radioWissen - Bayern 2   /     Die Geschichte des Artensterbens - Von der Urzeit bis heute

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Als vor rund 66 Millionen Jahren ein Asteroid im heutigen Mexiko einschlug, starben rund drei Viertel der Arten aus - vor allem die Dinosaurier. In dieser Größenordnung ein einmaliges Ereignis, aber längst nicht das einzige. Immer schon haben Arten empfindlich auf Klimaveränderungen reagiert. Von Hellmuth Nordwig

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Duration
00:23:39
Publishing date
2024-12-09 03:00
Link
https://www.br.de/mediathek/podcast/radiowissen/die-geschichte-des-artensterbens-von-der-urzeit-bis-heute/2100714
Contributors
  Hellmuth Nordwig
author  
Enclosures
https://media.neuland.br.de/file/2100714/c/feed/die-geschichte-des-artensterbens-von-der-urzeit-bis-heute.mp3
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Shownotes

Als vor rund 66 Millionen Jahren ein Asteroid im heutigen Mexiko einschlug, starben rund drei Viertel der Arten aus - vor allem die Dinosaurier. In dieser Größenordnung ein einmaliges Ereignis, aber längst nicht das einzige. Immer schon haben Arten empfindlich auf Klimaveränderungen reagiert. Von Hellmuth Nordwig

Credits
Autor dieser Folge: Hellmuth Nordwig
Regie: Kirsten Böttcher
Es sprachen: Rahel Comtesse, Johannes Hitzelberger, Peter Veit
Technik: Moritz Herrmann
Redaktion: Bernhard Kastner

Im Interview:
Dr. Thassilo Franke, Staatliche Naturwissenschaftliche Sammlungen Bayern;
Prof. em. Wolfgang Oschmann, Geologe, Universität Frankfurt am Main;
Dr. Daniela Schwarz, Naturhistorisches Museum Berlin


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Lesen Sie einen Ausschnitt aus dem Manuskript:

Sprecherin

Um einen Eindruck vom Leben in früheren Erdzeitaltern zu bekommen, geht man am besten in ein Museum für Paläontologie. Eine solche Sammlung von Fossilien findet man auch in München, unweit des Lenbachhauses. 

Sprecher (Block mit Musik oder geeigneter Atmo unterlegen)

Einem mächtigen Urelefanten stehen wir hier staunend gegenüber. Mulmig wird uns auch angesichts eines Reptils, dem sogenannten Bradysaurus, auch wenn der etwas tapsig wirkt. Sein Schädel ist so groß wie ein Baby. Und dann schwebt noch der Flugsaurier Pteranodon über uns. Seine ausgebreiteten Flügel überspannen leicht zwei hintereinander liegende Menschen. 

Sprecherin

All diese fantastischen Lebewesen sind schon lange ausgestorben. Aber auch in jüngerer Zeit sind zahlreiche große und kleine Tiere von der Erde verschwunden, erzählt Thassilo Franke von den Staatlichen Naturwissenschaftlichen Sammlungen in Bayern. 

Er demonstriert das an einem gut 20 Zentimeter großen Fossil, das er aus seinem Rucksack holt:

O1 Zsp Die Geschichte des Artensterbens - Franke 

Das erste Stück, das ich hier dabeihabe: der Backenzahn eines Wollhaarmammuts. Eine Art, die wirklich in geschichtlicher Zeit von der Erde verschwunden ist. Als die Ägypter angefangen haben, ihre Pyramiden zu bauen, sind die letzten Wollhaarmammuts vermutlich noch herumgelaufen. 

Sprecherin

Das Artensterben zieht sich durch die gesamte Erdgeschichte. Die beginnt vor gut viereinhalb Milliarden Jahren. Unser Planet ist damals "wüst und leer" - aber für geologische Maßstäbe nicht lange. Nach einer halben Milliarde Jahre tauchen Einzeller auf, und viel später …:

Musik 2: Pulsating environments – 117 – 8 Sek

Zitator

… 630 Millionen Jahre vor unserer Zeit …

Sprecher

Mehrzellige Lebewesen, die sogenannte Ediacara-Fauna.

Sprecherin

Auch im Paläontologischen Museum in München sind diese seltsamen Lebewesen zu sehen. Noch unfähig sich selbst zu bewegen und darauf angewiesen, Bakterienschleim und andere Nährstoffe über ihre Oberfläche aufzunehmen. Rund 40 Millionen Jahre sind die Ediacara mit den Einzellern unter sich. Doch das ändert sich ziemlich plötzlich. Die Wissenschaft hat dafür einen treffenden Begriff: Nach dem damaligen Erdzeitalter spricht sie von der ‚kambrischen Explosion des Lebens‘.

Musik 3: Pulsating environments – 8 Sek

Zitator

540 Millionen Jahre vor unserer Zeit.

O3 Zsp Die Geschichte des Artensterbens - Franke 

Das war wie eine große Versuchsküche, wo die Evolution alles Mögliche ausprobiert hat. Wo die Formen übriggeblieben sind, auf die wir uns selbst als unsere Vorfahren zurückberufen können. Die Wirbeltiere nahmen da ihren Ursprung, die Wirbellosen, die Insekten, Gliederfüßer. Alles nahm in dieser kambrischen Explosion seinen Ursprung. Was diese Formen auszeichnet, ist der Umstand, dass sie sich von anderen Lebewesen ernährt haben. Und - was auch ganz wichtig ist - dass sie nicht nur weitgehend bewegungslos irgendwo rumwaberten, sondern dass sie hochmobil waren und zum Teil im Meeresboden auch gewühlt haben, (sich) von diesen Ediacara-Lebewesen ernährt und irgendwann dazu geführt, dass es die dann nicht mehr gegeben hat. 

Sprecherin

Zum ersten Mal wird eine Gruppe von Lebewesen von der Erde verdrängt. Von Lebewesen, die sich fortbewegen und aktiv auf Nahrungssuche gehen können. Doch die Ediacara werden nicht die einzigen bleiben, von denen es heute nur noch Fossilien gibt.

Musik 4: Fach  - 22 Sek

Sprecherin

Zunächst ist nach der ‚kambrischen Explosion‘ die bis dahin größte Biodiversität erreicht. 

Sprecher

Muscheln, Stachelhäuter und viele andere Lebewesen bevölkern die Meere. 

Sprecherin

Dann aber beginnt eine Kältephase auf der Erde, wie so oft in ihrer Geschichte. 

…endet mit Akzent aus Musik 5: Seduction – 14 Sek

Musik 6: Pulsating Environments – siehe vorn – 8 Sek

Zitator

450 Millionen Jahre vor unserer Zeit: Das erste Massenaussterben.

Musik 7: Beginnings are…- 15 Sek, Wechsel in: 

Musik 8: the Revenant Main Theme –  50 Sek

in

Jetzt kommt die Plattentektonik ins Spiel: Der Kontinent Gondwana verschiebt sich in Richtung Südpol. Dort ist es so kalt, dass er umso mehr vereist, je weiter er nach Süden gerät - und dieses Eis ist nichts anderes als Wasser, das dem Meer fehlt. Dadurch sinkt der Meeresspiegel weltweit dramatisch. Für viele Organismen gibt es keinen Lebensraum mehr. Nach nur zwei Millionen Jahren - in geologischen Zeiträumen ein Wimpernschlag - sind 85 Prozent der Arten verschwunden. Kaltes Klima und die Plattentektonik, das sind zwei wichtige Ursachen dieses ersten Massenaussterbens. Thassilo Franke:

O4 Zsp Die Geschichte des Artensterbens - Franke 

Alle Artensterben der Geschichte, alle Massenaussterben, sind multikausal. Haben also mehrere Ursachen und nicht nur eine. 

Musik 9: Boating for Beginners –102  - 41 Sek

Sprecherin

Nach dem ersten großen Verschwinden von Arten ist Platz für Neues. Vor allem im Meer entwickelt sich eine große Vielfalt. 

Sprecher

Panzerfische, Knochenfische, Stachelhaie, auch der noch lebende Quastenflosser entstehen in dieser Zeit. Tiere mit amphibischer Lebensweise machen die ersten Schritte an Land. Dort beginnen auch Pflanzen ihren Siegeszug. Sie erobern die Uferbereiche und später die Landmassen. Bärlapp, Farn und bis zu 30 Meter große Schachtelhalme bestimmen das Bild. 

Musik 10: Pulsating environments – siehe vorn – 8 Sek

Zitator

370 Millionen Jahre vor unserer Zeit: Das zweite Massenaussterben.

Sprecherin

Das Klima ist zunächst warm, man kann sich eine Art weltweiten tropischen Regenwald vorstellen. Viele Pflanzen auf der Erde: Das ändert aber das Klima sehr deutlich. Der Grund: Pflanzen brauchen Kohlendioxid zum Wachsen. Das Treibhausgas, das uns heute zu schaffen macht - damals wird es in großer Menge von den ausgedehnten Wäldern aufgenommen. Und wenn das Treibhausgas rasch weniger wird, fällt die Temperatur drastisch.

O5 Zsp Die Geschichte des Artensterbens Oschmann 

Das hängt damit zusammen, dass zu dem Zeitpunkt die Landpflanzen sich ungemein entwickelt haben und in dem Zeitalter sich globale Wälder entwickelt haben. Auf der Erde waren Wald-Ökosysteme, die das heutige Maß vermutlich bei Weitem überschritten haben. 

Sprecherin

... erklärt Wolfgang Oschmann, Geologe und Spezialist für das Klima im Laufe der Erdgeschichte an der Universität Frankfurt am Main. Der Temperatursturz hat zur Folge, dass viele Pflanzen absterben und als Biomasse in die Meere gespült werden. Diese werden massiv überdüngt, der Sauerstoff im Ozean wird knapp. Auch aus anderen Gründen verändert sich die Meereschemie mehrmals deutlich, wie man an Fossilien heute noch erkennen kann. Warum, darüber ist die Wissenschaft sich nicht einig - unter anderem fallen in diese Zeit langanhaltende Vulkanausbrüche und ein Asteroideneinschlag. Wie auch immer, vielen Meereslebewesen fehlt schon bald die Nahrungsgrundlage. Etwa drei Viertel der damals lebenden Arten verschwinden in kurzer Zeit.

Musik 11: Rodney bay – 54 Sek

Sprecherin

Jetzt ist Platz für Pflanzenarten, die mit kühlerem Klima zurechtkommen. 

Sprecher

Die ersten Nadelbäume entstehen. Einige Farnarten und Schachtelhalme haben das Aussterben überlebt, sie wachsen meist in Sümpfen und verrotten dort zu Kohle, Öl und Erdgas. Reptilien und Insekten tauchen auf. Im Meer dominieren zunächst viele kleinere Arten. Auch die Ammoniten, die es schon länger gibt, bekommen eine neue Chance - Weichtiere, die in schneckenartigen Schalen leben. Sie werden rasch ebenso erfolgreich wie Trilobiten, von denen einige ebenfalls das letzte Aussterben überlebt haben - Gliederfüßer, die einem mal wie Krebse, dann wieder wie Spinnen oder Insekten vorkommen. 

O6 Zsp Die Geschichte des Artensterbens - Franke 

Es ist eine unglaublich erfolgreiche Gruppe. Sie sind vor über einer halben Milliarde Jahre plötzlich entstanden, haben dann die Weltmeere besiedelt und sind dann aber zur Perm-Trias-Wende, vor 250 Millionen Jahren endgültig von der Erdoberfläche verschwunden. 

Musik 12: Pulsating Environments – siehe vorn – 8 Sek

Zitator

250 Millionen Jahre vor unserer Zeit: Das dritte und größte Massenaussterben.

Sprecherin

Die Wende vom Erdzeitalter namens Perm zum nächsten, das Trias heißt, kennzeichnet das massivste Aussterben von Arten, das es auf der Erde jemals gegeben hat.

O7 Zsp Die Geschichte des Artensterbens - Franke 

Man spricht ja heute viel von ‚Kipppunkten‘, die man überschreitet. Und die Perm-Trias-Wende war eine einzige Dominokette, wo ein Stein nach dem anderen umgefallen ist und die nächste Katastrophe ausgelöst hat. Es ist wirklich wie das Drehbuch zu einem schlechten Horrorfilm. Ein Desaster ist die Ursache des nächsten, das seinerseits wiederum mehrere Desaster gleichzeitig auslöst. Und diese "chain of disasters" hat dann dazu geführt, dass das Leben fast vollständig von der Erde verschwunden ist und fast zehn Millionen Jahre gebraucht hat, um sich wieder einigermaßen davon zu erholen. 

Musik 13: The Revenant Main theme – siehe vorn – 51 Sek

Sprecherin

Die Katastrophe beginnt mit massiven Vulkanausbrüchen im heutigen Sibirien. Lava ergießt sich in einer drei Kilometer mächtigen Schicht über ein Gebiet, das halb so groß ist wie die Europäische Union. Saure vulkanische Gase verwandeln das Meer in kurzer Zeit in tödliche Schwefelsäure. Außerdem entzünden sich großflächig riesige Kohlenlager. Sie setzen Gase frei, die die Ozonschicht stark schädigen - was an Land noch überlebt hat, wird jetzt von der UV-Strahlung der Sonne gegrillt. Zudem erzeugen die Brände eine riesige Menge des Treibhausgases Kohlendioxid. Dadurch wird es auf der Erde so heiß wie nie zuvor.

O8 Zsp Die Geschichte des Artensterbens - Franke 

Und das hat natürlich verheerende Auswirkungen auf das Leben gehabt. Es sind 95 bis 97 Prozent aller Meeresorganismen ausgestorben, es sind über drei Viertel aller Landlebewesen ausgestorben. Man wundert sich sogar, dass überhaupt irgendwas überlebt hat. 

Sprecherin

Im Meer sind das ausgerechnet Bakterien, die Schwefelwasserstoff freisetzen. Ein giftiges Gas, das dem wenigen verbleibenden Leben fast den Rest gibt. Durch das extreme Treibhausgasklima schmilzt gefrorenes Methan am Meeresgrund - das freiwerdende Klimagas erwärmt die Erde noch weiter. 36 Grad Celsius Durchschnittstemperatur werden erreicht, im Inneren des einzigen Großkontinents bis zu 70 Grad. 

Sprecher 

Und so geht es weiter: Ein Kipppunkt folgt dem anderen. Am Ende des Perm sind die allermeisten Lebewesen entweder von Lava verschüttet, durch die UV-Strahlung geröstet, mit Schwefelwasserstoff und Vulkangasen vergiftet oder aufgelöst im Säurebad des Meeres. 

Musik 14: Infinite –  50 Sek

Sprecherin

So erstaunlich es ist: Selbst dieses Desaster von vor 250 Millionen Jahren haben einige Arten überlebt. Ein neues Zeitalter beginnt. 

Sprecher

Im Meer können sich die wenigen verbliebenen Ammoniten nicht mehr recht durchsetzen. Muscheln tauchen auf, Knochenfische entwickeln sich ebenso weiter wie die Conodonten, lanzenförmige Weichtiere, von denen manche an Seeschlangen erinnern. Auch an Land ändert sich die Lebewelt: Krokodile bestimmen das Bild, damals schnelle Jäger, die den ersten Sauriern kaum eine Chance lassen. Farne und Schachtelhalme gibt es zwar noch, doch sie bekommen Konkurrenz: Palmen- und kiefernartige Pflanzen verbreiten sich, Ginkgos - und die ersten Pflanzen, die frühe Formen von Blüten bilden. 

Musik 15: Pulsating environments – siehe vorn – 8 Sek

Zitator

210 Millionen Jahre vor unserer Zeit: Das vierte Massenaussterben.

Sprecherin

Die neue Artenvielfalt hat nicht viel Zeit, sich zu entwickeln. Nicht einmal 50 Millionen Jahre, bis erneut massenhaft Arten von der Erde verschwinden.

O9 Zsp Die Geschichte des Artensterbens - Franke 

Die Hauptursache war die Geburt eines Ozeans, und zwar des Atlantischen Ozeans. Irgendwann haben sich, ähnlich wie wir das heute aus Ostafrika kennen, große Grabenbrüche gebildet. 

ATMO Meeresbrandung

Sprecherin

Wo die Grabenbrüche zu groß werden, strömt Meerwasser ein. Der Atlantik entsteht - doch das allein führt noch nicht dazu, dass damals viele Arten nicht überleben.

10 Zsp Die Geschichte des Artensterbens - Franke 

Im Endeffekt ist die Entstehung des Ozeans nicht das Problem gewesen für die Arten, sondern die Umstände, die damit einhergingen. Nämlich das Aufsteigen dieser ungeheuren Lavamengen und Kohlendioxid. Wir hatten also wieder einen Klimawandel, der dieses ganze Szenario wieder in Gang gesetzt hat: Temperaturen sind in die Höhe geschossen, Ozeanversauerung - ganze Kalkschalenorganismen gehen zu Grunde. Dann wieder Teile des Ozeans komplett frei von Sauerstoff. Und diese ganze Kausalkette, die alle Massenaussterben zu eigen haben. 

Sprecherin

Etwa 70 Prozent der Arten überleben das nicht. Besonders die Meeresfauna ist betroffen - Muscheln werden im sauren Wasser aufgelöst, die schlangenähnlichen Conodonten ersticken und verschwinden endgültig von der Erde.

Musik 16: 2815 A.D. – siehe vorn – 50 Sek

Sprecherin

Wieder entstehen neue Lebensformen auf den Kontinenten, bei warmem Klima mit eisfreien Polen. 

Sprecher

Säugetiere tauchen auf, zum Beispiel Beuteltiere. Im Meer leben Reptilien und immer noch die schneckenartigen Ammoniten, die jetzt eine große Vielfalt erreichen. Bärlapp, Farne, Ginkgo und Nadelbäume bekommen Konkurrenz: durch Blütenpflanzen und Laubbäume. Doch eine Artengruppe, deren erste Vertreter es vorher schon gab, beherrscht alle anderen: die Dinosaurier. 

ATMO Museum

Am Naturhistorischen Museum in Berlin ist Daniela Schwarz für die zahlreichen Exponate aus dieser äußerst erfolgreichen Tiergruppe zuständig. Darunter ist auch ein vollständiges Skelett des furchterregenden Tyrannosaurus Rex.

11 Zsp Die Geschichte des Artensterbens - Schwarz 

Sie wurden riesengroß. Es gab auch kleine Dinosaurier, aber es gab auch viele sehr große Gruppen, das ist ja das Hauptmerkmal der Dinos. Es gab dann bei den Raubsauriern die gefiederten Dinosaurier. Und durch diese Diversität haben die das einfach geschafft, sich zu den sogenannten Herrscherreptilien im terrestrischen Lebensraum zu entwickeln. 

Sprecherin

Bis zum Nord- und Südpol breiten die Dinosaurier sich aus und dominieren das Bild der gesamten Erde. Einige von ihnen sind mit Flughäuten und Federn in der Luft unterwegs wie der Archäopteryx, dessen schönste Fossilien im Jurakalk bei Solnhofen gefunden wurden. 

Musik 17: Pulsating Environments – siehe vorn – 8 Sek

Zitator

Vor 66 Millionen Jahren: Das fünfte Massenaussterben.

Musik 18: Ornithopter – 14 Sek + 

Musik 19: Beginnings are such delicate times – siehe vorn – 10 Sek

Sprecherin

Auch diese reiche Lebenswelt ist zum großen Teil dem Untergang geweiht - und der Auslöser trifft sie dieses Mal nicht schleichend, sondern schlagartig: Ein 14 Kilometer großer Meteorit trifft die Erde dort, wo heute der Golf von Mexiko ist. 

12 Zsp Die Geschichte des Artensterbens - Schwarz 

Bei einem Meteoriteneinschlag von diesem Ausmaß, wie man es rekonstruiert hat, kann man davon ausgehen, dass neben den unmittelbaren Auswirkungen - der Hitzewelle, der Schockwelle, die über Tausende Kilometer erstmal alles auslöscht, dass es dann auch zu globalen Auswirkungen kommt. Es gibt einen hohen Staubeintrag in die Luft, und giftige Gase entweichen. Das führt zum einen zu extrem sauren Niederschlägen, die natürlich dann die Meere und Flüsse vergiftet haben, Und zum anderen war das Sonnenlicht ausgeblendet. Es waren durch diesen Staub Wolkenschichten und eine Dunkelheit. Man spricht von einem polaren Winter über lange Zeit, der dann dazu geführt hat, dass aus Mangel an Sonnenlicht alle Pflanzen und auch das Phytoplankton im Wasser, die da Photosynthese betreiben, nicht mehr weiter existieren konnten und dadurch auch die Nahrungsgrundlage für viele Tierarten zu Grunde ging. 

Sprecher

So einschneidend der Meteoriteneinschlag gewesen ist: Auch für dieses massenhafte Aussterben gibt es mehrere Gründe. Zuvor schon haben die Kontinente sich so verschoben, dass Lebensräume der Dinosaurier auseinandergerissen werden. Die Plattentektonik verändert auch die Meeresströmungen - in vielen Gebieten wird es deutlich kälter. Und es gibt mal wieder heftige Vulkanausbrüche, dieses Mal im heutigen Indien. 

13 Zsp Die Geschichte des Artensterbens - Schwarz 

Was man natürlich sehen kann: dass so ein System, das schon geschwächt ist - wie es ja heute im Prinzip auch ist - manchmal nur einen kleinen Schubs braucht, und dann bricht eben wirklich alles zusammen. 

Sprecherin

Dabei speien die Vulkane auch die Treibhausgase Methan und Kohlendioxid aus, die das Klima ziemlich rasch wieder erwärmen. Doch da hat das verheerende Ereignis bereits dazu geführt, dass drei Viertel der Arten von der Erde verschwunden sind. Darunter die alles beherrschenden Dinosaurier - nur die Vögel überleben. Den Ammoniten hat das letzte große Massenaussterben ebenfalls endgültig den Garaus gemacht. 

Musik 20: Pulsating Environments – siehe vorn – 8 Sek

Zitator

Seit 150 Jahren: Das nächste Massenaussterben beginnt - oder lässt es sich noch abwenden?

ATMO Großbaustelle

Sprecherin

Auch heute ist das System Erde zweifellos geschwächt. Viele Lebensräume werden auch gegenwärtig auseinandergerissen und verschwinden: durch Straßenbau und Gewerbegebiete bei uns, durch die Abholzung tropischer Wälder oder durch die Erwärmung der Ozeane. 

Thassilo Franke:

14 Zsp Die Geschichte des Artensterbens - Franke 

Es gibt kaum noch einen Winkel, zumindest bei uns in Mitteleuropa, der nicht vom Menschen umgestaltet wurde. Und das hat natürlich massive Konsequenzen. Und damit das alles möglich wird, die ganzen Städte, die Infrastruktur, Güter und Menschen von einem Ort zum anderen zu transportieren, brauchen wir natürlich Energie. Und zum allerersten Mal ist ein Lebewesen auf die Idee gekommen, nicht nur die vorhandene Biomasse anzuzünden und die dabei freiwerdende Energie zu nutzen, sondern auch die Biomasse längst vergangener Erdzeitalter, die in Form von Erdgas, Erdöl, Steinkohle über Jahrmillionen in der Erde verschlossen war. 

Sprecherin

Das erinnert an die Zeit vor 250 Millionen Jahren, an das verheerendste Massenaussterben jemals. Damals haben sich Kohlelager großflächig entzündet, Kohlendioxid freigesetzt und das Klima so rasch angeheizt, dass die meisten Arten damit nicht zurechtkamen. Die Ursache war damals, dass eine Kette von Vulkanen ausgebrochen ist. Heute ist es menschliche Aktivität, die Kohle, Öl und Gas verfeuert. Der Geologe Wolfgang Oschmann von der Universität Frankfurt am Main:

15 Zsp Die Geschichte des Artensterbens - Oschmann 

Erdgeschichtlich gesehen ist unsere Gegenwartsphase immer noch ein Eiszeitmodus. Gewesen, muss man mittlerweile sagen, weil wir durch das, was wir Menschen gemacht haben, den CO2-Wert völlig entkoppelt haben. 

Sprecherin

Entkoppelt von den natürlichen Schwankungen, die es in der Erdgeschichte immer gegeben hat. Von der Menge des Schicksalsgases Kohlendioxid in der Atmosphäre hängt das Klima auf unserem Planeten ab: CO2 bestimmt über die Temperatur, die Eisbedeckung und den Meeresspiegel - und entscheidet damit über die Frage: Welche Arten leben hier? 

16 Zsp Die Geschichte des Artensterbens - Oschmann 

Wir haben drastische natürliche Schwankungen im Verlauf der Erdgeschichte gehabt. Allerdings: So schnell ist der CO2-Wert in der Erdgeschichte wahrscheinlich nie angestiegen. Was wir jetzt durch die Industrialisierung in den letzten 150, 180 Jahren gemacht haben, ist unvergleichlich in der Erdgeschichte. 

Musik 21: the Revenant Main Theme – siehe vorn – 41 Sek

Sprecherin

Erleben wir also gerade das sechste Massenaussterben? Manche Wissenschaftler sehen das so, andere vermeiden diesen Begriff. Einig sind sie sich aber darin: Wir stecken in einer massiven Biodiversitätskrise. Und die wird eindeutig durch die Zerstörung von Lebensräumen, die Verschmutzung der Umwelt und die Aufheizung des Planeten verursacht. Setzt sich das so fort, dann scheint das sechste Massenaussterben unvermeidlich - und es könnte auch die Art Homo sapiens treffen. Thassilo Franke:

17 Zsp Die Geschichte des Artensterbens - Franke 

Im Endeffekt wird auch nach dem nächsten großen Massenaussterben die Erde wieder unendlich viele freie ökologische Nischen zur Verfügung stellen für die Evolution, die natürlich alle besetzt werden. Und in der Rückschau, vielleicht in 50-60 Millionen Jahren, wird dann eine andere intelligente Art sagen: Damals bei diesem Massenaussterben, als dieser komische zweibeinige Primat hier rumgelaufen ist - wenn der nicht gewesen wäre und dieses Massenaussterben verursacht hätte, dann hätte die Evolution nie den Weg eingeschlagen, der zu unserer Existenz geführt hat. Also können wir ihm dankbar sein. 

Musik 22: The Sheltering sky – 1:05 Min

18 Zsp Die Geschichte des Artensterbens - Franke 

Und wir sollten alles Mögliche in Bewegung setzen, um dafür zu sorgen, dass es nicht dazu kommt. Wir können tatsächlich noch sehr viel machen, um ein nächstes Massenaussterben zu verhindern. 

Sprecherin

Dass das möglich ist, zeigen die Erfolge von ernsthaften Naturschutz-Maßnahmen, die nicht nur auf dem Papier stehen. Ob die Menschheit es allerdings schafft, das nächste große Aussterben zu verhindern, ist offen. Denn den größten Einfluss auf die Lebenswelt hat sie nicht in der Hand: die geologischen Veränderungen der Erde, die unaufhaltsam weitergehen. Doch wenn wir nicht umsteuern, dann könnten schon die nächsten gewaltigen Vulkanausbrüche der kleine Schubs sein, der das deutlich geschwächte Erdsystem zum nächsten Massenaussterben führt.