radioWissen - Bayern 2   /     People Pleaser - Viel zu nett, um wahr zu sein?

Description

People Pleaser - so nennt man Menschen, die immer hilfsbereit und nett sind. Sie fĂĽhlen sich fĂĽr das Wohlergehen anderer so sehr verantwortlich, dass sie selbst dabei ins Hintertreffen geraten. Womit sie sich gar nicht immer beliebt machen. Warum wird man People Pleaser, und wie kommt man raus aus der Harmoniefalle? Von Susi Weichselbaumer

Subtitle
Duration
00:22:29
Publishing date
2024-09-06 03:00
Link
https://www.br.de/mediathek/podcast/radiowissen/people-pleaser-viel-zu-nett-um-wahr-zu-sein/2097246
Contributors
  Susi Weichselbaumer
author  
Enclosures
https://media.neuland.br.de/file/2097246/c/feed/people-pleaser-viel-zu-nett-um-wahr-zu-sein.mp3
audio/mpeg

Shownotes

People Pleaser - so nennt man Menschen, die immer hilfsbereit und nett sind. Sie fĂĽhlen sich fĂĽr das Wohlergehen anderer so sehr verantwortlich, dass sie selbst dabei ins Hintertreffen geraten. Womit sie sich gar nicht immer beliebt machen. Warum wird man People Pleaser, und wie kommt man raus aus der Harmoniefalle? Von Susi Weichselbaumer

Credits
Autorin und Regie dieser Folge: Susi Weichselbaumer
Es sprachen: Berenike Beschle, Christian Baumann, Julia Fischer, Patrick Zeilhofer
Technik: Lorenz Kersten
Redaktion: Susanne Poelchau

Im Interview:
Dr. Ulrike Bossmann, Psychiologin, Systemische Therapeutin Karlsruhe 

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ZUM PODCAST

Literatur:
Bossmann, Ulrike (2023): Raus aus der Harmoniefalle und weg mit dem schlechten Gewissen. Verlag Beltz. 

Wir freuen uns ĂĽber Feedback und Anregungen zur Sendung per Mail an radiowissen@br.de.

Radiowissen finden Sie auch in der ARD Audiothek:
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Das vollständige Manuskript gibt es HIER.

Lesen Sie einen Ausschnitt aus dem Manuskript:

ZITATORIN

Die Friseurin war im Schwung. Deshalb habe ich gelacht und sie gelobt und machen lassen. Der Schnitt ist schrecklich.

ZITATOR 

Im Restaurant nicke ich immer zur Tagesempfehlung. Aber die ist nie Schnitzel mit Pommes. 

ZITATORIN

Ich sage „Entschuldigung“, wenn mich wer auf der Straße anrempelt.

ZITATOR

Oder im Bus –

ZITATORIN

Oder an der Supermarktkasse –

SPRECHERIN

Das ist, sagen wir, „Tina“. Tina gibt es nicht wirklich, nur für diese Sendung. 

SPRECHER

Und ihn nennen wir Kai. 

SPRECHERIN

Kais und Tinas kennen wir alle.

SPRECHERIN

Oder sind wir vielleicht auch selbst. 

SPRECHER

Beispiel: Die Party geht zu Ende. Die meisten sind gegangen. Der harte Kern sitzt in der Küche, auf dem Boden, den Rücken an den Kühlschrank gelehnt oder auf der Arbeitsplatte. 

SPRECHERIN

Die Gesprächsthemen gehen nicht aus.

SPRECHER

Die Getränke langsam schon. Partygast Tina kommt vom Wohnzimmer in die Küche.

ZITATORIN

Ich stell nur schnell die Reste vom Buffet in den Kühlschrank, wäre ja schade drum. Oder will wer was mitnehmen? Dann packe ich das ein… Die dreckigen Gläser habe ich drüben zusammengestellt. (drüber… Wenn wo ein Müllsack ist, würde ich die leeren Chipstüten und dreckigen Servietten auch gleich einsammeln…) 

SPRECHERIN

Kai erscheint im TĂĽrrahmen.

ZITATOR

Der Spülkasten in der Toilette hat nicht richtig gezogen, ist repariert. Die Glühbirne im Gang macht es auch nicht mehr lang. (drüber… Könnte ich tauschen, wenn ihr Ersatzbirnen habt… )

SPRECHER

Tina und Kai killen die KĂĽchenstimmung.

SPRECHERIN 

Tina und Kai sind aufmerksame Gäste.

SPRECHER

Übergriffige Gäste. Immerzu gefällig. Das nervt –

SPRECHERIN

Das ist doch nett. 

SPRECHER

Auf jeden Fall ist es ungesund. 

MUSIK Clever story reduced (0.46 min.)

1 ZU Bossmann (6.30)

Ich finde es sehr hilfreich, sich klarzumachen: „Du bist total gefällig“, ist kein Kompliment. „Du bist empathisch und du bist irgendwie sensibel“ schon – „Du bist toll gefällig“ nicht. 

SPRECHER

Sagt Ulrike Bossmann. Sie ist Psychologin und Systemische Therapeutin in Karlsruhe. Und hat ein Buch geschrieben über das Phänomen des Gefallenwollens um nahezu jeden Preis. Denn: Zunehmend kamen Klientinnen und Klienten zu ihr in die Praxis, die sich müde fühlten und erschöpft. Ausgelaugt. Aufgerieben davon, gelobt werden zu wollen.  Nicht anzuecken. Die Wünsche anderer über die eigenen zu stellen, ja sogar vorwegzunehmen, was sich das Gegenüber vielleicht bald wünschen könnte. 

SPRECHERIN

Rebekka ist eine davon. Sie möchte anonym bleiben, deswegen haben wir ihren Namen geändert.

2 ZU Ernst (0.40)

Grad dieses anderen gefallen und sich selbst zurücknehmen und seine eigenen Bedürfnisse zurückstellen, das bin schon ich. Das gehört zur eigenen DNA. 

SPRECHER  

Menschen angenehm sein, gefällig - „People Pleasing“ lautet der englische Begriff dafür.

SPRECHERIN

Erst seit ungefähr zehn Jahren macht diese Bezeichnung „People Pleasing“ die Runde. In Frauenzeitschriften und Lifestyle-Magazinen. Auf Gesundheitsportalen. Social Media Accounts teilen fleißig Selbsttests: Bist Du ein People Pleaser?

MUSIK Joyful zoo day (red.)  (0.23 min.)

ZITATOR 

Überlege Dir auf einer Skala von 1 bis 10, wie sehr folgende Aussagen auf Dich zutreffen. 

ZITATORIN

Kritik von anderen verletzt mich. / Es ist mir wichtig gemocht und bewundert zu werden. / Ich fühle mich unwohl, wenn ich nicht weiß, ob mich jemand mag oder nicht. / Ich fühle mich gut, wenn andere sich wegen mir gut fühlen. 

SPRECHERIN

People Pleasing ist keine medizinische Diagnose. Keine Krankheit. Aber auch nicht bloĂź eine Modeerscheinung.

SPRECHER

People Pleasing führt auf lange Sicht zu Stresssymptomen wie Burnout, Schlafstörungen, Rückenleiden, Herzkreislauferkrankungen oder zu Depressionen. Das zeigen Studien inzwischen. Also bieten viele Krankenkassen auf ihren Webseiten Hilfestellung an: Wohin kann ich mich wenden, wenn ich nicht mehr rauskomme aus dem ewigen gefallen wollen und gefällig sein müssen. 

3 ZU Bossmann (6.30)

Ich würde sagen, People Pleaser sind nicht mehr frei in der Wahl, wem sie gefallen und wann sie nett sind und wann nicht. 

SPRECHERIN

Erklärt Ulrike Bossmann.

4 ZU Bossmann (6.30)

Sondern es ist wie so immer und ständig. Nett sein bedeutet ja, ich kann mich heute entscheiden. Jemand bittet mich um einen Gefallen, und ich mag die Person. Ich habe auch Zeit. Also mache ich es. Ein People Pleaser hätte das Gefühl, ich habe gar keine Wahl. Ich muss der Person helfen, wenn sie nicht einmal gefragt hat.

MUSIK Cute rodent  (1.24 min)

SPRECHER

Auch Rebekka hat irgendwann das Gefühl, keine Entscheidung mehr zu haben, keinen eigenen Willen, keine Wünsche nur für sich. Eine ganze Weile fällt ihr das nicht auf. Sie hat im Job viel um die Ohren, unterstützt die psychisch kranke Mutter, zieht ihren Sohn groß. Was sie dabei wie tut – hängt von anderen ab. 

5 ZU Ernst 1.26

Als People Pleaser ist man schon sehr im Außen. Man kuckt wie reagieren die anderen, wie geht es denen, wie reagieren die auch auf mich, wenn ich was gesagt habe. Man macht sich auch sehr Gedanken: Wie könnte der oder diejenige das gemeint haben? 

SPRECHER

Rebekka legt sich eine Strategie zu. Nicht bewusst. 

SPRECHERIN

Sondern wie es sich manchmal im Leben eben so einschleicht. 

SPRECHER

Dazu kommt: Rebekka ist Perfektionistin, was ihre eigene Arbeit, überhaupt ihr Leben anbelangt. Da muss auf jedem I der Punkt mittig sitzen. Sie ist streng mit sich, erlaubt sie sich keine Fehler.   

6 ZU Ernst (2.04) 

Dadurch, dass man dem anderen immer gefallen möchte, schaut man schon und überlegt sich schon, okay, jetzt übernehme ich diese Aufgabe und sage das und das und dann freut sich der andere. Und dann erhofft man sich dadurch, dass man dem anderen gefällt und dass der einen respektiert.  

SPRECHER

Irgendwann ist selbstverständlich: Lieber sich selbst ändern –

SPRECHERIN

Oder verstellen, verstecken, verstummen –

SPRECHER

Als dem GegenĂĽber sagen, was man gerade braucht oder denkt. Weil:

SPRECHERIN

Das könnte Konsequenzen haben. Könnte Lob und Anerkennung kosten.

MUSIK Cute rodent  (0.25 min.)

SPRECHER

Aber:

7 ZU Ernst (2:35)

Auf längere Sicht sieht man, dass es sich nicht unbedingt auszahlt, weil es gibt ja auch diesen Spruch: Everybody´s darling is everybody´s Depp. In diese Falle tritt man schon auch.

SPRECHER

Wieder und wieder. 

SPRECHERIN 

Weil: Es muss doch gefallen. Dann ist alles gut. 

SPRECHER

Vielleicht. FĂĽr einen Moment.

8 ZU Bossmann (1.50)

Tatsächlich ist es schon so, dass sich das oft sehr früh entwickelt und dann natürlich verstärkt, weil das einfach von Mal zu Mal wie so als Verhaltensmuster auch beibehalten und verstärkt wird. 

SPRECHER

Beschreibt die Karlsruher Psychologin Ulrike Bossmann. 

9 ZU Bossmann (1.50)

Ich erlebe, dass ganz viele Menschen, die später zum People Pleasing neigen und immer so das Wohlbefinden der anderen über ihr eigenes stellen, früh in der Kindheit oder in der Jugend bestimmte Erfahrungen gemacht haben. Und die nehmen sie dann mit im Erwachsenenleben.

MUSIK Strange and mystic forest  (1.02 min.s)

SPRECHER

Ein häufiges Beispiel aus Bossmanns Praxisalltag: Mutter oder Vater duldeten einst keinen Widerspruch.

SPRECHERIN

Mama sagte, Fehlverhalten macht sie traurig. Das Zimmer unordentlich – traurig. Die Stifte für die Schule nicht gespitzt – enttäuscht. 

SPRECHER

Beim Fußballturnier der F-Jugend nur Zweiter? Papas Sohn soll ein Sieger sein.  

SPRECHERIN

Druck aus dem Elternhaus ist nicht die alleinige Ursache dafür, dass Menschen zu People Pleasern werden. Persönlichkeitsmerkmale formen sich insgesamt aus über Erfahrungen in und mit der Gesellschaft. Das können so Dinge sein wie: Mädchen haben stets freundlich zu lächeln, Jungs setzen sich durch. Und später: Die patente Vorgesetzte gilt im Kollegenkreis als herrisch, der zupackende Chef als Macher. 

SPRECHER

Frauen sind laut verschiedener Statistiken etwas häufiger People PleaserINNEN als Männer. 

10 ZU Bossmann 2:20 

People Pleasing ist einfach eine Strategie, die ich mache, weil sie bestimmte Dinge sicherstellt. People Pleasing sichert ja Zugehörigkeit und Bindung, denn People Pleaser sind nicht hilfsbereit und freundlich, sondern vor allem wollen sie sicherstellen und machen alles, damit sie nicht abgelehnt werden, damit niemand verärgert ist. 

SPRECHER

Freundlich sein, hilfsbereit, mitfühlend – das ist etwas anderes, etwas, das sich dosieren lässt. Passt es mir gerade rein? Habe ich Lust dazu und Luft dafür?

MUSIK Freaky zoo (0.36 min.)

SPRECHER

Ist die nette Nachbarin krank, laufe ich für sie schnell zum Supermarkt rüber, das Homeoffice hat kurz Pause – 

SPRECHERIN

Ruft mich der beste Kumpel mitten in der Nacht an, weil sich die neue Traumfrau nach dem x-ten Date als verheiratet entpuppt hat, höre ich schon mal stundenlang zu und gehe morgens unausgeschlafen zur Arbeit. 

SPRECHER

Aber der Kollege, der mal wieder früher Feierabend will sprich ins Fitnessstudio, kann mich gernhaben. Heute geh ich eher – und sortiere die Briefmarkensammlung oder spiele Autoquartett. Allein!

SPRECHERIN

People Pleaser haben keine solche Wahl. Oder glauben das zumindest. 

11 ZU Bossmann 2:20 

Ich sage eine Kritik vielleicht nicht, weil ich den anderen nicht verletzen möchte. Und das, was es erst mal kurzfristig macht, ist, mein beunruhigtes Gefühl und meine Angst, dass die anderen mich nicht mögen könnten, wird in Schach gehalten. Und ich kann mich auch als Mensch wertvoll fühlen. Aber es ist natürlich toll, wenn die anderen sagen: Mein Gott, ich wusste gar nicht, was ich ohne Dich machen soll. 

SPRECHER

Auch wenn der Begriff „People Pleaser“ relativ jung ist. Das Phänomen des Gefälligseinwollens ist in der Psychologie lange bekannt. Meistens zeigt es sich in Untersuchungen, die sich beschäftigen mit dem Bedürfnis nach Bindung und Schutz des Selbstwertgefühls - das ständig aufs Neue von außen bestätigt werden muss. Weil es nicht von innen kommt.

MUSIK Cool animals  (0.58 min.)

SPRECHERIN

Ein weiterer Antreiber: Gefälliges Verhalten hilft, Lebenssituationen zu kontrollieren. Kritische Momente lassen sich – zuvorkommend –entschärfen oder entstehen – vorausgeahnt und nett abgebogen - erst gar nicht. 

SPRECHER

Im Idealfall gibt es dafür Lob: Für Einfühlsamkeit, diplomatisches Geschick, Teamgeist - 

SPRECHERIN

Im weniger Idealfall nervt es! 

SPRECHERIN

Wie etwa in dem Beispiel vom Anfang der Sendung mit der gemütlichen Stimmung in der Küche, kurz vor Party-Ende. Ein paar Getränke werden noch aufgemacht, man lümmelt auf dem Boden, Rücken an den Kühlschrank gelehnt. Und dann kommen – fiktiv – Kai und Tina rein. 

ZITATORIN (mit ZITATOR ĂĽberblenden)

Ich stell nur schnell die Reste vom Buffet in den Kühlschrank, wäre ja schade drum. Oder will wer was mitnehmen? Dann packe ich das ein… 

ZITATOR

Die Glühbirne im Gang macht es auch nicht mehr lang. Könnte ich morgen Vormittag tauschen.

SPRECHER

Das geht schon recht weit. Und gibt einem mitunter das Gefühl, selber nicht nett genug zu sein, nicht aufmerksam genug. Denn People Pleasing kann auch etwas Manipulatives haben: Das übernette Verhalten des Anderen jagt ein schlechtes Gewissen ein, man gerät ins Defizit, wird unsicher. 

SPRECHERIN

Vielleicht sogar unwirsch. Das ist übrigens etwas, was viele Menschen, die zum People Pleasing neigen berichten: Je gefälliger sie sind, desto mehr Abweisung erfahren sie.

SPRECHER

Was sie dazu bringt noch netter zu sein – denn: Ablehnung wollen sie in jedem Fall vermeiden. 

MUSIK Little jumpers (0.43 min.)

SPRECHERIN

Aus Untersuchungen mit Gehirnscans wissen Forscherinnen und Forscher: Viele empfinden Ablehnung genauso heftig wie einen satten Schlag mit der Faust in die Magengrube. Ausgeschlossen werden ist körperlicher Schmerz. Neuere Studien mit Testpersonen, die von sich sagen, sie neigen zum People Pleasing, zeigen: Bei ihnen sind Gehirnregionen, die mit sozialen Emotionen zu tun haben, stärker aktiviert als bei anderen Menschen.      

12 ZU Bossmann 15:44 

Das heißt, dass Menschen, die zum People Pleasing neigen, tatsächlich auch viel, viel stärker darauf reagieren, wenn zum Beispiel nur jemand anderer Meinung ist. Oder man merkt: Oh der mag nicht, was ich hier gerade sage – und viel, viel empfindsamer tatsächlich sind. 

SPRECHER

Psychologin Ulrike Bossmann bringt in ihrem Buch „People Pleasing. Raus aus der Harmoniefalle und weg mit dem schlechten Gewissen“ die Situation vieler ihrer Kundinnen und Kunden so auf den Punkt:

MUSIK Cute rodent (0.09 min.)

ZITATORIN

Das ist meine Überlebensstrategie. Und sie laugt mich aus. 

ZITATOR

Aber was soll ich machen?

13 ZU Bossmann 12.12 

Alles, was wir in der Regel tun, ist erst mal nicht so sehr im Gehirn gedacht, sondern vor allem gefühlt. Und deswegen ist es ja so wichtig, eine Achtsamkeit zu entwickeln und mehr im Kontakt mit sich zu sein, um rauszufinden, was ist denn jetzt gerade bei mir hier los? Zum Beispiel sind viele People Pleaser überhaupt nicht gut mit sich im Kontakt und kriegen gar nicht mit, dass sie gerade ein Bedürfnis haben, die gehen da also wahnsinnig gut drüber. 

MUSIK Be fed playfully  (0.25min.)

SPRECHERIN

Für andere. Viele andere, ob eng bekannt oder weniger – und das immer. Der schon etwas geschobene Anruf bei Oma und Opa, der zu erwarten endlos dauert. Die schnelle Anfrage noch eben von der Vorgesetzen, für die man den Feierabend ein gutes Stück nach hinten schieben muss. All das bekommt Priorität vor eigenen Wünschen und Plänen.

SPRECHER 

Die People Pleaser oft gar nicht mehr haben und kennen. Aber Vorsicht. Das ist nicht zu verwechseln mit bestimmten Lebensphasen, die einen vorübergehend hintanstehen lassen. Solange die Kinder klein sind, geben Mama, Papa, Oma, Opa, Paten, Sitter an der Front mitunter alles. Oder wenn Angehörige zu pflegen sind -  

SPRECHERIN

Schlafen, Essen, Duschen, Hobbies – was war das noch? 

SPRECHER 

Diese Fragen beantwortet man sich eben dann wieder, wenn die Rush Hour des Lebens vorüber ist, oder mal Pause einlegt. Wenn es die Situation erfordert hat, familiär oder beruflich Dauergas zu geben, die Lage jetzt aber - mitunter plötzlich - entspannter ist. Geschafft. Vorbei. Ob erfolgreich oder vernichtend, fröhlich oder tragisch. Man taucht wieder auf.  

SPRECHERIN

People Pleaser kennen kein Durchschnaufen.  

MUSIK Cute rodent  (0.14 min.)

ZITATORIN

Ich würde mich so schämen, wenn wer was Schlechtes denkt!

ZITATOR

Mein Chef ist gewohnt von mir, dass ich immer schon weiß, was er als nächstes will. 

ZITATORIN

Anderen zu helfen ist mein Antrieb. 

SPRECHER

Stopp, sagt Psychologin Bossmann und gibt Betroffenen, die zu ihr in Behandlung kommen, eine kleine Hausaufgabe auf: 

14 ZU Bossmann 12.12 

Stell dir doch mal für eine Woche den Handywecker zu drei beliebigen Zeiten am Tag 8:16 Uhr, 14:07 Uhr, 18:36 Uhr. Und immer, wenn dieser Wecker klingelt, dann nimm dir einen Moment, atme tief durch und guck mal, wie es dir gerade geht, scann mal kurz durch den Körper, tut was weh, zwickt was? Was brauchst du grad und ganz viele, die so ewig über ihre eigenen Sachen hinweggegangen sind, merken dann plötzlich erstmal ach, guck mal, ja, ich habe vielleicht Rücken, weil ich jetzt die ganze Zeit hier irgendwie verkrampft am Schreibtisch saß. Oder eigentlich habe ich Durst. People Pleaser spüren oft gar nicht, wenn sie verärgert oder wütend sind und insofern also Zugang zu einem Gefühl zu finden, ist wichtig.

MUSIK Friendly animal  (1.10min.)

SPRECHER

Jedoch: Aufhören mit dem People Pleasing ist gar nicht so einfach. Es geht nicht darum, von heute auf morgen plötzlich zu allem und jedem „Nö“ zu sagen. Sondern zu lernen: Wie ziehe ich Selbstwert aus mir? Wie halte ich es – gelassen – aus, wenn jemand meine Meinung nicht teilt? 

15 ZU ERNST (4:53)

Raus kommt man, indem man klein anfängt. Dass man sich auch mal traut, „Nein“ zu sagen. 

SPRECHERIN

Empfiehlt Rebekka. Sie hat sich als Betroffene nach Jahrzehnten jetzt auf den Weg gemacht. Will nicht mehr „Die Nette“ sein – sondern Rebekka. 

16 ZU ERNST (4:53)

Im beruflichen bei mir wäre zum Beispiel, dass ich nicht gleich „Ja“ sage, wenn jemand kommt mit einer zusätzlichen Aufgabe, sondern sage: „Du, ich habe viel auf dem Tisch, ich muss erstmal meine Prioritäten checken und melde mich später und sage Dir, ob ich es machen kann oder nicht.“ Und Punkt.   

SPRECHER

Stoppen mit womöglich sehr lange ganz gewinnbringend praktiziertem People Pleasing, das kann wehtun, weiß Ulrike Bossmann aus der Erfahrung ihrer Klientinnen und Klienten. Da fallen Freunde und Kollegen schon mal aus allen Wolken, weil sie das nun nicht erwartet hätten, erzählt auch Rebekka. 

17 ZU ERNST (6.45) 

Zum Beispiel habe ich von meinem Chef mal die Reaktion bekommen, dass er gesagt hat, so im Gespräch: „Mit Dir war es auch schon einfacher!“ Im ersten Moment dachte ich puh, naja. Aber eigentlich ist es positiv, weil ich muss es ja nicht jedem einfach machen.  

MUSIK Spare time in the zoo  (0.41 min.)

SPRECHERIN

Für diese Erkenntnis hat Rebekka eine ganze Weile gebraucht. Nach wie vor kostet sie ein „Nein“ Überwindung. Untersuchungen belegen: Angehende Ex-People Pleaser reagieren auf Kritik, die ihr neues „Nein“ mitunter erzeugt, manchmal heftig. Werden doch mal wütend. Gegen die anderen, die da dauernd fordern. Meist aber wenden sie ihre Wut gegen sich selbst, weil sie enttäuscht haben. Das muss man lernen auszuhalten, Schritt für Schritt, empfiehlt Psychologin Bossmann. Und vielleicht auch erstmal bei den Menschen, bei denen es einem leichter fällt. 

SPRECHER  

Studien zeigen: People Pleaser sind nicht unbedingt bei allen gleich gefällig. Manche geben daheim nach Feierabend klar den familiären Ton an, machen es aber untertags im Job tunlichst allen recht. 

SPRECHERIN

Andere schaffen kein „Jetzt nicht“ gegenüber den eigenen Eltern, bei Freunden und Bekannten hingegen ist das kein Problem. 

SPRECHER

Rebekka fällt Abgrenzung besonders schwer im Job. Gegenüber Vorgesetzten, aber ebenso gegenüber Kolleginnen und Kollegen. 

SPRECHERIN

Also tastet sie sich ran. Allen Mut zusammennehmen und eine Zusatzaufgabe mal nicht wie sonst sofort an sich ziehen. Sondern ablehnen. 

18 ZU Ernst (12-03)

Was will se denn jetzt, was sagt sie denn jetzt? Es wird schon komisch geschaut, weil man es nicht erwartet. Aber so oft habe ich es noch nicht ausprobiert, bin ja erst am Anfang. 

SPRECHERIN

Ein guter Anfang, wie sie findet. Und so versucht sie auch, nicht mehr ständig die Kritik anderer anzunehmen und der Erwartungen von allem und jeder und jedem zu entsprechen. Sondern sich mehr zu spüren. 

MUSIK Freaky zoo  (0.36 min.)

SPRECHER

Das ist eine Herausforderung, so die Psychologin Ulrike Bossmann. Im Alltag ist das Wegblenden von Beurteilungen oft gar nicht so einfach. Sie sind ĂĽberall und passieren dauernd. Wer etwa Ăśberstunden schiebt und eigene BedĂĽrfnisse, Freunde, Familie, Hobbies hintanstellt, ist schnell Heldin oder Held der Arbeit.

19 ZU Bossmann 12.12 

Wir sind mehr und mehr eine Leistungsgesellschaft, die dazu führt, dass Menschen, wenn sie sich selber vernachlässigen, ja erst mal kurzfristig belohnt werden. 

SPRECHERIN

Kurzfristbelohnung – schnell und direkt, geschäftlich oder privat, suchen viele auch in den Sozialen Medien. 

SPRECHER

Bilder, Videos, Links verschickt man, weil der Moment schön, lustig, besonders ist – 

SPRECHERIN

Aber genauso damit einem die Likes zufliegen. 

SPRECHERIN

Und Herzchen und Smilies! 

SPRECHER

Andersherum gilt: Ob Zahnarztbesuch, Onlineversandbestellung, Lieferdienst, Sauberkeit der Autobahnraststättentoiletten – alles will heute ständig rezensiert sein und mit Sternchen bedacht von 0 bis 5. 

20 ZU Bossmann 12.12

Wir bewerten einfach immer mehr, und wir werden immer mehr angeguckt unter dem Blick der Bewertung von anderen. Also finden die anderen das jetzt gut oder nicht. 

MUSIK Cool animals  (0.47 min.)

SPRECHERIN

Folglich ist unser Alltagsumfeld alles andere als hilfreich, wenn es darum geht, nicht zum People Pleaser zu werden oder aus dem People Pleasing auszusteigen.

21 ZU Ernst (17.50)

Das stimmt. Es erleichtert es nicht unbedingt. 

SPRECHERIN

Sagt Rebekka. Sie will nicht mehr immer nur gefällig sein. 

SPRECHER

Und merkt, das ist ein harter und zäher Prozess. 

SPRECHERIN

Auch weil dabei Familie, Freunde und Bekannte schlecht helfen können. Nehmen wir nochmal das Beispiel vom Anfang, die Partyabendendstimmung in der Küche. Und die fiktive Tina, die im Wohnzimmer schon geschäftig aufräumt.

SPRECHER

Der erfunden Kai kümmert sich zuvorkommend um ausgebrannte Lampen im Gang – 

SPRECHERIN

Wäre es da gut zu kommen mit: Lasst mal locker, Leute, setzt Euch dazu?

22 ZU Ernst (16:30)

Wenn einer sagt, nimm es nicht so ernst, lass mal Fünfe gerade sein, das ist leicht gesagt, das hilft einem ja nicht. Man macht sie ja doch im Nachhinein Gedanken.  

SPRECHERIN

Um eben das nicht mehr zu tun, hat sich Rebekka für ein professionelles Coaching entschieden. Atemübungen helfen ihr in stressigen Momenten, die Ruhe zu bewahren, die ein „Nein“ braucht und die womöglich nötig ist, wenn sie Kollegen und Freunde dann doch noch umstimmen wollen. 

MUSIK Friendly animal  (0.41)

SPRECHERIN

Ein kleiner Stein in der Hosentasche oder ein besonderer Ring am Finger erinnern sie daran: Du kriegst das hin. 

23 ZU ERNST (21.53)

Es gehört ja auch dazu in Verbindung mit Perfektionismus, den eigenen Druck sich zu nehmen, die Messlatte runterzusetzen, zu sagen, du komm, wenn es jetzt nicht ganz so rüberkam, wie ich es sagen wollte, auch nicht so schlimm, du hast dich getraut! Also dieses Trauen einfach. 

SPRECHER

Damit aus Rebekka, die wird, die nicht nur allen anderen gefällt.

SPRECHERIN

Sondern auch sich selbst gefällt. Obwohl es schon schön ist, wenn andere einem was Nettes sagen.