Was bekam im Mittelalter der Henker für eine Hinrichtung? Wie viel Steuern zahlten die Huren an die Stadt? Die Augsburger Baumeisterbücher verraten es. Insgesamt 31 Regalmeter umfasst das Verzeichnis der städtischen Ausgaben und Einnahmen zwischen 1320 und 1784. Dieter Voigt hat nach seiner Pensionierung im Rahmen einer Doktorarbeit die ersten 120 Jahre der Bücher erschlossen und in einer Datenbank allen Interessenten online zugänglich gemacht. Von Carola Zinner
Was bekam im Mittelalter der Henker für eine Hinrichtung? Wie viel Steuern zahlten die Huren an die Stadt? Die Augsburger Baumeisterbücher verraten es. Insgesamt 31 Regalmeter umfasst das Verzeichnis der städtischen Ausgaben und Einnahmen zwischen 1320 und 1784. Dieter Voigt hat nach seiner Pensionierung im Rahmen einer Doktorarbeit die ersten 120 Jahre der Bücher erschlossen und in einer Datenbank allen Interessenten online zugänglich gemacht. Von Carola Zinner
Credits
Autorin dieser Folge: Carola Zinner
Regie: Martin Trauner
Es sprachen: Julia Fischer, Peter WeiĂź
Technik: Simon Lobenhofer
Redaktion: Thomas Morawetz
Im Interview:
Dr. Dieter Voigt, Augsburg
Linktipps:
Die gesamte von Dieter Voigt erstellte Datei der Augsburger Baumeisterbücher steht auf der Website der Augsburger Universitätsbibliothek online: Die Augsburger Baumeisterbücher von 1402 bis 1440. Die Augsburger Baumeisterbücher sind die Rechnungsbücher von Augsburg, die ab 1320 zu einem großen Teil überliefert sind. 1276 hatten sich die Augsburger Bürger aus der Herrschaft des Bischofs gelöst. Damit wurden sie eigenverantwortlich für alle finanziellen Aufwendungen, die das Zusammenleben von Menschen auf einem begrenzten Territorium erfordern
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Mittlerweile ist man übrigens auch andernorts auf die Bücher aufmerksam geworden: Unterstützt von der Deutschen Forschungsgemeinschaft arbeitet auch ein Team der Universität Mainz an einer Online-Präsentation der Augsburger Baumeisterbücher, in diesem Fall von 1320 bis 1466.
HIER gehts zur Website.
Dazu:
Edition der Augsburger Baumeisterbücher. Methoden der Digital Humanities in der Bearbeitung und Erforschung mittelalterlicher Rechnungsbücher – Möglichkeiten und Grenzen am Beispiel der digitalen Edition der Augsburger Baumeisterbücher.
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Das vollständige Manuskript gibt es HIER.
Lesen Sie einen Ausschnitt aus dem Manuskript:
 ZITATOR
Item 2 Gulden zwain armen Menschen, die ihr FueĂź abgefallen hetten und die nichtz zue essen hettenÂ
MUSIK hoch
ZITATOR
Item 2 Guldin Vnd 13 Schilling dem Augustin ainem potten (= Boten) der Uns Brieff pracht der Berihtun (= berichtet) von Costantz.Â
MUSIK hochÂ
ZITATOR
An Unser Frauen Tag Natiuitas haben Wir den Zoll empfangen Von dem Torhueter daselbst 29 Pfund. Â
ERZĂ„HLERIN
Zolleinnahmen, Botenlohn fĂĽr Nachrichten vom Konzil in Konstanz, milde Gaben an BedĂĽrftige: alles, was Augsburgs Stadtkasse fĂĽllt oder belastet, wird in den „BaumeisterbĂĽchern“ sorgfältig vermerkt.Â
ZUSPIELUNG 1 (Voigt)
Wir wĂĽrden heute sagen, das sind städtische RechnungsbĂĽcher, ab 1320 und das geht bis 1784.Â
ERZĂ„HLERIN
Auch andere Städte fĂĽhrten „BaumeisterbĂĽcher“, wie die Verzeichnisse heiĂźen, weil die Gelder zunächst fast ausschlieĂźlich fĂĽr den Bau und Erhalt der schĂĽtzenden Mauern und Gräben rund um die Stadt verwendet wurden. Nirgendwo sonst jedoch wurden die Listen ĂĽber einen derart langen Zeitraum so sorgfältig gefĂĽhrt und aufbewahrt wie in Augsburg.Â
ZUSPIELUNG 2 (Voigt)
Die ursprĂĽnglichen BĂĽcher waren einzelne Papierlagen, die dann zusammengebunden wurden. Also stand ein Wille dahinter, dass man auch wieder darauf zurĂĽckgreifen konnte: Was war denn da? Was haben wir ihm damals gegeben? Was geben wir ihm heute? Und das ist fĂĽr die Zeit eine Besonderheit, denn das meiste ging ansonsten mĂĽndlich, bloĂź wenn die Träger dieser Information gestorben sind, dann war die Erinnerung weg. Hier hat man etwas fixiert und konnte darauf zurĂĽckgreifen.Â
MUSIK: „Tanec“ – (0:25)
ERZĂ„HLERIN
Heute liegen die insgesamt 379 ĂĽberlieferten BĂĽcher im Augsburger Stadtarchiv: eine einzigartige Dokumentation städtischer EinkĂĽnfte und Ausgaben vom Mittelalter bis in die frĂĽhe Neuzeit. Einen Teil davon hat Dr. Dieter Voigt (spr.: Vogt) mittlerweile im Rahmen seiner Dissertation erschlossen.Â
ZUSPIELUNG 3 (Voigt)
Es sind 31 Regalmeter. Und davon habe ich den ersten Meter erfasst.Â
Da habe ich dann praktisch alle diese Einträge, die in den BĂĽchern waren, hier so transkribiert, damit die noch lesbar sind, und hier dann die Einnahmen, woher die kommen, Ausgaben und Personalkosten….Â
ERZĂ„HLERIN
Im Zuge seiner Arbeit ĂĽbertrug Dieter Voigt den kompletten Inhalt der BĂĽcher aus der Zeit von 1320 bis 1440 in eine Datenbank. Dort sind jetzt die teils schwer zu entziffernden Einträge auch fĂĽr UngeĂĽbte problemlos lesbar und können nach Schlagwörtern, Gesamt- oder Teilsummen durchsucht werden.Â
ZUSPIELUNG 4 (Voigt)
Manche schreiben sehr schön – das können Sie gut lesen – dann haben wir wieder welche, die ne ausgesprochene Klaue haben…Â
ERZĂ„HLERIN
Bereits im 12. Jahrhundert rangen die Bewohner Augsburgs, das damals noch komplett dem Bischof unterstellt war, beharrlich um ihre Selbständigkeit. Mit Erfolg, wie das „Stadtrecht“ aus dem Jahr 1276 zeigt, ein vom Kaiser abgesegnetes Rechtsbuch, in dem sie ihre Gesetze und Privilegien schriftlich festhielten, vom Strafrecht ĂĽber den Kredithandel bis hin zu den diversen Abgaben und Zöllen. Damit wĂĽrden sich in Zukunft alle Diskussionen wegen rechtlicher Unsicherheiten erĂĽbrigen, heiĂźt es sinngemäß im Vorwort, das wie der gesamte Text nicht etwa in Latein verfasst ist, der Sprache der Kirche, sondern auf Deutsch.Â
 MUSIK: „Tanec“ – (0:30)
ZITATOR
Wes man irre wirt daz man daz an disem buche vinden sol, daz daz danne reht ist unde niemen widerreden sol.
ERZĂ„HLERIN
Im „Buch“, wie die Augsburger es schlicht nannten, fand Dieter Voigt viele Hintergrundinformationen, die auf den ersten Blick eher kryptische Passagen in den BaumeisterbĂĽcher verständlich machten. Anfangs sind die Eintragungen dort noch lateinisch - Â
ZITATORÂ
De tribus septimanis recepimus de antiquo thelonio - 3 Pfund et 5 Schilling.
ZUSPIELUNG 5 (Voigt)
Das hat er fĂĽr drei Wochen rĂĽckwirkend eingetragen, eingenommen aus dem alten Zoll, antiquo thelonio. Und dann ist hier drei Pfund und fĂĽnf Schillinge und der Getreidezoll waren 30 Schillinge.
 ERZÄHLERIN
Es wirkt auf den ersten Blick recht karg, was die verschiedenen Schreiber ĂĽber die Jahre mit Feder und Tinte zu Papier brachten. Doch je genauer man sich damit befasst, umso interessanter – und manchmal auch anrĂĽhrender – wird es.Â
MUSIK: „Die Wintersonnwende 2““ – (0:50)
ZITATOR
Item 28 Pfund um ainen Loden armen Leuten an Suntag ante Michahel -
ZITATOR
Item 2 Guldin haben Wir geben Andresen dem Langen do er kranck belaibe tzue Muenchen -
ZITATORÂ
Item 1 Pfund ainem gemainen Froelin daz gewan ain Kindlein in dem Frauenhause -
ERZĂ„HLERIN
Warmer Lodenstoff fĂĽr die Armen, UnterstĂĽtzung fĂĽr einen Augsburger, der in MĂĽnchen krank oder Geld fĂĽr das „gemeine Fräulein“, das im städtischen Frauenhaus schwanger wurde und ein Kind bekam: Die BĂĽcher zeugen nicht nur vom alltäglichen Elend in der mittelalterlichen Stadt, sie erzählen auch von den zunehmenden Anstrengungen der Obrigkeit, Hilfestellung zu leisten.  Â
ZITATOR
Item 30 Schilling dem Luitpoltzbader vom Baden die FuntkintÂ
ZUSPIELUNG 6 (Voigt)
1320 bauen die ein Haus fĂĽr eine Frau, die nennt sich „Sternin", und die betreut Findel- und Waisenkinder. Das war ein groĂźes soziales Problem…. die bekamen Bekleidung, die bekamen Essen, die haben ein Bett, die haben ein Dach ĂĽber dem Kopf und die wurden regelmäßig gebadet, der Bader rechnete immer mit der Stadt ab, wenn er die Kinder gewaschen hat. Und das war die erste Frau, die dann eine wirklich regelmäßig gleichbleibende, quartalsmäßige Bezahlung von der Stadt bekam. Die bekommt Butterschmalz. Sie bekommt wöchentlich Milch, die bekommt Schweine und eine Kuh, ja, also dass die wirklich ziemlich autark in der Versorgung waren. Und da kommt dann immer wieder eine neue Sternin, später bekommt die einen eigenen Brunnen, der wird mit Tuffstein ausgemauert, die bekommen einmal 1320 Krautköpfe - das zeigt, dass die viele Kinder haben musste. 1417 kauft die Stadt ein zweites Haus dazu und das alte Haus von 1320 wird 1418 abgerissen und neu gebaut. Und dann hat praktisch die Stadt, wenn es damals auch nicht so benannt wurde, zwei Waisenhäuser, was wir später als Waisenhäuser bezeichnen.Â
ERZĂ„HLERIN
Gleichzeitig lässt es sich die Stadt auch etwas kosten, hart gegen Verbrecher vorzugehen. Am 9. Mai 1372 etwa erhält der Henker mit 15 Schilling fĂĽr eine Hinrichtung - Â
MUSIK: „Tanec“ – (0:20)
ZITATOR
Dem langen Ulrich dem man da kepfftÂ
ERZĂ„HLERIN
Zum Vergleich: ein Arbeiter bekommt am Tag rund 8 Denare. 12 Denare ergeben einen Schilling – die 15 Schillinge fĂĽr den Henker sind also mehr als das Zweiundzwanzigfache des Tageslohns eines Arbeiters. Der Rat sorgt auch fĂĽr Frieden und Sicherheit innerhalb der Mauern, indem er ein Haus am Stadtrand fĂĽr die „schönen Frauen“ unterhält, an die sich die vielen Männer wenden können, die aufgrund restriktiven Heiratsregeln ledig bleiben mĂĽssen.Â
ZITATOR
Von Fensterbreter umb zwen Laden und Fenster zu der Schönenfrauen Huiser - 26 Schilling.Â
ERZĂ„HLERIN
Gut angelegtes Geld, denn das Geschäft wirft fĂĽr die Stadt einiges ab. Â
ZITATORÂ
Von den Frawen Huͤsern 18 Pfund 6 Schilling.Â
ERZĂ„HLERIN
Wie kleine Spots erhellen manche der Texte bisher unbekannte Aspekte des mittelalterlichen Lebens. Andere wiederum zeigen gleichsam die finanzielle Seite von wichtigen Ereignissen der Stadtgeschichte wie etwa der Revolte der Augsburger ZĂĽnfte gegen den Rat, in dem damals allein die Patrizierfamilien vertreten waren. Â
ZUSPIELUNG 7 (Voigt)
1368 sind die Handwerker vors Rathaus gezogen und haben die Ăśbergabe der Machtinsignien verlangt. Das war das Stadtrecht, das waren die BĂĽcher, die SchlĂĽssel fĂĽr die Tore, die Sturmglocke - und nach zwei oder drei Tagen war vollkommen unblutig die MachtĂĽbergabe gelungen. Und als das gelungen war, saĂźen die BĂĽrger auf dem Rathausplatz, und die Stadt spendierte denen Wein -Â Â
MUSIK: „Tanec“ – (0:20)
ZITATOR
Item 44 Denare umb Wein die da sazzen und die Eid namen von de frid Und sun die Reich und Arm swuren
ZUSPIELUNG 8 (Voigt)
Und da saĂźen sie in Frieden, in Sunn und Freundschaft miteinander, und feierten die MachtĂĽbergabe.Â
MUSIK: „Connecting“ – (0:40)
ZITATORÂ
1402-1440 Ausgaben: Lecharbeiten – 2306.872 Denare / Personal 4.649832 Denare / Botenwesen 4 878 581 Denare / Söldner 10.452.918 Denare / Ă„rzte 243.408 Denare / soziale Ausgaben… (nach „Botenwesen“ blenden, evtl. unter Erzähler weiterlaufen lassen) Â
drĂĽber
ERZĂ„HLERIN
Ob es die Ausgaben fĂĽr Söldner sind oder Einnahmen aus dem Fischverkauf: Die von Dieter Voigt erstellte Excel-Datei filtert es nach Wunsch heraus. Er habe mit der Arbeit Pionierarbeit geleistet, bescheinigte ihm sein Doktorvater Martin Kaufhold, Professor fĂĽr Mittelalterliche Geschichte an der Universität Augsburg. Â
ZITATOR wieder hoch
Einnahmen: Tore – 780771 Denare / Zölle 272.821 Denare / Ungelder 26.055.542 Denare (am Ende ganz kurz blenden)
ERZĂ„HLERIN
Der frischgebackene Doktor war auch in anderer Hinsicht ein auĂźergewöhnlicher Fall: Voigt, Jahrgang 1939, hatte erst nach dem Ende seines Berufslebens mit dem Studium begonnen. So war der ehemalige Pharmareferent bei seinem Abschluss 2014 der älteste Student, der je an der Augsburger Universität promovierte. Und gleichzeitig ist er wohl auch einer der größten Experten fĂĽr die  städtischen GeldflĂĽsse im Mittelalter.Â
ZUSPIELUNG 9 (Voigt)
Das war faszinierend fĂĽr mich. Sowas von ner Geschichte einer Stadt! Ich bin zwar in Leipzig geboren, aber ich bin Augsburger!Â
ERZĂ„HLERIN
Was für Augsburg eindeutig ein Gewinn ist. Denn Voigts Arbeit trug maßgeblich dazu bei, dass die Stadt nun auf der Liste des „Unesco-Welterbes“ steht – für sein, wie es auf der Website der Kommission heißt, „weltweit einzigartiges Wassermanagement-System“. Der Historiker konnte anhand der Baumeisterbücher die mittelalterlichen Ursprünge dieses hochkomplexen Systems nachweisen, bei dem bereits zwischen Trink- und Brauchwasser unterschieden wurde.
 ZUSPIELUNG 10 (Voigt)
„Item drei Pfund, vier Schilling Knechten, die den Tücheln graben haben zu dem neuen Brunnen die Kirchgasse heruff.“ Das ist die erste Eintragung für die erste Verlegung der Wasserleitung in Augsburg am 25.06.1413. Die haben wahrscheinlich 1412 damit angefangen. Da fehlt uns aber das Buch. Aber 1413 haben die ganz massiv hier angefangen, die ersten Wassertürme zu bauen und die ersten Wasserleitungen zu legen.
ERZĂ„HLERIN
Um das Trinkwasser des „Brunnenbachs“ bis ins um 13 Meter höher gelegene Stadtzentrum zu leiten, lieĂźen die Augsburger unter anderem ein groĂźes mit, wie es in den BaumeisterbĂĽchern heiĂźt, „Löffeln“ versehenes Rad errichten, das mit Lechwasser betrieben wurde. Löffel fĂĽr Löffel – heute wĂĽrde man wohl sagen, Eimer fĂĽr Eimer - wurde auf diese Weise das kostbare Brunnenbachwasser in einen erhöht errichteten Behälter befördert und floss von dort aus durch ausgehöhlte Fichtenstämme, die „TĂĽcheln“, zum Brunnen in der Stadtmitte.Â
ZUSPIELUNG 11 (Voigt)
Am 13. Juni sind die ersten TĂĽcheln hier verlegt worden, und da hat man circa 400 Meter in der alten Kirchgasse, das ist mal ´ne genaue Ortsangabe, hat man das dort hochverlegt in den Brunnen. Also der erste Bauabschnitt ist wohl gelungen, dass die Stadt zufrieden war und da hat der Brunnenmeister einen Gulden Trinkgeld bekommen. Aber das Ding hat nicht ganz funktioniert, die haben sich verrechnet. Und drum steht dann in einem anderen Eintrag: „Das Huislin muss erhöhet werden“, und dann hat es funktioniert.Â
MUSIK: „Moto perpetuo“ – (0:32)
ZITATOR
„Item zwei Pfund um Sieben zu dem neuen Brunnen in das Huslin“Â
ZUSPIELUNG 12 (Voigt)
Da wurden Siebe eingebaut fĂĽr das Wasser. Dass da keine gröberen Schmutzpartikel reinkommen.Â
ZITATOR
„Item 6 Pfund 2 Schilling haben wir geben dem Lechmaister und den Seinen zue dem Neuen Prunnen Werckleuten und Zymmermannen“.
ERZĂ„HLERIN
Und wie viel Geld ging insgesamt in diesen Jahren in den Brunnenbau? Â
ZUSPIELUNG 13 (Voigt)Â
(Klickgeräusch) Hamma da. Also 1413 haben 98.544 Denare ausgegeben für die Hauptarbeiten, weil da noch weitere Wasserleitungen verlegt worden sind, die sind hier 196.868 und dann 224.799.
ERZĂ„HLERIN
Voigt wĂĽsste gerne mehr zum Thema, doch ach – ausgerechnet!Â
ZUSPIELUNG 14 (Voigt)Â
Der Schreiber hier, der war ja, sagen wir mal schreibfaul, oder was auch immer. Der hat einen Standart-Satz gehabt: „dem Lechmeister und den Sinen für sin Arbeit in den Lechen“. Und dann kam die Summe. Woche für Woche der gleiche Satz, nur mit anderen Beträgen. Und deshalb haben wir hier zwar enorme Ausgaben, aber wir wissen nicht, wo die da gearbeitet haben. Das sind so die mittelalterlichen Unschärfen, die wussten damals Bescheid, alles war überschaubar, und wir hätten uns gefreut, wenn er ein bisschen genauer gewesen wäre.
ERZĂ„HLERIN
Das gilt auch für die verschiedenen Währungen, von denen in den Büchern die Rede ist. Da gibt es Kreuzer und böhmische Groschen, Plapphart, Ratisponen, Haller, Dukaten, Rheinische, Würzburger, Vernoneser, Monacer, Florentin und und und… (Blende?)
ZUSPIELUNG 15 (Voigt)
Wie die damit klarkamen, ist mir ein Rätsel.Â
ERZĂ„HLERIN
Voigt, der einstige Wirtschaftsfachmann, hat in seiner Datei alles sorgfältig umgerechnet in die offizielle Augsburger Währung von damals, Denar, Schilling, Pfund und Gulden.
ZUSPIELUNG 16 (Voigt)
Gulden und der Denar, das waren Münzen, die konnten Sie in die Hand nehmen und in die Tasche stecken. Dann haben die aber noch Recheneinheiten gehabt. Ein Pfund und ein Schilling. Ein Pfund entsprach 240 Denaren. Denar war der Pfennig damals. Und ein Schilling waren zwölf Denare. Wenn Sie jetzt auf dem Markt gegangen sind, haben sie ein Huhn gekauft, und der sagt, das kostet einen Schilling, dann mussten Sie 12 Denare auf den Tisch legen.
ERZĂ„HLERIN
Alles klar? - Dabei war noch gar nicht von den Inflationszeiten die Rede, von Umtauschverlusten oder minderwertigen MĂĽnzen…Â
ZUSPIELUNG 17 (Voigt)
Da steht da 24 Schilling, die verloren wurden an 24 Gulden „ze ring“ - also die waren zu gering, ja. Also, da haben sie die Währungsverluste, das habe ich also auch genau hiermit erfasst.Â
ERZĂ„HLERIN
Es war nicht das einzige Minus in der städtischen Kasse: irgendwie scheint immer weniger reingekommen zu sein als ausgegeben wurde. Für die Zeit von 1320 bis 1400 etwa zeigt Voigts Gesamtrechnung rund 30 000 Denare an Einnahmen – aus Zöllen, von Zinsen oder von Stiftungen, wie einige der wichtigen Posten lauten. Gleichzeitig betrugen die Ausgaben aber über 73 000 Denare, also mehr als das doppelte. Wie ging die Stadt damit um? Gab es vielleicht irgendwo geheime Quellen, aus denen man sich bedienen konnte …? Fest steht jedenfalls: Man ließ sich immer mehr einfallen, um an das Geld der Untertanen zu kommen. Das Zauberwort lautete „Ungelder“.
ZUSPIELUNG 18 (Voigt)Â
Ungelder war damals eine Art und Weise, wie die Stadt Projekte finanziert hatte, wofĂĽr kein Geld in der Kasse war, so haben die damals auf die verschiedenen Dinge des täglichen Lebens, unter anderem Wein, Bekleidung, Honig, Wachs - ich habe insgesamt 14 verschiedene Ungelder, die eigentlich gedacht waren nur fĂĽr die Finanzierung eines bestimmten Projektes, und danach sollten sie wegkommen. Ist nie geschehen, ja? Und das Wein-Ungeld hat teilweise in manchen Jahren bis zu 70 Prozent der Gesamteinnahmen der Stadt ausgemacht. Und wer das einziehen durfte, das war ein „Wein-Ungelder“, so nannten sich die, die sind wohl in die Gaststätten reingegangen oder am Weinstadel und haben dort den Zoll erhoben, das Ungeld.Â
MUSIK: „Wo die schönen Trompeten blasen“ – (0:25)
ZITATOR
Item an dem nehsten Samstag nach vnseres Herren Auffart tage Habent uns geantWĂĽrt Eberhart Langenmantel und der Zottman Ungelder tzĂĽ dem Wein in der niedern Stadt 100 Pfund und 14 Schilling.
  ERZÄHLERIN
Auf der ständigen Suche nach neuen Finanzquellen landen die Augsburger schlieĂźlich sogar beim Bischof, ihrem ewigen Sparringpartner im Ringen um die Macht. Vorangegangen war die vollmundige AnkĂĽndigung der Stadt, Kaiser Ludwig den Bayern, ihren groĂźen BeschĂĽtzer, anlässlich seiner Krönung mit 1000 Pfund zu beschenken. Die sie allerdings offenbar nicht mal ansatzweise besaĂźen. Also nahmen sie die wohlgefĂĽllte Truhe des Kirchenmannes ins Visier.Â
 ZUSPIELUNG 19 (Voigt)
Da hat man zwei Pfaffen vom Bischof gekidnappt, entfĂĽhrt und vom Bischof 600 Pfund Lösegeld verlangt. Und darĂĽber gibt es eine Urkunde auĂźerhalb der BaumeisterbĂĽcher, zwei ungefähr DiN-A 4-Seiten, wo man sich gegenseitig dann wieder verspricht, weiterhin in Frieden und „Froindschaft“ miteinander zu leben, und der Bischof verspricht auch denen, die die an der EntfĂĽhrung dabei waren, nicht zu bestrafen. Diese 600 Pfund sind ordentlich in den Baumeister-BĂĽchern als Einnahmen eingetragen.Â
ERZĂ„HLERIN
Es ist ein gigantischer Fundus an Geschichten, die sich hinter den sparsamen Eintragungen verbergen. Voigt ist vielem davon nachgegangen, tauchte immer aufs Neue ein in alte Zeiten.Â
ZITATORÂ
Item 6 Pfund Hansen dem Leuffel gen Prag zu unser Botschafft do si mit dem Herzogen von Teck bei dem Kaiser waren - der fand si da nit und loff gen Wien
ZUSPIELUNG 20 (Voigt)Â
… da ist wohl eine Abordnung der Stadt Augsburg beim Kaiser in Prag gewesen. Und da mĂĽssen irgendwelche Papiere nachgeliefert werden. Und da schickte man dann einen Boten dort nach Prag. Und da waren die schon, weil das ja ein Kaisertum im Umherziehen war, nach Wien weitergezogen und „er loff“ nach gen Wien: Laufen Sie mal in Augsburg los nach Prag. Wo laufen sie denn lang? Und im nächsten Dorf fragen Sie: Wo geht es denn nach Prag? - Wie die sich damals orientiert haben! Die hatten noch keine Landkarte, geschweige denn Navi oder sonst irgendetwas. Aber sie haben sich zurechtgefunden. Und wo haben die ĂĽbernachtet? Da gibt’s tausend interessante Dinge.Â
MUSIK: „Connecting“ (0:35)
ERZĂ„HLERIN
Und jede Antwort bringt neue Fragen hervor, eröffnet neue Themenbereiche - die dank der Datei und dem Zusatzmaterial deutlich leichter fĂĽr zukĂĽnftige Forscherinnen und Forscher zugänglich sind. Doch eigentlich wĂĽrde sich Dieter Voigt am liebsten gleich wieder selbst ans Werk machen.Â