Reagiert Wasserstoff mit Sauerstoff, setzt das jede Menge Energie frei. Weil dabei als "Abfall" nur Wasser entsteht, gilt Wasserstoff als wichtiger Baustein fĂĽr die Energiewende. Welche Chancen bietet Wasserstoff? Von David Globig
Reagiert Wasserstoff mit Sauerstoff, setzt das jede Menge Energie frei. Weil dabei als "Abfall" nur Wasser entsteht, gilt Wasserstoff als wichtiger Baustein fĂĽr die Energiewende. Welche Chancen bietet Wasserstoff? Von David Globig
Credits
Autor dieser Folge: David Globig
Regie: Frank Halbach
Es sprachen: Rahel Comtesse, Clemens Nicol
Technik: Moritz
Redaktion: Nicole Ruchlak
Im Interview:
Dr. Susanne Rehn-Taube, Kuratorin fĂĽr Chemie am Deutschen Museum
Johannes Gehret, Chemielaborant
Dr. Felix Matthes, Forschungskoordinator fĂĽr Energie- und Klimapolitik am Ă–ko-Institut, Mitglied im Nationalen Wasserstoffrat
Prof. Michael Sterner, "Energiespeicher, Energiewirtschaft, Wasserstoff, Erneuerbare Energien", Ostbayerische Technische Hochschule Regensburg
Und noch eine besondere Empfehlung der Redaktion:
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Das vollständige Manuskript gibt es HIER.
Lesen Sie einen Ausschnitt aus dem Manuskript:
SPRECHERIN:
Er ist das häufigste Element im gesamten Universum: Wasserstoff. Ohne ihn hätte sich das "Sternenfeuer" nie entzündet, gäbe es auch unsere Sonne nicht. Die sogenannten "Gasplaneten" wie Jupiter und Saturn bestehen ebenfalls überwiegend aus Wasserstoff.
Bei der Erde sieht das allerdings anders aus: Hier liegt der Anteil weit unter dem Durchschnitt des restlichen Weltalls. Und das meiste von diesem Wasserstoff steckt – was beim Namen "blauer Planet" nicht weiter verwundert – im Wasser: als das "H" in der Verbindung H2O.
MUSIK hoch, dann darĂĽber: (2")
SPRECHERIN
Der Hoffnungsträger Wasserstoff, die saubere Alternative zu fossilen Brennstoffen, von der viele träumen: Ausgerechnet bei uns auf der Erde ist er nicht so einfach in großen Mengen verfügbar. Der britische Naturwissenschaftler Henry Cavendish hatte deshalb fast schon ein bisschen Glück, als er 1766 das Element Wasserstoff entdeckte. Die "brennbare Luft", wie er das Gas damals nannte, bildete sich bei einem seiner Experimente, erklärt die Chemikerin Dr. Susanne Rehn-Taube. Sie ist Kuratorin für Chemie am Deutschen Museum.
MUSIK ENDE
O-TON Rehn-Taube 2: (11")
"Der Versuch ist eigentlich sehr einfach: Sie nehmen ein Metall, Zinn oder Zink z.B., und tropfen Säure drauf. Und dann entsteht ein Gas. Das sieht man sehr schön, da entstehen so Gasblasen."
SPRECHERIN:
Cavendish nahm zunächst an, dass es aus dem Metall stammt. Erst später verstand die Wissenschaft, dass das Gas bei diesem Versuch aus dem Wasser kommt – dem Wasser, das in der Säure steckt.
ATMO Besucherlabor, darĂĽber: (2")
Wasserstoff produzieren wie Cavendish: Das versuchen auch die Schülerinnen und Schüler einer siebten Klasse aus Vilsbiburg im Besucherlabor des Deutschen Museums in Nürnberg. Unter der Anleitung von Chemielaborant Johannes Gehret füllen sie Magnesium-Körnchen in ein Reagenzglas und geben Essigsäure drauf. Es beginnt zu sprudeln. Durch ein abgewinkeltes Glasröhrchen strömt das Gas in weiteres Reagenzglas, das Kopfüber in einem Wasserbehälter steht.
O-TON Gehret 3: (23")
"Okay, hat jetzt jeder ein Reagenzglas, wo er glaubt, dass Wasserstoff drin ist? Super. Dann nehmt Ihr jetzt bitte die Streichhölzer. Einer hält das Reagenzglas vor sich – nicht umdrehen, ja, die Öffnung nach unten halten – und der anderen taucht von unten ein brennendes Streichholz einfach rein. Kann nix passieren, probiert es einfach aus. - PLOPP! - Auspusten, nicht die Finger verbrennen, und da das reinschmeißen."
SPRECHERIN:
Die Mischung aus Wasserstoff und Sauerstoff verbrennt explosionsartig. Im Reagenzglas sorgt das fĂĽr ein charakteristisches Pfeifen:
GERĂ„USCH Knallgasprobe (2")
SPRECHERIN:
Das ist die berĂĽhmte Knallgasprobe.
O-TON Gehret 5: (6")Â
"Im Wasserstoff, da steckt sehr viel Energie drin. Und wenn man den anzündet oder oxidieren lässt, dann kommt die Energie raus."
SPRECHERIN:
Die Energie, die den Wasserstoff so attraktiv macht. Besonders, weil dabei aus Wasserstoff und Sauerstoff nur reines Wasser wird.
O-TON Gehret 4: (3")
"Da siehst Du auch richtig schön, dass da Wasserdampf entsteht."
SPRECHERIN:
...und ansonsten kein weiteres Treibhausgas. Genau deshalb soll Wasserstoff in Zukunft eine wichtige Rolle als Energieträger spielen, erklärt der Fachmann für Energie- und Klimapolitik Dr. Felix Matthes. Er ist Forschungskoordinator für dieses Gebiet am Öko-Institut und Mitglied im Nationalen Wasserstoffrat. Für ihn ist Wasserstoff besonders in solchen Bereichen wichtig, in denen sich Klimaneutralität kaum anders verwirklichen lässt.
O-TON Matthes 1: (18")
"Erstens bei Industrie, zweitens bei Flug und Schiffsverkehr, drittens fĂĽr den Bereich Auspendeln eines auf Sonne und Wind basierenden Energiesystems. Und vielleicht noch ein bisschen fĂĽr Schienenverkehr und so weiter." (SUMME 3'40")
MUSIK privat Take 001 „ Tesla's Engine”; Album: Mind of Tesla, Label: CD Baby - ‎ Interpret: Kim Merlino; Komponist: Kim Merlino; ZEIT: 00:28
SPRECHER:
Ein Element mit viel Potential – Wofür sich Wasserstoff nutzen lässt
MUSIK kurz hoch, dann darĂĽber:
SPRECHERIN:
Die günstigen Eigenschaften von Wasserstoff haben den Energieexperten Prof. Michael Sterner schon vor Jahren davon überzeugt, auf diesen Energieträger zu setzen. Sterner lehrt an der Ostbayerischen Technischen Hochschule Regensburg.
MUSIK ENDE
O-TON Sterner 3A: (17")
"Ja, den Wasserstoff können wir direkt in Reinform einsetzen, wenn wir Wasserstoff-ready Kraftwerke haben, wenn wir Brennstoffzellenfahrzeuge haben in Form von Lkws, das ist so die Hauptform; oder halt zur Reduktion von Eisenerz in der Stahlerzeugung."
SPRECHERIN:
Wasserstoff ist nämlich in der Lage, das Eisenoxid im Erz in Eisen umzuwandeln. Man nutzt dafür bislang meist Koks - wodurch jede Menge CO2 freigesetzt wird. Das ließe sich mit Hilfe von Wasserstoff einsparen. Und es gibt noch einen wichtigen Einsatzbereich für reinen Wasserstoff: als Stromspeicher.
O-TON Sterner 2: (17")
"Wir brauchen ihn <auch> ganz dringend in der Stromversorgung, zum Ausgleich von Dunkelflauten, von den Zeiten, wo kein Wind und keine Sonne da sind, europaweit. Also auch der Netzausbau nichts hilft und die Kurzzeitspeicher, also die Batterien und Pumpspeicher, leer sind."
SPRECHERIN:
Wie sich Strom mit Hilfe von Wasserstoff speichern lässt, dazu später mehr.
Die Liste, wo ĂĽberall Wasserstoff bei der Energiewende helfen kann, ist lang. FĂĽr viele Anwendungen kommt allerdings kein reiner Wasserstoff in Frage. Man muss ihn vorher umwandeln: in sogenannte Wasserstoff-Derivate.
O-TON Sterner 3B: (20")
"Und zwar in Kombination mit CO2 oder Stickstoff. Und dann können wir daraus E-Fuels machen, Methanol, Kerosin, Benzin, Diesel, aber auch Gas und das dann verwenden im Flug- und Schiffsverkehr. Und, ja, in der Industrie neben der Stahlerzeugung eben auch für die Chemie."
SPRECHERIN:
Z.B. für die Kunststoff-Herstellung. Die dafür notwendigen Kohlenwasserstoffe stammen heute größtenteils aus Erdöl und Erdgas. Man kann sie aber auch aus Wasserstoff und Kohlenstoff "zusammensetzen". Den Kohlenstoff gewinnt man etwa aus Kohlendioxid, das ohnehin aus der Atmosphäre verschwinden muss. Wasserstoff lässt sich aber ebenso mit Stickstoff aus der Luft verbinden: zu Ammoniak – der Basis z.B. für Düngemittel, aber auch für Sprengstoff.
Die entscheidende Frage ist dabei allerdings immer: Aus welchen Quellen stammt der Wasserstoff?
MUSIK privat Take 001 „ Tesla's Engine”; Album: Mind of Tesla, Label: CD Baby - ‎ Interpret: Kim Merlino; Komponist: Kim Merlino; ZEIT: 00:28
SPRECHER:
Von weiß bis schwarz, aber möglichst grün – Die Farbpalette des Wasserstoffs
MUSIK kurz hoch, dann darĂĽber:
SPRECHERIN:
In der Industrie spielt Wasserstoff schon lange eine Rolle. Und an diesen Wasserstoff kann man auf verschiedenen Wegen herankommen. Von ihrer Umweltbilanz her sind die allerdings sehr unterschiedlich. Um den Wasserstoff, was das angeht, unkompliziert einstufen zu können, hat man ihm Farben zugeordnet.Â
MUSIK ENDE
Wobei das Gas selbst in allen Fällen selbstverständlich farblos ist.
MUSIK privat Take 011 „ Endorphium”; Album: Mind of Tesla, Label: CD Baby - ‎ B00P4D49MS; Interpret: Kim Merlino; Komponist: Kim Merlino; ZEIT: 00:08
SPRECHER:
WeiĂźer Wasserstoff.
MUSIK ENDE
SPRECHERIN:
Das ist Wasserstoff, der direkt aus natürlichen Lagerstätten in der Tiefe stammt. Vermutet wird er z.B. in den Pyrenäen. Hinweise gibt es aber auch in Australien und selbst in Deutschland. Wie viel Wasserstoff sich auf diese Weise weltweit fördern ließe, ist allerdings unklar. Oft wäre man dabei wahrscheinlich auch auf das umstrittene Fracking angewiesen. Da erscheint es sinnvoller, erst einmal davon auszugehen, dass auch in Zukunft der Wasserstoff hergestellt werden muss. Bislang nutzt man dafür fast ausschließlich fossile Energieträger.
MUSIK privat Take 011 „ Endorphium”; Album: Mind of Tesla, Label: CD Baby - ‎ B00P4D49MS; Interpret: Kim Merlino; Komponist: Kim Merlino; ZEIT: 00:08
SPRECHER:
Wasserstoff: schwarz, braun und grau.
MUSIK ENDE
SPRECHERIN:
So ganz eindeutig ist die Zuordnung hier nicht. Aber schwarzer oder brauner Wasserstoff wird das Wasserstoff-Gas in der Regel genannt, wenn es mit Hilfe von Kohlevergasung erzeugt wird. Ist die Basis Steinkohle, spricht man von schwarzem Wasserstoff, bei Braunkohle von braunem. Den größten Anteil hat allerdings bislang grauer Wasserstoff. Für dessen Herstellung nutzt man überwiegend Erdgas. In allen Fällen wird jede Menge CO2 freigesetzt.
MUSIK privat Take 011 „ Endorphium”; Album: Mind of Tesla, Label: CD Baby - Interpret: Kim Merlino; Komponist: Kim Merlino; ZEIT: 00:08
SPRECHER:
Farbwechsel - Aus grau mach blau
MUSIK ENDE
SPRECHERIN:
Die Treibhausgas-Emissionen bei der Wasserstoff-Herstellung lassen sich unter anderem dadurch verringern, dass man besonders das Kohlendioxid, das bei der Produktion von grauem Wasserstoff entsteht, auffängt. Und zwar, bevor es in die Atmosphäre gelangt. Anschließend muss dieses CO2 dauerhaft unterirdisch eingelagert werden - etwa im Meeresboden, in ausgebeuteten Öl- und Gasfeldern. Auf Englisch spricht man von "Carbon Capture and Storage", kurz CCS. Das Kohlendioxid wird dazu in Gesteinsschichten in mehreren tausend Metern Tiefe verpresst. Sobald man dieses Prinzip bei der Herstellung von Wasserstoff aus Erdgas einsetzt, ändert sich die Bezeichnung: aus "grauem" Wasserstoff wird "blauer". Michael Sterner glaubt allerdings, dass man diesen Ansatz höchstens für eine Übergangszeit nutzen sollte - und nicht auf Dauer.
O-TON Sterner 27: (15")
"Ich bin der Ansicht, dass wir die wenigen Lagerstätten, die wir unterirdisch haben für CO2, dass wir wirklich die für die nicht vermeidbaren Emissionen nutzen sollten - aus Zement und anderen Quellen - und nicht für eine Technologie, die letztendlich doch fossiles Erdgas verstetigt."
SPRECHERIN:
Sinnvoller sei deshalb ein ganz anderer Ansatz.
MUSIK privat Take 011 „ Endorphium”; Album: Mind of Tesla, Label: CD Baby - Interpret: Kim Merlino; Komponist: Kim Merlino; ZEIT: 00:08
SPRECHER:
Elektrolyse - Wasserstoff von rot bis grĂĽn
MUSIK ENDE
ATMO Besucherlabor, darĂĽber:
O-TON Gehret 6b, 2. Teil:
"Kommt mal hier nach vorne, da habe ich einen Apparat aufgebaut, da machen wir aus Strom die Gase."
SPRECHERIN:
Zurück im Besucherlabor des Deutschen Museums in Nürnberg. Johannes Gehret zeigt den Schülerinnen und Schülern ein Gefäß mit Wasser, in das zwei Metallelektroden getaucht sind. Über Stromkabel sind sie mit einem Netzteil verbunden: eine Elektrode mit dem Pluspol, die andere mit dem Minuspol. Sobald Strom fließt, steigen an den Elektroden Gasbläschen auf.
O-TON Gehret 7:
"D.h., wenn ich jetzt Strom in Wasser reinpumpe, dann baue ich das Wasser auseinander, okay. Ich kann das Wasser kaputtmachen. Wasser ist H2O, das besteht aus zweimal Wasserstoff und einmal Sauerstoff
SPRECHERIN:
An der Elektrode, die am Minuspol angeschlossen ist, bilden sich deshalb mehr Bläschen, denn hier wird der Wasserstoff freigesetzt. An der anderen Elektrode, an der Sauerstoff nach oben perlt, ist die Gasmenge geringer. Der Vorgang nennt sich "Elektrolyse". Je nachdem, wo der Strom herkommt, der das Wasser zerlegt, bezeichnet man den Wasserstoff wieder mit unterschiedlichen Farben. Rot, pink, rosa oder violett heißt er etwa, wenn der Strom aus Kernkraftwerken stammt. Liefern hingegen erneuerbare Energiequellen den Strom, spricht man von "grünem" Wasserstoff. Und genau der könnte auch das Problem mit den Dunkelflauten lösen. Denn in Form von grünem Wasserstoff lässt sich Wind- und Solarstrom speichern.
O-TON Gehret 6a: (12")
"Ich kann den Strom durch den Raum, also von A nach B mitnehmen, den Strom. Und ich kann den Strom auch von gestern nach heute mitnehmen, oder von heute nach morgen. DafĂĽr sind Speicher da."
SPRECHERIN:
Steht z.B. mehr Strom aus erneuerbaren Quellen zur Verfügung als gerade gebraucht wird, erzeugt man mit Hilfe eines großen Elektrolyseurs Wasserstoff. Können Windkraft- und Solaranlagen zwischenzeitlich nicht genügend Strom liefern, wird der gespeicherte Wasserstoff in eine sogenannte Brennstoffzelle geleitet. Das ist eine Art Gefäß, in dem sich Wasserstoff auf der einen Seite befindet und Sauerstoff bzw. Luft auf der anderen Seite. Dazwischen: eine spezielle Schicht, die die beiden Gase voneinander trennt, aber für positiv geladene Wasserstoff-Atome durchlässig ist. Vom Aufbau her ähnelt die Brennstoffzelle einer Batterie. Was dann passiert? Das können die Schülerinnen und Schüler im Besucherlabor ebenfalls ausprobieren.
O-TON Gehret 8:
"Was machen denn diese Gase, wenn man sie lässt? Habt Ihr vorhin beim Anzünden gemacht. Hier muss man das jetzt nicht anzünden, aber es passiert die gleiche Reaktion. Was passiert mit Wasserstoff und Sauerstoff, wenn die miteinander reagieren? H2O – H2O, was ist denn das? Wasser, genau. Also, Wasserstoff und Sauerstoff, wenn man die miteinander reagieren lässt, reagieren die wieder zu Wasser und dann kommt die Energie da wieder raus."
SPRECHERIN:
In diesem Fall aber nicht in Form einer Stichflamme, sondern langsam und kontrolliert: die Energie kommt als ein bisschen Wärme raus und – das Entscheidende – als elektrischer Strom. Reaktionsprodukt ist, wie bei der heißen Verbrennung, wieder nur Wasser. Allerdings verliert man durch die Umwandlungsschritte - Wasser zu Wasserstoff und zurück zu Wasser - momentan noch gut die Hälfte der elektrischen Energie, die ursprünglich einmal zur Verfügung gestanden hat. Es ist also besser, den Strom aus erneuerbaren Quellen direkt zu nutzen – ohne einen "Umweg" über Wasserstoff. Doch wenn das nicht geht, oder wenn man den Wasserstoff eben als Substanz benötigt, dann lässt sich die grüne Variante annähernd klimaneutral herstellen.
Das klingt nach einer perfekten Lösung – weshalb auch die Politik in vielen Ländern auf grünen Wasserstoff setzt, um die Energiewende voranzutreiben.
MUSIK privat Take 001 „ Tesla's Engine”; Album: Mind of Tesla, Label: CD Baby - ‎Interpret: Kim Merlino; Komponist: Kim Merlino; ZEIT: 00:14
SPRECHER:
Notwendige Unterstützung – Wo sich Wasserstoff noch schwertut
MUSIK ENDE
O-TON Habeck 1: (15")
"Also die Faustformel ist: Wir fördern grün, und nehmen alles. Und das ist auch richtig so. Wir müssen ja den Hochlauf organisieren. Die Leitungen werden gebaut, und irgendwas muss ja da durchgehen. Die Kraftwerke werden umgestellt, irgendetwas muss da reinkommen. Und mit dem Hochlauf des grünen Wasserstoffs wird er günstiger werden."
SPRECHERIN:
Das verkündete der damalige Bundeswirtschaftsminister Robert Habeck ziemlich optimistisch im Sommer 2023. Er und andere Politiker sahen Deutschland schon auf einem guten Weg zu so etwas wie einer "Wasserstoffgesellschaft". Tatsächlich ist dieser Weg wohl wesentlich steiniger als gedacht. Das zeigt sich schon bei der Menge von grünem Wasserstoff, die hierzulande gegenwärtig aus den Elektrolyseuren kommt, meint Michael Sterner. Man gibt diese Menge häufig in Terawattstunden an, einer Maßeinheit für Energie.
O-TON Sterner 4 + 5: (21")
"Wir sind, wenn man das hochrechnet, irgendwo bei zwei Terawattstunden an grünem Wasserstoff, den wir überhaupt erzeugen. Und alleine den grauen Wasserstoff zu ersetzen, den wir heute schon aus Erdgas herstellen, alleine das wäre schon das Zwanzigfache. Also da sind noch Welten dazwischen zwischen dem, was man so liest und diskutiert in der Politik, und was tatsächlich auch umgesetzt ist." STIMME OBEN – BITTE ABNEHMEN!
SPRECHERIN:
... Wobei die Sache auch mittelfristig nicht einfacher werden dürfte. Alle Schätzungen gehen davon aus, dass der Bedarf an grünem Wasserstoff bzw. an grünen Wasserstoff-Derivaten in Deutschland bis 2045 extrem steigen wird. Um diesen Bedarf zu decken, müsste man die Elektrolyse-Kapazitäten in den kommenden Jahren mindestens um gut das Dreihundertfache erhöhen. Unwahrscheinlich, dass das allein hier vor Ort passiert. Allein schon wegen der Kosten, erklärt Felix Matthes.
O-TON Matthes 10: (24")
"Wir werden vermutlich nur einen kleineren Teil im Land produzieren an Wasserstoff. Wir haben Marktindikatoren, die zeigen zum Stand von heute fĂĽr deutsche Produktion irgendetwas zwischen acht und zehn Euro pro Kilogramm. Wir haben einen Marktindikator von der iberischen Halbinsel, da betragen die Kosten sechs."
SPRECHERIN:
Es dürfte also darauf hinauslaufen, dass Deutschland große Mengen von grünem Wasserstoffgas importiert – per Pipeline aus Spanien oder auch aus Marokko. Über entsprechende Allianzen wird längst verhandelt. Wobei der Umstieg auf grünen Wasserstoff anfangs wohl subventioniert werden müsste. Denn selbst der aus Erdgas gewonnene Wasserstoff, bei dem man das freiwerdende, klimaschädliche CO2 auffängt und unterirdisch einlagert, ist ein gutes Stück günstiger. Dieser blaue Wasserstoff kostet nur knapp vier Euro pro Kilogramm. Reines Wasserstoffgas, das durch große Röhren zu uns strömt, wird aber nicht das einzige grüne Wasserstoffprodukt sein, das Deutschland bezieht. Auch Für weiterverarbeiteten Wasserstoff wird es wohl importieren – hier denkt man über andere Wege nach.
O-TON Matthes 11: (28")
"Wenn es um Wasserstoff-Derivate geht. Also, das heiĂźt synthetischen / Kraftstoff oder Ammoniak oder Methanol fĂĽr Schiffe oder ein paar wenige Chemie-Prozesse, dann werden wir die vermutlich nicht aus Europa bekommen, sondern aus weiter entfernten Regionen, wo einerseits / die Produktion von erneuerbarem Strom deutlich billiger ist, wo aber andererseits die Transportkosten vergleichsweise gering sind."
SPRECHERIN:
Infrage kommen dafĂĽr z.B. das sĂĽdliche Afrika und SĂĽdamerika, wo die Wetterbedingungen fĂĽr Windkraft- und Solaranlagen geradezu ideal sind, sagt Michael Sterner.
O-TON Sterner 8: (13")
"Natürlich ist es so, dass, wenn Sie eine Windkraftanlage in Chile aufstellen, in den besten Wind-Gebieten, wo die Bäume wirklich schräg wachsen, weil die ganze Zeit der Wind weht, an diesen Stellen haben Sie mit der gleichen Windkraftanlage den dreifachen Ertrag."
SPRECHERIN:
Chile will zu einem der weltweit größten Produzenten von grünem Wasserstoff und den darauf basierenden Wasserstoff-Derivaten werden. Besonders europäische Politiker und Unternehmen verhandeln bereits über entsprechende Projekte. Den Transport sollen Tankschiffe übernehmen. Umweltschützer sehen den Aufbau gewaltiger Windkraftanlagen in Chile allerdings mit Sorge. Und wo in sonnigen, trockenen Gegenden genügend reines Wasser für die Elektrolyseure herkommen soll: Das ist ebenfalls eine wichtige Frage. Jedenfalls existieren die Konzepte für einen Umstieg auf Wasserstoff - aber es hakt gerade an vielen Stellen. So ist ein politisches Instrument weggefallen, mit dem Wasserstoff verstärkt in die Treibstoffproduktion gebracht werden sollte. Außerdem hat in Deutschland das Aus der Regierungskoalition im November 2024 vorerst verhindert, dass die "Kraftwerksstrategie" umgesetzt werden kann. Bestehende Gaskraftwerke sollten für einen Betrieb mit Wasserstoff umgerüstet werden. Und es sollten neue, wasserstofftaugliche Kraftwerke entstehen. Was nun aus dieser Strategie wird, ist offen.
O-TON Matthes 4C (ab 6:15): (12")
"Das dritte große Instrument waren die Subventionen für die Industrie mit dem sogenannten Instrument der Klimaschutzverträge und manch anderen Dingen. Und die sind uns durch die Haushaltskrise abhandengekommen."
SPRECHERIN:
Es fehlt also die Förderung auf der Nachfrageseite – die aber angesichts der sehr viel höheren Kosten für grünen Wasserstoff unabdingbar ist, will man seine Nutzung vorantreiben.
Auch wenn bereits erste Wasserstoff-Infrastruktur entsteht, und obwohl etwa die Stahlindustrie schon konkrete Pläne für die Produktion von grünem Stahl entwickelt hat: Es klemmt beim Wasserstoff-Hochlauf gerade massiv. Und da wäre noch ein Punkt, der die Sache schwieriger macht, sagt Michael Sterner.
O-TON Sterner 24: (14")
"Wasserstoff hat auch ein Treibhausgaspotenzial. Das ist noch nicht ausreichend erforscht, aber es liegt irgendwo bei 15, also im Vergleich. CO2 hat als Normungs-Basis den Wert eins, also, das ist nicht so ohne mit dem Wasserstoff."
SPRECHERIN:
Wasserstoff ist demnach rund 15-mal klimaschädlicher als CO2. Doch solange das Gas nicht in die Atmosphäre gelangt, ist es auch nicht klimawirksam. Aber: Wasserstoff-Moleküle sind so winzig, dass sie selbst durch kleinste Lecks entweichen. Das macht den Umgang mit Wasserstoff anspruchsvoll. Für Felix Matthes ist das aber kein K.O.-Kriterium, was den Umstieg auf Wasserstoff angeht.
O-TON Matthes 20: (16")
"Man darf das nicht ignorieren, aber es ist jetzt auch nichts, was die Strategie insgesamt auf sozusagen in Frage stellen wĂĽrde. Aber es ist wieder ein Grund dafĂĽr, dass man sagt ĂĽberall, wo es irgendwie anders geht, sollten wir es auch ohne Wasserstoff machen.
MUSIK privat Take 009 „Dusty Rain”; Album: Mind of Tesla, Label: CD Baby - Interpret: Kim Merlino; Komponist: Kim Merlino; ZEIT: 00:53
SPRECHERIN:
Auch wenn grüner Wasserstoff eine spürbare Rolle bei der Energieversorgung spielen soll, er fossile Brennstoffe ersetzen kann - und auch wenn man für Wasserstoff eine wachsende Bedeutung in der Industrie plant: Er wird nur eine Säule der Energiewende sein – nicht die entscheidende. Da sind sich Expertinnen und Experten wie Michael Sterner und Felix Matthes einig.
O-TON Matthes 1A (z.B. Kombi mit 14B): (14")
"Das heiĂźt, der ist wichtig, der bringt die letzten zehn bis 15 Prozent der Emissionen.
SPRECHERIN:
Aber selbst, diese – in Anführungsstrichen – "nur" zehn bis 15 Prozent der Treibhausgas-Emissionen mit Hilfe von Wasserstoff loszuwerden, bleibt eine Herausforderung.
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