Heines "Harzreise" gilt als romantisches Reisebild – im Subtext aber erzählt sie von Judenverachtung und Assimilationsdruck 1824. Das Feature entdeckt mit Witz und Spottlust 200 Jahre später, wie gegenwärtig Heine ist.
Im September 1824 wandert ein Göttinger Student zu Fuß durch den Harz. Der 26-jährige Wanderer steht vor einer Entscheidung: Sein Jura-Studium ist bald beendet, will er danach eine Chance auf einen Job in Preußen haben, als Beamter oder Dozent, muss er zum Christentum konvertieren. Aber wäre das nicht Verrat an seiner Herkunft? An der jüdischen Tradition, die ihn seit einigen Jahren intensiv beschäftigt, und über die er zeitgleich an einem großen Buch, "Der Rabbi von Bacharach", arbeitet? Ein Dreivierteljahr nach der Wanderung wird Harry durch Taufe zu Heinrich. Sein Ringen um diese Entscheidung und die Bitterkeit darüber, sie treffen zu müssen, durchziehen den Subtext der Reisebilder aus dem Harz – gut versteckt zwischen den Beschreibungen von sprudelnden Flüsschen, wandernden Philistern und frommen Hirten.Zweihundert Jahre nach Heine wandert Lorenz Hoffmann zum Kreuz auf dem Ilsenstein, steigt in die Gruben von Clausthal hinab, macht deutsch-deutsche Begegnungen in einem irgendwie schon wieder gespaltenen Land, denkt über Ungleichheiten und Ungleichzeitigkeiten nach und sucht an der Göttinger Universität nach den Spuren H. Heines. Aus dem geplanten Brockenaufstieg allerdings wird zunächst nichts, weil der "deutsche Berg" in diesem September großflächig brennt.Feature von Lorenz HoffmannProduktion: MDR 2024Verfügbar bis 28. Oktober 2025