radioWissen - Bayern 2   /     Die Isar - Porträt eines (geliebten) Flusses

Description

Die Isar ist in Europa einzigartig: Sie darf auf immerhin 20 Kilometern noch fließen wie vor 200 Jahren. Doch der milchig türkis-schimmernde Fluss hat eine bewegte Geschichte hinter sich. Wie die Isar allen Zähmungsversuchen zum Trotz doch immer ein bisschen wild geblieben ist, das erzählt RadioWissen in diesem Podcast. Von Jenny von Sperber

Subtitle
Duration
00:23:47
Publishing date
2024-08-26 09:20
Link
https://www.br.de/mediathek/podcast/radiowissen/die-isar-portraet-eines-geliebten-flusses/2096887
Contributors
  Jenny von Sperber
author  
Enclosures
https://media.neuland.br.de/file/2096887/c/feed/die-isar-portraet-eines-geliebten-flusses.mp3
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Shownotes

Die Isar ist in Europa einzigartig: Sie darf auf immerhin 20 Kilometern noch fließen wie vor 200 Jahren. Doch der milchig türkis-schimmernde Fluss hat eine bewegte Geschichte hinter sich. Wie die Isar allen Zähmungsversuchen zum Trotz doch immer ein bisschen wild geblieben ist, das erzählt RadioWissen in diesem Podcast. Von Jenny von Sperber

Credits
Autorin dieser Folge: Jenny von Sperber
Regie: Martin Trauner
Es sprachen: Julia Fischer, Burchard Dabinnus
Technik: Simon Lobenhofer
Redaktion: Yvonne Maier

Im Interview:
Prof. Dr. Aude Zingraff-Hamed: Expertin für Hochwasserschutz durch naturbasierte Lösungen, eh. TUM, jetzt Universität Straßburg
Dr. Tobias Lang: Wasserwirtschaftsamt Weilheim, Fachbereich Tal-sperren
Andreas Riesch: Kraftwerks-Betriebsleiter Sylvensteinspeicher
Dr. Michael Schödl: LBV, Gebietsbetreuer obere Isar
Dr. Martin Kessler: Institut fĂĽr Bayerische Geschichte, LMU
Antje Uhl: Projektleiterin Wasserwirtschaftsamt Landshut

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Das vollständige Manuskript gibt es HIER.

Lesen Sie einen Ausschnitt aus dem Manuskript:

 SPRECHERIN:

Fangen wir an der oberen Isar an. Dort, wo sie noch wild flieĂźen darf und fast so aussieht wie vor 200 Jahren.

MUSIK: „moto perpetuo“ – (0:35)

SPRECHERIN

Wenn sie als sprudelnder Gebirgsfluss in Bayern ankommt, dann hat die Isar schon 22 Kilometer im Karwendelgebirge in Österreich zurück-gelegt. Dann fließt sie kalt und milchig-türkis durch Mittenwald und Krün, schlängelt sich zwischen Kiesbänken dahin. Mal tiefer, mal fla-cher schiebt sie den Kies aus den Alpen mit sich, verzweigt sich in mehrere Arme. Ein wilder, freier, unschiffbarer Gebirgsfluss.

(Musik turbulent geht zu Ende)

Zsp 01: Isar-Wasser Atmo, dann Schritte Schödl

SPRECHER (nur fĂĽr Ăśberschriften):

Die wilde Isar 

Zsp. 02:  001 Schödel, 0.36 

Da finden wir eine Menge Tiere und Pflanzen, (x) die es nur noch hier gibt. Weil sie anderswo an der Isar und auch sonst überall schon aus-gestorben sind. 

Zsp 03: 005 Schödel – Schritte Atmo (dann untergelegt)

SPRECHERIN

Der Biologe Michael Schödel ist an der oberen Isar unterwegs. Er ist der Gebietsbetreuer in diesem ganz besonderen Naturschutzgebiet. Schödel kennt hier, an den Ufern und auf den Kiesbänken, fast jeden Busch und er beobachtet genau, wie die Isar ihre direkte Umgebung und das Leben darin ständig aufs Neue verändert. 

Zsp 04: 1.42 Atmo Isargluckern dann Schritte über Kiesbank 

Zsp 05: 002 Schödel 01.20 

Dass ist das Spannende hier oben, dass es hier ein Kommen und Ge-hen von neuen Flächen ist, ein Mosaik. Geschiebematerial, also Steine vom Berg, die in den Fluss getragen werden, immer wieder verlagert werden.

MUSIK: „moto perpetuo“ –  (0:15)

SPRECHERIN

Die Isar darf hier machen, was sie will. Und genau deshalb leben hier so viele seltene Pflanzen und Tiere. Sie brauchen dieses „Atmen der Isar“, die ständige Veränderung. Die deutsche Tamariske zum Beispiel:

Zsp 06: 002 Schödel 00.00

(x) Hier schon ein großes Exemplar. Die werden bis zu 2,50 groß. Ta-mariske, das ist ein Gewächs, das kennt man aus dem Mittelmeer-raum. Da gibt’s ungefähr 70 Arten weltweit und eine in Deutschland, und die fängt jetzt grad an zu blühen (x) wir sehen, dass die hier in dem Weidenbusch bisschen ins Hintertreffen gerät. Die ist sehr konkur-renzschwach. (x) Sie braucht immer wieder neue Kiesbänke, wo sie ihre Samen, das sind wie beim Löwenzahn so Schirmchenflieger, wo sie ihre Samen ausstreuen kann, die müssen dann innerhalb von 3 Wochen auf feuchten Sand kommen, damit sie keimen können, und dann können sie die neue Fläche besiedeln.

Lebendige Flussmusik unterm Ton rausfaden

Zsp 07: 010 Schrödel 1.35 Schritte und Gemurmel („schauen wir mal da auf die Insel rüber“)

SPRECHERIN

Nur ein paar Schritte weiter entdeckt der Biologe die nächste seltene Art und fängt sie mit der Hand ein: Eine kleine graue Heuschrecke mit einem riesigen Kopf: 

Zsp 08: 015 Schödel Schnarrschrecke A

(Schritte schon unter Text vorher legen) – … das hier ist eine Larve von einer gefleckten Schnarrschrecke. Die können mit den Flügeln so ein brrr brrr brrrt erzeugen… 

SPRECHERIN

Drüben am anderen Ufer wachsen Orchideen. Und Schmetterlinge taumeln durch die Luft. Ein Stück weiter flussaufwärts leben sogar ein paar Flussregenpfeifer:

Geräusch Flussregenpfeifer

Zsp 11: 006 Schödel 2.10

… das ist so ein ganz putziger Vogel, hat ne schwarze Maske und n hel-len Augenring, ein helles braun auf dem Rücken, rennt immer ganz schnell über die Kiesbänke, und brütet direkt auf dem blanken Kies. 

SPRECHERIN

Früher waren es vor allem die Hochwasser, die die ungeschützten Nes-ter bedroht und weggespült haben. 

MUSIK: „Elements“ –  (0:40)

SPRECHERIN

Heute haben sie ein anderes Problem: Es gibt keine wilden FlĂĽsse mehr.

Zsp 13: 006 Schödel 04.00 (Flussregenpfeifer weg)

Der Fluss Regenpfeifer verabschiedet sich mehr und mehr von unseren Flüssen, weil er diese Bedingungen nicht mehr findet und geht in Er-satzlebensräume: Wie Kiesgruben, Abbaugebiete oder Supermarktdä-cher (x) Wenn da Wasser ist. Wenn die ne Regenrinne haben oder ei-nen Eimer. Ansonsten sitzt er da und die Jungen haben ein schlechtes Auskommen. 

SPRECHERIN 

Weil die Flussvögel nicht nur die Kiesbänke, sondern auch das Wasser dringend brauchen.-

Zsp: Musik nochmal hoch dann raus

SPRECHERIN

Wenn Kiesbrüter wie die seltenen Fluss-Regenpfeifer an einem Fluss brüten, wie hier, dann zeigt das den Biologen, dass der Fluss sauber und intakt ist. 

Zsp 14: 010 Schödel 2.30 Atmo Wasserplätschern und Vögel un-tergelegt

Zsp 15: 012 Schödel 05.12

Das Tollste an der Isar ist eigentlich, dass der Fluss mit der Aue noch korrespondiert, dass die noch einen Bezug haben. Alle Flüsse, die wir sonst haben, da sind die halt abgehängt, da gibt’s ein Gewässerbett und einen Damm und dahinter ne trockene Aue. Hier sind wir auf fast dem gleichen Niveau, wenn jetzt hier der nächste Hochwasserschub kommt, dann kann der Geschiebematerial in die Aue tragen und dann geht der Entwicklungszyklus immer weiter. (Pause)

SPRECHERIN

 Die Isar ist der einzige Fluss, die es auf 20km noch so machen darf.

Und zwar in ganz Europa.

MUSIK: „Wintersonnenwende“ – (0:20)

SPRECHER

Die Isar bringt Zitronen und Bier

SPRECHERIN

Nennen wir in Bartholomäus. Ein Mann, dessen ganzes Leben sich um die Isar dreht. Denn Bartholomäus ist Flößer. Er bringt Reisende den Fluss weiter runter, bis nach München. Ein gefährlicher Job. 

Zsp 16: Kessler 3, 0.25 Flößerei Teil A

Wie risikoreich das war und was für ein harter Job das war! Und oft kam es vor, dass die Flößer stark angetrunken waren, um sich Mut an-zutrinken und ihre Nerven zu beruhigen wahrscheinlich auch.

SPRECHERIN

Das erzählt Martin Kessler. Er arbeitet am Institut für Bayerische Ge-schichte an der Ludwig-Maximilians-Universität in München. 

MUSIK: „Wintersonnenwende“ – (0:30)

SPRECHERIN

Bartholomäus ist der älteste Sohn einer Flößerfamilie aus Bad Tölz. Schon sein Urgroßvater, den nennen wir jetzt Ludwig, hat Reisende auf der Isar nach München gebracht. Und Ludwig gibt seinen Söhnen und Enkeln all sein Erfahrungswissen über den gefährlichen Fluss weiter. In Bad Tölz sind sie eine angesehene Flößer-Familie. Anders ist es, wenn sie in München ankommen:

Zsp 18: Kessler 3, 2.50

Es waren im gewissen Sinne auch fahrende Gesellen, die immer unter-wegs waren. Und wenn man da unterwegs war, dann war man immer dubios, wenn man nicht einheimisch war.

(Mittelaltermusik nochmal hoch, dann raus)

SPRECHERIN

Durch die Flößerei wurde die Isar zu einer wichtigen Handelsstraße, er-zählt Tobias Lang vom Wasserwirtschaftsamt Weilheim. Ab der Römer-zeit kamen alle Waren aus Italien über Mittenwald und von dort über die Isar.

Zsp 19: Lang 2 / 8.30 

Wenn Sie nach Wien reisen wollten, haben Sie sich in Mittenwald eine Fahrkarte gekauft, für ein Floß. (x) So sind alle Waren, Wein Tuche, Gewürze, Leder, ist ab Mittenwald auf der Isar transportiert worden. Das war die Lebensader, der Arbeitgeber des Isarwinkels und so wurde auch das Bier nach München gebracht. Früher hat man auf dem Okto-berfest kein Münchner Bier getrunken, sondern natürlich Tölzer Bier. 

Mittelaltermusik wieder rein

SPRECHERIN

Per FloĂź kamen auch exotische SĂĽdfrĂĽchte bis nach MĂĽnchen: Zitronen oder Aprikosen aus Venedig und Bozen. Zu Hochzeiten landeten jedes Jahr ĂĽber 8000 FloĂźe in der Stadt. Und zwar genau dort, wo Martin Kessler jetzt am Isarufer steht:

(evtl „Atmo Kessler“ nutzen)

Zsp 20: Kessler 2, 4.30

Dann kamen sie hier an, an der Isarlände. Die Isarlände war ungefähr hier so schräg gegenüber, da mussten sie dann abgelegt werden und angeboten, sie waren zum Teil auch für den Münchner Hof bestimmt.

SPRECHERIN

Andere Waren reisten weiter über Isar und Donau bis an den Hof nach Wien. Ohne die Isar und die Floße hätte sich die ganze Region nicht so entwickelt, wäre nicht so gewachsen. 

Zsp 21: Kessler 1, 11.40

Die Isar war – anders als Donau oder Inn - nicht schiffbar. Da war sie einfach nicht tief genug, da war sie einfach zu unstet und hat sich zu stark verändert, deswegen konnte man nur mit Flößen auf der Isar fahren. (x) Der Floßverkehr ist bis Mitte des 19. Jahrhunderts stark vorhanden, (x) bis er dann um 19. eingeht und für den Warentransport keine Rolle mehr spielt.

MUSIK: „Wintersonnenwende“ –  (0:20)

SPRECHER

Die Isar muss gezähmt werden

SPRECHERIN

Das meiste Holz aus dem Oberland kam übrigens nicht per Floß, denn es schwamm von ganz alleine: Es wurde mit Holztriften den Fluss run-ter transportiert. Kurz gesagt: die Stämme wurden in die Isar geworfen und sich selbst überlassen. 

Zsp 22: Kessler 1, 13.00

Und zwar in rauen Mengen, ja? Tausende Stämme wurden da in einer konzertierten Aktion nach München getrieben und aufgefangen am Holzrechen, der sich ungefähr auf Höhe der heutigen Praterinsel be-fand (x) an dem das Holz hängen blieb und dann von vielen Arbeitern in den sogenannten Holzgarten getrieben wurde.

SPRECHERIN

Der berühmte Holzrechen bestand selbst aus Holz: Der Hofbaumeister Reiffenstuhl vom Tegernsee hatte dafür Holzpfähle in den Isargrund rammen lassen. Er war Anfang des 17. Jahrhunderts ein gefragter Baumeister, wenn es um Holzkonstruktionen im Fluss ging. Selbst der kaiserliche Wiener Hof bat ihn um Hilfe, um in der Donau zu bauen. 

Zsp Musik, sehr lebhaft (Moldau?)

MUSIK: „Elements“ – (0:40)

SPRECHERIN

Aber die Isar war eine besondere Herausforderung: Wild und unbere-chenbar.

Zsp 23: Kessler 1, 00.40

(x) Die Isar war hier noch weitgehend unreguliert (x,) wenn wir im Hochmittelalter sind: ein Kiesbett mit mehreren Armen, die sich immer wieder verändert haben, es gab schon sicher einen Hauptarm, 

SPRECHERIN

Martin Kessler deutet rĂĽber zur LudwigsbrĂĽcke am Deutschen Museum.

aber was die Isar (x) schon festgelegt hat an diesen Ort, sonst wär sie vielleicht weiter noch nach Westen ausgebrochen, ist diese Brücke, die ungefähr seit 1180 belegt ist.

SPRECHERIN

Damals war auch die BrĂĽcke noch aus Holz.

Zsp 24: Kessler 1, 1.30

Wenn man eine Brücke hinsetzt, dann heißt das, man legt fest, dass der Fluss auch unter der Brücke zu fließen hat. Und seitdem muss die-se Isar an diesem Ort verhaftet bleiben…

SPRECHERIN

……was eine Herausforderung für die Menschen des Mittelalters und der frühen Neuzeit war: Denn bei München fließt die Isar durch flaches Land und will ihre Kiesbänke eigentlich weiträumig hin- und her schie-ben.

Zsp 25: Kessler 1, 4.00

(x) Es waren hauptsächlich Holzgerüste, die man in den Fluss gesetzt hat (x) ein ganzes Ensemble an Kästen und Zäunen, „Schlachten“ war der Begriff, den man im Bayerischen Raum benutzt hat. (x) Ein Fluss-bauwerk, eine Reihe von Pfählen, die dann in der Mitte gefüllt wurde mit Kies oder Zweigen und Reisig, die den Fluss dann abgehalten hat, oder in ein gewisses Bett gezwungen hat.

MUSIK: „Wintersonnenwende“ –  (0:20)

SPRECHER

Isar-Umbau im großen Stil 

Musik: 20er Jahre Musik

SPRECHERIN

Nach dem verlorenen 1. Weltkrieg brauchten die Menschen Energie. Strom. Kohle hatten sie nur wenig, denn die war eine Reparationsleis-tung. Und so machten sich einfallsreiche Ingenieure daran, die Kraft des Wassers zu nutzen. Auch die der wilden Isar. 

Zsp 26: Lang 2 / 6.30

Diese Energie hat dann erst möglich gemacht, dass man diesen Indust-riestandort Bayern aufbauen konnte. Das hat die Entwicklung möglich gemacht. Im Umkehrschluss war dann halt kein Wasser mehr in der Isar. Vor allem nach dem 2. Weltkrieg war nichts mehr da, als man dann auch noch den Rißbach abgeleitet hat. Die Isar war in trockenen Zeiten eine Kieswüste.

MUSIK: „Der Jongleur“ –  (0:25)

SPRECHERIN

Die Menschen glaubten, sie bräuchten die Kraft des Wassers dringen-der als den Fluss selbst. Und so haben sie das Wasser der Isar bei Krün in den Walchensee abgeleitet und von dort über riesige Rohre in den tieferen Kochelsee fallen lassen - und dabei verstromt. Damals eine unglaubliche Innovation.

Zsp 27: Atmo obere Isar Schödel = ZSP 04

SPRECHERIN

Nur: Ohne Fluss ging es natürlich auch nicht, erzählt der Biologe Schö-del an der oberen Isar:

Zsp 28: 012 Schödel 1.30, damals

Hier ist nur an 60 Tagen im Jahr Schmelzwasser gelaufen. Es war so ne komplett trockene Landschaft. Sie hatten keine Weiden oder Fichten, die wir hier sehen. (x) Also ganz ganz trocken. 

(Atmo raus)

SPRECHERIN

Bald wollten die Isar-Anwohner ihren Fluss zurück. Ihre Verkehrsstra-ße. Sie wollten ihre Flößerei zurück. Und natürlich auch genügend Was-ser für ihre Felder.

Also beschloss man, der Isar bei KrĂĽn wieder eine Restwassermenge zu lassen. Dieser Rest sollte in wasserreichen Zeiten gesammelt und in trockenen Zeiten wieder abgegeben werden. Eine von Menschen ge-steuerte Isar also. Ein groĂźer Speichersee musste her. Eine Talsperre.

Zsp 29: Lang 2 / 10.00 Wie sollte man Damm bauen???

Aber man konnte gar nicht hinfahren zum Speicher, es gab keine Stra-ßen oder Bahnlinien, auch kein Floß mehr, weil es kein Wasser mehr gab. Man hatte kein Material, kein Geld keine Arbeitskräfte. Man hat auf der grünen Wiese bei 0 angefangen. (x) Ein Riesenprojekt in den 50er Jahren und bei der Geldnot eine schwierige Aufgabe.

SPRECHERIN

Die Talenge in der Nähe von Lenggries, zwischen dem markanten Syl-venstein und dem Hennenköpfle, war zwar ideal für eine Talsperre. Aber man hatte keine Erfahrung mit einem Gebirgsfluss wie der Isar: Ein großer Teil ihres Wassers fließt nämlich unterhalb der Sohle, im Kies, wo man es nicht sieht. Und auch dieses Wasser muss ja gestaut werden.

Zsp 30: Lang 2 / 5.00 Schwierigkeiten beim Bau

Und deshalb ist es wichtig, ein stabiles Fundament zu haben, das das verhindert. Da haben die in den 50er Jahren zwei Jahre lang gebraucht und Zement in den Untergrund eingepresst, um den Untergrund abzu-dichten und als sie fertig waren, haben sie begonnen den Damm zu bauen.

MUSIK: „Morgenstrahlen“ –  (0:30)

SPRECHERIN

Als der Damm 1959 samt Wasserkraftwerk fertig war, staute er das Isarwasser an der Talenge auf und die Isar flutete das ganze Tal. In ihrem Wasser versank auch der kleine Ort Fall, wo die Anwohner schon im 16. Jahrhundert versucht hatten, ihre Isar für Flößerei und Holztrift zu zähmen. Der Bauingenieur Andreas Ries zeigt das versunkene Dorf auf einem alten Foto:

Zsp 31: Riesch 20 / 2.00

Da sieht man die Kurven, wo die Flößer haben rüberfahren müssen und da ist der Fels schon mal bearbeitet worden. Da war ein großer Hof, der Jägerhof hat der geheißen, mit 16.000 Hektar Fläche. Das waren die ersten Ansiedler da. Haben riesige Flächen gehabt, aber schwer zu bewirtschaften, sehr gefährdet durch Hochwasser.

SPRECHERIN

Andreas Riesch ist ein Nachkomme der Leute vom Jägerhof. Doch der Hof seiner Vorfahren liegt seit über 50 Jahren unter dem Wasserspiegel des Speicherseees. Ein Wasserspiegel, den Riesch mit seinem Betrieb heute steuert. Er ist Betriebsbeauftragter am Sylvensteinkraftwerk. Hier wird eingestellt, wie viel Wasser in der Isar weiterfließen darf. 

Simpel gesagt ist der Speichersee wie eine Badewanne, bei der man den Stöpsel am Grund stückweise öffnen und schließen kann. 

MUSIK: „Elements“ – (0:40)

SPRECHERIN

Allerdings: Ein wilder Gebirgsfluss wie die Isar lässt sich nicht so einfach regulieren. Immer wieder – und bis heute - stellt sie Ingenieure vor neue Herausforderungen. Was sollte zum Beispiel mit dem ganzen Kies passieren, den sie aus den Bergen mit sich bringt? Der fing nämlich bald an, den Speichersee Stück für Stück aufzufüllen! 

Musik raus, Lastwagen-Bagger-Atmo rein (Medienbroker)

SPRECHERIN

Bis heute wird dieser Kies an Vorsperren ausgebaggert. Und teilweise auf Lastwagen an der Talsperre vorbei flussabwärts gefahren. Unter-halb der Talsperre wird er dann wieder in die Isar gekippt. (Atmo raus)

Auch die Talsperre selbst muss immer wieder nachgebessert werden, erklärt Riesch. Der Damm wurde schon zwei Mal um insgesamt 5 Meter erhöht und neue Stollen in den Fels gesprengt.

Zsp 33: Riesch 24

Wir sind jetzt am (x) Eingangsportal zum Sickerwasserstollen, der ist 2010 im Zuge der Dammsanierung gebaut worden. Seit 2015 in Be-trieb, jetzt gehen wir durchs Tor nei in den Stollen (schöne Schlüssel und Stollen Atmo) – 

Zsp 34: Atmo Sickerwassertröpfeln

SPRECHERIN

Dichtungskern sanieren, Messsysteme erneuern, ein 2. Kraftwerk bau-en: Die Isar war und ist niemals endgültig gezähmt. 

Und jetzt, im Klimawandel, wird es wohl so weiter gehen, sagt Tobias Lang. Denn es wird zu mehr Hochwassern kommen und das Isarwasser darf den Damm keinesfalls überströmen. Das wäre eine Katastrophe für das gesamte Isartal dahinter.

Zsp 35: Riesch 30 – Zukunft

Im Prinzip ist es eine ewige Baustelle das Ganze. Es wird immer wieder neue Erkenntnisse geben, damit man den anpassen kann und muss. Auch zu Zeiten des Klimawandels, kriegt ja jeder selber mit, dass die Niederschläge extremer werden und die Trockenzeiten extremer wer-den, und an das wird man ihn anpassen müssen. Wird a ewige Baustel-le bleiben das Ganze. Weg geht er nimmer. Also muss man das Beste draus machen.

Zsp 36: Atmo Riesch 28, 0.28 SchlĂĽsselklimpern, dann raus

Musik: dĂĽstere 90er Musik (z.B. sonoton AB-C033806)

MUSIK: „Elements“ –  (0:40)

SPRECHERIN

In den 90er Jahren schien die Isar vorerst gebändigt: Viele kleine Kraftwerke verstromten ihre Kraft bis runter zur Donaumündung. Wo die Isar durch München floss, musste sie sich durch Kaimauern durch-zwängen. Viele Fische, Vögel und Pflanzen verschwanden und immer wieder trat das schnell fließende Wasser über die betonierten Ufer. Schön war das nicht. 

MUSIK: „Wintersonnenwende“ – (0:20)

SPRECHER

Die Isar wird wieder frei gelassen

SPRECHERIN

Musik: positive 90er Musik, oder Moldau

Die ersten Pläne, die Isar aus ihrem Korsett zu befreien, gab es schon in den 80ern. Die Bevölkerung machte Druck und in den 90ern wurde es dann konkret: 

Zsp 37: Aude 3.17

(x) In der Zeit war Flussrenovierung nicht das Alpha und Omega von den Wasserwirtschaftsämtern. Das war ein Sonderfall. Das war nicht, was man in der Zeit gemacht hat. In der Zeit hat man, wenn man ein Problem hatte mit einem Fluss, Beton benutzt und Blöcke hat man die Ufer befestigt, verbaut (x) Dass man überhaupt eine Flussrenaturie-rung in Frage kommt, das war ein Umdenken bei Planern und Ent-scheidungsträgern. 

SPRECHERIN

Prof. Aude Zingraff-Hamed kommt aus Frankreich und hat in München studiert. Im Rahmen ihrer Promotion hat sie sich mit der Isar-Renaturierung beschäftigt.

Zsp 38: Aude 05.00

Die Flussrenaturierung war wahrscheinlich die allerbeste Idee, die man hatte in der Zeit. Nicht nur weil es ein supertolles Ergebnis ist für die Bevölkerung, den Hochwasserschutz und die Biodiversität, sondern auch, weil in der Zeit es war wirklich Innovation, was da geschafft wurde, da hat man technische Innovation geschafft und viel weitere Flussrenaturierung inspiriert und überhaupt gezeigt, dass Flussrenatu-rierung in einer Stadt möglich ist.

MUSIK: „Morgenstrahlen“ – (0:30)

SPRECHERIN

In München – mitten im Stadtgebiet - hat die Isar seitdem wieder viel mehr Platz, sie darf Kies hin und herschieben, ihren Flusslauf ein biss-chen verändern. 

Und weil es in München so gut geklappt hatte, bekam die Isar auch an anderen Orten ein bisschen Freiheit zurück. Am Isardelta kurz vor Landau waren sogar die Experten überrascht, wie kraftvoll der wun-derschöne Fluss auf die Lockerung reagiert hat:

Zsp 40: Antje Uhl, Projektleiterin Wasserwirtschaftsamt Lands-hut:

Wir hätten uns nicht gedacht, dass die Isar zum Beispiel an dem Fleck so eigendynamisch sich entwickeln würde. Es ist jetzt 4 Jahre her, dass wir diesen neuen Seitenarm hergestellt haben und es ist immer wieder ein Naturschauspiel, auch hier zu kommen und zu sehen, wie sich die-ser Abschnitt weiterentwickelt.

SPRECHERIN

Antje Uhl ist die Projektleiterin vom Wasserwirtschaftsamt Landshut und freut sich ĂĽber die neu entstandene Insel und ĂĽber die vielen Fi-sche, die zurĂĽckgekehrt sind. Und wer hier unten, nahe der IsarmĂĽn-dung, auch wieder aufgetaucht ist:

Zsp 41: Flussregenpfeifer = ZSP 10

SPRECHERIN

Der Flussregenpfeifer!

MUSIK: „Flying Fish“ –  (0:15)

Musik vom Anfang wilde Isar, dann untergelegt

SPRECHERIN

Momentan wird verhandelt, wie es nach 2030 mit dem Isarwasser bei Krün weitergeht. Also wie viel Wasser die Isar behalten darf und wie-viel ins Kraftwerk am Walchensee fließen soll. 

MUSIK: „moto perpetuo“ (1:35)

SPRECHERIN

Die milchig, türkis-schimmernde Isar, soviel wissen wir mittlerweile, ist ein einzigartiger Fluss. Wasser abdrehen oder einsperren – das funktio-niert bei ihr nicht. Längst ist sie für viele Menschen ein fast schon ma-gischer Fluss geworden. 

Zsp 42: 016 Schödel

Also für mich ist die auch persönliche Entspannung und auch ein biss-chen Lebensinhalt. Ich bin jetzt seit 30 Jahren mit der verbandelt. Ja, man muss n bisschen aufpassen, dass man es nicht persönlich nimmt, wenn ihr was passiert. Aber man leidet natürlich schon mit, wenn ihr was passiert.

Zsp 43: Lang 4 / 6.40 / Zukunft der Isar

(x) Sie ist wirklich ein Juwel im Vgl zu anderen Flüssen, wie dem Lech oder dem Main. Es ist nicht grundlos, dass diese Isar immer wieder ausgezeichnet wird als schönstes Gewässer. 

Zsp 44: 10:50 Aude

Die Isar bedeutet für mich sehr viel Erinnerung. Ich habe die beste Zeit, meine Zeit in München an der Isar gelebt. Und wenn ich zurück nach München komme, es ist um die Isar wieder zu erleben – ach! So schön die Isar.