radioWissen - Bayern 2   /     Fische in Bayern - Wie geht es ihnen?

Description

Nährstoffmangel, giftige Algen und die Klimaerwärmung machen den Fischen in Bayern zu schaffen. Auch Kormorane oder Gänsesäger setzen den Beständen zu. Vom Fischfang allein kann an den Seen niemand mehr leben. Von Claudia Steiner

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Duration
00:23:11
Publishing date
2025-02-27 09:20
Link
https://www.br.de/mediathek/podcast/radiowissen/fische-in-bayern-wie-geht-es-ihnen/2103763
Contributors
  Claudia Steiner
author  
Enclosures
https://media.neuland.br.de/file/2103763/c/feed/fische-in-bayern-wie-geht-es-ihnen.mp3
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Shownotes

Nährstoffmangel, giftige Algen und die Klimaerwärmung machen den Fischen in Bayern zu schaffen. Auch Kormorane oder Gänsesäger setzen den Beständen zu. Vom Fischfang allein kann an den Seen niemand mehr leben. Von Claudia Steiner

Credits
Autorin dieser Folge: Claudia Steiner
Regie: Sabine Kienhöfer
Es sprach: Rahel Comtesse
Technik: Josef Angerloher
Redaktion: Iska Schreglmann

Im Interview:
Prof. Dr. Jürgen Geist, Lehrstuhl für Aquatische Systembiologie an der TUM in Freising
Susanne Huber, Fischwirtschaftsmeisterin in St. Heinrich am Starnberger See
Dr. Michael Schubert, Institut für Fischerei in Starnberg

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Und noch eine besondere Empfehlung der Redaktion:

Linktipps:

Institut für Fischerei      HIER

Lehrstuhl für Aquatische Systembiologie, TUM                  HIER

Bayerisches Landesamt für Umwelt, Kormoranmanagement                 HIER

Bayerisches Landesamt für Umwelt, Fische                          HIER

Verbraucherportal Bayern, Heimischer Fisch           HIER

ARD Mediathek: Fischmangel - Wie retten wir unsere Flüsse                 HIER

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Das vollständige Manuskript gibt es HIER.

Lesen Sie einen Ausschnitt aus dem Manuskript:

SPRECHERIN

Susanne Huber ist Fischwirtschaftsmeisterin am Starnberger See. Eben hat sie noch einmal zwei Sätze ausgebracht – so nennt man die aneinander geknoteten Netze. Nun heißt es warten. Die Fischerin aus St. Heinrich hofft, dass am nächsten Morgen einige Karpfen in ihren Netzen zappeln. 

O-TON 1 

Ich habe jetzt heute einen relativ guten Tag gehabt. Schön. Also man spricht sich ja mit den Kollegen ab. Man weiß dann schon immer: 25 Stück können super sein, wenn man Kollegen hat, die einfach mit null heimfahren. 25 Stück können super mies sein, wenn der Kollege neben einem 60 hat. Da muss man halt schauen: Was hat der anders gemacht? Oder man hat einfach Pech. Man hat auch Wochen, in denen man einfach immer daneben liegt, einfach ein Stück daneben. Es ist brutal frustrierend.  

SPRECHERIN

2024 war am Starnberger See ein nicht allzu erfolgreiches Jahr für die gut 30 Berufsfischer. Manchmal blieben die Netze leer. 

ATMO (Wasserplätschern) 

SPRECHERIN

Warum es für Fischer starke und manchmal schwache Jahre gibt, ist oft unklar – auch für Profis wie Susanne Huber. Denn die Fortpflanzung, das Wachstum und die Entwicklung von Fischen hängen von vielen Faktoren ab: Der Wassertemperatur, dem Algenwachstum, dem Fraßdruck und auch den Nährstoffen. 

ATMO (See) 

SPRECHERIN

Beispiel Renken. Der beliebte Speisefisch gehört zur Familie der lachsartigen Fische. Regional werden sie auch Felchen oder Maränen genannt. Im Bodensee, aber auch in anderen Seen, variierte ihre Größe über die Jahrzehnte erheblich. Professor Jürgen Geist vom Lehrstuhl für Aquatische Systembiologie an der Technischen Universität München in Freising. 

O-Ton 3 

Es ist dann im Laufe der Zeit so, bis zu den 70er-Jahren 80er-Jahren sind immer mehr Nährstoffe, vor allem Phosphat, eingetragen worden in das Gewässer. Die Phosphatkonzentration ist fast um den Faktor zehn dort angestiegen und das hat die Produktivität natürlich erhöht. Das heißt, die Renken sind dort deutlich schneller gewachsen, was natürlich aus Sicht zum Beispiel der Berufsfischerei sehr erwünscht war, was aber andere Probleme in Bezug auf die Wasserqualität nach sich gezogen hat.

SPRECHERIN

Die Renken wurden damals zwar schnell groß, doch die Startbedingungen für die Fische wurden immer schwieriger. Renken legen ihre Eier nämlich im Freiwasser ab. Die Eier sinken auf den Gewässergrund und sind darauf angewiesen, dass dort genügend Sauerstoff vorhanden ist. Jürgen Geist:  

O-TON 4 

In diesen Zeiten des Nährstoffreichtums hat es häufig in Gewässern wie in den Bodensee natürlicherweise gar nicht mehr geklappt. Man hat also Brutanstalten gebaut. Hat diese Renken dann dort künstlich vermehrt, hat also die Laichfische gefangen, die Geschlechtsprodukte gewonnen, hat diese Fische aufgezogen und dann wieder ausgesetzt.

Musik:  Delicate information 0‘31

SPRECHERIN

Inzwischen ist die Wasserqualität in vielen bayerischen Seen sehr gut, der Phosphorgehalt viel geringer als früher, als Waschmittel bei uns noch phosphathaltig waren. Gut für die Wasserqualität, nicht so gut für das Nahrungsangebot für Fische. Vor allem weil ein Element, nämlich Stickstoff über die Atmosphäre, das Grundwasser und die Landwirtschaft weiter in die Gewässer gelangt, erklärt Michael Schubert vom Institut für Fischerei in Starnberg. 

O-TON 5 

Das Verhältnis von Phosphor zu Stickstoff passt eben nicht mehr so. Denn Stickstoff ist übernatürlich viel noch im Gewässer, und somit wächst eben nicht mehr diese Nahrung heran, was die Renken gerade brauchen: Plankton. Deswegen beobachtet man auch seit vielen Jahren eben, dass die Renken, um die geht es in Bayern hauptsächlich, dass die deutlich schlechter wachsen. 

SPRECHERIN

Das beobachtet auch Susanne Huber, deren Familienbetrieb „Beim Fischer“ seit 1811 besteht. 

O-TON 6 

Es gibt Jahre, da haben sie fast kein Futter. Man weiß aber nicht, wo die Ursachen liegen. Ist es jetzt nur die Strömung, nur der Nährstoffgehalt, das Wetter oder die Kombi? (…)Wir hatten es heuer im frühen Frühjahr so, dass wir bisschen Fische gefangen haben, weil es ein bisschen Futter geben hat. Dann kam der nächste Wind. Dann war das Plankton wieder weg. Plankton schwebt ja. Wind. Strömung. Aus. Vorbei. Eine Woche warten. Also, es ist unheimlich filigranes, empfindliches Gleichgewicht.

ATMO (Fluss-Atmo, Schallarchiv) 

SPRECHERIN

Und dieses Gleichgewicht wird immer öfter gestört, nicht nur in Seen, sondern auch in Flüssen, sagt der Wissenschaftler Jürgen Geist. 

O-TON 7 

Der Zustand der Fische in Bayern (…) ist schon besorgniserregend, kann man sagen. Wir sehen, dass viele Arten, die früher wirklich Allerwelts-Arten waren, die sehr häufig waren, sehr stark zurückgegangen sind. Auf der anderen Seite gibt es aber auch Arten, die häufiger geworden sind. Und wenn man das mal vergleicht oder analysiert, was sind denn die Eigenschaften, die dazu führen, dass Arten stark zurückgehen oder was sind Eigenschaften, die dazu führen, dass Arten stark zunehmen, dann kann man sehr schnell erkennen, wo die Knackpunkte liegen.  

Musik:  Take off 0‘50

SPRECHERIN

Ein Blick auf die Fließgewässer, also Flüsse wie die Donau, den Inn oder die Isar. Aufgrund des Klimawandels kommt es vermehrt zu Starkregenereignissen. Dadurch werden mehr Sedimente in die Flüsse gespült, die sich auf das kiesige Substrat am Grund legen. Die Folge: Es gibt immer weniger Zwischenräume im Kies für die Eier von Huchen, die ausgewachsen mehr als einen Meter lang werden können, oder Äschen, die nur etwa halb so lang werden. Wenn sich die Lebensbedingungen so stark verändern, klappt es oft nicht mehr mit dem Fisch-Nachwuchs. 

ATMO (Wasserrauschen Schallarchiv) 

SPRECHERIN

Hinzu kommt: Diese hochspezialisierten Arten sind an starke Strömungen angepasst. Sie mögen frisches, kühles Wasser. Doch inzwischen werden viele Flüsse gestaut, im Oberwasser nimmt dadurch die Strömung ab. Die Bauten in den oft begradigten und ausgebauten Fließgewässern sind für junge Fische, aber besonders auch für wandernde Arten ein Problem. Sie können nämlich die künstlich geschaffenen Barrieren nicht überwinden. Bis Mitte des 19. Jahrhunderts – als man in Bayern noch Flusslandschaften mit weit verzweigten Armen, Schotterbänken und Kiesflächen fand - gab es örtlich sogar noch Lachse und Störe. Michael Schubert. 

O-TON 8 

Verschwunden sind so die Langdistanz-Wanderfischarten. Also Lachse gibt es natürlich in Bayern nicht mehr im fränkischen Gebiet. Auch die Störe sind weg, weil die mit dem ersten Wehr, mit dem ersten Kraftwerk, das gebaut wurde, eigentlich den Zuzug nach Bayern nicht mehr geschafft haben.  

SPRECHERIN

Inzwischen findet man mehr als 4.200 Wasserkraftanlagen im Freistaat. 

In der Donau zum Beispiel gibt es im Schnitt alle vier Kilometer einen Staubereich, sagt Jürgen Geist. 

O-TON 9 

Wenn jetzt ein Querbauwerk, also ein Damm in ein Fließgewässer gebaut wird, dann verändern sich natürlich diese Bedingungen. Die Strömungsgeschwindigkeit sinkt oberhalb des Damms ab,  (…) das Geschiebe und Sediment wird nicht mehr transportiert, sondern lagert sich ab. Es kommt zur Verschlammung, und es kann natürlich auch dazu kommen, dass sich solche Gewässerbereiche stärker erwärmen als das in einem fließenden System der Fall wäre. Die Lebensgemeinschaften stellen sich darauf ein, und wir sehen dann eben, dass die Arten, die eigentlich auf diese strömenden Fließgewässer spezialisiert wären, dass die verschwinden oder zumindest weniger werden in diesen Systemen. Und auf der anderen Seite Arten, die man eigentlich gar nicht in diesen Fließgewässer-Regionen finden würde, hochrückige Arten wie der Karpfen, (…) dass die dann plötzlich eben in solchen Staubereichen auch vorhanden sind.

SPRECHERIN

Nicht nur Karpfen, auch Waller profitieren von den veränderten Lebensbedingungen. Waller, die am Maul markante Barteln haben, fressen andere Fische, Schnecken, Krebse oder auch Insekten und können Rekordlängen über zwei Meter erreichen. 

ATMO (Wasserkraft, Schallarchiv)  

Musik:  Secret proofs 0‘42

SPRECHERIN

Wasserkraft gilt als umweltfreundliche Energiegewinnung. Für die meisten Fische aber ist die Passage lebensgefährlich. So können Druckveränderungen die Schwimmblase platzen lassen. Das Organ dient Fischen unter anderem zur Stabilisierung im Wasser. Kommt es zu direktem Kontakt mit den Turbinenschaufeln werden die Tiere verletzt oder gar getötet. Dokumentiert sind leichtere Verletzungen wie Schuppenverlust, aber auch Einblutungen an den Augen, Quetschungen, Wirbelbrüche und das Abtrennen von Körperteilen. Viele Wasserkraftwerke wurden nachgerüstet. Neue Anlagen sollen die Fische noch besser schützen. Doch die Passage bleibt gefährlich, sagt Jürgen Geist, der unterschiedliche Anlagen untersucht hat. 

O-Ton 10 

Wir haben gesehen, dass auch bei einigen der innovativen Wasserkraftanlagen deutliche Sterblichkeiten auftreten. Ja, die bewegen sich im optimalsten Fall im einstelligen Prozentbereich direkter Sterblichkeit der Fische bei der Passage von solchen Anlagen, können aber auch deutlich über 40, bei manchen Arten und Größenklassen sogar bis 50, 60, 70 Prozent liegen.

SPRECHERIN

Besonders groß ist die Gefahr für den Aal mit seinem schlangenhaften Körper. Aale schlüpfen in der Sargassosee östlich von Florida. Die jungen Fischlarven treiben mit den nordatlantischen Strömungen bis vor europäische Küsten, leben im Süßwasser und wandern Jahre später zur Fortpflanzung gut 8.000 Kilometer zurück in die Sargassosee.

Um Verletzungen zu vermeiden, werden vor den Wasserkraftwerken oft sogenannte Feinrechen angebracht, also eng beieinander stehende Stäbe. Sie sollen größere Fische abhalten. Doch Wissenschaftler haben beobachtet, dass es viele Arten trotzdem schaffen, sich durch die Stäbe zu quetschen. Für kleinere Fische stellen die Rechen sowieso keinen Schutz dar, betont Jürgen Geist. 

O-TON 12 

Wenn man sich mal die Größenverteilung von Fischen in einem Gewässer anschaut, dann ist es einfach aufgrund der Gesetzmäßigkeiten, der Nahrungspyramide (…) so, dass die überwiegende Mehrzahl der Individuen relativ klein ist und nur sehr wenige sehr groß sind. Diese großen Individuen, die können geschützt werden, durch solche Rechen. Aber der überwiegende Anteil dieser kleineren Fische ist in der Lage, diese Anlagen zu passieren. 

SPRECHERIN

Eine andere Möglichkeit, um Verletzungen zu vermeiden, ist das Abschalten der Turbinen zur Hauptwanderzeit. Teilweise werden den Fischen auch sichere Bypässe angeboten, also Umgehungswege, die um Kraftwerke führen. Zudem wird mithilfe von Artenhilfsprogrammen immer wieder versucht, bedrohte Fischarten zu züchten und wieder anzusiedeln – doch das gelingt nur, wenn das Habitat passt.  

ATMO (Wind, Wasser, See) 

Musik: climate change A  0‘22

SPRECHERIN

Auch der Klimawandel setzt den heimischen Fischen zu. Flüsse führen im Sommer oft nur wenig Wasser, das Wasser erwärmt sich schneller, der natürliche Lebensraum wird kleiner. Auch die Wassertemperaturen in Seen nehmen zu. Vor allem kleinere, nicht so tiefe Gewässer überhitzen. Michael Schubert. 

O-TON 13 

Das große Problem ist, dass die Fische wechselwarm sind. Also sie können nicht wie wir ihre Temperatur regulieren. Sie sind also auf die Umgebungstemperatur angewiesen. Dementsprechend wenn es zu warm wird, müssten sie auch dem ausweichen. 

SPRECHERIN 

In tieferen Seen haben kälteliebende Fische wie Renken die Möglichkeit, nach unten, in kühlere Bereiche abzuwandern. Doch dann tummelt sich eine große Zahl von Fischen in bestimmten Wasserschichten und konkurriert dort um Nahrung und Sauerstoff. In kleineren, flachen Seen ist ein Ausweichen dagegen nur schwer möglich. Hitze bedeutet Stress für die Tiere. Auch nimmt in heißen Sommern oft der Sauerstoffgehalt des Wassers dramatisch ab. In kleinen Seen rücken dann Feuerwehren an, die mit Pumpen Wasser entnehmen und über Werfer wieder in das Gewässer zurückleiten. Manchmal sind – wie am Weßlinger See im Landkreis Starnberg – auch feste Anlagen installiert. Durch das Aufwirbeln soll das Wasser mit Sauerstoff angereichert und die Umwälzung verbessert werden

MUSIK:  Prayer wheel (red) 0‘52  

SPRECHERIN

Höhere Temperaturen verändern aber auch in tieferen Seen das filigrane Gleichgewicht. Der Starnberger See ist bis zu 128 Meter tief, der Bodensee bis zu 251 Meter. Vier Grad kaltes Wasser ist am schwersten und befindet sich am Grund. Je wärmer das Wasser, desto geringer die Dichte, desto stabiler die Schichtung. Im See bilden sich deshalb unterschiedliche Wasserschichten aus. Im Hochsommer kann sich das oberflächennahe Wasser im Starnberger See auf bis zu 26 Grad erwärmen. Normalerweise werden die unterschiedlichen Schichten im Herbst und Frühjahr – unterstützt durch Stürme - durchmischt. Frischer Sauerstoff gelangt in die Tiefe. Doch die Sommer sind länger und heißer als früher, die Winter milder. Michael Schubert: 

O-TON 14 

In so tiefen Seen wie dem Starnberger See oder Bodensee durchmischt sich das Wasser nicht mehr so häufig und so gut, wenn das Wasser eben durch diesen Klimawandel zu lange warm ist und sich zu stark einschichtet. 

ATMO (Badende) 

SPRECHERIN

Eine weitere Gefahr: Langanhaltend hohe Temperaturen, viel Sonnenschein und wenig Wind fördern das Algenwachstum. Kommen dann noch Nährstoffe aus landwirtschaftlicher Düngung in die Gewässer, kann das zu einer Massenentwicklung der sogenannten Blaualgen führen. Tatsächlich handelt es sich dabei nicht um Algen, sondern um Cyanobakterien. Diese Bakterien bilden im Wasser grüne Schlieren und produzieren Gifte. Bei hoher Konzentration können die Toxine bei Badenden unter anderem Hautreizungen verursachen. Fische verenden.

ATMO (Wind, Wellen – Schallarchiv) 

Musik:  Surgery 0‘37

SPRECHERIN 

An einigen bayerischen Seen wird angesichts des Klimawandels inzwischen über Seethermie nachgedacht. Das Prinzip: Warmes Wasser wird entnommen, die Wärme zum Heizen genutzt und das kalte Wasser wieder zurückgeleitet. In Prien am Chiemsee soll so zum Beispiel ein Thermalbad geheizt werden. Laut Planern kann man auf diese Weise knapp 100 Tonnen CO2 im Jahr einsparen. Auch am Ammersee, Starnberger See und Tegernsee gibt es entsprechende Überlegungen. Jürgen Geist:  

O-TON 15 

Vom Prinzip her hört sich das ja zunächst mal logisch an und auch nach einer guten Idee an. Dass man sagt, wenn die Gewässer ohnehin wärmer werden, warum sollte man das nicht nutzen und zeitgleich sozusagen eine Maßnahme haben, wie man hier auch wieder eine Abkühlung schaffen kann in dem Gewässer. In der Realität ist es aber natürlich deutlich komplexer, weil man das noch einmal in der Wirkung während verschiedener Jahreszeiten beleuchten muss. Weil man das im Fall der Seen auch beleuchten muss vor dem Hintergrund, wie verändert das diese grundlegenden Prozesse in den Seen. Und da haben wir aus der Praxis heraus schon häufig Erfahrungen gemacht in unseren fischbiologischen, gewässerökologischen Projekten, dass eben die Theorie und die Praxis sich dann doch manchmal unterscheiden.

ATMO (Segelflattern, paddeln, Badegäste) 

SPRECHERIN

Seen wie der Starnberger See, der Ammersee oder der Chiemsee sind bei Freizeitsportlern beliebt. An sonnigen Tagen tummeln sich Hunderte Badende, Stand Up-Paddler, Wind- und Kite-Surfer, Ruder-, Tret- und Segelboote auf den Voralpenseen. Der Freizeittourismus kann zum Problem für die Fischbrut werden, sagt Michael Schubert vom Institut für Fischerei. 

O-TON 16 

Die halten sich halt über einen artspezifischen Zeitraum in ganz, ganz seichten Regionen auf, das sind wenige Zentimeter teilweise. Weil sie’s recht warm lieben. Und wenn man da rumtrampelt, möchte ich schon sagen, ist es halt schon ein Problem, weil die Fische entweder wirklich zertrampelt werden oder auch einfach dauernd aufgescheucht.

Musik:  Obscure intrigue 0‘54

SPRECHERIN

Auch besteht die Gefahr, dass durch die Schifffahrt in Flüssen und durch Wassersportler an Seen invasive Arten eingeschleppt werden. Am Bodensee zum Beispiel bereitet Biologen die Quagga-Muschel Sorgen. Sie wurde möglicherweise über Boote eingetragen, vielleicht auch durch Vögel. Ursprünglich ist die Muschel mit der gestreiften Schale im Aralsee und dem Schwarzmeerraum beheimatet. Am Bodensee breitet sich die invasive Art inzwischen stark aus und stellt zunehmend eine Gefahr für andere Lebewesen dar. Die Muschel filtert Plankton aus dem Wasser – so dass Fische oft nicht mehr genügend Nahrung finden. Berufsfischer beklagen zudem, dass sich die Quagga-Muschel in Reusen, Leinen und Netzen festsetzt. Am Starnberger See wurde die Muschel nicht nachgewiesen – noch nicht. Michael Schubert. 

O-TON 17 

Wahrscheinlich muss man so realistisch sein. Irgendwann wird diese Art überall vorhanden sein. Sie können sich vorstellen, mit diesen Stand-up-Paddlern und wer alles Kreuz und quer unterwegs ist und sein Sportgerät vom Wasser zu Wasser transportiert. Das kann man fast wahrscheinlich nicht mehr aufhalten. 

SPRECHERIN 

Auch Fischerin Susanne Huber ist alarmiert: 

O-TON 18 

Wir haben im übertragenen Sinne die Quagga-Muschel vor der Tür stehen. Und wenn wir die im See haben, (…) am Bodensee und auch in den Schweizer Seen wächst die halt unheimlich, dann haben wir noch mal einen Futterkonkurrenten für die Renken und nochmal ein Tier, das sich ohne Feind vermehren kann.

SPRECHERIN

Die Quagga-Muschel wird zwar von Sandfelchen, Schleien und auch von Rotaugen gefressen – doch nicht in ausreichender Menge. Studien gehen davon aus, dass sich die Muschel im Bodensee weiter ausbreiten wird. Es werden Verhältnisse wie im US-amerikanischen Lake Michigan befürchtet. Dort stellt die Muschel inzwischen 90 Prozent der Biomasse. 

ATMO (Angelrute auswerfen – Schallarchiv) 

Musik:  Undercover investigations red 0‘24

SPRECHERIN

Probleme bereiten auch überschüssige Köderfische oder auch freigelassene Tiere aus Aquarien. Auch sie können eine Gefahr für die heimische Fauna darstellen. So verdrängen Sonnenbarsche, die ursprünglich aus Nordamerika stammen und als Zierfische populär sind, Flussbarsche. Fischerin Susanne Huber: 

O-TON 19 

Man hat ab und zu mal irgendwelche, wirklich komischen Fische, die nicht hergehören. Und wenn man jetzt vermeintlich irgendein Fischlein aus einem Teich, aus einem Gartenteich, aus einem Aquarium in den See setzt, um das arme Fischlein am Leben zu halten, dann richtet man vielleicht eine ganze Population im See zugrunde. 

ATMO (Kormorane – Schallarchiv) 

SPRECHERIN

Eine weitere Gefahr für heimische Fische - Fraßdruck zum Beispiel durch Kormorane. Der Fisch fressende Beutegreifer war in den 1920er Jahren in Mitteleuropa fast ausgerottet. 1979 wurde der dunkel bis schwarz gefärbte Vogel mit dem langen Hals unter Schutz gestellt. Laut Bayerischem Landesamt für Umwelt wuchs die Zahl der brütenden Paare in Bayern seit den 1980er Jahren an. In den letzten Jahren wurden - mit Schwankungen – um die 600 Brutpaare gezählt. Fischwirtschaftsmeisterin Susanne Huber:  

O-TON 20 

Ich glaube, dass die ganzjährigen Kormorane bei uns am See nicht so schlimm sind oder nicht so gravierend wie zum Beispiel am Ammersee. Die haben halt auch Brutkolonien. Aktuell haben wir einen Schwarm Kormorane da. Ich glaube, das waren so 200 Stück. Und wenn ich mir dann überleg, wieviel die fangen. 

Musik:  Rivalry fight 0‘32

SPRECHERIN

Denn die Zugvögel sind geschickte Jäger, die sich gemeinschaftlich auf Beutefang machen. Während ein Teil der Vögel durch Flügelschlagen einen Fischschwarm zusammentreibt, fischt der andere Teil. Nach einiger Zeit wechseln sich die Gruppen ab. Um fischereiwirtschaftliche Schäden abzuwenden, dürfen Kormorane zu bestimmten Zeiten außerhalb von Naturschutzgebieten, Nationalparks und Vogelschutzgebieten in der Nähe von Gewässern abgeschossen werden. 

ATMO (Wasser, Wind) 

SPRECHERIN

Noch gibt es im Starnberger See knapp 30 Fischarten. Im Schilfbereich am Ufer findet man zum Beispiel Raubfische wie Hechte, die dort auch ihre Kinderstuben haben. Außerdem tummeln sich Renken, Saiblinge, Seeforellen, Brachse und Karpfen im Wasser. Und nur weil Fischer manchmal leer ausgehen, heißt es nicht, dass es keine Fische gibt. Die Experten vom Institut für Fischerei fahren regelmäßig mit dem Echolot über die bayerischen Voralpenseen. Michael Schubert. 

O-TON 21 

Die meisten Fische haben wir im Chiemsee, im Tegernsee, im Kochelsee, während der Ammersee zum Beispiel sehr, sehr Fisch-arm ist und der Starnberger See, solche Seen landen vielleicht im Ranking dazwischen. / 

Insgesamt fangen die Fischer sehr nachhaltig. Das möchte ich betonen, auch wenn es vielleicht einmal an dem ein oder anderen See weniger Fisch gibt. Das ist über die Fanggeräte so geregelt, über den Einsatz, dass da kein Raubbau betrieben wird.

SPRECHERIN

Der Verzehr von heimischen Fischen ist gesund und angesichts geringer Transportwege auch gut für die Umwelt. Susanne Huber würde sich wünschen, dass die Kunden offener werden, nicht nur Renken nachfragen. Sie betreibt die Fischerei nur im Nebenerwerb, ihre Familie vermietet noch Zimmer und Ferienwohnungen. Doch obwohl das alte Handwerk nicht sehr viel abwirft, möchte Susanne Huber die Tradition fortführen. Fischen darf am Starnberger See, wer Mitglied in der „Fischereigenossenschaft Würmsee“ ist und die Qualifikation des Fischwirtschaftsmeisters hat. Hier kann die Erlaubnis zum Fischen nur weitervererbt werden. In Susanne Hubers Betrieb wird es weitergehen – ihre Tochter fährt bereits mit auf den See. 

Musik:  Green planet red 0‘42

O-TON 22 

Es ist viel Aufwand. Aber es ist eben auch ein Privileg, (…) dass man es machen darf, dass man in der Lage ist, hier die Fischerei auszuüben. (…), dass man in der Situation ist, das alles zu haben. (…) Es ist schon auch ein gewisser Reichtum, einen Beruf zu haben, wo man so ausgeliefert ist, wo man sich einfach schon oft fügen muss, wo man nicht alles ausrechnen kann. (…) Licht, Wolken, Wasser, Tiere, das ist auch eine Art Reichtum