"Das Klima”, der Podcast zur Wissenschaft hinter der Krise. Wir lasen den [sechsten Bericht](https://www.ipcc.ch) des Weltklimarats und erklären den aktuellen Stand der Klimaforschung. In Folge 131 geht es um Klima-Storylines. Das sind aber nicht einfach nur Geschichten. Sondern plausible kausale Ketten von Ursache und Wirkung die Klimaphänomene beschreiben. Man braucht sie, um Klimawandel und Extremereignisse für Wissenschaft, Politik und Gesellschaft greifbarer zu machen. Wie das funktioniert und was kontrafaktische Klimaforschung damit zu tun hat, diskutieren wir anhand aktueller Forschung in dieser Folge. Wer den Podcast unterstützen will, kann das gerne tun: https://steadyhq.com/de/dasklima/ und https://www.paypal.me/florianfreistetter.
DK131 - Kontrafaktische Klimawissenschaft
Und: Wozu braucht man Storylines und Narrative in der Klimaforschung?
"Das Klima”, der Podcast zur Wissenschaft hinter der Krise. Wir lasen den sechsten Bericht des Weltklimarats und erklären den aktuellen Stand der Klimaforschung.
In Folge 131 geht es um Klima-Storylines. Das sind aber nicht einfach nur Geschichten. Sondern plausible kausale Ketten von Ursache und Wirkung die Klimaphänomene beschreiben. Man braucht sie, um Klimawandel und Extremereignisse für Wissenschaft, Politik und Gesellschaft greifbarer zu machen. Wie das funktioniert und was kontrafaktische Klimaforschung damit zu tun hat, diskutieren wir anhand aktueller Forschung in dieser Folge.
Wer den Podcast unterstĂĽtzen will, kann das gerne tun: https://steadyhq.com/de/dasklima/ und https://www.paypal.me/florianfreistetter.
Klima-Storylines und warum das nicht einfach nur Geschichten sind
Klima-Storylines (Physical Climate Storylines, PCS) sind eine besondere Methode in der Klimaforschung, die genutzt wird, um plausible Entwicklungspfade von Wetter- und Klimaereignissen nachzuvollziehen und ihre möglichen Auswirkungen verständlich darzustellen. Sie hilft Wissenschaftler*innen, plausible Entwicklungspfade von Wetter- und Klimaereignissen nachzuvollziehen und deren mögliche Auswirkungen verständlicher darzustellen. Dabei unterscheiden sich Storylines grundlegend von den klassischen Klimaszenarien, wie sie etwa im IPCC-Bericht verwendet werden. Während Szenarien auf Wahrscheinlichkeiten basieren und verschiedene mögliche Zukunftsentwicklungen modellieren, geht es bei Storylines nicht darum, vorherzusagen, wie wahrscheinlich ein bestimmtes Ereignis eintreten wird. Stattdessen stellen sie eine plausible Kette von Ursachen und Wirkungen dar, die hilft, klimatische Veränderungen und Extremereignisse besser zu verstehen. Wie das genau abläuft, hat man sich in der Arbeit “Varieties of approaches to constructing physical climate storylines: A review” angesehen, die wir in der Folge ausführlich besprechen.
Ein zentrales Ziel physikalischer Klima-Storylines ist es, Klimawandel für verschiedene Zielgruppen greifbar zu machen – von Entscheidungsträgerinnen in der Politik bis hin zur breiten Öffentlichkeit. Sie werden insbesondere in der Analyse von Extremereignissen genutzt, zum Beispiel um zu untersuchen, wie sich ein bereits eingetretener Hurrikan unter anderen klimatischen Bedingungen entwickelt hätte. Forscher:innen können etwa berechnen, welche Auswirkungen eine höhere Meerestemperatur oder eine veränderte Luftfeuchtigkeit auf die Stärke und Zugbahn eines solchen Sturms gehabt hätten. Dieses Prinzip hilft dabei, nicht nur Risiken besser einzuschätzen, sondern auch gezielt Maßnahmen zur Anpassung an den Klimawandel zu planen. So können beispielsweise Stadtverwaltungen oder Katastrophenschutzbehörden frühzeitig Vorkehrungen treffen, um sich besser auf zukünftige extreme Wetterereignisse vorzubereiten.
Damit eine physikalische Storyline wissenschaftlich fundiert ist, muss sie bestimmten Kriterien entsprechen. Erstens muss sie physikalisch konsistent sein, das heißt, sie darf keine widersprüchlichen oder unplausiblen Annahmen enthalten. Zweitens muss sie einen klaren Klima- oder Wetterbezug haben und sich auf messbare physikalische Prozesse stützen. Drittens spielt die zeitliche Entwicklung eine zentrale Rolle, da eine Storyline immer beschreibt, wie sich ein Ereignis über eine bestimmte Dauer hinweg verändert. In der Forschung werden solche Storylines oft mit sogenannten Counterfactuals verglichen, also kontrafaktischen Annahmen. Dabei wird analysiert, wie sich ein vergangenes Wetter- oder Klimaereignis verändert hätte, wenn bestimmte Parameter anders gewesen wären. Ein Beispiel wäre die Frage, wie sich ein historisches Hochwasser entwickelt hätte, wenn der Meeresspiegel bereits um 30 Zentimeter höher gewesen wäre.
Zentral dabei ist die Rolle von Narrativen in der Klimakommunikation. Wissenschaftliche Erkenntnisse lassen sich oft schwer vermitteln, insbesondere wenn sie auf komplexen Modellen und statistischen Wahrscheinlichkeiten basieren. Deshalb spielen verschiedene Erzählweisen – also Narrative – eine entscheidende Rolle dabei, wissenschaftliche Inhalte verständlich zu machen. Dabei gibt es unterschiedliche Ansätze: Ein wissenschaftliches Narrativ legt den Fokus auf Messdaten und Modellierungen, ein Impact-Narrativ hebt die direkten Folgen des Klimawandels für Menschen hervor, während ein Lösungs-Narrativ betont, wie durch politische Maßnahmen oder technologische Innovationen Veränderungen herbeigeführt werden können. Darüber hinaus gibt es auch Gerechtigkeits-Narrative, die aufzeigen, wie ungleich die Folgen des Klimawandels weltweit verteilt sind – zwischen den Hauptverursachern in reichen Industrieländern und den Regionen, die am stärksten unter den Auswirkungen leiden.
Storylines und Narrative spielen auch deshalb eine wichtige Rolle, weil sie für politische und gesellschaftliche Entscheidungsprozesse genutzt werden können. Forschende arbeiten zunehmend mit Stakeholdern aus Politik, Wirtschaft und Verwaltung zusammen, um gemeinsam zu bestimmen, welche Klimarisiken besonders relevant sind und welche Ereignisse genauer untersucht werden sollten. So kann eine Stadtverwaltung beispielsweise gezielt nach Storylines fragen, die sich mit der Hitzebelastung in einem bestimmten Stadtviertel befassen, um Anpassungsmaßnahmen wie die Begrünung von Gebäuden oder die Schaffung neuer Schattenflächen besser zu planen. Diese Zusammenarbeit zwischen Wissenschaft und Praxis wird als Co-Production bezeichnet und sorgt dafür, dass klimawissenschaftliche Erkenntnisse nicht nur akademischen Zwecken dienen, sondern auch konkrete Auswirkungen auf Politik und Gesellschaft haben.
Trotz ihrer vielen Vorteile sind physikalische Storylines nicht unumstritten. Ein zentraler Kritikpunkt ist die Frage, inwiefern die Annahmen, die Wissenschaftler*innen für ihre Modelle treffen, von persönlichen Überzeugungen oder gesellschaftlichen Werten beeinflusst werden. Wie jede wissenschaftliche Methode beruhen auch Storylines auf bestimmten Annahmen – sei es bei der Auswahl relevanter Extremereignisse, der Interpretation von Modellen oder der Definition von plausiblen Klimaszenarien. In der Wissenschaft ist es daher essenziell, diese Annahmen transparent zu machen und mögliche Verzerrungen offen zu diskutieren. Ein häufig genanntes Beispiel ist die Frage, ob Forschende tendenziell lieber ein falsches negatives Ergebnis vermeiden – also ein Extremereignis eher einmal zu viel vorhersagen, als eines zu übersehen. Solche Überlegungen spielen eine Rolle in der Modellierung, beeinflussen aber auch, wie Klimaforschung in der Öffentlichkeit wahrgenommen wird. Storylines helfen nicht nur dabei, vergangene und zukünftige Extremereignisse besser zu verstehen, sondern spielen auch eine entscheidende Rolle in der Kommunikation wissenschaftlicher Erkenntnisse. Sie bieten eine Brücke zwischen abstrakten Klimamodellen und den realen Entscheidungen, die für den Schutz von Menschen und Infrastrukturen getroffen werden müssen. Die Herausforderung besteht darin, diese Methode weiterzuentwickeln, transparent zu bleiben und sie so einzusetzen, dass sowohl die Wissenschaft als auch Politik und Gesellschaft gleichermaßen von ihr profitieren.
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