radioWissen - Bayern 2   /     Magie - Der uralte Draht nach drĂŒben

Description

Magie ist ein schillernder Begriff, der sich nicht leicht fassen lÀsst. Letztlich aber geht es darum, das Schicksal zu beeinflussen mit Praktiken und Ritualen, die modernen Vorstellungen irrational erscheinen. Dennoch zieht sich Magie als kulturgeschichtliches PhÀnomen wie ein roter Faden bis heute durch alle Epochen und Kulturen der Menschheit. Von Thomas Grasberger

Subtitle
Duration
00:22:55
Publishing date
2024-09-16 03:30
Link
https://www.br.de/mediathek/podcast/radiowissen/magie-der-uralte-draht-nach-drueben/2097574
Contributors
  Thomas Grasberger
author  
Enclosures
https://media.neuland.br.de/file/2097574/c/feed/magie-der-uralte-draht-nach-drueben.mp3
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Shownotes

Magie ist ein schillernder Begriff, der sich nicht leicht fassen lÀsst. Letztlich aber geht es darum, das Schicksal zu beeinflussen mit Praktiken und Ritualen, die modernen Vorstellungen irrational erscheinen. Dennoch zieht sich Magie als kulturgeschichtliches PhÀnomen wie ein roter Faden bis heute durch alle Epochen und Kulturen der Menschheit. Von Thomas Grasberger

Credits
Autor dieser Folge: Thomas Grasberger
Regie: Sabine Kienhöfer
Es sprachen: Christian Baumann, Hemma Michel, Carsten Fabian
Technik: Robin Auld
Redaktion: Thomas Morawetz

Im Interview:
Josefine Biedinger, Kuratorin und ArchĂ€ologin am Landesmuseum fĂŒr Vorgeschichte in Halle an der Saale

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Und noch eine besondere Empfehlung der Redaktion:

Die Sonderausstellung „Magie – das Schicksal zwingen“ ist im Landesmuseum fĂŒr Vorgeschichte Halle (Saale) noch bis zum 13. Oktober 2024 zu sehen.

Wir freuen uns ĂŒber Feedback und Anregungen zur Sendung per Mail an radiowissen@br.de.

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Das vollstÀndige Manuskript gibt es HIER.

Lesen Sie einen Ausschnitt aus dem Manuskript:

ErzÀhler

Er war die große Liebe ihres Lebens. Eines Tages jedoch verließ er die junge Frau – fĂŒr eine andere. Und dafĂŒr sollte er bĂŒĂŸen, der untreue Liebhaber. Schmerzen sollte er erleiden – so lange, bis er zu der Verlassenen zurĂŒckkehrte.

ErzÀhlerin

Doch wie sollte das gehen? Sein Herz hatte ja lĂ€ngst anders entschieden. Das ahnte auch die enttĂ€uschte Frau. Daher wĂ€hlte sie eine spezielle Methode, einen magischen Liebeszauber. Sie nahm sich einen 30 Zentimeter großen Block aus Pflaumenholz und fing an zu schnitzen. Schon bald waren die Umrisse eines Menschen erkennbar; zwar nur grob, aber um kĂŒnstlerische Details ging es ja nicht. Kaum war die Puppe fertig, schlug ihr die liebeskranke Frau eiserne NĂ€gel ins Holz. Vier in den SchĂ€del, und einen mitten ins Herz hinein. Der schmerzhafte Liebeszauber konnte nun wirken.

ErzÀhler

Glaubt man den Quellen, so hat die Rachepuppe ihr Ziel nicht erreicht. Der Ex kehrte nie wieder zu seiner frĂŒheren Geliebten zurĂŒck. Dass die Holzpuppe dennoch zu einem wertvollen Objekt fĂŒr die Wissenschaft wurde, hat mit ihrem Herstellungsdatum und ihrer Herkunft zu tun. Das NadelpĂŒppchen war nĂ€mlich kein Jahrtausende altes Relikt, wie wir es aus Mesopotamien, Ägypten oder dem alten Rom kennen. Es war erst in den 1950er Jahren entstanden, im nördlichen Saarland. Und 2024 landete es auf einem Ausstellungsplakat im Landesmuseum fĂŒr Vorgeschichte in Halle an der Saale. Der Titel der Schau: „Magie – Das Schicksal zwingen“

Musik:  Mystic tendency (c) 0‘28

ErzÀhlerin

Magie ist ein schillernder Begriff, der sich nicht leicht fassen lĂ€sst. Um ihn ranken sich zahlreiche Geschichten von ĂŒbernatĂŒrlichen KrĂ€ften und rituellen Handlungen, von geheimnisvollen SprĂŒchen und GegenstĂ€nden, mit denen sich angeblich handfeste Wirkungen erzielen lassen.

ErzÀhler

So weit, so rĂ€tselhaft. Wer sich wissenschaftlich mit dem Thema befasst, um Licht ins Halbdunkel der magischen Welt mit ihren Voodoo-PĂŒppchen, HexenflĂ€schchen und Nachgeburtstöpfen zu bringen, braucht eine genaue Definition des Begriffs. Die studierte ArchĂ€ologin Josefine Biedinger ist wissenschaftliche Mitarbeiterin am Landesmuseum Halle. In der Sonderausstellung, sagt Biedinger, werde Magie verstanden als eine erlernbare FĂ€higkeit,

ZSP 1 Bied was 0,17

Die von jedem aufgenommen werden kann. Die sich von Religion zum Beispiel insofern unterscheidet, dass man keine Götter braucht, die man auf seine Seite ziehen muss, durch Opfer zum Beispiel oder beten, sondern dass es etwas ist, das man selber ausfĂŒhren kann, um eben sein Schicksal selbst zu bestimmen.

ErzÀhlerin

Sein Leben in die eigene Hand nehmen, um die persönliche Zukunft positiv zu gestalten – dieses Anliegen erscheint durchaus plausibel. Die Wahl der Mittel hingegen aus heutiger Sicht eher nicht. Und doch gab es zu allen Zeiten magische BemĂŒhungen, sagt Josefine Biedinger, weil Menschen stets Hoffnungen und Ängste haben.

ZSP 2 Bied warum 0,20

Jeder wollte schon immer sein Hab und Gut schĂŒtzen, sein Haus schĂŒtzen, seine Familie schĂŒtzen. Und weil die Menschen eben so viele Sorgen hatten oder WĂŒnsche und die sich nicht immer durch ihre eigenen Taten herbeifĂŒhren ließen, hat man eben versucht, sich auf andere Mittel zu berufen, um das dann auch wirklich herbeizufĂŒhren.

Musik:  Lydian 0‘38

ErzÀhler

Die Mittel der Magie! Sie gehorchen oft eigenen Gesetzen, die von den Naturgesetzen abweichen. Magische Urformen finden wir vermutlich schon in der Steinzeit, sagt die ArchÀologin Biedinger. Bereits damals trugen Menschen Amulette aus fossilen Muscheln oder nutzten Farben, um Zeichen an die WÀnde ihrer Höhlen zu malen. Magie als kulturgeschichtliches PhÀnomen zieht sich wie ein roter Faden durch die gesamte Menschheitsgeschichte.

ZSP 3 Bied Quellen 0,28

Die ersten schriftfĂŒhrenden Kulturen in Mesopotamien und Ägypten haben alle Belege von Magie. Wir haben diverse griechische Geschichtsschreiber, die eben ĂŒber Magie in allen Formen reden. Wir haben römische Geschichtsschreiber, die sich teilweise auch lustig drĂŒber machen. Also zum Beispiel bei der Zukunftsschau sagen, ja, das ist natĂŒrlich alles Humbug. Also die Kritiker hat es auch immer gegeben. Insofern in jeder Kultur, zu der wir Schrift haben, haben wir auch irgendeine ErwĂ€hnung von Magie, in welcher Form auch immer.

Musik:  Ancient world 0‘55

ErzÀhlerin

Gewisse Grundmuster dieses globalen PhĂ€nomens kehren immer wieder. Zum Beispiel die Vorstellung, dass eine Puppe einen bestimmten Menschen reprĂ€sentiere. Was ich ihr antue, etwa mit Nadeln, wirke sich dann auch auf den realen Menschen aus. Wie im Kleinen, so im Großen! Dieses Denken in Analogien ist gepaart mit der Vorstellung von Ursache und Wirkung. Denn Mikrokosmos und Makrokosmos, so die Annahme, beeinflussen sich gegenseitig.

ErzÀhler

Vor diesem Hintergrund erscheint es auch plausibel, wenn man eine grĂŒne Eidechse blendet und in ein Glas sperrt, in der Hoffnung, die SelbstheilungskrĂ€fte des Tieres wĂŒrden bald auf den Menschen ĂŒberspringen, der sein Augenleiden kurieren will.

ErzÀhlerin

Die magische Methode funktioniert immer. Wenn man dran glaubt. Sollte sie tatsÀchlich mal nicht funktionieren, dann hat eben der Magier beim Ritual was falsch gemacht. Zum Beispiel den Zauberspruch nicht richtig aufgesagt. Das magische System an sich aber wird nicht in Frage gestellt. Allenfalls die angestrebten Ziele. Denn seit jeher werden zwei Formen von Magie unterschieden.

ZSP 4 Bied zwei Formen 0,20

Die sogenannte weiße Magie, die eben dazu da ist, anderen Leuten zu helfen, sich selber zu helfen, Krankheiten zu heilen oder sich selber zu schĂŒtzen. Da fallen eben auch Amulette rein, die Unheil abwenden sollen. Das andere ist die schwarze Magie, die eben dazu da ist, anderen Leuten seinen Willen aufzuzwingen, anderen Leuten zu schaden, Rache zu ĂŒben, solche Dinge.

Musik:  School of wizards 0‘38

ErzÀhler

Zur schwarzen, also bösen Magie wird ĂŒbrigens auch der Liebeszauber gerechnet, weil er das Opfer manipulieren und um seinen freien Willen bringen will. Die magische Trennlinie zwischen schwarz und weiß lĂ€sst sich freilich nicht immer scharf ziehen. Auch wenn es seit alters versucht wird. Im 18. Jahrhundert vor Christus zum Beispiel, im Codex Hammurabi. Diese berĂŒhmten Sammlungen von RechtssprĂŒchen aus dem antiken Mesopotamien regelten alle möglichen Aspekte des Lebens. Auch Zauberei und magische Praktiken.

ErzÀhlerin

Wenn etwa jemandem vorgeworfen wurde, er habe sich schwarz-magischer Methoden bedient, um einem anderen zu schaden. Der Beschuldigte wurde vor Gericht gestellt und musste in einen Fluss springen. Ging er unter und ertrank, dann war er schuldig. Das Haus des ertrunkenen Schwarzmagiers bekam sein Kontrahent. Ging aber der Beschuldigte nicht unter, dann galt er als unschuldig. Und sein AnklÀger wurde hingerichtet.

ErzÀhler

Mit heutigen Rechtsvorstellungen ist dieses Verfahren nicht in Einklang zu bringen. Der Zweck des Verfahrens aber wird deutlich, sagt Josefine Biedinger: Zauberei und verbotene schwarz-magische Praktiken sollten verhindert werden.

ZSP 5 Bied alltÀglich 0,22

Wo aber auch gleichzeitig klar wird, dass andere Formen von Magie erlaubt sind. Also dass Magie einfach etwas sehr AlltĂ€gliches war fĂŒr den Menschen. Wir kennen aus dem mesopotamischen Raum zum Beispiel auch ein Hexenabwehrritual, das benutzt wurde, um den Fluch einer Hexe von sich abzuwenden. Also auch da wieder der Schutz vor schwarzer Magie. Also diese Angst war sehr reell fĂŒr die Leute, die zu dem Zeitpunkt gelebt haben.

Musik:  Historic secrets 0‘48 

ErzÀhlerin

Und keineswegs nur damals. Denn Ängste gibt es zu allen Zeiten, in allen Kulturen. Zum Beispiel die Angst vor WiedergĂ€ngern, die – auf unnatĂŒrliche Weise ums Leben gekommen – weiter als Untote auf der Welt herumspuken. Oder die Angst vorm bösen Blick. Als „Fenster der Seele“, sagt man, sei das menschliche Auge besonders empfĂ€nglich fĂŒr missgĂŒnstige, unheilbringende, neidvolle Blicke. Die gelte es abzuwehren, etwa mit vulgĂ€ren Gesten wie der Ficus-Geste, bei der der Daumen zwischen Zeige- und Mittelfinger geklemmt wird.

ErzÀhler

Vor bösen Blicken schĂŒtzen angeblich auch die Darstellungen von Augen. Schon die alten Ägypter malten sie auf den Bug ihrer Schiffe, damit diese wieder heil in den Hafen zurĂŒckkehrten. Solche Augen sind heutzutage noch an modernen Kreuzfahrtschiffen zu sehen. Auch „Magie-to-go“ war stets sehr beliebt: Objekte, die man sich um den Hals hĂ€ngt, damit sie vor bösen Blicken schĂŒtzen – Augenamulette etwa oder Phallus-Amulette.

ZSP 6 Bied Talisman 0,21

Das Amulett schĂŒtzt mich vor Dingen, der Talisman dagegen soll mir GlĂŒck bringen. Also das eine wehrt etwas ab und das andere fĂŒhrt etwas herbei. Die können beide aus allem Möglichen hergestellt sein. Das kann zum Beispiel auch eine Hasenpfote sein. Es muss eine Bedeutung haben fĂŒr mich als Person. Und diese Bedeutung kann natĂŒrlich daher kommen, dass ich denke, dass das Material irgendwie besonders ist. Das muss aber nicht so sein.

ErzÀhlerin

Manchen GegenstĂ€nden wird besondere Schutzkraft nachgesagt. Dem Georgs-Taler zum Beispiel, der bei Soldaten sehr gefragt war. Denn so eine MĂŒnze mit dem Abbild des heiligen Georg soll einst im DreißigjĂ€hrigen Krieg einem sĂ€chsischen Offizier das Leben gerettet haben: die tödliche Gewehrkugel war in der MĂŒnze steckengeblieben.

ErzÀhler

Der perfekte GlĂŒcksbringer fĂŒrs SchlachtengetĂŒmmel also. Genau in die andere Richtung sollten die TĂ€felchen aus Blei wirken, die in der römischen Antike gern zum Einsatz kamen. Gegner aller Art, sei es im Sport, vor Gericht oder im GeschĂ€ftsleben, wurden mit solchen TĂ€felchen verflucht.

Musik:  Archaic power 0‘40

ErzÀhlerin

Zum Beispiel ein gewisser Artemios, der als Wagenlenker der blauen Circus-Partei in Rom um 400 nach Christus lebte. Mit herkömmlichen Methoden war dem erfolgreichen Rennfahrer der Sieg offenbar nicht streitig zu machen. Deshalb rief ein missgĂŒnstiger Rivale die Göttinnen und DĂ€monen gegen Artemios an,  

Zitator:

„dass er kopflos, fußlos, kraftlos ist mit den Pferden der Blauen.“

ErzÀhler

Auch Bayern kommt in der Magie-Ausstellung von Halle nicht zu kurz. Am Beispiel von Wetterkerzen, wie sie heutzutage noch in den Devotionalien-LĂ€den bayerischer Wallfahrtsorte zum Kauf angeboten werden. Solche geweihten Kerzen sollen vor Sturm, Hagel und Blitzschlag schĂŒtzen. Obwohl Blitzableiter und Elementarversicherung lĂ€ngst erfunden sind.

Musik:  Perchten-Tanz 0‘43

ErzÀhlerin

Ebenfalls aus Bayern, nĂ€mlich dem oberbayerischen Kirchseeon, stammen Bilder von zeitgenössischen Perchtenmasken. Mit solchen Holzmasken ziehen junge MĂ€nner bei traditionellen PerchtenlĂ€ufen durch die Straßen, um lĂ€rmend die bösen Geister des Winters zu vertreiben. Eine Tradition heidnischen Ursprungs, die lange Zeit von der Kirche verboten war.

ErzÀhler

Denn solche frei vagabundierenden magischen Praktiken, die potenziell jeder ausĂŒben kann, benötigen keinen festen Glauben an eine Religion. Sie brauchen auch keine Götter und keine Priester. Was Kirchenoberen natĂŒrlich nicht gefallen kann. Andererseits sind Magie und Religion immer schon eng miteinander verbunden gewesen, sagt Josefine Biedinger.

 ZSP 7 Bied Magiegötter 0,20

Man kann gerade in den alten Kulturen Magie nicht hundertprozentig von Religion trennen, weil es in den frĂŒhen WĂŒstenkulturen, die Magie praktiziert haben, spezifische Götter gab. Also die Hekate bei den Griechen, den Tod bei den Ägyptern, die Mesopotamier hatten gleich mehrere Magiegötter. Also es gab immer jemanden, der irgendwie dafĂŒr zustĂ€ndig war.

Musik: Archaic secrets 1‘00

ErzÀhlerin

Letztlich kommt keine Religion ohne Magie aus. Die Wunder zum Beispiel, die in der katholischen Kirche als ein Kriterium fĂŒr Heiligsprechung gelten, haben durchaus magische QualitĂ€ten. Offiziell als Wunder anerkannt werden sie aber erst nach sorgfĂ€ltiger PrĂŒfung durch höchste kirchliche Stellen. Alles andere gilt als Aberglauben und Zauberei.

ErzÀhler

Der „Magus“, der „Wissende“ war einst gleichbedeutend mit einem Priester der zoroastrischen Religion im alten Persien. Das Wort Magie wanderte dann durch die Jahrhunderte und wandelte sich. Auch im Neuen Testament ist von einem Magier namens Simon die Rede, der die Menschen mit Zauberei beeindruckte. Wegen seiner Lehren und Praktiken wird Simon oft als erster HĂ€retiker des Christentums bezeichnet.

ErzÀhlerin

Auch KirchenvĂ€ter wie Tertullian, Hieronymus und Augustinus setzten sich kritisch mit Magie auseinander und verurteilten ihre Praktiken. Weil die sich aber nicht völlig ausmerzen ließen, wurden sie mitunter ins Glaubenssystem integriert. Vor allem in der Volksreligion der einfachen Leute gab es kein strenges „Entweder oder“, sagt Josefine Biedinger.

ZSP 8 Bied Religion 0,35

Wir haben zum Beispiel diese schöne MĂŒnze in der Ausstellung, die auf der einen Seite eine christliche Darstellung hat, nĂ€mlich ein Herz mit durchbohrten HĂ€nden und FĂŒĂŸen, also mit den Jesus-Malen und auf der anderen Seite aber das Sator-Arepo-Quadrat, also etwas, was im magischen Kontext benutzt wird, wo offensichtlich sich jemand gedacht hat, okay, er geht auf Nummer Sicher und nimmt einfach beides.

Musik:  Historic secrets (b) 0‘37

Zitator

„SATOR AREPO TENET OPERA ROTAS“

ErzÀhler

Seine magische Wirkung entfaltet dieser Sator-Arepo-Spruch, weil er ein Satzpalindrom ist. Man kann ihn vorwĂ€rts oder rĂŒckwĂ€rts lesen, von oben nach unten oder umgekehrt – der Satz lautet immer gleich. Schon in der römischen Antike kam das den Menschen magisch vor. Und so wurde Sator-Arepo zur Schutzformel, die vor Übel aller Art bewahren sollte.

ErzÀhlerin

Dass dieser Satz nicht einfach zu ĂŒbersetzen ist, macht ihn noch geheimnisvoller. Manche sehen in Arepo einen Eigennamen, andere lesen den Spruch im Sinne von „Der Schöpfer hĂ€lt die Werke in Gang". Oder sinngemĂ€ĂŸÂ  „Man erntet, was man sĂ€t“.

ErzÀhler

Andere Zauberformeln wie „Hokuspokus“ oder „Abrakadabra“ sind lĂ€ngst sprichwörtlich geworden. Als magisch klingendes Kauderwelsch, das oft auch zur inneren Anwendung gebracht wurde. NĂ€mlich auf sogenannten Schluckzettelchen. Auf die hat man ZaubersprĂŒche geschrieben, danach wurden sie zusammengefaltet und von einem Hilfesuchenden verschluckt.

ZSP 9 Bied Schluckzettelchen 0,21

Die Kirche hat das natĂŒrlich nicht gerne gesehen, konnte es aber auch nicht einstellen. Und da sieht man die Christianisierung sehr schön, dass es dann eben kein Verbot von Schluckzettelchen gibt, sondern die haben dann einfach ihre eigenen hergestellt mit einem Marienbild drauf. Und dann hat man statt den heidnischen ZaubersprĂŒchen stattdessen die Gottesmutter verschluckt und das hat dann genauso gut verholfen. Also es war dieselbe Tradition, bloß mit neuer Farbe.

Musik:  White whereever you look 0‘27

ErzÀhlerin

Die Menschen frĂŒherer Zeiten waren nicht dĂŒmmer als wir heute. Sie hatten nur andere Möglichkeiten, Herangehensweisen und Weltanschauungen, um Lösungen fĂŒr ihre Probleme zu finden. So waren magische Rituale und Praktiken fĂŒr sie wichtige und durchaus praktische Mittel im Kampf gegen Krankheiten.

ZSP 10 Bied Medizin 0,21

Das ganze Medizinische ist ja an einem bestimmten Zeitpunkt auch immer irgendwie mit Magie behaftet, dass sie sagen, ah, okay, jetzt haben mich eben die Götter geheilt und dabei war es eben irgendeine Salbe. Das ist ja schon bis zu einem gewissen Grad fast schon Wissenschaft gewesen. Man musste wissen, wie man diese Salben zusammen mischt, ohne dass man Leute vergiftet oder eine andere Wirkung erzielt. Es war bloß einfach ein magischer Gedanke dahinter.

ErzÀhler

Nicht umsonst wurden Magie und Zauberei seit der Antike als „Kunst“ bezeichnet – Kunst im Sinne von Wissenschaft. Auch wenn die „Wissenschaftlichkeit“ dieser „ars magica“ aus heutiger Perspektive zweifelhaft erscheinen mag.

ErzÀhlerin

Ein berĂŒhmtes Beispiel fĂŒr einen Gelehrten des frĂŒhen 16. Jahrhunderts ist Doktor Johann Georg Faust, der in Deutschland viel Aufsehen erregte als Magier, Alchemist, Astrologe und Heiler. Abenteuerliche Legenden rankten sich um diesen Doktor, der schließlich Eingang fand in die große Literatur. Johann Wolfgang von Goethe schuf zu Beginn des 19. Jahrhunderts in „Faust“ eine Figur, die in ihrem Streben nach Wissen auch einen Pakt mit dem Teufel nicht scheute.

Musik:  Deserted and destroyed 0‘40

Zitator:

Drum hab ich mich der Magie ergeben,

Ob mir durch Geistes Kraft und Mund

Nicht manch Geheimnis wĂŒrde kund.

ErzÀhlerin

Seit Ende des 15. Jahrhunderts wurden magische Praktiken rigide bekÀmpft. Bei den sogenannten Hexenverfolgungen, die ihren Höhepunkt zwischen 1570 und 1630 erlebten, wurden in Europa schÀtzungsweise 40.000 bis 60.000 Menschen hingerichtet. Vor allem Frauen. Es ist ein trauriges Kapitel europÀischer Geschichte, sagt Josefine Biedinger.

ZSP 11 Bied Hexen 0,28

Dass man eben alles verfolgt hat, was irgendwie anders ist, vor dem man irgendwie Angst haben kann. Zum Beispiel Wissen, was einem sich selber nicht erschlossen hat. Also letzten Endes ist ja ganz viel von dem, was wir heute unter Magie verstehen, nichts anderes gewesen als sehr altes Wissen. Also zum Beispiel KrĂ€utermedizin, das, was wir jetzt als magische KrĂ€uter bezeichnen, das ist im letzten Ende einfach nur in irgendwelchen diversen Salben benutzt worden. Und das hat man dann natĂŒrlich alles verfolgt, einfach weil man es nicht verstanden hat und weil man es auch nicht konkurrierend wollte zum eigenen Glauben.

Musik:  Ti-Roro drums solo 0‘28

ErzÀhler

Wenn heute von Magie die Rede ist, lĂ€sst das Wort Voodoo meist nicht lange auf sich warten. Obwohl man die Voodoo-Religion in Haiti keineswegs auf Magie reduzieren kann, gibt es in ihr Untergruppen, die angeblich heute noch magische Rituale einsetzen. Wie zum Beispiel die Bizango-Geheimgesellschaft. Im großen Eingangsbereich des Landesmuseums von Halle steht eine Installation mit modernen Kunstwerken aus Haiti. Zu sehen sind sieben lebensgroße Bizango-Figuren, eingesperrt in einem KĂ€fig. Jede einzelne hat ihre ganz bestimmte Funktion im magischen Ritual.

ZSP 12 Bied Bizango 0,24

Diese Geheimgesellschaft zum Beispiel benutzt angeblich, weil das ist alles nicht belegt, diese Figuren, also die Bizango-Armee wird das genannt, um diverse Geister auf ihre Seite zu ziehen, um eben fĂŒr Sicherheit auf den Straßen zu sorgen. Das ist eigentlich der Hintergrundgedanke, dass da, wo zum Beispiel die Polizei nicht durchgreift und nicht fĂŒr Sicherheit sorgt, dass man da Magie benutzt, um das dann selber durchzusetzen.

ErzÀhlerin

Solche Rituale mögen uns in modernen Industrie-Gesellschaften seltsam vorkommen. Aber sind wir selbst völlig frei von magischem Denken?

Musik:  "A Kind of Magic" 0‘25

ErzÀhlerin

Nicht nur in Popsongs wie „A Kind of Magic“ von Queen oder in Harry-Potter-Verfilmungen spielt Magie heute eine Rolle. Auch im Alltag bleibt das PhĂ€nomen lebendig. Seit Jahrzehnten befragen Meinungsforscher Menschen zum Thema Aberglauben. Die Ergebnisse sind recht konstant. Auch in unserer durch Technik und Wissenschaft geprĂ€gten Zeit haben Magie und Aberglaube ihre Anziehungskraft nicht verloren. 2021 gaben immerhin 30 Prozent der Befragten an, hin und wieder aberglĂ€ubisch zu sein. Frauen mit 39 Prozent deutlich hĂ€ufiger als MĂ€nner, bei denen es nur 21 Prozent waren.

ErzÀhler

So sah jede und jeder Zweite in einem vierblĂ€ttrigen Kleeblatt einen GlĂŒcksbringer, klopfte auf Holz oder trug einen GlĂŒckspfennig bei sich. Und immerhin 39 Prozent jener, die hin und wieder aberglĂ€ubisch sind, glauben, dass die Zahl 13 UnglĂŒck bringt. Auch der Blick ins Horoskop der Tageszeitung gehört fĂŒr viele zum morgendlichen FrĂŒhstĂŒcksritual.

ErzÀhlerin

Nachfrage gibt es also selbst in unseren Zeiten noch zuhauf. Was dann mitunter kommerzielle Anbieter „magischer“ Dienstleistungen auf den Plan ruft. Vor allem im Internet.

ZSP 13 Bied heute 0,23

Es werden Liebeszauber angeboten, es werden Schadenszauber angeboten, es werden GlĂŒckszauber angeboten, Geldsegen zum Beispiel. Es gibt diverse Urteile auch, tatsĂ€chlich moderne, in denen Geldmacher in AnfĂŒhrungszeichen verurteilt wurden, weil sie eben Leuten das Geld aus der Tasche gezogen haben mit magischen Versprechen. Also es ist schon noch ein aktuelles Thema, dass die Leute weiterhin beschĂ€ftigt.

Musik:  Cosmetic wonder 0‘39

ErzÀhler

Um einiges billiger als der Internet-Zauber sind vermutlich die VorhĂ€ngeschlösser, die manche Paare an BrĂŒcken oder ZĂ€unen befestigen, um den geliebten Partner an sich zu binden. Möglichst fĂŒr immer, weshalb auch der SchlĂŒssel zum Schloss weggeworfen wird. Bleibt zu hoffen, dass diese Art von Magie wirkt. Immerhin wĂŒrde man sich so eine schmerzhafte Trennung ersparen. Und eine Rachepuppe, die mit Nadeln durchbohrt wird, mĂŒsste man dann auch nicht basteln.