radioWissen - Bayern 2   /     Frösche und Frankenstein - Die Geschichte der Galvanotechnik

Description

Was hat die Energiewende mit zuckenden Froschschenkeln zu tun? Und warum sind glänzende Schrauben und Duschköpfe etwas ganz Besonderes? Die Technik, die heute verzinkte Schrauben, vergoldete Stecker und verchromte Duschköpfe ermöglicht, nimmt ihren Anfang vor über 250 Jahren. Von Aeneas Rooch

Subtitle
Duration
00:19:21
Publishing date
2024-07-08 03:00
Link
https://www.br.de/mediathek/podcast/radiowissen/froesche-und-frankenstein-die-geschichte-der-galvanotechnik/2095355
Contributors
  Aeneas Rooch
author  
Enclosures
https://media.neuland.br.de/file/2095355/c/feed/froesche-und-frankenstein-die-geschichte-der-galvanotechnik.mp3
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Shownotes

Was hat die Energiewende mit zuckenden Froschschenkeln zu tun? Und warum sind glänzende Schrauben und Duschköpfe etwas ganz Besonderes? Die Technik, die heute verzinkte Schrauben, vergoldete Stecker und verchromte Duschköpfe ermöglicht, nimmt ihren Anfang vor über 250 Jahren. Von Aeneas Rooch

Credits
Autor dieser Folge: Aeneas Rooch
Regie: Irene Schuck
Es sprachen: Berenike Beschle, Stefan Wilkening, Katja Schild
Technik: Lorenz Kersten
Redaktion: Nicole Ruchlack

Im Interview:
Prof. Heinz Schott
Katja Feige, Fraunhofer-Institut fĂĽr Produktionstechnik und Automatisierung IPA
Prof. Friedrich Steinle, TU Berlin
Dr. Marcel Risch, Helmholtz-Zentrum Berlin

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Das vollständige Manuskript gibt es HIER.

Lesen Sie einen Ausschnitt aus dem Manuskript:

SPRECHERIN:

Schrauben können rosten. Wenn die Korrosion das Metall auffrisst, fällt schlimmstenfalls alles, was miteinander verschraubt wurde, auseinander. Das kann katastrophale Folgen haben. Um Schrauben vor Rost zu schützen, werden sie daher oft einer hauchdünnen Schutzschicht überzogen, sie werden verzinkt. 

Musik 2

"Amarilli mia belli" - Album: Harp Music of the Italian Renaissance - Ausführender: Andrew Lawrence-King - Komponist: Giuliano Caccini - Länge: 0'10

Diese Technik wäre vielleicht niemals möglich geworden, hätte nicht im 18. Jahrhundert ein italienischer Arzt mit Fröschen experimentiert…

Musik 3

"Stacking Of Different Natures" - Ausführende: The Information - Album: Biomekano - Länge: 1'23

SPRECHERIN:

Bologna, um 1770. Besagter Arzt seziert gerade Frösche. Als sein Assistent mit einem Skalpell einen Froschschenkel berührt, zuckt der tote Schenkel plötzlich. Woher kommt die unheimliche Bewegung? Hat es mit dem mechanischen Apparat direkt daneben zu tun, mit dem man durch Kurbeln Elektrizität erzeugen kann, eine neue und kaum verstandene Kraft? Der Arzt will es wissen.

ZITATOR GALVANI:

„Daraufhin wurde ich von einem unglaublichen Eifer und Begehren entflammt, dasselbe zu erproben und das, was darunter verborgen wäre, ans Licht zu ziehen.“

SPRECHERIN:

Der Arzt experimentiert systematisch. Er hält Metallkabel an die toten Frösche und lässt seine Assistenten zur gleichen Zeit an der Kurbelmaschine elektrische Ladungen erzeugen.

ZITATOR GALVANI:

Ich berührte […] mit der Messerspitze den einen oder den andern

Schenkelnerv und in dem Momente entlockte einer von den Anwesenden einen Funken. Die Erscheinung blieb stets dieselbe. Unfehlbar traten heftige Contractionen in den einzelnen Muskeln der Gelenke in demselben Momente ein, in dem der Funken übersprang, wie wenn das präparirte Thier vom Tetanus befallen wäre.

SPRECHERIN:

Der Arzt zieht den Schluss: Es ist elektrischer Strom, der die Muskelbewegungen auslöst. Der Arzt heißt: Luigi Galvani. Und die Muskelbewegung, die er bei den toten Fröschen durch Strom hervorgerufen hat, wird nach ihm benannt: Galvanismus.

Luigi Galvani ist damals, im 18. Jahrhundert, keineswegs der erste Arzt, der mit Elektrizität experimentiert. Das berichtet der Medizinhistoriker Prof. Heinz Schott. 

O-Ton (Heinz Schott): 

Es gibt da Abbildungen, wo jemand mit einem lahmen Arm oder Bein im Bett liegt und nun der Arzt mit seinen Drähten hantiert. Im Hintergrund wird dann die elektrische Maschine gedreht, also es ist eine ganz ausgeklügelte technische Apparatur da, die dann schon eingesetzt wurde, vor Galvani. 

SPRECHERIN:

Menschen beginnen gerade erst, Elektrizität künstlich zu erzeugen – und nutzen die neue, mysteriöse Kraft sowohl zur Behandlung von Krankheiten als auch zur Belustigung. Sie lachen über Stromschläge, bewundern „Heiligenscheine“ aus Funken und staunen über geisterhafte Muskelzuckungen.

O-Ton (Heinz Schott): 

Das war eine illustre Szene da. Das waren zum Teil auch Schauexperimente, die man gemacht hat in größeren Menschengruppen, wo man also Menschenketten gebildet hat und dann Strom zugeleitet hat und dann plötzlich sind alle umgefallen.

SPRECHERIN:

In dieser Zeit – in den ersten Tagen des elektrischen Zeitalters – entdeckt Luigi Galvani, dass elektrischer Strom tote Froschschenkel zucken lässt. Er glaubt, damit die Antwort auf eine Jahrtausende alte Frage gefunden zu haben.

O-Ton (Heinz Schott): 

[…] Was hält den Menschen überhaupt lebendig? Das war so die klassische Frage. Und nun endlich, dachte jetzt Galvani: Das ist es! Wir haben das sozusagen hier experimentell nachgewiesen […] 

SPRECHERIN:

Galvani vermutet: In jedem Lebewesen steckt eine spezielle Art von elektrischem Strom: die „animalische Elektrizität“.

O-Ton (Heinz Schott): 

[…] unabhängig von Elektrisiermaschinen oder Blitzen gibt es im Organismus selbst eine Elektrizität…

SPRECHERIN:

Sie ist es, glaubt er, die seine Frösche hat zucken lassen, und sie ist es auch, die Mensch und Tier lebendig macht.

Fortsetzung O-Ton (Heinz Schott):

…Und damit hat er im Grunde die Elektrophysiologie des 19. Jahrhunderts vorweggenommen, die ja gezeigt hat, dass die Nervenimpulse und überhaupt unser Nervensystem mit Elektrizität funktioniert, nur durch diese. 

Musik 4

"Jam" - Komponist und Ausführender: Tod Dockstader - Aerial 3 - 

Länge: 0'42

SPRECHERIN:

Die erstaunliche Kraft der Elektrizität inspiriert Menschen zu weiteren Experimenten – nicht nur mit Fröschen, sondern auch mit Leichen, schildert Medizin-Historiker Heinz Schott. 

O-Ton (Heinz Schott): 

Diese französische Revolution mit dieser Terrorphase war der Höhepunkt dieser Experimente mit Leichen. […] . Das war also eine sehr enge Kooperation, man könnte vielleicht auch sagen Schulterschluss, zwischen Forschung und dem Henker. Man hat […] elektrische Drähte angebracht und dann Elektrizität zugeführt und dann eben beobachtet: Welche Muskeln zucken wie? Und das war natürlich eine schauerliche Geschichte. 

SPRECHERIN:

Nach der Französischen Revolution, um 1800, werden Experimente mit Leichen weitgehend eingestellt – aus ethischen Gründen. Die mysteriösen Muskelbewegungen durch Elektrizität, wie sie Galvani bei seinen Fröschen beobachtet hat, verlieren jedoch nichts von ihrer Faszination. Noch ein halbes Jahrhundert lang bieten Mediziner sogenannte „galvanische Therapien“ an.

O-Ton (Heinz Schott): 

Ich kenne eine Abbildung, wo auch in der Augenheilkunde Galvanotherapie eingesetzt wurde. Da hat man dann eine Elektrode, wo man Strom von einer Batterie abzweigte, ans Auge gehalten oder versucht auch Blindheit zu therapieren. Oder auch Taubheit… […] Ich würde sagen, es gab sicher in der ersten Hälfte des 19. Jahrhunderts so die Idee, dass man letztlich alles mithilfe von Galvanotherapie irgendwie angehen konnte…

SPRECHERIN:

Ärzte leiten daher Strom in den Körper der Patienten – über Nadeln, Metallplatten, Wasserbäder. 

O-Ton (Heinz Schott):

…Man muss sich klar machen, dass die Medizin, wie wir sie kennen, also […] Biomedizin auf naturwissenschaftlicher Grundlage, ja erst später kam, ab der zweiten Hälfte des 19. Jahrhunderts. Und vorher: anything goes.

Musik 5:

"Blackhole Dropout" - Ausführender: Tod Dockstader - Album: Electronic - Länge: 0'30

SPRECHERIN:

Der Galvanismus – Muskeln, die durch Elektrizität zucken – inspiriert die Schriftstellerin Mary Shelley schließlich zu einem der berühmtesten Schauerromane der Welt: Frankenstein. 

ZITATORIN MARY SHELLEY:

„Vielleicht würde ein Leichnam wiederbelebt werden; der Galvanismus hatte Anzeichen für solche Dinge gegeben: vielleicht könnten die Bestandteile einer Kreatur hergestellt, zusammengebracht und mit Lebenswärme versehen werden.“

SPRECHERIN:

Lebenskraft durch tierische Elektrizität – mit seiner Idee liegt Galvani falsch. Was seine Frösche hat zucken lassen, findet um 1800 der Physiker Alessandro Volta heraus. 

O-Ton (Katja Feige): 

Er wiederholte die Versuche systematisch, stellte jedoch fest, dass die Froschschenkel nur zucken, wenn die Muskeln gleichzeitig mit zwei unterschiedlichen Metalldrähten berührt werden…

SPRECHERIN:

Das berichtet Ingenieurin Katja Feige. Sie beschäftigt sich am Stuttgarter Fraunhofer Institut für Produktionstechnik und Automatisierung mit Galvanotechnik. Und ist Mitglied der Deutschen Gesellschaft für Galvano- und Oberflächentechnik.

Fortsetzung O-Ton (Katja Feige): 

… Die Intensität der Zuckungen hing von der Metallpaarung ab, und er stellte fest, dass die Quelle der Elektrizität mit der Kombination unterschiedlicher Metalle zusammenhängt – und nicht mit der tierischen Elektrizität, so wie es Galvani benannt hat. 

SPRECHERIN:

Volta zeigte, dass man auch ohne tierisches Gewebe Elektrizität produzieren kann: indem man verschiedene Metalle über eine Flüssigkeit miteinander verbindet. Diese Flüssigkeit nennt man Elektrolyt.

Musik 5

"Caisson" - Ausführende: Loscil - Album: Loscil (Single) - Länge: 0'39

SPRECHERIN:

Verbindet man verschiedene Metalle über eine Flüssigkeit, fließt elektrischer Strom. Das ist die Grundidee, die heute, über zweihundert Jahre später, für verzinkte Schrauben sorgt. 

Damals jedoch erkennt noch niemand, dass man auf diese Weise Beschichtungen erzeugen kann. Erst einmal versuchen Wissenschaftler, genauer zu verstehen, wie dieser mysteriöse Stromfluss durch eine Flüssigkeit zwischen zwei Metallen abläuft.

Bei seinen Untersuchungen dazu gelingt Alessandro Volta um 1800 eine bahnbrechende Erfindung: die Volta’sche Säule. 

Musik 6

"Frog March By" - Komponist: Tod Dockstader - Album: Electronic - Länge: 0'26

SPRECHERIN:

Er schichtet in einer Säule Kupferplättchen, in Salzwasser getränkte Pappe und Zinkplättchen übereinander. Die Zinkplättchen lösen sich auf, und ihre frei gesetzten Elektronen wandern durch das Salzwasser – das ist in diesem Fall der Elektrolyt – Richtung Kupfer. Elektrischer Strom fließt! 

O-Ton (Friedrich Steinle): 

Die Volta-Säule war das erste Instrument, mit dem man elektrischen Strom herstellen konnte…

SPRECHERIN:

Friedrich Steinle ist Professor für Wissenschaftsgeschichte – an der Technischen Universität Berlin.

Fortsetzung O-Ton (Friedrich Steinle):

Vorher konnte man elektrische Schläge herstellen, elektrische Schläge und Überschläge in gigantischen Ausmaßen. Aber einen kontinuierlichen Strom gab es nicht. Den gibt es zum ersten Mal überhaupt mit der Volta-Säule. Die erste Batterie. Was wir heute als Batterie bezeichnen. Ja. 

SPRECHERIN:

Die Volta’sche Säule ist die erste Batterie! Und ein Meilenstein auf dem Weg zur verzinkten Schraube. Die aber braucht noch über 100 Jahre weitere Forschung und technologischen Fortschritt.

Musik 7

"Einar returns home" - Album: The Danish Girl (Original Motion Picture Soundtrack) - Komponist: Alexandre Desplat - Länge: 0'21

SPRECHERIN:

Anfang des 19. Jahrhunderts nutzt der britische Chemiker Humphry Davy als einer der ersten Wissenschaftler die brandneue Volta’sche Säule für seine Experimente: Damit erzeugt er einen dauerhaften elektrischen Strom – und leitet ihn über Kontakte in Wasser, in dem er zuvor Salze aufgelöst hat. 

Musik 8: 

"Finale" - Komponist: Tod Dockstader - Album: Aerial 3 - Länge: 0'24

SPRECHERIN:

Der Strom spaltet die gelösten Salze in ihre Bestandteile auf. Davy beobachtet: Mal blubbern Gase aus dem Wasser, mal lagern sich an den Kontakten Metalle ab. Es sind Metalle, die noch niemand zuvor in purer Form gesehen hat.

O-Ton (Friedrich Steinle): 

Davy ist es gelungen, zum ersten Mal diese Salze zu zerlegen und die Metalle in Reinform überhaupt erst mal in der Hand zu haben. Zum Beispiel: Natrium überhaupt mal erstmals als solches in die Hände zu bekommen. 

SPRECHERIN:

Und Kalium. Barium. Strontium. Calcium. Magnesium. Durch elektrischen Strom im Wasserbad, durch sogenannte Elektrolyse, spaltet Humphry Davy chemische Verbindungen in ihre Einzelteile auf. Und gelangt so an die reinen Metalle, die sie enthalten, die reinen Elemente. Das begeistert auch seinen Assistenten – einen jungen, unbekannten Buchbinder namens Michael … Michael Faraday!

O-Ton (Friedrich Steinle): 

Humphrey Davy, einer der innovativsten Chemiker seiner Zeit. Bei ihm war Faraday als Gläschenputzer angestellt. Faraday hat extrem aufregende Experimente mitbekommen. Faraday hat sich extrem stark selber interessiert, im Selbststudium versucht sich beizubringen, was da eigentlich passieren kann, die ganze Chemie im Selbststudium beizubringen. Und in Humphrey Davy hatte er jemanden, der ihn hat machen lassen, der ihm die Freiheit gewährt hat auch im Labor selber zu arbeiten. Für sich alleine.

SPRECHERIN:

Faraday erforscht rigoros, wie diese elektro-chemische Zersetzung funktioniert, die Elektrolyse.

O-Ton (Friedrich Steinle): 

Das ist eine Hausnummer! Mit Grundschulbildung, mehr nicht! Und hat sich zu einem der interessantesten Chemiker der Zeit und nachher auch Physiker entwickelt. 

SPRECHERIN:

Rund einhundert Ehrentitel und Auszeichnungen erhält Michael Faraday für seine richtungsweisende und monumentale Arbeit:

Faraday entdeckt – unter anderem! – elektromagnetische Induktion, er prägt bahnbrechende Konzepte wie das des „Magnetfelds“, er erforscht die Eigenschaften von Licht und: Faraday klärt die Grundgesetze der Elektrolyse. 

Metallablagerungen im stromdurchflossenen Wasser-Bad – es klingt unspektakulär, worum es in der Galvanotechnik geht. Aber es ist extrem nützlich. An verzinkte Schrauben denkt zu jener Zeit noch niemand. Allerdings können bereits ab 1850 metallische Oberflächen perfekt überzogen werden – mit Gold, Silber, Kupfer oder Nickel. Das erzählt Ingenieurin Katja Feige: 

O-Ton (Katja Feige): 

Das sind halt Schichtsysteme, die damals vorrangig für dekorative Zwecke eingesetzt wurden. 

Musik 9

"Variation in C minor on a Waltz by Diabelli, D. 718" - Ausführende: Charlotte Baumgartner - Komponist: Franz Schubert - Album: - Länge: 0'13

SPRECHERIN:

Das sollte sich aber um 1870 ändern.

Die Dynamomaschine liefert Ende des 19. Jahrhunderts elektrischen Strom – dauerhaft, kostengünstig und praktisch in jeder gewünschten Stärke. 

Musik 10

"Transit" - Ausführender und Komponist: Biosphere - Album: Insomnia [Original Soundtrack] - Länge: 0'49

SPRECHERIN:

Industrie und Wissenschaft machen jetzt rapide Fortschritte. Auch die Elektrolyse, die längst nicht mehr nur zu Dekozwecken benutzt wird.

Das Prinzip ist immer noch das alte: Man gibt bestimmte chemische Verbindungen in eine Flüssigkeit, einen sogenannten Elektrolyt, und führt Strom hindurch; dann setzen sich die Bestandteile der Verbindungen als hauchdünne Schichten auf den elektrischen Kontakten ab. 

Neu ist jetzt dauerhafter und starker Strom: Mit ihm lassen sich andere Beschichtungen erreichen als nur hübscher Glanz. Dicke und harte Nickelschichten schützen metallische Bauteile vor Verschleiß und Korrosion. Vor allem ab 1900, sagt Ingenieurin Katja Feige. 

O-Ton (Katja Feige): 

Fahrradlenker oder Fahrräder wurden dann halt vernickelt. Ein Fahrrad wurde damals halt einfach zum Gebrauchsgut und als Fortbewegungsmittel eingesetzt. Und somit hatte die Vernicklung den Vormarsch gemacht aufgrund dieser Fahrrad-Entwicklung.

SPRECHERIN:

Elektrolyse spielt nicht nur bei Beschichtungen eine Rolle, sondern auch in der Energiewende. 

Musik 11

"Coyote" - Album: Sketches from New Brighton - Ausführender: Loscil - Komponist: Scott Morgan - Länge: 0'50

SPRECHERIN:

Um den CO2-Ausstoß zu verringern, will man auch Technologien verwenden, die auf Wasserstoff basieren. Doch woher soll der Wasserstoff kommen – das Schlüsselelement für diesen Beitrag zur Energiewende?

O-Ton (Marcel Risch):

Zurzeit wird Wasserstoff leider überwiegend, zu 95 %, aus fossilen Quellen hergestellt. Das heißt, bei der Wasserstofferzeugung entsteht auch CO2… 

SPRECHERIN:

Dr. Marcel Risch erforscht Möglichkeiten, Wasserstoff zu gewinnen – am „Helmholtz-Zentrum Berlin für Materialien und Energie“. Eine Möglichkeit wäre: Wasser zu zerlegen. Wasser ist eine Verbindung aus Wasserstoff und Sauerstoff. Mit Elektrolyse kann man sie in ihre Bestandteile aufspalten – und den Wasserstoff herausholen!

Fortsetzung O-Ton (Marcel Risch):

…Mittels Elektrolyse kann man Wasserstoff nur aus Wasser herstellen, bei dieser Reaktion würde dann kein CO2 mehr entstehen.

SPRECHERIN:

Wasser aufzuspalten in Wasserstoff und Sauerstoff – das ist Chemikern schon um 1800 im Labor gelungen. Klappt es auch in großem Maßstab? 

O-Ton (Marcel Risch):

Großtechnisch gibt es einige Pilotanlagen in Deutschland, zum Beispiel in Berlin, wo eine Windkraftanlage zusammen mit einem großen Elektrolyseur gekoppelt ist, um eben Wasserstoff herzustellen. 

SPRECHERIN:

Die Herausforderungen bestehen darin, den Wasserstoff so aus dem Wasser herauszuholen, dass es sich lohnt. Die Wasserspaltung kostet schließlich Energie. Wasser ist in dieser Hinsicht ein ungünstiger Ausgangsstoff, um Wasserstoff zu gewinnen. 

Um das zu erklären, betrachtet Marcel Risch Wasser, das durch eine Knallgasreaktion hergestellt wurde. 

O-Ton (Marcel Risch):

Wasser ist so etwas wie die Asche der Knallgasreaktion. […] In der Knallgasreaktion nimmt man Wasserstoff-Gas und Sauerstoff-Gas und etwas Hitze. Und dann gibt es einen lauten Knall, und man bekommt Wasser. Wasser ist dann die Asche. Asche heißt hier, dass es ein Stoff mit niedriger Energie ist, und man muss wieder Energie hinzugeben, um ihn dann aufzuspalten in die Gase.

Musik 12

"Coyote" - Album: Sketches from New Brighton - Ausführender: Loscil - Komponist: Scott Morgan - Länge: 0'20

SPRECHERIN:

Aus der Asche eines verbrannten Stücks Papier das Papier wieder herstellen – so kann man sich den Versuch vorstellen, aus Wasser Wasserstoff zurückzugewinnen. Und das ermöglicht: die Elektrolyse.

Musik 13

"Finale" - Komponist: Tod Dockstader - Album: Aerial 3 - Länge: 0'47

SPRECHERIN:

Chemische Verbindungen durch Strom aufspalten – in der Galvanotechnik wird Elektrolyse genutzt, um metallische Oberflächen mit dünnen Schichten zu überziehen.

Verzinkte Schrauben rosten nicht so schnell. 

Vergoldete Stecker leiten Strom leichter, Signale können besser übertragen werden. 

Verchromte Prägewalzen und Pressformen, Rohre, Kolben, Wellen und Werkzeuge sind hart und widerstandsfähig und verschleißen nicht so schnell. 

Und: Perfekte, glänzende Beschichtungen verleihen Gegenständen auch heute noch ein hübsches und hochwertiges Aussehen. 

Während metallische Bauteile mit einer dicken, schützenden Chromschicht überzogen sind – bis zu einem halben Millimeter stark –, reichen für glänzende Badezimmer-Armaturen wie Duschkopf und Wasserhahn Schichten von wenigen Tausendstel Millimetern.

Apropos verchromter Duschkopf. Der wirkt unscheinbar. Technisch ist er aber ein kniffliger Sonderfall, erklärt Werkstoffwissenschaftlerin Katja Feige. Der Duschkopf besteht aus Kunststoff und leitet keinen Strom. Wenn man ihn im galvanischen Tauchbad an einen elektrischen Pol anschließt, setzt sich an ihm erst einmal keine schöne Metallschicht ab. Er muss deshalb aufwändig vorbehandelt werden. 

O-Ton (Katja Feige): 

[…] Vorher wurde das ja gespritzt, da ist die Oberfläche sehr glatt und durch Beizen raut man die Oberfläche letztendlich auf. Dann taucht man diesen Duschkopf in eine sogenannte Aktivierungsbekeimungslösung. Da kann man unter anderem kleine Palladium-Keime auf diese Oberfläche aufbringen und mit diesen Palladiumkeimen ist es dann möglich, dass ich mit so einem sogenannten Chemisch-Nickel-Elektrolyt dann dort eine Abscheidung generieren kann. […] Damit erzeuge ich erst mal eine gleichmäßige Oberfläche, metallische Oberfläche auf meinem Duschkopf. Und wenn ich diese gleichmäßige metallische Oberfläche auf meinem Duschkopf habe, dann ist dieser Kunststoff-Duschkopf elektrisch leitfähig und kann dann entsprechend weiterbeschichtet werden.

SPRECHERIN:

Durch Galvanotechnik kann man Duschköpfe glänzen lassen und Schrauben vor Rost schützen. Dazu nutzt diese Technik Elektrolyse: Aufspalten von chemischen Verbindungen in einem stromdurchflossenen Wasserbad. Sie braucht genau dosierten elektrischen Strom. Und, um alles passend zusammen zu bringen, ein detailliertes Verständnis, nach welchen Regeln Physik und Chemie hier funktionieren, zum Beispiel: Wie stark ist der Strom? Wie lange fließt er? Welche Salze befinden sich im Wasser? Wie werden sie aufgespalten? Wie setzen sich die Bestandteile ab? 

Musik 14

"Stacking Of Different Natures" - Ausführende: The Information - Album: Biomekano - Länge: 0'29

SPRECHERIN:

Der verchromte Duschkopf und die verzinkten Schrauben sind, so gesehen, High-Tech-Produkte, möglich gemacht durch ĂĽber 200 Jahre naturwissenschaftlicher und technologischer Entwicklung: durch Galvanotechnik, ein Verfahren, das um 1770 in Italien mit zuckenden Fröschen begann.Â