radioWissen - Bayern 2   /     Die Bavaria - Symbol und Wahrzeichen Bayerns

Description

Sie ist weibliche Symbolgestalt und weltliche Schutzherrin des Freistaats: Die Bavaria. Als Statue, auf Gemälden, in Wappen oder über Hauseingängen begegnet sie uns. Doch ihre berühmteste Darstellung ist die fast 20 Meter hohe Statue, die vor der Ruhmeshalle über die Theresienwiese wacht. Von Frank Halbach

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Duration
00:23:16
Publishing date
2024-07-03 03:30
Link
https://www.br.de/mediathek/podcast/radiowissen/die-bavaria-symbol-und-wahrzeichen-bayerns/2095190
Contributors
  Frank Halbach
author  
Enclosures
https://media.neuland.br.de/file/2095190/c/feed/die-bavaria-symbol-und-wahrzeichen-bayerns.mp3
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Shownotes

Sie ist weibliche Symbolgestalt und weltliche Schutzherrin des Freistaats: Die Bavaria. Als Statue, auf Gemälden, in Wappen oder über Hauseingängen begegnet sie uns. Doch ihre berühmteste Darstellung ist die fast 20 Meter hohe Statue, die vor der Ruhmeshalle über die Theresienwiese wacht. Von Frank Halbach

Credits
Autor und Regisseur dieser Folge: Frank Halbach
Es sprachen: Irina Wanka, Thomas Birnstiel, Peter Weiß, Peter Veit
Technik: Daniela Röder
Redaktion: Andrea Bräu, Karin Becker

Im Interview:
Dr. Thorsten Marr, Bayerische Verwaltung der staatl. Schlösser, Gärten und Seen

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Literaturtipps:

Bayerische Schlösserverwaltung: Ruhmeshalle und Bavaria. Bearbeitet von Manfred F. Fischer und Sabine Heym. München 2009. [Amtlicher Führer der Bayerischen Schlösserverwaltung, der einen umfassenden Überblick bietet]

Frank Otten: Die Bavaria. In: Hans-Ernst Mittig, Volker Plagemann: Denkmäler im 19. Jahrhundert. München 1972 [kunsthistorische Einordung in die Geschichte der Denkmäler des 19.Jahrhunderts].

Wir freuen uns über Feedback und Anregungen zur Sendung per Mail an radiowissen@br.de.

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Das vollständige Manuskript gibt es HIER.

Lesen Sie einen Ausschnitt aus dem Manuskript: 

ZITATOR 1

Ich hab‘ viel des Schönen gesehen -  so Schönes noch nie!

SPRECHER

Das hat König Ludwig I. von Bayern über sie gesagt:

SPRECHERIN

Die einst vielleicht mächtigste Frau des Freistaats: imposant, monumental, majestätisch.

SPRECHER

Auf einem steinernen Sockel thront sie. 48 Stufen führen zu ihr empor. Da steht sie - würdevoll: Achtzehneinhalb Meter hoch.

SPRECHERIN (genießerisch)

Von dort blickt sie frei über die Theresienwiese weit hinüber bis zum Wetterturm des Deutschen Museums und zur mächtigen Maximilianskirche im Glockenbachviertel.

SPRECHER

Kolossale 1.560 Zentner ist sie schwer.

SPRECHERIN

Aus dem Erz türkischer Kanonen gegossen.

SPRECHER

Die Bavaria: Weltliche Patronin Bayerns, das Gesicht Münchens und personifizierte Allegorie für den Freistaat.

MUSIK ENDE

O-Ton 1 Marr (33:50)

Im Grunde ist die Bavaria und die Theresienwiese mit dem Oktoberfest die Verkörperung Bayerns.

SPRECHER

Sagt Konservator und Museumsreferent Dr. Thorsten Marr von der Bayerischen Schlösserverwaltung, der uns im Schloss Nymphenburg empfängt.

O-Ton 2 Marr (13:09)

Die Bavaria steht ja als gewaltige Kolossalstatue zwischen den beiden Flügeln der Ruhmeshalle. Und sie ist gewissermaßen der Augenpunkt für Besucher, die auf das Denkmal zu gehen. Und insofern ist auch die Statue ikonografisch auf Fernwirkung ausgerichtet.

MUSIK „Festlicher Marsch“; ZEIT: 00:30

SPRECHERIN

Sie trägt ein Bärenfell über ihrem schlichten Gewand. In ihrer Rechten hält sie etwas Eichenlaub und ein umwickeltes Schwert, das in der Scheide ruht. Mit der Linken hebt sie einen Ruhmeskranz aus Eichenlaub hoch über ihr Haupt. Zu ihrer Rechten sitzt kraftvoll und stark ein Löwe.

MUSIK ENDE

SPRECHER

Warum steht sie da? Ausgerechnet da? Was soll der Lorbeer… – pardon Eichenkranz? Und wer hat das Standbild dieser bayerischen Amazone dort aufstellen lassen? Und wieso?

ZITATOR 1

Möchten alle Deutschen, welchen Stammes sie auch seien, immer fühlen, dass sie ein gemeinsames Vaterland haben, ein Vaterland auf das sie stolz sein können, und jeder trage bei, soviel er vermag, zu dessen Verherrlichung.

SPRECHERIN

Meinte König Ludwig I. 1842 bei der Einweihung der Walhalla nahe Regensburg. Die Idee für diesen und weitere Gedächtnisorte keimte in Ludwig seit dem als schmachvoll empfundenen Siegeszug der napoleonischen Armeen. Über der Jugendzeit des Königs lagen die Schatten der Machtansprüche Napoleons auf der einen und Österreichs auf der anderen Seite.

SPRECHER

Sein Haus, das der Wittelsbacher, drohte zum Spielball der beiden Großmächte zu werden. Bayern wurde mehrfach Kriegsschauplatz mit allen dazugehörigen fatalen Folgen für das Land.

SPRECHERIN

Erst mit der Niederlage Napoleons bei der Völkerschlacht bei Leipzig im Jahr 1813 begann in Bayern eine Periode des Friedens. Für Ludwig I. Zeit, Zeichen zu setzen: von künstlerischer und zugleich politischer Einheit.

MUSIK Bayernhymne. Bearbeitet für Streicher; ZEIT: 00:25

ZITATOR 1

Ein Baiern aller Stämme, eine größere deutsche Nation.

SPRECHER

Ein Motiv, das Ludwig zu einer ganzen Reihe von Bauprojekten für Nationaldenkmäler inspirierte. Darunter die Bavaria und die Ruhmeshalle, die der König 1834 in Auftrag gab. Thorsten Marr:

MUSIK ENDE

O-Ton 3 Marr (01:19)

Ludwig I. als König, als bayerischer König, hatte den Auftrag gegeben und zunächst einmal einen Wettbewerb ausgelobt. Und Ende des Wettbewerbs bekam dann Leo von Klenze den Auftrag, die Ruhmeshalle mit der Bavaria, und zwar beides zusammen, zu errichten. Die Bavaria war nie als einzelnes Monument gedacht, sondern hat sich aus dem Wettbewerb entwickelt. Und Klenze hatte in seinem Wettbewerb einer Ruhmeshalle zusätzlich die Bavaria als übergeordnete Instanz derer, die in der Halle geehrt werden, gewählt. Und als Ort wurde ja die Theresienwiese ausgedacht oder ausgewählt. Und das hängt zweifellos mit dem patriotischen Hintergrund, sage ich jetzt mal etwas vollmundig, der Theresienwiese zusammen.

SPRECHERIN

Nach der Niederlage der verbündeten französischen und bayerischen Truppen in der Schlacht von Höchstädt im Jahr 1704 hatten die Habsburger das bayerische Oberland und die Residenzstadt München besetzt und außerdem die Steuern drastisch erhöht.

SPRECHER

Es kam bald zu ersten Aufständen, die schließlich 1705 in der Sendlinger Mordweihnacht und einem bayerischen Volksaufstand gipfelten, der gnadenlos niedergeschlagen wurde.

ZITATOR 2

Lieber bayerisch stea'm als kaiserlich verdea'm.

SPRECHERIN

Hundert Jahre später galt der Aufstand als patriotische Tat zum Wohle des Hauses Wittelsbach und zur Wiedereinsetzung des Kurfürsten und zur Rettung der Souveränität des Kurfürstentums.

SPRECHER

Die Sendlinger Anhöhe am Rande der Theresienwiese war somit ein symbolträchtiger und wohl überlegter Ort für ein Nationaldenkmal.

MUSIK Instrumentaleinleitung zu "Bayerischer Schützenmarsch"; ZEIT: 01:00

SPRECHERIN

Und nutzte zudem die Popularität der Festwiese, auf der seit der Hochzeit von Kronprinz Ludwig von Bayern und Prinzessin Therese im Jahr 1810 alljährlich ein Volksfest stattfand.

ZITATOR 2

Der anwesenden Königsfamilie huldigten damals Kinder in bayerischen Volkstrachten mit Gedichten, Blumen und Früchten des Landes.

Zu Ehren der Braut war die Festwiese „Theresens-Wiese“ getauft worden.

SPRECHER

Hier, auf der Sendlinger Anhöhe entstand die U-förmige Säulenhalle, die das Gelände nach hinten abschließt. Und zwischen den beiden Flügeln steht sie: die Bavaria. Wie die Ruhmeshalle blickt sie auf die Theresienwiese, von der eine Treppenanlage hinauf zur Bavaria gebaut wurde, von der aus man wieder über Stufen weiter zur Ruhmeshalle gelangt.

SPRECHERIN

Eine gestalterische Verknüpfung.

MUSIK ENDE

O-Ton 4 Marr (11:44)

Also insofern ist auch ein geschicktes Miteinander und eine geschickte Wechselwirkung zwischen Statue einerseits und Ruhmeshalle geschaffen. Und das immer ausgerichtet auf den Besucher, der von der Theresienwiese aus kommt. Aber es war immer schon ausgerichtet auf die Besucher, die dann bei einem Fest auf der Wiese waren und das heißt mindestens einmal im Jahr mit dem Oktoberfest Blick hatten auf das Ensemble, auf das Denkmal.

SPRECHERIN

Die Bavaria selbst hatte in den ersten Entwürfen eine ganz andere Gestalt.

SPRECHER

König Ludwig I. vergötterte alles Griechische.

ZITATOR 1

Ich will nicht eher ruhen, bis München aussieht wie Athen!

SPRECHERIN

Ein Isar-Athen! Wenig verwunderlich also, dass sich Leo von Klenzes ursprüngliche Bavaria, deren erster Entwurf bereits 1824 erstellt wurde, stark an griechischen Vorbildern ausrichtete.

SPRECHER

Die Bavaria des Erstentwurfes war eine griechische Amazone, im Chiton, - einer Art Tunika, mit Sandalen und einer mit bayerischen Rauten geschmückten Aegis, einem Brustpanzer mit Medusenhaupt. Dazu ein kleiner Löwe, eher ein zahmes Kätzchen zu ihren Füßen. Ungewöhnlich auch die viergesichtige Herme, also ein Pfeiler mit aufgesetztem Kopf, an den sie sich lehnt, und dessen vier Gesichter die Kunst und Wissenschaft, sowie die Staats- und Kriegsführung symbolisieren sollten.

SPRECHERIN

Nach der Beauftragung durch den König geriet die Bavaria in einem weiteren Entwurf gar zur "Athena Promachos" – der Schutzgöttin Athens mit Helm, Schild und Speer: Eine klassisch griechische Bavaria.

SPRECHER

Doch das Neue an Klenzes Entwurf: Indem er Motive verschiedener Herkunft mischt, erschafft er einen neuen Typ der bildlichen Darstellung für die Personifikation Bayerns.

SPRECHERIN

Und die Bavaria entwickelte sich weiter. Thorsten Marr:

O-Ton 5 Marr (16:17)

Und während des Planungs- und Konzeptionszeitraums wurde allmählich aus der griechischen Figur einer Siegesgöttin die germanische Siegesgöttin Bavaria in diesem Fall umgewandelt.

SPRECHER

Ein Wandel, der auf den Einfluss des Bildhauers Ludwig Schwanthaler zurückzuführen ist, den Ludwig I. zusammen mit den Erzgießern Johann Baptist Stiglmaier und Ferdinand von Miller hinzugezogen hatte.

SPRECHERIN

Mit der Antike hatte Schwanthaler nicht so viel am Hut. Er war Anhänger der romantischen Bewegung und gehörte mehreren Münchner Mittelalter-Zirkeln an, die für das „Vaterländische“ brannten. Fremdes, auch aus der Antike, war da wenig gelitten.

Schwanthalers Vision und Klenzes klassizistisches Vorhaben widersprachen sich also.

 SPRECHER

Aber ganz offensichtlich war genau das die Strategie des Königs: Ludwig I. ließ konträre Kunstauffassungen in dasselbe patriotische Projekt einfließen.

 ZITATOR 1

Ein Denkmal, das die zerstrittenen Lager unter dem Dach einer Nation eint.

 SPRECHERIN

Diese Synthese der klassizistischen und der romantisch-gotischen Stilrichtung nennt man heute: 

ZITATOR 2

Romantischen Klassizismus

 SPRECHER

Oder:

 ZITATOR 2

Ludovizianischen Stil.

 MUSIK „Bayerische Königs-Hymne“; ZEIT: 00:50

 SPRECHERIN

Die Bavaria wird eine Germania. Mit Bärenfell über dem bodenlangen Kleid und Eichenkranz im langen Haar. Und auch die strengen Gesichtszüge werden mädchenhafter.

 SPRECHER

Dazu der Löwe als Symbol Bayerns, der zugleich als Zeichen der Kraft und Stärke seit jeher auf Herrscherportraits zu sehen ist.

Das Schwert: ein allgemeines Symbol für Macht und Wehrhaftigkeit.

 SPRECHERIN

Am wichtigsten aber: der Eichenkranz, den die Bavaria in der linken Hand hält. Im Verständnis der Zeitgenossen bezog sich der Eichenkranz speziell auf die bürgerlichen Tugenden. Dieser Kranz ist die Ehrengabe für all jene, deren Büsten im Inneren der Ruhmeshalle aufgestellt sind.

 MUSIK ENDE

 O-Ton 6 Marr (05:04)

Man ehrt mit Büsten in der Ruhmeshalle diejenigen, die sich für Bayern verdient gemacht haben oder aber Bürger Bayerns sind. Also das Kurfürstentum zunächst oder des Königreichs. Und damit die Deutung der Ruhmeshalle mit der Bavaria in keinem Fall falsche Bahn läuft, sondern die Deutungshoheit beim König bleibt, hat der König im Grunde eine Inschrift auch in der Bavaria an der Tür hinterlassen. Und die ist für jeden Eintretenden gut sichtbar und gut lesbar:

 MUSIK Bayernhymne. Bearbeitet für Streicher; ZEIT: 00:25

 ZITATOR 2

Als Anerkennung Bayerischen Verdienstes und Ruhmes ward diese Halle errichtet von Ludwig I. König von Bayern. Ihr Erfinder und Erbauer war Leo von Klenze. Begonnen den 15. Oktober 1843, vollendet, den 15. Oktober 1853.

 MUSIK ENDE

 SPRECHERIN

Bildliche Darstellungen einer Frau, die Bayern symbolisiert, gibt es freilich schon lange Zeit vor der Entstehung der Ruhmeshalle und der Geburt der kolossalen germanischen Bavaria davor.

 MUSIK  „Ave Maria“; ZEIT:01:55

SPRECHER

Die Tellus Bavarica. Eine schon seit Jahrhunderten gebräuchliche Allegorie der „bayerischen Erde“.

SPRECHERIN

Der archetypischen Mutter Erde, der griechischen Gaia, entspricht in der römischen Mythologie die Gottheit Tellus. Von ihr leitet sich die Tellus Bavarica, die bayerische Mutter Erde ab.

SPRECHER

Sie ziert Wappen, Gemälde und Reliefs über Hauseingängen. Die Kuppel des zentralen „Dianatempels“ im Münchner Hofgarten zierte ursprünglich eine bronzene Statue der römischen Jagdgöttin Diana. Sie 1623 wurde sie zur Bavaria umgestaltet: Ihr Helm wurde zum Kurfürstenhut und der Ährenkranz in ihrer Hand durch einen Reichsapfel ergänzt.

SPRECHERIN

Im Kloster Fürstenzell bei Passau platzierte der österreichische Freskenmaler Bartolomeo Altomonte eine Bavaria im Zentrum des Deckenfreskos im Fürstensaal: Als Königin, die von einem Engel gekrönt wird, umgeben von Allegorien der Kirche, des Handels, der Landwirtschaft und der Künste.

SPRECHER

Ein Gemälde der Münchner Historienmalerin Marianne Kürzinger zeigt eine zarte mädchenhafte Bavaria in weiß-blauem Gewand, die sich an eine große, wehrhafte Amazonenkriegerin schmiegt: „Gallia schützt Bavaria.“ So der Titel. Das Bild stellt die Allianz von Bayern und Frankreich in jener Zeit dar.

ZITATOR 2

Ich werde Bayern nicht nehmen, ich werde es verschlingen.

SPRECHERIN

Hat der Habsburger Kaiser Franz gedroht. Es gäbe eine Reihe weiterer Beispiele – doch in der öffentlichen Wahrnehmung wird die Bavaria heutzutage fast ausschließlich mit der monumentalen Statue auf der Theresienwiese identifiziert.

MUSIK ENDE

SPRECHER

Und deren Vollendung war auch nach von Ihrer Majestät abgesegneten Entwürfen eine schwere Geburt.

SPRECHERIN

Eine Bronzefigur mit der enormen Größe von 18,52 Metern bedarf ausgefeilter Technik. Schon die Ausgestaltung der Figur durch Ludwig Schwanthaler dauerte ihre Zeit. Ebenso war der Aufwand in der Königlichen Erzgießerei an der Nymphenburger Straße enorm:

O-Ton 7 Marr (21:42

Also dafür mussten dann zu Beginn der Vierzigerjahre zusätzliche Gebäude errichtet werden. Ein Gußhaus und schließlich sogar eine Holzhütte, in der die Bavaria im Format eins zu eins errichtet wurde. Das heißt, man brauchte keine flache Holzhütte, sondern brauchte einen Holzturm, der mindestens 18 Meter noch was hoch ist und darüber einen Dach noch hat. Und in diesem Holzhaus oder im Holzturm hat dann Schwanthaler 1840 folgende Jahre seine Gipsfigur geschaffen. Die Gipsfigur wurde dann wiederum 1843 in Einzelteile zerlegt, zwölf Einzelteile. Und von diesen Einzelteilen wurden dann Gussmodelle, also Modelle, von denen dann der Guss, der Bronzeguss gemacht werden konnte, gemacht. Und dann ergibt sich dann schon dass 1844 mit dem Gießen begonnen wurde und bis 1850 waren die Einzelteile gegossen und auch die Oberflächen bearbeitet.

 SPRECHERIN

An den Ort der Herstellung erinnern heute noch die Münchner Erzgießereistraße sowie die parallele Sandstraße, an der die für den Guss notwendige Sandgrube lag.

 SPRECHER

Parallel dazu lief der Bau der Ruhmeshalle.

 SPRECHERIN

Wie alle Nationaldenkmäler wurden Bavaria und Ruhmeshalle aus der Privatschatulle des Königs finanziert. Als Ludwig 1848 unter Druck nach der „Affäre Lola Montez“ zu Gunsten seines Sohnes Maximilian abdankte, versprach Maximilian zwar, das Projekt zu vollenden. Er plante dafür aber lediglich ein Budget von 9000 Gulden pro Jahr ein.

 SPRECHER

Viel zu wenig. Erst als der abgedankte König die Finanzierung wieder aus seiner Privatschatulle übernahm, konnte die Bavaria fertiggestellt werden.

 SPRECHERIN

Zum Oktoberfest des Jahres 1850 – es wäre Ludwigs 25. Regierungsjahr gewesen - wurde die Bavaria am 9. Oktober feierlich enthüllt.

 MUSIK „Vorspiel zum 3. Akt aus Lohengrin“; ZEIT: 01:15

ZITATOR 1

Nero und ich sind die einzigen, die so Großes gemacht haben.

 SPRECHER

Notierte sich der Monarch im Ruhestand. Das Fest geriet zur Huldigungsfeier für den abgedankten König – und für das, was er aus München gemacht hatte, der Stadt…

ZITATOR 1

…die Teutschland so zur Ehre gereichen soll, dass keiner Teutschland kennt, wenn er nicht München gesehen hat.

 SPRECHERIN

Selbstredend würdigten ihn die Künstler, die Ludwig so sehr gefördert und durch seine rege Bautätigkeit mit Aufträgen versorgt hatte, besonders:

 ZITATOR 2

Dank und Preis der Gegenwart, der Nachwelt, – Bavarias eh’rne Eichenkrone gebührt vor Allen König Ludwig dem Kunstbeschützer!

 SPRECHER

Rief der für die Münchner Künstlerschaft sprechende Festredner Tischlein.

SPRECHERIN

Die Ruhmeshalle freilich war zu diesem Zeitpunkt noch nicht fertiggestellt. Darauf musste das Isar-Athen noch drei Jahre warten. Dabei ist sie mit der Bavaria nicht nur baulich, sondern auch gedanklich eng verbunden.

 MUSIK ENDE

 O-Ton Marr 8 (05:05)

Man ehrt mit Büsten in der Ruhmeshalle diejenigen, die sich für Bayern verdient gemacht haben oder aber Bürger Bayerns sind, also des Kurfürstentums zunächst oder des Königreichs. (…) 06:25 Und sie werden zusammengefasst durch die gewaltige Figur, diese kolossale Statue der Bavaria. Sie ist gewissermaßen die Symbolfigur aller, die hier in der Ruhmeshalle versammelt sind. Insofern ist dann auch die  Bedeutung der Bavaria immer auf die Personen bezogen, die in der Ruhmeshalle auch ausgestellt sind oder als Büsten wiedergegeben sind.

 SPRECHER

Vorbildliche Bayern – so der Erziehungsgedanke Ludwigs I. -, die anspornen sollen, ihnen nachzueifern. Ein Leistungsprinzip visualisiert im Rahmen eines Denkmals.

 SPRECHERIN

Büsten bayerischer, fast ausschließlich männlicher Vorbilder unter Obhut einer überlebensgroßen weiblichen Figur – diese Konstellation hat dazu geführt, dass die Bavaria als Mutterfigur wahrgenommen wurde.

O-Ton 10 Kinseher W0304201 101

Griaß eich, I bin’s eier Mama!

 SPRECHERIN

Also solche inkarnierte sich Mama Bavaria im Jahr 2010 in der Kabarettistin Luise Kinseher, die denen, die Bayern als Vorbilder lenken sollten, auf dem Nockherberg gehörig die Leviten las.

 O-Ton 11 Kinseher W0304201 101

Ich bin die Bavaria, und da bin i dahoam.

 O-Ton 12 Kinseher W0364024 101

Mei, Kinder! Wenn I eich so oschau, frag ich mich: Hob I als Mutter versagt? Ihr seid verwöhnt und verhätschelt, egoistisch und eingebildet.

 SPRECHER

Bis 2018 hielt Kinseher als Bavaria, als erste Frau überhaupt, die Salvatorrede.

 MUSIK 7  Bayernlied. Bearbeitet für Streichquartett; ZEIT: 00:15

SPRECHERIN

Wann, wo und in wem die Bavaria wohl in Zukunft inkarniert?

 MUSIK ENDE

 O-Ton 12 Marr (35:42)

Was so ein bisschen in Vergessenheit geraten ist, ist, dass das Denkmal noch ein lebendes Denkmal ist. Es ist kein abgeschlossenes. Es werden noch heute Persönlichkeiten geehrt, die zum Wohle Bayerns gewirkt haben. Und der letzte, der die letzte Büste, die aufgestellt worden ist. Es ist gerade 15 Jahre her, so um den Dreh, das ist der Komponist Carl Orff also. Es ist kein Denkmal, was mit Ludwig I. dann in sich auch inhaltlich abgeschlossen und beendet ist, sondern es werden weit darüber hinaus Büsten aufgenommen, um diesen Gedanken Ruhmeshalle weiter auch mit Leben zu erfüllen. Und da sind eben auch seit den Jahren nach 45 auch Frauen dazugekommen, was in den Jahren davor eben nicht war.

 SPRECHERIN

Die Schriftstellerin Lena Christ, die Schauspielerin Clara Ziegler, die Forschungsreisende Therese von Bayern und die Mathematikerin Emmy Noether.

MUSIK 7 Bayernlied. Bearbeitet für Streichquartett; ZEIT: 01:10

Diese vier Frauen haben den Anfang gemacht. Doch wichtige weibliche Persönlichkeiten der bayerischen Geschichte gibt es noch viele mehr, die an die Seite des großen Sinnbilds Bavaria treten könnten, das Ludwig I. aufstellen und feierlich einweihen ließ.

 ZITATOR 2

Nachdem sämtliche Festwagen zu beiden Seiten der Tribüne im Halbkreis aufgestellt waren, fiel bei klarstem Herbsthimmel unter den Salven der Landwehr-Artillerie und den betäubenden Zurufen der zahllosen Menge die 70 Fuß hohe Bretterwand krachend nieder, und das erhabenste Bildnis glänzte zum ersten Mal vor den entzückten Blicken im lachendsten Herbstsonnenschein. Nie bisher hatte das Volk in solcher Menge den hohen Wert der Kunstschöpfung des Königs gefühlt oder gar anerkannt. König Ludwig aber sprach, auf's tiefste ergriffen, die denkwürdigen Worte: „Ich bin vierundsechzig Jahre alt, hab' viel des Schönen gesehen, so Schönes noch nie, hab' viel Freuden erlebt, doch solche Freude noch nie!“