viel kürzer, besteht doch ihr Lebenszweck einzig darin, ein Weibchen zu finden und zu begatten. Dr. Helge Kampen:
OT10 Kampen
Mückenweibchen werden nur einmal im Leben befruchtet, und zwar ziemlich am Anfang ihres Lebens, ziemlich bald nach dem Schlupf aus der Puppenhülle. Und die haben dann, wie übrigens viele Insektenarten, die haben dann Spermataschen, da bewahren sie das Sperma für den Rest ihres Lebens auf und befruchten dann die Eier daraus. Männchen und Weibchen müssen nicht oft aufeinandertreffen.
Sprecher
Warum aber dieser Blutdurst der Stechmückenweibchen? Haben sie einfach einen extravaganten Geschmack, oder gibt es noch einen anderen Grund dafür? Zur eigenen Ernährung brauchen sie das Blut nicht, führt Helge Kampen aus. Sie brauchen Proteine, also Eiweiß, damit sich die Eier entwickeln können.
OT11 Kampen
Die Mücken haben die Möglichkeit, Blut einzudicken, wenn sie saugen. Es gibt Mückenarten, da kann man beobachten, dass sie noch während des Blutsaugens am Hinterende, also an der Analöffnung, so ne Art Serum, eine Flüssigkeit abgeben, die ist viel heller als das Blut. Also das Blut, bzw. die Blutproteine, werden schon während der Blutaufnahme konzentriert in der Mücke und die werden dann in der Mücke umgebaut in die Eiproteine - und der Eiproduktion zugeführt.
Musik: sirrende Elektroklänge
Sprecherin
Stechmücken stechen Tiere und Menschen. Es gibt Arten, die bei ihren Blutwirten nicht sehr wählerisch sind und andere, die nur bei sehr ausgesuchten Opfern Blut saugen. Es ist übrigens ein Irrglaube, dass Mücken besonders süßes Blut oder eine bestimmte Blutgruppe bevorzugen. Sie finden ihre Opfer durch das CO2 in der Atemluft und bestimmte Duftstoffe im Schweiß. Auch durch Licht werden sie nicht angelockt, sind doch die meisten Stechmücken dämmerungs- oder nachtaktiv.
Sprecher
Culex pipiens, die Hausmücke, kommt in zwei Biotypen vor. Der bereits erwähnten Culex pipiens molestus etwa schmeckt besonders das menschliche Blut, die eng verwandte culex pipiens pipiens saugt am liebsten bei Vögeln. Den Namen Hausmücke trägt das Insekt nicht umsonst. Und die Menschen sorgen oft selbst dafür, dass diese Mücken sich besonders gut vermehren können:
OT12 Werner
Das sind also Mücken, die sehr gerne künstliche Bruthabitate aufsuchen. Wie z.B. Regentonnen, Blumentöpfe, Vasen, Gießkannen, irgendwelche anderen Container, die sich vielleicht im Gartenbereich befinden oder … Überall kann sich Regenwasser sammeln, selbst in den kleinsten Coladosen oder in Papierkörben. Das heißt, die Mücken schlüpfen und ihnen wird ein gedeckter Tisch geboten, und der Weg von der Regentonne in den Schlafzimmerbereich oder Wohnbereich ist meistens nicht sehr weit.
Sprecherin
Weibchen dieser Art überwintern in Hauskellern und anderen warmen, unterirdischen Habitaten wie U-Bahn-Tunneln oder der Kanalisation und sie können das ganze Jahr über stechen, egal ob in Innenräumen oder im Freien. In der New Yorker Upper Westside kam es 2011 zu einer regelrechten Invasion dieser Stechmücken, die aus Kellern und der Kanalisation heraus in die Wohnungen fanden. In London ist dieselbe Mücke als U-Bahn Moskito berüchtigt.
Sprecher
Stechmücken sind lästig, ihre Stiche jucken und führen zu Hausschwellungen. Gefährlich werden sie, weil sie mit dem Stich Krankheitserreger übertragen können. Die Mücken fungieren als Vektoren, das heißt, sie beherbergen Erreger, die sie mit dem Blut eines Wirts aufnehmen und sie transportieren diese Erreger mit dem Speichel in den Blutkreislauf ihres Opfers. Speichel fließt reichlich beim Mückenstich: Er verdünnt das Blut und enthält eine leicht narkotisierende Substanz, damit der Blutwirt erst nach dem Stich etwas merkt und erst zuschlägt, wenn die Mücke sich bereits in Sicherheit gebracht hat.
Sprecherin
Krankheitserreger können Parasiten sein, etwa im Fall der Malaria, die durch die Anophelesmücke übertragen wird, aber auch verschiedene Viren, die gefährliche fiebrige Krankheiten auslösen wie das Gelbfieber, das Dengue Fieber oder das West-Nil-Fieber. Letzteres kann auch von der Hausmücke übertragen werden, braucht aber Vögel als Zwischenwirte. In einigen südosteuropäischen Ländern und in den USA kommt es seit den 90er Jahren regelmäßig zu Ausbrüchen des Westnil-Fiebers, das gelegentlich tödlich verläuft. Entscheidend dafür, ob eine Mücke ein Virus übertragen kann, ist die Umgebungstemperatur.
Je wärmer und feuchter es in dem Habitat der Mücke ist, desto schneller vermehrt sich das Virus in der Mücke, ausgehend vom Verdauungstrakt. Erst wenn das Virus in den Speichel der Mücke gelangt ist, kann es auch übertragen werden.
AT4 Riems:
Nerviges Sirren der Tigermücke
Sprecher
Hier im Hochsicherheits-Labor des Friedrich Löffler Instituts auf der Insel Riems sirrt außer der Hausmücke eine weitere Mückenart in ihrem Käfig mit Gaze-Wänden: die Asiatische Tigermücke, aedes albopictus. Im Labor vermehrt sie sich hervorragend. Die Tigermücke breitet sich seit den 90er Jahren vor allem in Südeuropa aus. Dort kommt es seitdem gelegentlich zu Ausbrüchen des Dengue-Fiebers. Das geschieht, wenn ein infizierter Reiserückkehrer von einer Tigermücke gestochen wird, und diese mit einem weiteren Stich durch das im Mückenspeichel enthaltene Virus eine andere Person infiziert. Anders als die Hausmücke ist sie eine sogenannte Überflutungsmücke und stammt ursprünglich, wie der Name schon sagt, aus Asien. Dr. Helge Kampen:
OT13 Kampen
Der internationale Altreifenhandel, der spielt ne große Rolle! Also bei diesen invasiven Stechmückenarten handelt es sich um Arten, die sehr austrocknungsresistente Eier haben und die ihre Eier nicht, wie viele andere Mückenarten, direkt ins Wasser legen, damit die Larven schlüpfen können. Sondern die legen die Eier oberhalb der Wasseroberfläche ab, kleben sie an feuchte Strukturen, Pflanzen oder auch künstliche Untergründe, und die Larven schlüpfen erst dann aus den Eiern, wenn der Wasserspiegel gestiegen ist. Und wenn die Eier, die da irgendwo kleben, in Kontakt mit dem Wasser kommen. Und das kann passieren, wenn die Eier in Gebrauchtreifen kleben, da gibt es in Asien sehr viel Handel mit, internationalen Handel. Die werden üblicherweise erst mal gesammelt da, liegen auf einer Wiese rum, und dann regnet es da rein, da steht ein bisschen Wasser drin, und das ist dann für die Stechmücken interessant. Dann kleben sie ihre Eier da rein, dann werden die irgendwann verschifft nach Europa, Nordamerika, weltweit. Und dann liegen sie da wieder rum, im Freiland, und wenn es dann regnet und der Wasserspiegel steigt, dann schlüpfen die Larven und dann hat man ganz schnell ne Population von 'ner Art, die da nicht hingehört.
Sprecher
Seit einigen Jahren kommt das kleine Insekt zunehmend auch nach Süddeutschland. Aber den weiten Weg werden die Tigermücken ja wohl kaum aus eigener Kraft fliegend überwinden. Wie gelangen sie dann zu uns?
OT14 Kampen
Bei der asiatischen Tigermücke wissen wir, dass die regelmäßig aus Südeuropa eingeschleppt wird und zwar mit dem Fernverkehr, mit Autos, LKW, Zügen. Weil die Mücken, die Weibchen, sehr aggressiv sind, zum Teil auch tagaktiv, und die fliegen den Menschen ins Auto hinterher, weil sie stechen wollen. Und wenn wir Pech haben in Deutschland, dann werden die mit dem Auto über hunderte Kilometern aus Südeuropa nach Deutschland verschleppt und steigen da wieder aus …
Sprecherin
Zum Beispiel auf einem Rastplatz an der Autobahn. Seit dem ersten Tigermückenfund zeigt das Mückenmonitoring, dass die A5 tatsächlich ein Haupteinfallstor für diese invasive Mückenart nach Deutschland ist. In Süddeutschland, in der warmen Rheinaue, findet sie gute Lebensbedingungen vor, denn die Tigermücke ist wärmeliebend und kommt mit Frost im Winter nicht zurecht. Aber auch das kann sich ändern, wenn die Mücke sich an die kälteren Temperaturen anpasst und andererseits die Temperaturen in Deutschland durch den Klimawandel nach oben gehen.
AT4 Riems: Sirrende Tigermücken
Sprecher
Die Zusendungen zum Mückenatlas zeigen, dass die Tigermücke inzwischen an mehreren Stellen in Deutschland stabile Populationen aufgebaut hat, in Jena sogar die nördlichste Population weltweit. Was kann man aber tun, um die Mücken wieder loszuwerden? Zum Beispiel in Jena?
OT15 Kampen
Wir finden immer wieder die Asiatische Tigermücke, aber die ist nicht auf einen Ort beschränkt, da finden wir mal in Nordjena zwei Exemplare, dann wieder in nem anderen Stadtteil eins. Ursprünglich waren sie auch auf dem Friedhof konzentriert, da haben wir einige Maßnahmen eingeleitet. Das Simpelste ist natürlich: Leer stehende Blumenvasen auf den Kopf stellen. Da kann man schon viele Brutmöglichkeiten eliminieren! Ja, aber die Mücken waren 2017 immer noch da, mal gucken, wie es sich weiterentwickelt.
Sprecherin
Leichter ist die Bekämpfung bei einer einheimischen Art, der Überschwemmungsmücke Aedes vexans. Die schon von Goethe gehasste „entsetzliche Rheinschnake“ macht Anwohnern der südlichen Rheinauen seit jeher das Leben schwer. In Mannheim hat sich Anfang des 20. Jahrhunderts eine Aktionsgemeinschaft zur Bekämpfung der Schnakenplage gegründet, die heute noch existiert. Diese Überschwemmungsmücken treten immer dann in Massen auf, wenn bei Wärme der Wasserpegel steigt und tausende Mückenlarven gleichzeitig schlüpfen.
OT16 Kampen
Was man heute macht, man bringt ein Eiweiß aus, das von bestimmten Bakterien produziert wird, das ist das sogenannte bacillus thuringiensis israelensis, das ist ein bakterielles Eiweiß, das die Mückenlarven mit der Nahrung aufnehmen und das deren Darm zerstört. Und dann sterben die Larven. Das kann man auftragen auf Eiskristalle, sodass die Eiskristalle im Wasser schwimmen und die Mückenlarven knabbern an den Eiskristallen an der Wasseroberfläche und nehmen dieses Eiweiß auf. Und deswegen, weil man das so ausbringen kann, kann man das per Hubschrauber großflächig verteilen.
Musik: elektronisches Sirren
Sprecherin
Viele würden den Stechmücken keine Träne nachweinen, wenn es sie eines Tages nicht mehr geben würde. Andererseits beklagt man das Insektensterben und kann sicher keine Welt herbeiwünschen, in der nur uns genehme Insekten ein Recht auf Leben besitzen. Stechmücken erfüllen, wie alle anderen Arten auch, ihre Rolle im Ökosystem, nicht zuletzt als Futter für Schwalben und Frösche.
OT17 Werner
Wir haben aber so viele Tiergruppen, die auch schon räuberisch von Mückenlarven leben, oder auch von den fliegenden Mücken. Die würden auch nicht entsprechend zu Entwicklung kommen und dann würden wir gefühlt natürlich viel mehr Veränderung in der Umwelt wahrnehmen.
Sprecher:
Und wie hält sie es selbst mit dem Mückentöten? Masochistisch sei sie nicht, meint Dr. Doreen Werner vom Zentrum für Agrarlandforschung:
OT18 Werner
Natürlich schlage ich auch zu. Die Hemmschwelle ist natürlich sehr herabgesetzt. Es ist schon ein Unterschied, ob man einen Schmetterling tötet oder eine Stechmücke tötet! Natürlich rufen wir nicht mit Spaß und Freude zum Töten von Stechmücken auf, wenn wir darum bitten, dass man die Mücke, die man sowieso töten würde, eben für Forschungszwecke eingefangen und dann auf eine recht schonende Art und Weise abgetötet wird, die Mücke schläft nämlich mehr oder weniger ein. Das ist der gleiche Prozess, dem sie unterliegt, wenn sie in den Winterschlaf geht, wenn sie ihren Stoffwechsel herabfährt, … nichts anderes passiert im Gefrierfach.
Sprecher
So endet das Leben vieler sirrender Sauger im Schrank der Müncheberger Referenzsammlung. Hier ist noch reichlich Platz für weitere Sammelkästen.