Ein Duft sagt mehr als 1000 Worte. Schon immer schätzten die Menschen den Wohlgeruch. Doch welcher Duft wurde wann und wozu angewendet? Wie entstand das erste moderne Parfum? Die Geschichte des Parfums gibt spannende Einblicke in Vorlieben, Trends und Ansichten der Vergangenheit. Von Silke Wolfrum
Ein Duft sagt mehr als 1000 Worte. Schon immer schätzten die Menschen den Wohlgeruch. Doch welcher Duft wurde wann und wozu angewendet? Wie entstand das erste moderne Parfum? Die Geschichte des Parfums gibt spannende Einblicke in Vorlieben, Trends und Ansichten der Vergangenheit. Von Silke Wolfrum
Credits
Autorin dieser Folge: Silke Wolfrum
Regie: Sabine Kienhöfer
Es sprachen: Christian Baumann, Hemma Michel
Technik: Josef Angloher
Redaktion: Bernhard Kastner
Im Interview:
Justine Diemke, wiss. Mitarbeiterin für Alte Geschichte an der Universität Hamburg (promoviert gerade);
Johann Maria Farina, Nachkomme des Erfinders des Eau de Cologne, geschäftsführender Gesellschafter der ältesten noch Inhaber geführten Parfümfabrik der Welt (mit Museum)
Literaturtipps:
Collectif Nez & Jeann Doré: „Parfum: Alles über die Welt der Düfte“ – umfangreiche illustrierte Informationen
Andrea Dalmus: „Eau de Cologne. Farina 1709“ – anschaulicher Überblick über die 300jährige Geschichte des Eau de Cologne aus dem Hause Johann Maria Farina
Joachim Mensing: „Schöner Riechen. Die magische Wirkung von Parfums auf das Wohlbefinden“ – ausführliche und detailreiche Informationen rund um Geruch, Geruchsforschung und Parfum
Andrea Hurton: „Erotik des Parfums. Geschichte und Praxis der schönen Düfte“ – Überblick über die Geschichte des Parfums mit zahlreichen Anekdoten
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Das vollständige Manuskript gibt es HIER.
Lesen Sie einen Ausschnitt aus dem Manuskript:
SPRECHER: (immer verführerisch gesprochen wie in Werbung)
Das Kyphi! Lieblingsparfum der Alten Ägypter: Zyperngras, Kalmus, Wacholderbeeren, Pistazie, Kamelgras, Honig, Myrrhe, Rosinen und Wein …
SPRECHERIN:
Wohlgeruch hat etwas Magisches an sich. Er hebt die Laune, weckt Erinnerungen und Sehnsüchte, verschönert und verzaubert. Kein Wunder, dass er in vielen Kulturen als Attribut der Götter gilt. Aphrodite trägt den „himmlischen Wohlgeruch rosenduftender Salben“ und selbst der Schweiß Mohammeds soll besser duften als Ambra und Moschus. Schon die Steinzeitmenschen sollen Harze und Hölzer verbrannt haben, um den Göttern zu huldigen. Vermutlich verschönerten sie sich aber auch ihr Alltagsleben mit Wohlgeruch. In Südafrika fand man 77.000 Jahre alte Betten, die aus den duftenden Blättern der Kap-Quitte hergestellt wurden.
Musik: Dithyrambos 0‘17
Zur ersten großen Meisterschaft in der gezielten Herstellung des Wohlgeruchs brachten es die Alten Ägypter. Das Räucherwerk galt dort als heilig und oblag den Priestern. Mumien wurden mit einer ganzen Palette von Duftstoffen präpariert und für die Lebenden stellte man unterschiedlichste parfümierte Salben her, die auch therapeutischen Zwecken dienten. Trägersubstanzen waren Pflanzenöle und tierische Fette.
MUSIK: The villa of mysteries 0‘17
SPRECHER: (immer verführerisch gesprochen wie in Werbung)
Das Lieblingsparfum der Antike: Rosenöl: ein Duft aus Rosenblättern, Zitronengras, Kalmus, Honig und Olivenöl.
SPRECHERIN:
Die Griechen und Römer machten es den Ägyptern nach. Den anstrengenden Herstellungsprozess übernahmen Sklaven, die Rezepte stammten von Medizinern und Naturphilosophen. Parfümherstellung, Medizin und Pharmazie lagen Jahrhunderte lang nah beieinander. Parfums sollten in der Antike – und eigentlich sogar bis ins 19. Jahrhundert - auch viel mehr leisten als „nur“ gut zu riechen. Justine Diemke von der Universität Hamburg hat im Rahmen eines Lehrprojekts selbst antike Düfte hergestellt.
01 Zsp. Der gute Duft – Die Geschichte des Parfüms Justine Diemke
Diese Duftöle wurden nicht nur, wie wir es heute kennen, dann auf die Haut aufgetragen, sondern auch in Salben gemischt oder als Pharmakon, also als Heilmittel, gegen verschiedene Krankheiten eingenommen. Eine heilende Wirkung wird zum Beispiel dem Rosen-Parfüm auch zugeschrieben, das von Ärzten gegen Kopfschmerzen oder auch Reizungen der Eingeweide verordnet wurde. Besonders beliebt waren Duftstoffe zum Beispiel auch bei Frauenkrankheiten, also hier vor allem gegen Menstruations-Beschwerden und da schlechte Gerüche in der Antike auch als ansteckend galten, wurden diese Duftöle auch häufig eingesetzt, um einfach den Gestank zu überdecken.
Musik: Pandura 0‘38
SPRECHERIN:
Tatsächlich muss es im Alten Rom grauenvoll gestunken haben, Urin entleerte man einfach auf die Straße, in den Mietskasernen wohnte man eng beieinander, die Thermen konnten nur die Reichen besuchen, wie auch gut riechende Parfums eine Sache der Oberschicht blieben. Cäsar soll übrigens nach dem so genannten Cyprinum geduftet haben, einer Kreation aus Henna, Olivenöl, Kalmus, Rotbusch, Gewürzen, Wein und Zimt. Parfümiert wurde aber nicht nur der Körper.
02 Zsp. Der gute Duft – Die Geschichte des Parfüms Justine Diemke
Darüber hinaus wurde auch im privaten Raum alles Mögliche besprüht, also zum Beispiel Gegenstände wie Textilien, auch die Haustiere wurden parfümiert, Gardinen, Kissen und auch der städtische Raum, also wir waren ja gerade bei dem Thema Gestank in der Urbs, so in Rom, auch aufgrund der Latrinen. Da ist es so, dass auch einzelne Baustrukturen wie Theateranlagen oder Thermen, also Badeanlagen, parfümiert wurden, um dem Besucher den Aufenthalt so angenehm wie möglich zu gestalten.
SPRECHERIN:
Nicht immer wurde der Einsatz von Duftstoffen positiv gesehen. Als Kaiser Nero bei der Bestattung seiner zweiten Gattin Poppaea eine ganze Jahresernte Weihrauch verbrennen ließ, stieß das nicht überall auf Beifall. Manche Philosophen standen dem Luxus-Produkt Parfum generell recht kritisch gegenüber – rochen aber selbst nicht gut, wie Diogenes in seiner Tonne.
In Maßen eingesetzt gehörte der feine Duft allerdings durchaus zum guten Ton der Oberschicht. Im Theater versprühte man in den besten Reihen ein Safran-haltiges Parfum, das auf den weißen Togen der Senatoren rötliche Flecken hinterließ.
03 Zsp. Der gute Duft – Die Geschichte des Parfüms Justine Diemke
Damit haben sich die Senatoren zum Beispiel profilieren können, indem sie gezeigt haben: Hier wir haben quasi das Prestige, die Möglichkeit überhaupt hier zu sitzen, und das haben sie quasi an diesen Farben dann zum Ausdruck gegeben, also an der Färbung ihrer eigenen Toga.
Musik: Orpheus 0‘22
SPRECHERIN:
Auch Hetären, die Prostituierten der Antike, benutzten Parfum, auch wenn es manchmal nutzlos war. Die Verbindung von Frauen, Erotik und verführerischem Wohlgeruch war immer eng – genauso wie heute:
04 Zsp. Der gute Duft – Die Geschichte des Parfüms Justine Diemke
Also das sehen wir vor allem auf Vasen-Darstellungen, aber auch auf der Wandmalerei, dass die Frauen die verschiedenen süßen, lieblichen Düfte nutzen, um den Mann zu verführen. Das haben wir auch heute noch in der Werbung, also bei Chanel oder Dior zum Beispiel funktioniert das ähnlich, dass die Frau dann also sehr sexualisiert dargestellt wird, das sehen wir dann auch in antiken Darstellungen, um den Mann mit dem betörenden Duft zu entführen.
MUSIK: Ballade für Laute 1 0‘13
SPRECHER: (immer verführerisch gesprochen wie in Werbung)
Das Ungarische Wasser: Rosenwasser mit Rosmarin auf Alkoholbasis – lässt Frauen ewig jung aussehen …
SPRECHERIN:
Mit dem Christentum war es vorbei mit dem Verwenden von Parfums für so gottlose Zwecke wie Erotik. Der gute Duft hatte jetzt vorrangig zeremoniellen Zwecken zu dienen, wie etwa der Weihrauch in der Kirche. Nichtsdestotrotz studierten Mediziner wie Alchimisten das Wissen der Antike und entwickelten es weiter. Auch wenn die Alten Ägypter schon alkoholische Parfums hergestellt haben sollen, erst im Mittelalter fand die Kombination aus Alkohol, als Trägersubstanz, und ätherischen Ölen breite Anwendung. Alkohol verdampft viel schneller als Öl, verteilt also den Geruch schneller und feiner. Im 15. Jahrhundert erschien das erste europäische Handbuch der Destillation in Straßburg. Doch das Zentrum der Parfümkunst lag lange Zeit in Italien. Mit der Heirat Katharina von Medicis mit dem Bourbonen Heinrich II 1547 verlagerten sich die Machtverhältnisse aber allmählich nach Frankreich. Spätestens im 17. Jahrhundert ist der französische Hof tonangebend.
MUSIK: Entree pour quatre Medicins 0‘58
Hier wird parfümiert, was nur geht. Denn: Es stinkt überall. Im Louvre, in den Tuilerien wie in der Oper. Zeitgenossen nannten Paris ein „Amphitheater der Latrinen“ und auch in Versailles ist die Kloake gleich neben dem Palast. Die Füße Ludwig XIV sollen übrigens grauenerregend nach Schweiß gestunken haben. Wasser gilt als gefährlich und krankmachend, daher pudert man lieber, anstatt sich zu waschen, trägt kleine Stoffsäckchen mit aromatischen Substanzen oder Amulette mit Kampfer wie Schutzschilde gegen den Gestank mit sich herum und verwendet ausgiebig schwere Parfums, gern mit einer animalischen Note. Die Pestärzte trugen mit aromatischen Substanzen gefüllte Schnabelmasken, um sich den Pesthauch vom Hals zu halten.
MUSIK: The parting glass 0‘18
SPRECHER: (immer verführerisch gesprochen wie in Werbung)
Mischung zum „Bei sich Tragen“ an Hofe: 2g Moschus, 1g Zibet, 4 Tropfen Perubalsam …
SPRECHERIN:
Moschus ist das rötlich-braune intensiv riechende Sekret aus dem haarigen Beutel zwischen Nabel und Penis eines Moschustiers. Dem männlichen Moschus dient es dazu ein Weibchen anzulocken. Bis ins 20. Jahrhundert musste man die Tiere töten, um an den begehrten Inhalt ihre Drüse zu gelangen. Ähnlich unappetitlich ist die Herkunft von Amber, einem der kostbarsten Duftstoffe überhaupt. Amber entsteht aus den Verdauungsprodukten von Pottwalen, die diese erbrechen oder ihren Darm ins Meer entleeren. Dort treiben sie über Jahre und werden durch den Kontakt mit Licht, Luft und Salzwasser zu festen Klumpen, die dann sagenhaft riechen.
Musik: Sonate für Klavier f Moll K466 0‘30
Vor allem für seine pflanzlichen Düfte wurde Grasse berühmt, die Stadt im Hinterland von Cannes, an der französischen Riviera. Auf Erlass von Sonnenkönigs Ludwig XIV. legte man um die Stadt duftende Felder an, wahre Blütenmeere, und Grasse wurde zur Welthauptstadt des Parfums.
05 Zsp. Der gute Duft – Die Geschichte des Parfüms Johann Maria Farina
Das hat historische Gründe, weil dort sehr viele Gerbereien waren, die natürlich dann, um ihre Handschuhe oder Stiefel verkaufen zu können, diese schon relativ früh parfümieren mussten, damit die nicht so stanken. Und daraus kam dann auch der Bedarf an Duftstoffen. Und dann ging auch der Lederbereich immer weiter zurück, und es entwickelt sich eigentlich eine reine Duftstoff-Manufaktur in Grasse mit den Gebieten drumherum, die das belieferten.
SPRECHERIN:
Johann Maria Farina leitet in 8. Generation die älteste noch Inhaber- geführte Parfümfabrik der Welt. Sie steht seit 300 Jahren am Jülichs-Platz, gegenüber dem Kölner Rathaus und beherbergt heute auch ein Duftmuseum. Bereits sein Vorfahre, der Italiener Giovanni Maria Farina, bezog seine Rohstoffe aus Grasse. Anfang des 18. Jahrhunderts schuf er einen Duft, der die Parfumwelt revolutionieren sollte
MUSIK: See, See für Harfe 0‘17
SPRECHER: (immer verführerisch gesprochen wie in Werbung)
Das Kölnisch Wasser, französisch Eau de Cologne, mit Zitrusnote - ein Duft wie ein italienischer Frühlingsmorgen nach dem Regen …
06 Zsp. Der gute Duft – Die Geschichte des Parfüms Johann Maria Farina
Also bis er anfing in diesen Bereichen einzutreten, waren schwere Düfte vorherrschend, um Körpergerüche zu überdecken, aber auch schwere Düfte deswegen, also denken wir an Moschus, Zibet, Ambra, aber auch Rosmarin, die überdeckten natürlich den Alkohol, den man dann anfing zu benutzen, weil Alkohol oft danach roch, wo er herkam. Also sauberer Alkohol ist immer sehr schwierig und das war natürlich eine Sache, die auch Farina beherrschte, die Destillation, sodass dieser Geruch sehr Alkohol rein war und nicht nach den Beiprodukten wie Wein roch.
SPRECHERIN:
Ganz neu war auch die Zitrusnote des Kölnisch Wasser – es duftete nach Orangen, Zitronen, Pampelmusen und Bergamotte, eine Erinnerung an Farinas Heimat. Er war gerade mal 23 Jahre alt, als er den Duft erschuf, der die Stadt Köln weltberühmt machen sollte. Aufwendig und unter großem Aufsehen ließ er die exotischen Früchte von Italien nach Köln transportieren.
07 Zsp. Der gute Duft – Die Geschichte des Parfüms Johann Maria Farina
Die Bergamotte ist eine Zitrusfrucht, die Ende des siebzehnten Jahrhunderts auf einmal auftaucht in Kalabrien, also ganz im Süden Italiens am Ionischen Meer, und man vermutet, dass es ein Hybrid ist, also eine Kreuzung zwischen einer Bitterorange und einer Zitronatzitrone. Genau gesichert ist das nicht, aber seitdem trat die auf, und die riecht anders als eine Zitrone oder auch anders als eine Bitterorange, hat alleine 350 Inhaltsstoffe, also das ist ein Parfüm für sich und gedeiht auch nur optimal in diesen Regionen um Reggio.
Musik: Allegro für Harfe 0‘47
SPRECHERIN:
Giovanni Maria Farina hatte nicht nur einen hervorragenden Geruchssinn, sondern auch eine Nase fürs Geschäft. Mühelos beherrschte er mehrere Sprachen und reiste viel, auch nach Paris, die Stadt, die sich langsam zur Metropole der Parfumeure wandeln sollte. Nach und nach gehörte es an allen europäischen Königshäusern zum guten Ton, sich mit Kölnisch Wasser zu betupfen oder auch zu waschen. Maria Theresia, Königin von Ungarn und Böhmen, schwor auf Farinas Eau de Cologne genauso wie Friedrich der Große oder die russische Kaiserin Katharina die Große.
Transportiert wurde das wertvolle Wässerchen in schmalen braunen Glasröhren.
08 Zsp. Der gute Duft – Die Geschichte des Parfüms Johann Maria Farina
Glas war ja immer eigentlich das prädestinierteste Material zum Verpacken. Früher hat man natürlich alle Glasflaschen verkorkt, und dann muss man mit einem Korkenzieher die öffnen. Das war alles etwas mühseliger deswegen. Aber man hat ja auch im 18. Jahrhundert nicht das Gefäß benutzt, was man angeliefert bekam. Also die Glasflaschen waren ja auch oft nicht etikettiert, sondern hatten einen Zettel dran, was drin war. Man hat dann das umgefüllt, meinetwegen in Porzellan-Flakons oder in Glaskaraffen, die aber beim Transport ungeeignet wären, weil sie dann kaputtging, wenn sie gefüllt werden, weil die ja dann nicht dicht waren.
SPRECHERIN:
Farinas Eau de Cologne war auch deshalb so beliebt, weil es so leicht und erfrischend daherkam, nicht „den Körper verklebt, sondern den Geist beflügelt“, wie der französische Philosoph Voltaire sich ausdrückte. Und so wurde aus dem Markennamen „Eau de Cologne“ allmählich ein Gattungsbegriff, denn: Viele andere wollten an dem lukrativen Geschäft teilhaben und verkauften ihr Produkt einfach unter dem gleichen Namen. Farinas Kölnisch Wasser wurde unzählige Male kopiert, heute sind 1.200 Nachahmungen bekannt.
09 Zsp. Der gute Duft – Die Geschichte des Parfüms Johann Maria Farina
Im 18. Jahrhundert gab es ja noch nicht den Begriff Parfum oder eau de parfum. Man hatte gar nicht die Definition, wie das Produkt benannt wurde und Eau de Cologne war das gängigste Produkt und der Marktführer. Und dadurch orientierte sich alles an diesem Begriff nachher, sodass das ein Gattungsbegriff aufgrund seines Erfolges wurde.
MUSIK: Suite bergamasque für Klavier 0‘35
SPRECHERIN:
Die Französische Revolution machte erstmal Schluss mit dem verschwenderischen Umgang mit Parfum. Luxus war verboten und gut zu riechen konnte einen schlimmsten Falls den Kopf kosten. „Ein Sansculotte parfümiert sich nicht“, war schließlich die Devise. Farina verkaufte seinen Duft trotzdem nach Paris, allerdings getarnt als „eau medicinalis“, also als Gesundheitswässerchen.
kurz Musik hoch
Im Zuge der Aufklärung gewann Reinlichkeit im 19. Jahrhundert hohe Bedeutung, Körperhygiene wurde zum Kult – man wusch sich auch bereits längst wieder mit Wasser. Seife konnten sich jetzt auch die Ärmsten leisten. Dank der Schriften von Louis Pasteur verblasste die Vorstellung schlechte Gerüche würden Krankheiten hervorrufen. Damit verlor das Parfum seine medizinische Funktion und sollte jetzt vorrangig nur noch eines: Wohlgeruch verbreiten.
Das leichte und zurückhaltende Kölnisch Wasser galt dabei als moralisch wesentlich vertretbarer als die lasziven Moschus- und Amber-Düfte, nach denen der dekadente Adel auch roch.
Selbst Napoleon setzte eher auf Schlichtheit, denn auf großen Pomp. Er bevorzugte einfache Kleidung und einfache Kost, am Eau de Cologne allerdings bediente er sich reichlich. Es wird sogar behauptet, er hätte es getrunken
MUSIK: Claire de Lune 0‘57
SPRECHERIN:
Das 19. Jahrhundert wird in Frankreich zum goldenen Zeitalter der Parfümkultur. Bisher waren Italiener führend in der Kunst der Parfümherstellung, nun gibt es mehr und mehr französische Parfümeure, wie Pierre François Pascal Guerlain. In Paris stellt er individuelle Düfte für bestimmte Personen oder auch nur für einen einzigen speziellen Abend her, beliefert den Prince of Wales genauso wie den Zaren von Bulgarien. Für Kaiserin Eugénie kreiert er …
SPRECHER: (immer verführerisch gesprochen wie in Werbung)
Das Eau de Cologne Impériale – eine Komposition aus Orangenblüten, Zitrone, Bergamotte, Lavendel, Rosmarin ... und vielleicht doch auch einem Hauch von Moschus?
SPRECHERIN:
Wer sich damals mehr mit Parfum betupfte, Männer oder Frauen, ist schwer zu sagen. Erst Ende des 19. Jahrhundert erfolgt eine Trennung in Damen- und Herrendüfte, wobei v.a. letzteren die Zitrusnoten zugeschrieben werden. Auch fand in diesem Jahrhundert die vielleicht größte Revolution in der Parfum-Herstellung statt: die Erfindung synthetischer Duftstoffe. Riechstoffe werden jetzt nicht aus Pflanzen und Tieren gewonnen, sondern mit chemischen Verfahren aus anderen Stoffen hergestellt. Damit entstehen ganz neue Duftfamilien: Orientalische Düfte mit Vanille oder die so genannten Fougères, ein Akkord aus Lavendel, Eichenmoos und Cumarin, in Verbindung mit Geranium, Bergamotte und Vetiver.
11 Zsp. Der gute Duft – Die Geschichte des Parfüms Johann Maria Farina
Die Parfümindustrie ist eigentlich erst durch die synthetischen Duftstoffe groß geworden. Das begann schon Mitte des 19.Jahrhunderts mit ersten Jononen-Düften, das sind Duftrichtungen, die z.B. bei der Schwertlilie vorkommen, also bei verschiedenen Pflanzen, oder einfach Vanillin zum Beispiel und entwickelte sich dann ab dem Ersten Weltkrieg explosionsartig, dass der Markt riesig wurde, auch preiswert und natürlich für die großen Massen auch erschwinglich. Und die Parfumindustrie muss man ganz offen sagen: 99 Prozent sind keine natürlichen Inhaltsstoffe, denn sie können diese Mengen und auch diese niedrigen Preise nicht mit Naturstoffen hinkriegen.
SPRECHERIN:
Für ein Kilogramm Jasmin-Extrakt benötigt man acht Millionen handgepflückte Blüten, ein mühsames und extrem teures Unterfangen. Kein Wunder, dass das Parfum bis zur Erfindung der synthetischen Duftstoffe ein Luxus-Produkt der Privilegierten blieb. Das ändert sich nun. Ab 1870 gab es in Kaufhäusern die ersten Parfümtheken und in größeren Städten öffneten Geschäfte, die ausschließlich parfümierte Produkte anboten. Vor allem aber eröffneten die synthetischen Duftstoffe ganz neue Möglichkeiten.
MUSIK: Tulipe 0‘22
SRPECHER: (immer verführerisch gesprochen wie in Werbung)
Chanel N°5 – blumig-holziger Duft mit Aldehyden, Ylang-Ylang, Iris, Jasmin, Rose, Ambra, Sandelholz und Vanille. Für Frauen wie Marilyn Monroe …
13 Zsp. Der gute Duft – Die Geschichte des Parfüms Johann Maria Farina
Mit Chanel N°5 kam eine neue Duftinnovation auf den Markt. Das war das erste Mal, das man Aldehyde, also ein synthetisches Aldehyd, verwendete oder besser gesagt, zwei waren dann drin, die einen völlig neunen Duft-Eindruck brachten. Und dieser Duft ist natürlich kontinuierlich weitergeführt worden, und das war natürlich ein großer Erfolg. Aber dieser Erfolg ist auch auf große Qualität zurückzuführen, denn es sind ja nicht nur Aldehyde drin, synthetische, sondern auch sehr hochwertige, natürliche Duftstoffe.
SPRECHERIN:
Coco Chanel ist eine der ersten Modeschöpferinnen, die unter ihrem Namen ein Parfum auf den Markt bringen. Erschaffen hat es der Parfümeur Ernest Beaux. In einer Zeit, in der visuelle Präsenz immer wichtiger wurde, konnten Modehäuser ihre Produkte zum Teil besser vermarkten als die Parfümhäuser. Viele Modeschöpfer folgten Chanels Vorbild: Jean Patou, Christan Dior, Yves Saint-Laurent, Wolfgang Joop und viele andere. Ihre Namen und Modenschauen verhalfen ihren Parfums zu immensem Erfolg, auf die Kreativität, Schaffenskraft und feinen Nasen ihrer Parfümeure waren und sind sie aber weiterhin angewiesen.
Im 20. Jahrhundert kommen neue Innovationen auch aus den USA.
14 Zsp. Der gute Duft – Die Geschichte des Parfüms Johann Maria Farina
Insbesondere durch Estée Lauder und auch andere sehr erfolgreiche Frauen, die Parfums auf den Markt brachten, in der Mitte des zwanzigsten Jahrhunderts, die natürlich im Gegensatz zu den französischen Düften sehr langanhaltend waren. Man wollte also Düfte haben, die nicht nach drei, vier Stunden verflogen waren, sondern man wollte hier einen Duft, der auch am nächsten Tag noch da war. Das war eine neue Parfümerie-Einstellung, also eine andere Schule. Diese amerikanischen Düfte, die man kennt von Estée Lauder als Vorreiterin sind natürlich eine andere Philosophie, aber kommen bei den Massen sehr gut an.
SPRECHERIN:
Der Trend heute geht zu Parfums, die nach Lebensmitteln riechen, nach Pfirsich, Kaffee, grünem Tee oder Schokolade. Die überwiegende Zahl neuer Parfums beruht jedoch auf alt Bewährtem, man wiederholt, was auf dem Markt Erfolg verspricht. Doch es gibt auch Gegenbewegungen: Die so genannte Nischenparfümerie, eine Gruppe kleinerer Firmen, die z.T. eigene Parfümeure beschäftigt, die Mut, Lust und die Freiheit haben Neues zu wagen, exklusiv zu sein, einzigartig, hochwertig und unkonventionell.
MUSIK: Slow awakening 2 0‘29
Und wer weiß schon, wofür kommende Generationen einen Riecher haben werden oder worüber sie die Nase rümpfen? Sicher ist, dass die Empfänglichkeit und das Bedürfnis nach dem flüchtigen Hauch eines olfaktorischen Feuerwerks so lange bestehen wird, wie es Menschen gibt.